Stadt-Schreiben

Dieser Blog begann in der Stadt Windsbach, wo ich einen Monat im Frühsommer 2017 als Stadtschreiberin verbrachte. Es wurde ein bißchen mehr draus. Paradoxerweise ist es beinahe leichter über eine Stadt zu schreiben, die man noch nicht kennt. die Eindrücke treffen einen unvorhergesehen und man ist frei für die neuen Eindrücke. Ich schreibe aber auch über andere Orte, vertrautere Städte, über Berlin, der Stadt, in der ich wohne. und manchmal über wirklich fremdes Terrain. z.B. im Gazastreifen.

 

zum illustrierten  GAZA-PROJEKT-TAGEBUCH 2018 – 2020  (Reisen und Inszenierung)

zum Beginn des Blogs, dem WINDSBACHER TAGEBUCH

Aufenthalts-Stipendium „Literatur und Menschenrechte“, MERAN, Januar 2019

38 Stunden IRLAND  | „After-Life – and how to fake it“, IRLAND II 1919IRLAND III 2020

nach Italien (PERUGIA, PORDENONE – JEFF BECK und JOHNNY DEPP in concert)

 

zum AKTUELLEN ALLTAGS-BLOG

Zur Zeit ist „Stadtschreiben“ fast nur am Ort meiner Kindheit möglich, wo meine Eltern leben und Demenz sich als chronische Familienkrankheit erweist. In erster Linie schreibe ich wohl eh, um nix zu vergessen,

März 

noch kälter. die Kassiererin bei Edeka mit dem langen dünnen  Haar ist so elektrostatisch aufgeladen, daß es jedes einzelne der Haare in einem Winkel von 90 Grad zur Rückenlehne ihres  Drehstuhls zieht. es sieht aus, als wäre sie verdrahtet und die Fäden, die aus dem Polster  ragen bestimmten ihr Handeln,  und hielten sie aufrecht und davon ab, sich anzulehnen. An ihr vorbei ziehen die Waren auf dem Laufband. An Rudi Carrell gedacht.

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Der Vater spricht wenig. manchmal als einen ganzen Tag lang  kein Wort. er wirkt dann entweder ungeheuer weise oder traurig. um so überraschender sind dann die Sätze, die er plötzlich doch raushaut. Gestern nach dem Essen versucht, seine obere Prothese rauszunehmen, eine manchmal klemmende Schiene: „Gibst du mir kurz Deine Zähne?“

er stimmte nicht direkt zu aber öffnete doch den Mund. die Schiene saß aber doch sehr fest. ich gab erstmal auf: „Deine Zähne sitzen total fest!“  – sah er mich verwundert an und sagte fast entrüstet und sehr klar „Na, das wird ja wohl auch gut sein!“

[…]

 

März, 2023

Das Pflegebett des Vaters passt haarscharf durch die Tür zur Terrasse. keinen halben Zentimeter dürfte es breiter sein. Bisher habe ich es nur bis zur Schwelle geschoben, wo zur Mittagszeit die Sonne fast bis zur Nasenspitze reicht. Die Schwelle scheint unüberwindbar, weil ein Blech, eine Art Stolperfalle, sich zu einer unnützen Stufe aufspielt und dahinter eine weitere echte Betonstufe kommt. Die Mutter fand alte Schranktüren, die ebenfalls haarscharf genau so breit sind wie die Tür. Beinahe-Rampe! nur ein kleines bißchen Anlauf fehlt… 

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der Vater spricht wenig. manchmal als einen ganzen Tag lang  kein Wort. er wirkt dann entweder ungeheuer weise oder traurig. um so überraschender sind dann die Sätze, die er plötzlich doch raushaut. Gestern nach dem Essen versucht, seine obere Prothese rauszunehmen, eine manchmal klemmende Schiene: „Gibst du mir kurz Deine Zähne?“

er stimmte nicht direkt zu aber öffnete doch den Mund. die Schiene saß aber doch sehr fest. ich gab erstmal auf: „Deine Zähne sitzen total fest!“  – sah er mich verwundert an und sagte fast entrüstet und sehr klar „Na, das wird ja wohl auch gut sein!“

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der kalte Frühling. das beschlagene Fenster, der Weichzeichner der Scheibe. die  Mutter („so nah und doch so fern“) die alles vergisst, der Vater der Imme rmehr schweigt, aber um so weiser wirkt. eine Zeile eines Mahler/Rückert Liedes im Kopf, „Ich bin der Welt abhanden gekommen“. die Sehnsucht nach dem Freund in Berlin, möchte ihm entgegenlaufen, aber er wird unterwegs sein, um alle Brandenburger Seen laufend. doch ein paar Sonnentage… 

bin ich für ihn auch so fern? bin ich für ihn wie unter einer Glasgloocke, wie es die Mutter für mich zu sein scheint? ich beginne es hier zu hassen. 

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die Rampe ist fertig, das Bett des Vaters, das ansonsten für mich wie eine Insel inmitten eines Ozeans aus Chaos steht (im Wohnzimmer), setzt sich in Bewegung und wird zum Schiff. zum Eisbrecher, der sich den Weg durch die Tür und Freie schrammt – doch nicht schrammt, um Haaresbereits nach draußen ausläuft. der Vater fast aufrecht steuert dem Frühling entgegen.

in Kissenbergen  liegt er in der Sonne, ein nacktes Bein ragt daraus hervor wie ein EIsberg. Fast immer ist das linke Bein jetzt angezogen, angewinkelt. ansonsten liegt er entspannt und er Sonne, eine Sonnenbrille ohne Bügel wie einen Kneifer auf der Nasenspitze. Ein schläft fast augenblicklich ein, zu viel ist der Garten. dennoch schön.

es wachte auf als ich mit dem gelben Gummiball auf der Terrasse herumzupicken begann. hellwach. die Arme brechen aus der Tiefe hervor und sind fangbereit. es ist oft so: man denkt, der Vater schläft, ist weit weg und bereits in einer anderen Sphäre, dann wirft man ihm einen Ball zu und er ist wieder da. musste an eine Szene aus „Zeit des Erwachens“ denken. die zu Leben erweckten Enzephalitis-Patienten, die wie erstarrte Statuen über Jahrzehnte hinweg kein Lebenszeichen von sich gaben. Robert de Niro. Robin Williams als Arzt (quasi Oliver Sacks darstellend) initiierte Ballspiele, in denen ein Reigen von Eruptionen von Werfen und Fangen seinen Lauf nahm. Es sei, sagt er, als habe der Ball den Menschen seine Energie geliehen“

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Warum kann Robin Williams nicht unser Hausarzt sein. oder Oliver Sacks?

Der Hausarzt hier im Ort…

[…]

20. Februar, Neukeferloh

Auf und ab. der Vater ist sehr müde, aber jetzt, wo der SOhn, also sein Enkel da ist, ist Wachheit jeder Zeit möglich. Der Sohn hat im Garten einen gelben Gummiball entdeckt, offensichtlich ein Werbegeschenk der Drogeriekette Müller. er kickt damit im Garten herum. der Vater, im Pflegebett wirkt fern und entrückt, nur wenn der Ball auf ihn zufliegt schnellen die Hände empor und er hält ihn. Schwellengefühl. ich wünschte, das Bett würde durch den Türrahmen passen. es fehlt einzig ein halber Zentimeter!

17. Februar. Neukeferloh

Habe nun doch „marmorierte Haut“ gegoogelt. wollte es erst nicht, um nicht zu viele schreckliche Krankheitsbilder im Kopf stecken zu haben, aber stelle nun fest, es ist das was ich manchmal nach der Sauna am Oberschenkel habe. Oder  wie die nackte Haut in den Gemälden von Egon Schule. Vor allem ersteres erdet die Tatsache. Vielleicht ist dieser „Todesvorbote“ eher ein Kreislaufproblem. Allerdings erinnere ich mich allerdings daß – als ich das zum ersten Mal  bei mir selbst gesehen habe, vor langer zeit in der Schwimmhalle am Ernst-Thälmannpark, ich auch dachte, daß das etwas sehr Bedrohliches ist. ist es ja auch, plötzlich schimmert das durch, was unter der Haut ist. Die Ahnung von „Unten-Drunter“ bedroht die sonst so gut funktionierenden Verdrängungsmechanismen. irgendwann ist Schluß und… „alles Fleisch…. es ist wie Gras“. – wieso fällt mir jetzt Verdi’s Requiem ein. Aber wieso ist alles Fleisch wie Gras? erzähl das mal den Veganern.

10. -14. Februar

Die Nacht ist überstanden. Er hätte marmorierte Haut gehabt, offensichtlich ein Zeichen, daß der Tod naht. traue mich nicht nach Bildern im Netz zu googeln. Assoziation des Wortes „Lipide“, bin mir nicht sicher und will es auch nicht so genau wissen. starre seine Augenlider an, die , wenn sie geschlossenen sind, durchzogen sind von zarten roten Äderchen. Ist es das? Sie sagt aber, das Marmorierte sei verschwunden. Das Antibiotikum schlägt an. Über den Berg? Über den Jordan, nochmal abgebogen kurz vor dem Tunnel. die große Erleichterung. Die Achterbahnfahrt. die Zitterpartie. wieder besser. Überraschend kommen die Nachbarskinder und fahren abwechselnd mit dem Pflegebett hoch und runter; sitzen am Fußende und schauen in die Welt, während der Vater umgeben von riesigen Kissen und mit seitlich übereinander gefalteten Beinen unter dem Kirschblüten Federbett liegt und .milde lächelt und wohlwollend nickt. WInzig und zerbrechlich sieht er aus, wie in Watte gepackt.  Der Junge fragte später, ob mein Vater eine Krankheit hätte bei der man schrumpfe, so klein sieht er aus. Erstes Zeichen von lebendiger Normalität. alle essen Butterkekse. 

9. Februar.

Schlaflose Nacht. liege am Fenster, der Mond ist nicht mehr ansehnlich. einen Meter von mir entfernt liegt der Vater in seinem Pflegebett und sein Atem rasselt. Gedanke an Klapperschlangen in einer kalten Wüste. Traimfetzen von Durst. Starren auf den Kochsalzbeutel der tröpfchenweise Flüssigkeit bringt. verläuft alles, versickert alles? ist es als würde man das Gewebe „gießen“ wie eine verdorrte Steppe mit einer Gießkanne, anstatt intravenös eine Leitung in den trocknen Boden zu legen. Wasserkocher neben dem Bett läßt mich Tee kochen können ohne aufzustehen und verdampft Wasserschwaden. Trinken geben. einschlafen wollen. doch nicht. Das Filmmaterial gesichtet und geschnitten, die Aufnahmen, die B. im Sommer machte, ganz so nebenher, um ihre neue Kamera zu testen: der Vater im Garten wie in einer grünen Oase. Lebensgeister. Strohhalme, Amseln im grünen Dicklicht. Fluss der Worte…

Aus der Gefühlt schlaflose Nacht mit gutem Erwachen: Das Antibiotikum muss angeschlagen haben! Erleichterung. kein Fieber die Frau die das Palliativteam koordiniert, nicht die mit den Supermarktangeboten, sondern die  Unterhachinger schien nur positives gesagt zu haben, kein Fieber, nicht dehydriert, die Lunge frei… bringe sie guter Dinge zur Tür, als sie sich nochmal umdreht und mir wohlwollend ernst in die Augen sieht und sagt. es würde sie nicht wiundern, wenn er die kommende Nacht nicht überlebe. – – – mich wundert doch auch nichts mehr! aber woher kommt das?  ich dachte, ich hätte die schlaflose Nacht mit eben jenem Gedanken verbracht und vor allem hinter mich gebracht. 

8. Februar

nach dem gestrigen „Spaziergang zum Tisch“, nach der Suppe, nachdem er noch ein bißchen am Tisch saß, ich mich aber bereits wieder auf „Mein Sofa“ verkrochen hatte zum Schreiben, während die Eltern noch um die Ecke saßen… Zeitungsknistern, die behutsame Stimme der Mutter, das Hüsteon des Vaters… ein bißchen zu lange gewartet mit dem Zurück ins Bett. Wieder das schreckliche Schnaufen aus heitrerem Himmel, der glasige Blick, wieder brach die linke Seite weg und die Champignonsuppe sich Bahn, nicht wieder raus aus dem Mund, sondern durch die Nase rann sie dick und säuerlich vermischt mit Eiter. Der Pflegedienst versprach jemand zu schicken, nach langer Zeit Heften wir ihn zurück in Bett. bin fassungslos, wie ich die Zeichen habe übersehen können. waren es überhaupt welche? eben noch wollte e immer weiter, dann der Kollaps. Aufgefallen war mir nur der plötzlich spärliche Urinfluss. der schlierige Schlauch des Katheterbeutels, durch den aber immer noch heller Urin floss. ein Stau? kein Krankenhaus diesmal. Morgen wird der Katheter sowieso gewechselt.

***

Abends kam Bereitschaftsarztund empfahl das Krankenhaus wieder dringend. hatte so gehofft, es läge nur am Katheter, das Teil könne gezogen ein neuer gelegt werden, die Blase sich erholen…statt dessen: entwickele sich gerade eine Lungenentzündung. Links. „Deshalb versagt die Niere, deshalb kommt kein Urin. es war ein sehr freundlicher und geduldiger Arzt, nahm sich viel Zeit, auch zu reden. verstand, daß ich mir des Risikos bewußt bin, aber den schrecklichen Kreislauf der Krankenhauseinweisungen durchbrechen muss. Nicht wieder ein Abtransport in der Nacht, nur halb angezogen, ohne Möglichkeit der Begleitung und Klarheit „Wohin“. Ausschlaggebend für meine fragile  Sicherheit war aber auch die fast kosmische Fügung, daß Apotheke und Pflegedienst damals versehentlich zwei Packungen von dem so schwer verfügbaren Antibiotikum mit geliefert hatten. der feine Unterschied. vielleicht schlüge es an, sagte der Arzt, dann sei Hoffnung.

7. Februar, Neukeferloh

Einkäufe wieder bei Edeka online. wird geliefert durch Company namens „Bringmeister“. muss bei jeder Bestellung an die HOspizfrau denken, die sagte sie sei wie ein  Supermarkt, der Angebote habe, ich müsse entscheiden was ich liefern lasse. bei Bringmeister heute Nacht lange nicht erfolgreich. immer wieder leerte sich mein Warenkorb oder die Seite hing. immer ist alles zu viel oder zu wenig. vergessen Götterspeise zu kaufen. 

der Vater sitzt wieder am Tisch und löffelt selber Champignonsuppe. C. von der Pflegevisite begeistert. weil er so gut zu „Mobilisieren“ ist.

[…]

6. Februar, Neukeferloh

Gestern schlaflos aber gute Nacht. Himmel war nicht klar aber ein voller Mond schien sehr fern, sehr klein steil herab durch das große Fenster an dem ich liege. wirkte unwirklich, fast künstlich, als hielte jemand mit ruhiger Hand eine kleine aber starke LED-Taschenlampe um die Lage zu checken. blass und kalt. dennoch schön.

Tag noch besser. Eisig aber schön. 

bis zur Terrassentür – stand dort kurz auf den Gehwagen gestützt. Es wäre ein schöner Blick in den Garten gewesen, aber der Vater wollte heute lieber zum Tisch.  saß lange auf seinem alten Platz, aber hoch erhaben auf dem erhöhten Rollstuhl. die Mutter und ich löffeln Suppe und kommen uns untergeben vor. .Nachmittags Frau M. Freute sich sie zu sehen. lächelte mild. Ich  hätte einkaufen fahren können und müssen, weil Apotheke noch keine Dekubituspflaster geschickt hat.  aber Motorrad sprang nicht an. Anderes Nötigstes von der Tankstelle. Apfelmus. Leberkäs. Fruchtzwerge. Die Tankstelle wird immer wichtiger –   zu oft besucht verliert sie aber den Zauber des Sommers. und den der beiden Treffen mit G. Heute lange Schlange vor der Waschanlage. seltsam. dachte immer keiner benutzt diese Dinger.

Trinkbilanz jetzt seit Tagen gut sehr gut ausgezeichnet. Urin klar und viel. getrunken wieder fast wie früher. komme (mit Trinken nachts) auf 1800 ml

5. Februar, Neukeferloh

Gehversuche immer leichtfüßiger.zur Terrassentür. Trostloser Februar-Garten, dennoch berauschend. tanze und juble, um von der Tristesse der Terrasse abzulenken, jenseits der Tür und winke dem Vater zu. Er Gestützt auf den Gehwagen nickt von der anderen Seite. alle sind begeistert, er allerdings, später zurück im Pflegebett, ist nachdenklich geworden. wundert sich, warum wir wegen ein paar Schritten so aus dem Häuschen sind. wird ihm erst jetzt bewußt, wie krank er ist? war!

4. Februar, Riem

Die nicht wieder zu rettenden Daten. der neue leere Mac. Die fehlende Schnittstelle zwischen USB und USB… 

nicht viel Zeit an diesem Samstag, eisig. Motorrad sprang gerade so an. Autobahn, Riem – wäre lieber auf den Flohmarkt, aber kann nur kurz weg.

Schlimmer als in den Riem-Arkaden EInkaufen ist nur in den Riem-Arkaden ohne die Geldbörse mit zu haben. Saturnmann mit Haarreif nur höflich wenn Kaufkraft. die ungeduldige Kassiererin. der ungläubige Zweitkassenmann, weil ich nach Kreditkauf fragte, nach Paypal. die Samstags geschlossenen Sparkassen, die nicht mehr existierenden Postämter mit Postbank, nur der Out-Source-Dealstand bei Edeka. Kam mir bereits selbst wie eine Betrügerin vor, die Saturnmänner und Frauen um Geld anhaut und nach immer billigeren Adaptern fragte, der nicht ausreichende Klimperrest vom Grund der Tasche. die Verzweiflung Über das sich schließende Zeitfenster.

Daß ich überhaupt noch fragte am Infostand, wo ein unsagbar seriös aussehender Mensch, vielleicht Asiatischer Herkunft, vielleicht Arabischer, Indonesischer, erst nicht  an seinem Pult saß, aber dann auf einem Bürostuhl wie aus dem Nichts oder heiterem Himmel heranrollte in einem einzigen eleganten Schwung. Hochgewachsen, schlank. Sein Lächeln schien mir erst Hohn als er sagte, das sei aussichtslos. hier wäre keine Instanz, die helfen können- aber legte einen 20-Euro-Schein auf den Auskunfts-Tisch, aus seiner eigenen Geldbörse. offener Blick. einfach so. ohne Wenn und Aber ohne Sicherheitscheck. Kaum daß er mir seinen Kontakt auf die offizielle Auskunfts-Stands-Visitenkarte schrieb. kam rechtzeitig zurück bevor der Vater verdursten hätte können. Fühle mich verloren und aufgehoben und glaube wieder an das Gute im Menschen.

Nachmittags Vater sehr wach und orientiert. Vivaldi gehört. An der Bettkante gesessen und mit dem Pedalgerät trainiert. (Wo fährst DU hin?“ – „Nirgends!“)

Vor kurzem hatte e noch gesagt „Berlin!“. Nirgends ist realistischer und  immer schwingt doch noch so was von „Nirvana“ mit. wir sind inzwischen zweifach bei Palliativ-Care-Imstitutionen angemeldet. habe mich inzwischen mit der Frau am Telefon ausgesprochen, die mir so bedrohlich schien. nahm sich viel Zeit und hörte sich alles ruhig an. sagte alles seien nur Vorschläge. sie sei wie ein Supermarkt, der Angebote unterbreite. wählen müsse ich. Ansonsten glaube ich daß wir beide denken, daß wir uns im anderen irgendwie gespiegelt sehen. der ambulante Hospiz Kontakt, die der Haus-Arzt ist die medizinischer Ergänzung. hatte erst Angst, daß ich von allem zu viel habe, zu viel Endzeit. zu viel Todesahnung – wo alles doch so gut läuft. immer wieder die Versicherung, die ich hören muss: es verpflichtet nicht zum sterben, wenn man ein Palliativ-Team, bzw zwei an der Hand hat. die dominantere Frau leitet ehrenamtliche Unterstützer, die aus Unterhaching koordiniert ein medizinisches Team. 

4. Februar, Riem

Die nicht wieder zu rettenden Daten. der neue leere Mac. Die fehlende Schnittstelle zwischen USB und USB… 

nicht viel Zeit an diesem Samstag, eisig. Motorrad sprang gerade so an. Autobahn, Riem – wäre lieber auf den Flohmarkt, aber kann nur kurz weg.

Schlimmer als in den Riem-Arkaden EInkaufen ist nur in den Riem-Arkaden ohne die Geldbörse mit zu haben. Saturnmann mit Haarreif nur höflich wenn Kaufkraft. die ungeduldige Kassiererin. der ungläubige Zweitkassenmann, weil ich nach Kreditkauf fragte, nach Paypal. die Samstags geschlossenen Sparkassen, die nicht mehr existierenden Postämter mit Postbank, nur der Out-Source-Dealstand bei Edeka. Kam mir bereits selbst wie eine Betrügerin vor, die Saturnmänner und Frauen um Geld anhaut und nach immer billigeren Adaptern fragte, der nicht ausreichende Klimperrest vom Grund der Tasche. die Verzweifluing Über das sich schließende Zeitfenster.

Daß ich überhaupt noch fragte am Infostand, wo ein unsagbar seriös aussehender Mensch, vielleicht Asiatischer Herkunft, vielleicht Arabischer, Indonesischer, erst nicht  an seinem Pult saß, aber dann auf einem Bürostuhl wie aus dem Nichts oder heiterem Himmel heranrollte in einem einzigen eleganten Schwung. Hochgewachsen, schlank. Sein Lächeln schien mir erst Hohn als er sagte, das sei aussichtslos. hier wäre keine Instanz, die helfen können- aber legte einen 20-Euro-Schein auf den Auskunfts-Tisch, aus seiner eigenen Geldbörse. offener Blick. einfach so. ohne Wenn und Aber ohne Sicherheitscheck. Kaum daß er mir seinen Kontakt auf die offizielle Auskunfts-Stands-Visitenkarte schrieb. kam rechtzeitig zurück bevor der Vater verdursten hätte können. Fühle mich verloren und aufgehoben und glaube wieder an das Gute im Menschen.

Nachmittags Vater sehr wach und orientiert. Vivaldi gehört. An der Bettkante gesessen und mit dem Pedalgerät trainiert. (Wo fährst DU hin?“ – „Nirgends!“)

3. Februar, Haar

Alter Mann mit Lastenrad und im Gepäck ein Kasten WIldbräu parkt vor der Rossmann-Filiale und sagt zu mir „Werd Zeit daß da Summa kimmt!“ wartet die Zustimmung nicht ab und geht zum Postamt.-  hatte er den Frühling bewußt übersprungen?

2. Februar,

Winde wehen und rütteln an den alten und den neuen Rolläden, es klappert und scheppert draußen im Garten, vor dem Fenster nieselt und nebelt es – dennoch: Geborgenheiht auf der Couch. habe lange nichts gehört von der Maus, die im Inneren des Rolladenkastens wohnt. – wahrscheinlich sind es viele Mäuse, aber da wir nie mehr als eine gleichzeitig sahen und diese eine mir sehr unverwechselbar und einzigartig erschien als sie im Sommer über die terrasse tanzte ohne Scheu, hat sich das Bild festgesetzt, daß eine einsame Mausbüber mir scharrt und klopft im Gehäuse. denke manchmal nach darüber wie es für sie ist, wenn ich die Rolläden hoch oder runter lasse, ob sie dann den Boden unter den Füßen verliert, ausrutscht, sich die Pfoten einklemmt – oder ob es kostbare Sekunden sind, in denen sich ihre Höhle in ein Fitness-Studio verwandelt, sie gegen den Zug des  Laufbandes anrennt oder vielleichtv Wege gefunden hat die Reibung, die mechanik zu nutzen und ein kleines Elektrizitätswerk betreibt. eins das für einen Augenblick eine winzige Nachttischlampe aufleuchten läßt.

***

Moni kommt morgen. Torte.

 

31. Januar.

DR. Data Datenrettung ergab: keine Hoffnung auf Rettung. das vermeintlich unkaputtbare SSD-Laufwerk. wenn beschädigt dann richtig. verzweifelte suche nach alten USB-STicks und Speicherkarten, Reste zusammenkratzen. langwierig, umständlich. immer ist das selbe gerettet. ich habe mich verzettelt wie meine Mutter mit ihren Papiernotizen. den Zeitungsordnern, die überall liegen und nirgends. zu viel zu wenig. nie wohlverwehrt. bei „Wer weiß denn sowas“ wurde nach dem Pauly-Effekt gefragt. hätte es gewußt denn ich glaube, daß auch ich unter ihm leide. in mir ist eine Energie, die Geräte beschädigt. der Geist in der Maschine gibt den seinen auf. bin verzweifelt über „alles ist weg!“, und dennoch seltsam befreit.

Dem Vater geht es besser.  Erste eigene Schritte! und Woge von EMpathie, als ich erzählte, mir sei mein Schnittplatz verloren gegangen, mein Archiv, mein Schreibtisch… er nickte verständnisvoll. 

28. Januar

Gestern Nacht hatte ich noch an den letzten Änderungen einer Neufassung meines Gaza-Romans gearbeitet, in der Nacht arbeite ich gut, der Vater schnarcht nebenan, eine kleine Lampe wärmt das kalte Licht des Macbooks auf, vor dem Fenster leuchtet eine gesichtslose STraßenlaterne vom Privatweg herüber. wie lange habe ich den Rechner nicht heruntergefahren und ihn einfach zugeklappt irgendwann um drei? heute früh rührte er sich nicht mehr, das Hochfahr-Geräusch kam noch, aber mehr nicht, irgendwann blinkte ein Zeichen für „Ordner“ mit einem Fragezeichen darin. Odyssee durch die PC-Reperatur-Läden in München Trudering. der eine schien fast schadenfroh als er sagte, das passiere so gut wie nie, aber wenn dann könnten das nur wenige Menschen auf der Welt beheben und es koste mindestens 3000 Euro. der andere hatte HOffnung, wollte aber lieber nichts falsch machen. wenn ich es richtig verstanden habe, erinnert sich mein Notebook nicht mehr an das was auf der Festplatte ist. die Memorychips seien entweder defekt oder die Daten selber, die Erinnerung sozusagen, sei weg. wie könnte es anders sein in diesem Haus wo alle alles vergessen, das GUte wie das Schlechte. Wünsche mir auch langsam dem Vergessen anheimzufallen. ein Bad in der Lethe, Trinken. Schlafen. Träumen. im Augenblick leben. kein Speichermeidium mehr sein.

26. Januar, Neukeferloh

der Schlaf des Vaters wird manchmal zur Bedrohung. im Schlaf trinkt er nicht. aber imSchlaf träumt er. fragte ihn neulich, ob er traurig sei, daß er immer im Bett liegen müsse, da sah er mich verwundert an und sagte, er sei doch oft auf, gerade eben erst. Im Traum trinkt er zwar nicht, aber spaziert in Zeit und Raum umher wie ich es mir nicht ansatzweise erträumen kann.

22. Januar, Neukeferloh

die vielen Wärmflaschen des Hauses, die olivegrüne mit dem ausgerissenen Ohrläppchen, die man nicht aufhängen kann, die grauen  neueren, die blaue  mit flauschigerUmpuschelung, die die Kindern den Großeletern zu Weihnachten geschenkt haben – , mit schlupflöchern für HÄnde oder Füße, die winzigen aus der Puppenstube, die wirklich aussehen wie Wärmflaschen aussahen früher: matt-rot ohne Riffelung. Und es gibt eine ganz alte aus Zink, ein Flohmarktkauf, eine ovale flache Blase mit einem Schraubverschluß  in der Mitte. man kann sie ins Fenster stellen und eine Amaryllis hineinstecken, eine seltsame zauberhafte Blumenvase.

vier der anderen Wärmflaschen brauchte ich um mein Motorrad zum anspringen zu bringen, das Schloß aufzuwärmen, die Brense zu enteisen und die Leitungen. es ist wieder so kalt geworden. EInkäufe nur online, aber die APothekenbesorgungen, die Urinproben-Abgaben…

Anspringen. durchhalten.  der Vater ist weitgehend stumm und schwach. eine Wärmflasche platzte im Bett. es war nicht schlimm. als der Pflegedienst ihn  auszog, merkte er erst wie nass sein Hemd war. Erschrockener erster Ausruf „Oh, ich habe mich verschüttet!“

21. Januar Am Fenster liegen, der Blick in den blau verschneiten Garten um sieben Uhr früh. die bizarren Verästelungen der Zierkirsche, die Kleckse der Essigbäume. die Nachbarn jenseits des Privatweges haben den Gerichtsprozess verloren,  in zweiter Instanz, wir dürfen jetzt den Weg betreten ohne Beschimpfungen und Drohungen oder noch in ZUkunft verklagt zu werden. die Nachbarn auf unserer Seite dürfen ihre Gartebtürchen benutzen um einen Apfel der auf den Weg gefallen ist aufzuheben und wir,,,  müssen jetzt wohl häuffiger unsere Thujenhecke schneiden, die  weit über die vorgeschriebene Drahtzaunkante hinaus bauscht, alles Übel beginnt, wenn man den Garten verläßt.

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Die Tochter war da (Ausgleich. Entlastung. Reinste Freude. AUgenweide. Trost. Lichtblick) – und eine Hospitzhelferi (Auf einmal empfahlen drei Instanzen eine solche, der Hausarzt, die Neurologin und als dann noch die Frau W. von der Caritas, an ein und dem selben Tag von „palliativ“ sprachen… – ) habe lange die Übergriffigkeiten dieser Frau ertragen, hatte gedacht, das müsse viielleicht so sein: Provokation, Beschämung, das Ruder aus der Hand genommen bekommen, wenn es ans Löffel abgeben geht. wieso habe ich so lange versucht diese Frau zu mögen? offensichtlich  mache ich alles falsch. Gebe dem Vater zu viel zu trinken, putze ihm die Zähne mit Zahnpasta, bin zu oft geimpft, schreibe meine Bücher falsch, wasche zu selten den Abwasch, lasse die Pflegedienst-Leute ihre MAsken aufbehalten – die allerdings machen auch alles falsch. Frau erteilte einweisung und übernahm  (plötzlich im Ohrensessel sitzend das Kommando, als er kam. Dafür weiß ich jetzt intime Details über meinen (ehemaligen) Hausarzt, die ich gar nicht wissen hatte wollen. gutes Wissen dagegen: winzige Eiswürfel aus Zitronenwasser oder anderem machen und Bruchstücke davon dem Vater in die Backentasche geben, wenn er nachts nicht wach wird zum Trinken, aber der Mund so trocken ist. Dennoch. das Loslassen fällt schwer, wenn man diese zusötzlichen Ohnmächte, Irrelevanzen unter die Nase gerlieben bekommt. das „Zu viel“ – ich weiß – sein lassen, muss ich lernen, das weiß ich.  ich kritisiere es an der Mutter dauernd. aber nichts tun… hat mir schon immer schwer gefallen.

stattdessen zwei Tage in s Zillertal gefahren.

***

[…]

12. Januar

Dem Vater geht es etwas besser.

JeffBeck2022

Aber  Jeff Beck ist gestorben. An einer Meningitis. – Wie der Herr S. letztes Jahr im Sommer. –

aber war das überhaupt eine Gehirnhautentzündung gewesen, beim Herrn S. ? war das nicht irgendetws anderes, was so banal klingt wie „Herpes“, aber doch im Hirn landet und unerkannt noch größeren Schaden anrichtet. egal – „vorbei. verjährt, doch nimmer  vergessen“ – Das mit Jeff Beck berührt ich jetzt dennoch, wenn nicht persönlich doch wieder wie so oft: verpasst. zu spät entdeckt. zu früh gegangen. Ob dieser Wahnsinns-Musiker immer noch mehr hätte entdecken können auf seinem Instrument? es nochmal neu erfinden mögen – nochmal!. muß ein wirklich netter Mensch gewesen sein. die Tour des letzten Sommers bestimmt grenzwertig stressmäßig. Meine Bewunderung seiner Musik kann ich nie professionell ausdrücken nur , nur wenn ich in die mir vertrauteren Genre springe, aber ich habe noch nie eine GItarre so beredt erlebt, so gesprächig. Theater hat begonnen mir nicht mehr viel zu bedeuten. Immer noch liebe ich Worte, aber monologisierende Schauspieler kann ich kaum ertragen. Aber als ich  Jeff Becks GItarre (erstmals in München, dann zwei Mal in Italien) hörte, hatt eich das Gefühl, daß ich hatte als ich erstmals von Theater begeistert war, von Schillerschen MOnologen, z. B.  einer Prinzessin Eboli, die allein ums Überleben am Hofe ringt, Selbstgespräche führt – verzweifelt, glasklar, scharf – die im nächsten Moment wieder agiert mit dem Rest des HOfstaats. Bei Jeff Beck spürte man daß er in jedem Augenblick mit den anderen, den supporting parts, den Co-Stars verbunden war. die Töne mochten feststehen, aber sie waren jedesmal frisch und „erhört“, ganz Ohr, ganz Hand. Ich habe geflucht, daß er (rein optisch) die ganze Zeit immer nur an seiner Gitarre „rummachte“, als würden alle Fäden im Instrument zusammenlaufen. HOchspannung, die man umpolen kann, kurz löst, sie wieder verschaltet und alles was herauskommt setzt sich sofort (ohne jeden Umweg einer Selbstverliebtheit und Zelebrieren von Tönen) um, landet beim gegenüber, bei den Tausenden, die zuhören oder den Musikern um ihn herum. es wird immer gesagt wie außerirdisch seine Technik ist. war, wie fingerfertig, das SPiel, aber ich glaube viel ungewöhnlicher für Stars ist wie aufnahmefähig er war, wahrnahm, wie Präzise nicht nurdas Gehör war, sondern auch die Bereitschaft zuzuören. HÄtte ihn in Italien gerne gefragt: Ob er die Königin der Nacht Arie auf der Gitarre hinkriegt, aber sie schien mir unprofessionell genug. ist ja auch unwichtig. mit an sicherheit grenzender Wahrschienlichkeit wäre die Antwort „Ja“ gewesen. – Gestern Nacht erstmals wieder schöne Facebook-Gespräche anläßlich des Todes von Beck. mein Freund aus Gambia fragte „WHo is that guy?“ (und beweiste damit daß es keine irrelevanten Fragen gibt) und die Beschreibungen und Antworten, die Musik-Links, die er auslöste waren irgendwie  ein schöner Trost. Lernte daß Beck tatsächlich Opernarien „gesungen“ hat: „Nessun dorma“.

***

heute  gut geschlafen. Erinnerung ans Atmen. SOnnenaufgang, hellgrau.

[…]

11. Januar. 2023, Neukeferloh.

Liste DInge, die das AlltagsLeben (zur Zeit oder generell)ein kleines bißchen lebenswerter machen oder zumindest daraus hervorblitzen:

Der zuversichtlich (obwohl er aufrecht im Trockenen Steht) dreinschauende Werbefisch vor dem Delikatessengeschäft in der Wendelsteinstraße. das Knistern der Haferflockenverpackung. der Wald. Motorradfahren. Der Duft des Hähnchen-Wagens, der Donnerstags vor dem Getränkemarkt steht. die Papiervorräte im Dachzimmer des Vaters. die Offebacher-Kickers-Anstecknadel, die genauso aussieht wie die, die ich verloren habe. MOntags bis Donerstags Die Schweizerin im Kopierladen Wendelsteinstraße. Ein Computerspiel aus den 90ern namens Pipe-Dream“. die alte Amsel im Garten. Walnussbrötchen.

***

Ansonsten: Kam gestern in der frühunsere Neurologin zum Hausbesuch und die Krankenschwester, die jetzt  ein mal pro Woche bei uns vorbeischaut. auch das gehört eigentlich in die Liste. Erleichterung.

11. Januar, Neukeferloh

Der Vater ist zurück. wurde gebracht von zwei unglaublich sympathischen Sanitäterinnen, die lachend un dgut gelaubt die ENgpässe ders WOhnzimmers mit der Liege umschifften; die eine quetschte sich (keine Ahnung wie!) hinter das Pflegebett, die andere  schob von der anderen Seite und schon lag der Vater wieder  zuhause in den Kissen. In den Frottee-Betten mit den winzigen rosaKirschblüten. die von der Oma S. die  ich jetzt Monate lang Abend für Abend (ausgenommen der Krankenhaus-Wochen) zum Anlaß nahm  den Vater zu fragen: „Weißt du von wem der Bettbezug ist?“ Abend für Abend schüttelte er den Kopf und Abend für Abend sagte ich ihm „Von Deiner Mutter, von der Oma S.  die rühmte ihn so sehr, daß ich nicht anders konnte, damals, als ihn nicht zu mögen, aber meine Kinder stritten sich darum und inzwischen… liebe ihn ihn auch. er ist imme rnoch weich und (wie sie  selber immer sagte „Gude War‘!“ Jeden Abend sagte der Vater, er würde sich nicht erinnern und war freudig überrascht von der Erklärung. Heute, als ich wieder fragen wollte, dann aber innehielt, weil es drei Wochen her ist, daß er in diesem Bett lag, lächelte er äußerst wissend.  jetzt liegt er in den Kissen und sieht eben jener Oma S. verblüffend ähnlich (Wieder hat man ihn heute im Krankenhaus rasiert;  die Krankenschwester die ich heute früh am Telefon hatte hatte sich sogar entschuldigt, weil sie nicht wußte, dass wir alle sehnlichst hoffen, daß der Bart wieder wächst. „Tut mir leid, ich wußte es nicht!“, sagte sie mit Bedauern, aber auch irgendwie fröhlich. Allerdings sagte sie, der Vater habe ausdrücklich „Ja“ gesagt, als sie ihn fragte, ob er rasiert werden wollte. wir wissen alle nicht alles.

6. Januar 2023, Neukeferloh

Dachte, hier in Bayern kämen noch heilige drei Könige. nein, keiner kam, keiner brachte Geschenke oder sammelte Geld. dafür hätte ich gestern beinahe bei einem Rau-Nächte-Ritual, oben unter dem mit Holzgekleideten Dach das  Haus abgebrannt. Wo es gerade neu gedeckt worden ist! Die Tage zwischen den Jahren gehen zu Ende. keine heiligen KÖnige, aber ein großer offener Lastenwagen voll mit grünen Weihnachtsbäumen. sehen aus wie frisch geschlagen. Unserer hängt noch, schwebt in der Wohnzimmerecke zwischen Couch und dem leeren Pflegebett. Zu spät. Zu früh! als ich zu Aldi nach Vaterstetten fahre fährt der Wagen wieder vor mir, zwischen dem nadeligen Grün ragt ein Schuh an einem Bein heraus. kann meine AUgen nicht davon lassen. Weil die Bäume noch so frisch aussehen drängt sich das bild auf, sie seien gerade erst im Wald gefällt worden und einer der HOlzhacker habe dabei sein Bein verloren. jetzt liegt es zwischen den Tannen und bewegt sich (ich fuhr lange hinterher, um zu sehen ob es nicht doch zucken würde) nicht.

1. Januar 2023, München-Bogenhausen

Die beschwörende Wucht der Worte in Krankenhäusern. „Not-Aufnahme“, Intensiv-Station“. warte wieder vor eben der selben, zwischen den metallenen Schrankwägen mit den Esstabletts und der Schmutzwäsche. Dachte an Januar Gaza 2015, fünf MOnate nach dem Krieg, als man mich durch ein Krankenhaus führte, um den Betrieb zu zeigen, so  wie ich war, von der Straße kommend, hätte man mich in einen Operations-Saal gelassen, die Berge vom blutiger bettwäsche lagen in der Ecke neben dem OP-Tisch. Schwestern wollten ein Selvie mit mir machen. – Dann weiter gemacht. Hier freilich alles hygienisch. dennoch wirkt alles so voräufig. starre auf einen der Metallwägen – beschriftet ist er wohl mit dem Satz  „Nur für Zentral-Lager. Kein Müll“, dessen rechte Tür  aber weit offen steht: es ist nur zu lesen „Nur für kein“ als jemand mich schließlich einläßt auf die Station („Sie kennen ja den Weg zu ihrem Vater““) und ich den grünen Plastikvorhang seiner Nische ganz hinten wegstreife, liegt er mit dem Rücken zu mir in einer Lache Blut.  das Krankenhaushemdchen  trieft dunkelrot; da wo es auseinanderklafft und den nackten Rücken freigibt, ist kein Blut zu sehen. auf der anderen Seite vom Bett liegt er, den KOpf in der Armbeuge, in der noch mehr Blut sich gesammelt hat, wie in einem Becken und scheint zu schlafen.

„Entschuldigung, das sieht gruselig aus…!“

Nur eine herausgrissene Braunüle, oder ein Zugang, der gezogen wurde, aber weiterblutete. Das könne passieren, wenn er Blutverdünnende Medikamente bekäme.

„Bekommt er aber doch eben nicht…?“

„Muß ja, bei der Menge an Blut…“

BIn nach draußen gebeten worden, jetzt stehe ich wieder neben dem „Nur-Für-Kein-Wagen“, außerhalb der Station aber doch mit BLick den Flur hinuntet in die Station, wo jetzt alle in die hintere Nische eilen. Wäre das hier Gaza… ich dürfte sicher am Bett stehen und meinem Vater gut zureden. so sehe ich nur wie Pfleger die blutigen Laken in den Flur werfen. es ist noch gruseliger als das Vor-Ort sein. wäre dies ein Film, dies wäre die perfekte Kamera-Perspektive, die totale in die schäbig wirkende Behelfs-Intensiv-Station KOmmen und gehen, triefende Bettwäsche. so viel Platz für Vorstellungen… – bis ich die bodenständig-empörte Stimem des Vaters höre „Jetzt werfen Sie mich doch nicht auch noch aus dem Bett!“  – Alles wird gut. Muß ja muß.  „Es tut mir leid, daß Sie das sehen mussten“, sagt die Schwester. Kann passieren. ich weiß das. wird schon. immerhin spricht er!

 

31. Dezember 2022, München-Bogenhausen

„Frag nach die Nierenwerte…!“ –

Klinikum Bogenhausen. Das Plateau, der sich dahinziehende Garten aus Stein und Unverwüstlichem Graugrün, Bänken, trockenen Springbrunnen, Kieselsteinchen, Aschenbechern… es ist tatsächlich ein sehr gelungener Haupteingang, der über der Notaufnahme schwebend die Zwangsläufigkeit vergessen macht mit der man sich dem Krankenhaus nähert. Oder vor ihm festsitzt. Luft schnappt. Raucht. Auf sein Schnelltestergebnis wartet.

„Frag nach die Nierenwerte!!!“, sagt eine von drei Frauen nochmals, jetzt noch konspirativer. Sie sitzen gegenüber auf einer Bank. Family-discussion, wie es dem Vater? Onkel? Großvater geht.

„…Er hat Status 4… ja, schlimm, aber es gibt auch auch Status 5!“

„Dann geh, MISCH DICH MIT REIN!“ – es geht wohl drum daß einer, das ist jetzt ein Mann, versuchen soll ins Klinikum zu kommen, obwohl immer nur einer pro Tag pro Patient zu Besuch sein darf. Bin neulich selber auch reingschlüpft, weil mein Testergebnis so lange auf sich warten ließ.

Keine Sekunde zu früh.

Ich hatte noch nie in der ganzen Pflegezeit so sehr das Gefühl gehabt wirklich jetzt oder nie gebraucht zu werden. Etwas auszurichten. Deshalb fällt es mir schwer gerade jetzt nicht hinzugehen, der Mutter heute den Vortritt zu lassen. wo er doch Gestern  schlotternd und bebend und frierend auf der Intensivstation lag (aber den Kopf geschüttelt, als ich fragte, ob ihm kalt sei), in dem Bett mit den zwei Decken lag und mit den Zähnen klapperte. Erträgt sie den Anblick? das kahle Gesicht, das plötzlich abrutscht, über das fliehende Kinn. in eine Ähnlichkeit mit dem der Oma S.?

„…Oh lieber Gott. – Aber er lebt noch!“ – wieder eine aus dem Grüppchen von gegenüber. „Das Leben ist jetzt das wichtigste…“
„Schau mal…“

Angehörigengespräche vor dem Klinikum. Bank Cola .Sprite.

„Er soll mit Gott reden. Ja, er selber! Er soll sagen: Ich will dein Kind sein, ich will zu dich.“

„Hallo?“ eine ist entrüstet. Von Gott und sterben soll jetzt nicht die Rede sein. „Er soll gefälligst hierbleiben!“

„Doch! Die alten Menschen… – was denkst du wie die alten Menschen warten?! Die beten!“

Ich habe den Anschluß verpasst, es geht inzwischen nicht mehr nur darum, daß sich der Verwandt aufs Sterben einstellen soll. Es ist eine grunsätzlichere Sache gworden:

„…Vergiss nicht: Gott weiß die Wahrheit. Hilft nix wenn ich so tu als ob und mach aber heimlich dies und das…“

„Was denn zum Beispiel?“ die die fragt sitzt auf der Bank, mollig in einem engen neongrüngemusterten Kostümoberteil. Die, die von Gott redet, steht, sehr solide steht sie da, sie hat lange dicke blonde Haare, die aus einem Haargummi quellen, ein blaues Kleid und gegen die Kälte eine schwarze Daunenweste. Sie spricht getrieben:

„..Das bringt dich nicht in Himmel. Aber ein reines Herz! Das bringt dich in den Himmel. So. und du hast ein gutes Herz. Also warum nicht?!“

„Aber rettet mich mein Glauben vor die ganzen Leute?“, fragt die im Kostümchen. Sie hat zu schwarz gefärbtes Haar.
„Doch!“

Der Gedanke drängt sich auf daß meine Eltern, ins besondere mein Vater keine sehr gläubigen Leute sind. Die Mutter eine verkrachte Katholikin, der Vater evangelisch getauft, ohne Bezug zur Kirche. Der Mutter würde ich zutrauen, daß sie irgendwann einer Tochter bedürfte, die ihr Zuversicht gibt durch Gedanken wie sie die mit dem blonden Zopf mit missionarischer Intensität offenbart. Der Vater aber…? Ich glaube es nicht. Wenn aber doch, fände er die Worte? Ich kann von Italien erzählen, aber von Gott?

„…Wenn die Gisela kommt und die Mutter und die andere Gisela, aus Slowenien.“ Die dritte plant, sie sieht aus als wäre sie aus Berlin, vielleicht Berlin der 20er Jahre. Die andere erzählt zeitgleich von der letzten Beerdigung:

„…Meine Mutter am Boden zerstört. Ihre Mutter ist krank und sitrbt.

Und hinter ihr, vor kurzem gestorben ihr toter Bruder…“

Sie dämpfen jetzt ihre Stimmen, ich hör nur noch Fragmente.

„Zu viel….“

„Das glaub ich auch.“

„Meine Mutter, wenn ich gesagt hätte: „Mama….“

„…1:24. Schickt sie eine Taube… die Frau kriegt das um 9:00, da ist sie schon tot.“ – eine Taube???

„…Genau wie mein Bruder.“

 

„Die Tscheilda war tot, da bin ich hin, die war aufgebahrt, ich hatte Corona, war mir scheiß egal. Ich bin hin!“

„…die Höheren…“

„Lina, wenn ich das sagen darf. Mama hatte 38 Grad.“

„Und einen Tag bevor die beerdigt wurde….- Der Schlauchabdruck, der war weg! Du hast gemerkt: die ist nach Hause gegangen. – die Tschailda, weiß nichzt wie die ausgesehen hat…?“

„ genauso!“

„Menschen die in Himmel gehen, die haben ‚ne Ausstrahlung.

 

Eine Dame im roten Bademantel kommt, rauchend.

„n’Abend…“ sagen die auf der Bank.

„Kalt draußen?!“

„ja.“

Sie flaniert, kippt Asche zu Boden. Alle sind leise geworden. Die im Bademantel ist wie eine Grande Dame des Klinikums. Sie dreht ihre Runde, geht wieder zurück in Richtung Klinikportal. Der Gedanke vom Engel der durch den Raum gegangen ist“ drängt sich auf. Rauchender Engel, draußen.

ich sitze heute hier, weil die Mutter diesmal darauf bestand, den Vater zu besuchen. das ist an sich gut, aber daß es so plötzlich geschah. wollte alleine in die Stadt fahren aber daran war nicht zu denken. allein der Schnelltest – man kann ihn hier vor dem Klinikum machen in einem kleinen Bus. es dauerte ewig. weil wir keinen QR-Code können. weil der Mann im Bus unsere Namen nicht aussprechen konnte, wir uns nicht hörten, als wir aufgerufen wurden um den Ausdruck abzuholen. Nur beim Sohn, der ebenfalls den test gemacht hat, auch wenn er wahrscheinlich nicht reinkommen wird, geht es schnell. ich fühle mich genausp orientierungslos wie meine Mutter. ein neues Handy würde helfen. mehr Gelassenheit auch.

„Ich komm aus Russland,“

ich habe den Anschluß ans Gespräch gegenüber verpasst. Daß die Frauen mit slawischem Akzent sprechen, gemischt mit deutsch-türkscher Proll-Erdigkeit hatte mich bereits beschäftigt. woher? wohin?

„Ich deutschland.“

Drei Schwestern, die es in die Welt geweht hat.

„…Soll jetzt runter kommen!“ – warten sie auf eine vierte?

Sie kann ja doch bleiben bis 18:00. Wenn sie will.“ Sagt ein Mann.

Die drei schwestern sind: die mit dem blondem Pferdeschwanz. Die auf der Bank und dem neongrün gewürfeltes Jäckchen hat Kreolen in den Ohrlöchern.

Die aus „Berlin“: graue leggongs, Filzmantel, dunkles Ponyhaar, kurz. Nun kommt wieder ein anderer und grüßt. „Schönen abend noch. Gute Besserung.“

Kranknencommunitiy. Jetzt telefoniert die graue, die aus Deutschland. „die sollen ihr Tropf geben. geht schneller!“

***

Der Sohn kommt aus dem Haupteingang. auch er hatte versucht, sich  „Mit reinzumischen“, hat aber nicht geklappt. Das Argument, die Mutter , also seine Oma, würde den Weg nicht finden von der Intensivstation hinaus, reichte nur bis hin zur Intensivstation. HInein durfte er nicht. wir gehen rüber zum EInkaufszentrum Araballa Park, alles schon zu – außer REWE City. Planlose SIlvestereinkäufe. viele Brezeln, Roastbeef, Überteuertes Wasser mit einem Hauch von gesund… Daß die Mutter bestanden hatte darauf, daß SIlvester wichtig sei, daß sie beim Vater sein müsse am 31. Dezember, hat mich aufgescheucht in eine hyperaktive Ohnmacht. Mir ist dieser Tag wurscht. dem Vater doch wohl auch. Auszeit am Platz, in teurem Cafe mit Blick auf ein Kino. wieso haben alle Kinos immer zu an Silvester. es wäre der schönste Start in ein neues Jahr, in einem Kino einen Film sehen. der letzteFilm den ich an Silvester sah, war Pretty WOman. habe das Gefühl danach beschlossen die Kinos, daß es sich nicht mehr rentiere.  Egal. trinke ein Bier. der SOhn einen Kaffee. Telefonat mit  A. es ist noch hell, wenig erinnert daran daß Silvester ist. fühle mich trotzdem plötzlich sehr wohl. Ärger über die Mutter, die so plötzlich und unerwartet zum Vater wollte und eskortiert werden muß, verschwinet. Erinnere mich daß ich hier schon mal saß, 2019, als der Vater  die OP hatte. die Sorge, wie er die Narkose verkraften würde, ob er sich erinnern würde, mich wiedererkennen würde. suche das Lokal von damals, es hieß „Hans im Glück“. GIbt es noch. Burger gegessen zwischen Birken und LIchterketten. ich hänge an diesem Leben. ich will daß es noch ein bißchen dauert, schön wird, wärmer wird. Frühling! SOmmer.  alles wiederholt sich. ich weiß, daß ich vor vier Jahren auch gefragt habe, ob es den Burger nur mit Heumilch-Käse gäbe oder auch mit richtigem. es gibt nur Heumilch, aber das sei schon okay, sagt der höfliche Kellner. isses auch

 

30. Dezember 2022

ich erkenne das Klinikum Bogenhausen erst als ich es sehe: Hier kamen wir vor vier Jahren spät abends in die Notaufnahme, weil der Vater sich den Katheter herausgezogen hatte. wir warteten damals lange und in einem Fernseher über unseren Köpfen liefen Nachrichten in Dauerschleife, irgendeine Katastrophenmeldung. Wenige Wochen  später erhielt der Vater hier seine Blasen-OP; die Mutter war  damals mit im Krankenhaus und wir hatten es ihm erst als Hotel und Kuraufenthalt verkaufen wollen, dann, als es ihm nicht gefiel, gesagt, die Mutter müsse in Kranknhaus und er müsse auf sie aufpassen. Das Krankenhaus ist ein sich hinstreckender 80er-Jahre-Bau. Weiß mit damals  modern wirkenden grellgrünen Elementen, die jetzt schäbig wirken. Symmetrisch  verwirrende Klotzigkeit, immer sieht alles aus, als wäre man schon da gewesen – und da auch… oder doch da? Es hat ewig gedauert bis ich hinein konnte in den Klotz, weil die Teststation in Haar das Ergebnis des Schnelltests nicht schickte. hatte zeit  sparen wollen und nicht auf den Ausdruck gewartet, jetzt warte ich ewig. der Security-Mann am EIngang hatte ich durchgewunken, aber gesagt ich solle mich am Tresen anmelden.  immmer hin bin ich fast drinnen, draußen ist es kalt. telefoniere herum, wo der test bleibt. die Telefonnummern auf der Seite sind nicht aktuell, offensichtlich hat ein neuer „Betreiber“ das Impf – und Testzentrum Haar übernommen. lande bei der Münchner Stadtverwaltung, dann in einem Labor in der Warteschleife.  irgendwann muss ich aufs Klo – das so weit weg ist, daß ich beschließe mich gleich abzuseilen. suche die Intensivstation. sie ist im Untergeschoss. Dort  waren wir definitiv nie. Untergeschoss.Um die Ecken. eine leuchtende weiße Schiebetür, die sich lautlos öffnen – man vermutet blendende Helligkeit und Hightech dahinter, aber die Gänge wirken wie die eines alten Kellers. Assoziation von Lars von Trier’s „Kingdom“. bedrückende Mischung von Hospita-Hygiene und Schäbigkeit, aus Gerätschaften, Technik hinter halbgeschlossenen Türen und herumstehende Metall-Wägen. Wäsche, Rest-Essen  auf Tabletts. ganz hinten ist die Intensivstation. man soll klingeln, aber die Tür ist offen, dennoch warten. starre auf einen halbleeren Götterspeisebecher auf einem der Tabletts, in einem der Wägen. Hunger. Ekel und Gier. ein Pfleger kommt, ich müsse noch warten, er werde gerade gewaschen. bringt mir ein Wasser. kleine Wartebank mit weißen Plastiksitzen. er muss erst einige der Wägen wegschieben, damit ich sitzen kann. wieder warten. Ungeduld. Gefühl zu spät zu sein…

Der Vater liegt schlotternd, zitternd und unansprechbar in einem Bett hinter einem grünen Plastikvorhang. es ist bisher der erbärmlichste Anblick. Es schüttelt ihn. sein Gesicht ist frmed, der Bart ist jetzt gänzlich wegrasiert. Schnüre und Kabel und Schläuche überall, am Kopfende des bettes münden sie in Monitore, es piepst und tönt am laufenden Band.  Er fröre, sagt eine  beeindruckende Schwester, obwohl man ihm gerade eine zweite Decke gebracht habe; es ginge ihm so weit gut, ich solle  versuchen ihn zu beruhigen. Wärme. Haut. doch noch Reststoppeln ds Bartes zu spüren. Flüstern ins Ohr von warmen Worten. das wämrmste was mir einfällt ist Italien. Urlaubserinnerungen. Beschreibung des Meeres, des Andes am Meer, der Hitze des Bodens, das Glitzern der SOnne auf den Wellen, der Duft von Frotteehandtüschern, die den Geruch von SOnnenmilch eingeatmet haben – monate lang, jahre lang. Ich muss ewig  erzählt haben, eher eine Best-Of-Grado-Meditation. habe jetzt so große Sehnsucht nach SOmmer und SOnne,Würde so gerne wieder hin. wie muss es ihm erst gehen. wann war das letzte Mal, daß sie in ihren Ewigzeit-Urlaubsortfuhren. ich erinnere mich an die Enttäuschung als sie, bereits alles gepackt, doch hatten absagen müssen, die WOhnung  hoch über den Pinien, direkt am Meer. zu viel zu weit. „Nächstes Jahr wieder“ hatten sie sich getröstet und irgendwann eingesehen, daß es nicht mehr geht. ich habe keine Ahnung wann das war. Ich weiß nur, ich will sofort wieder hin. das Lagunenmeer war kaum tief genug um zu schwimmen ohne mit dem Bauch in Schlick und Algen in Berührung zu kommen, aber es erscheint mir jetzt als der Inbegriff von Ferien. hätte gerne Ferien. kein Survival-Urlaib in Gaza, kein Stadtstrand von tel Aviv. ich will mein altes Gradi wieder haben. die Erzählungen davon immerhin halfen ein bißchen. Der Vater zittert nicht mehr; er atmet ruhig.

27. – 29.  Dezember 2022

Kaum ist der Pflegedienst da, ist ein Groll wegen des Ultimatums wie weggeblasen. Chef nimmt sich Zeit. jetzt mag ich seine polternde Art, seinen trockenen Humor wieder. Er wirft alle Kissen aus dem Bett, den die Demenzhelferin um die Fersen des Vaters gepackt hat. Klarheit. Weniger sei mehr. Ganz vergessen: die Dachdecker kommen. hätte sie absagen müssen, vielleicht auch können. Zeitgleich kommt ein sehr hoher Rollator und eine Weichlageungsmatraze und ein geleeartiges Etwas, das nach Aspik ausisieht, das man als Ferseneinlage in einen Schuh packen kann. Die Wundschwester in Ebersberg hatte es empfohlen. Fehlkauf. An Gehen in Schuhen ist nicht zu denken.

Reha-Versuche des Pflegedienst beginnen immer gut, aber dauern dann doch zu lange. „Üben Üben Üben“ klingt gut, scheint möglich, weil der Vater morgens auch relativ fit ist, bereits am Esstisch sitzend im Rollstuhl ist alles zu viel. das Zurück im Bett kaum machbar.

Nächte auf der Couch fühlen sich richtig an. bequemer als Bett im Dachgeschoss, BLick von unten auf den kleinen Baum, dessen Lichterketten schwächer werden aber um so schöner aussehen. Nachtlicht. der Vater sagt „Laß es ruhig an“. als Gutenachtgeschichte erzähle ich ihm vom Umgekippten Toilettenstuhl, freut sich über Reim „Kübel – Übel“ und  hört die Begebenheit mit stummem Amusemont, als wäre er selbst nicht dabei gewesen. wieder weiß man nie ob es aufwärts geht oder abwärts. Der Vater schläft durch, ich aber nicht, weil er manchmal sehr unregelmäßig atmet. Temperaturmessen mit dem Multi-Thermometer. nie richtig Fieber, aber immer erhöhte Temperatur.

Der Plegedienstleiter hat dem Vater den Bart getrimmt. zunächst jedenfalls. Überraschendviele Essensreste tauchten aber  nach und nach auf. Fairerweise muß ich sagen, daß er fragte „wie weit soll ich schneiden“ und ich hatte gesagt „Bis zur letzten Mahlzeit. Immer wieder dachte man jetzt ist es auber, aber immer war dann doch noch was. Es blieb etwas, das al Drei-Tage-Bart durchgehen könnte – aber es ist doch sehr fremd.  ich entdecke plötzlich die Ähnlichkeit des Vaters mit meiner Oma. Und leider noch mehr als zuvor: mit dem schwachen dahinsiechenden König aus „House of Dragon“. Still saßen wir beim späten Frühstück. Doch zu viel zu lang.  die gesamte linke Seits brachw eider weg. Schwäche. Anfall? Es war als sei mit dem abgeschnittenen Bart alle Kraft dahin. Unmöglich schien es ihn wieder ins Bett zu bringen. irgendwie dann doch. völlig schlaff. ohne SOhn nicht möglich. das gerade noch aufrechtgehaltene „AUfwärts“. Neurologin am Telefon riet schlafen lassen. er schlief den ganzen Tag. Werde den absurdne Gedanken nicht los, daß das Haareschneiden Schuld war. ging Samson ja auch so!

Die Tochter muss nach Berlin zurück. die Zeit rast. sonst steht sie fast still zwischen den Jahren. Pflegedienst besteht auf weiterem Morgentraining. zu viel Zuversicht. wieso glauben einem alle immer nur die Dramen, bei denen sie Augenzeuge waren? habe mich heute verdrückt. raus. die Tochter zur Tankstelle bringen zu ihrer Mitfahrgelegenheit. den Weg hätte sie alleine hingekriegt, aber es scheint mir, als sei das der einzige Moment jenseits der Krankengschichte in dem ich alleine mit ihr einfach durch den warmen Dezember gehe. ihr rosa Köfferchenr rollt grollend über die übriggebliebenen Streukieseln, die STraßen enltlang, dann über den matschigen Grasweg an der Landstraße der blaue Tempel am Morgen ist halt doch nur eine Aral-Tankstelle. nachts  zauberhafter. Abschied. bin dann doch zurück bevor ihr Auto kam.

Der Vater saß bereits im Rollstuhl. Gehversuche im Rollator verpasst. als der Pflegedienst weg war, kam der Schlaganfall. so heftig wie der vor 23 Tagen. Erbrechen. linksseitige Lähmung. starrer Blick. Sanitäter. leider nicht nach Haar. Gott Lob nicht nach Ebersberg. Bogenhausen.

26. Dezember 2022

der Tag hatte gut begonnen. der früh aufgestandene Sohn, der geduldige Vater, dessen WIndelwechsel wir nicht hinbekamen, aber der sich im Bett aufrichten und in den Toilettenstuhl dicht am Bett hiefen ließ. die Erleichterung über den Toilettenstuhl, die SÄuberungsaktion im Hand um Drehen, der vergnügte Vater, der mit der Fernbedienung des Pflegebetts spielt, auf dem Toilettenstuhl nicht gerade thronend, aber doch sitzt – bis er nicht mehr sitzt, fast vor unseren Augen wegrutscht, kippt, sich gerade noch an der nahen Bettkante wenn auch nicht fängt so doch immerhin nicht an ihr mit dem Kopf aufstößt, der umfallende Stuhl, der sich über den Boden ergießende EImer, die Vater hilflos auf dem Teppich mitten in allem.  Wieso kommt kein Pflegedienst?! WIeso sagen alle „Du schaffst das schon“ – ich schaff nix! ich kann alles nur irgendwie. ich gebe mein bestes, aber am Ende steht man in der Scheiße und fragt sich „wie konnte das passieren?“

***

Der Vater hat es ziemlich tapfer verkraftet. einen klienen weiteren Anfall hat er trotzdem gehabt. Abends kommt Frau M. die Demenzhelferin und strahlt wieder Zuversicht aus. ist aber erschrocken über die Füße. das müsse ein Arzt sehen. wann denn der Hausarzt wieder aus dem Urlaub zurück sei. „am dritten Januar!“ – Das sei zu spät!

25. Dezember 2022

die Ankunft der Tochter. der nachgeholte heilige Abend, die Bescherung am Pflegebett. der kleine Weihnachtsbaum, der über allem schwebt – es dauert, bis der Vater ihn sieht. Auch schläft er ein während er seine Geschenke auspacken soll, sein leises Schnarchen beruhigt. Dennoch seltsam, das Aufmachen, Aufreißen, der restlichen Geschenke in seiner „Abwesenheit“, das Öffnen wird schneller, rückhaltloser. die Mutters schenkt mir:ein Buch von Kermani, das ich selber vor kurzem geschenkt habe, zwei alte Unterröcke ihrer Großmutter, die aber noch ausgebessert werden müssen und seltsamerweise meine alte KOmmuniionskerze, allerdings mit der Ankündigung: „die können wir anzünden, die ist dann für alle. habe auch nicht mit Geschenken gerechnet von ihr. bin trotzdem enttäuscht. nicht wegen der enteigneten Kommunion, von der ich damals eh nicht viel hatte, weil ich in der Kirch eohnmächtig geworden war und mit Blindarmentzündng ins Krankenhaus gebracht werden musste… – De ja vue: wichtige Feiertage, die man überspringt, weil der Körper seine eigenen Wege geht. in Ohnmacht fällt, in den Schlaf, ins Krankenhaus. Die Kerze ist nicht so wichtig – bin eher enttäuscht wegen des Buches. spätes Geschenk, der SOhn der Demenzhelferin bringt lang ersehnten Toilettenstuhl, den wir verliehen hatten, weil ich dachte wir würden ihn nie mehr brauchen.  die seltsamen Gerätschaften in der WOhnung. die Plexiglas-Rolltische, die sonst voller Blechspielzeug waren, eher museale Vitrine – jetzt Beistellwagen mit Urinflasche, EInmalwaschlappen, Betaisadonalösung, EInlagen,, Vorlagen, Auflagen, Sprühflasche, EHAndschuhe. Die Weihnachtswohnung liegt in beinahe Dunkelheit. alle sind ins Bett gegangen. trotz des neuen Pflegebettes sind es zu wenige Schlafplätze. die Tochter (meine) schläft bei der Mutter (meiner), ich auf der Couch im Wohnzimmer neben dem Bett des Vaters (meinem), der Sohn hat das Dachgeschossbett. schlafe gut, aber oft wach, weil ich den Vater umdrehen muss wegen der Wunden an den Füßen. Durst in der Nacht. Trinke viel. der Vater viel zu wenig.

18.  Dezember – 24. Dezember.

Wieder Ebersberg. inzwischen kenne ich den Weg gut. Tatsächlich ist er so einfach, daß man sich fragen muss wie panisch vernebelt der Blick bisher war. An Motorradfahren  aber kein Gedanke. es ist nur der Weg von der S-Bahn, zum Impf – und Testzentrum, das im gläsernen Gebäude einer Saprkasse untergebracht ist. wo aber ist die Sparkasse? hatte vergessen mein Geld einzustecken als ich was am Automaten abheben wollte, während ich auf den Schnelltest wartete, aber zeitgleich mit dem urologischen Sekretariat sprach wegen der Phimose-OP des Vaters. alles ist jetzt Corona gewidmet. an den Schaltern sitzt nur eine Frau, die Impfstoff aufklärung betreiben täte. aber ich suche nur die Toliette. es gibt auch eine in der Volkshochschule, die über dem KIK untergebracht ist, sie thront auf ihm mit gläsernen Wintergärten, Sitzecken, Bücherregalen, solchen, in die man eigene stellen kann  udn „Neue“ mitnehmen.  einmal kam die Mutter mit zum Besuch des Vaters und wir blieben lange im Inneren. schöner Ort. man könnte länger als 20 Minuten hier sein. zeitgliech wirde ein Manga-Comic-Workshop angeboten. Seltsames Leben zwischen den Zeitfenstern, zwischen Test und Testergebnis, zwischen Weg zum Klinikum und Kranknbesuch. alles ist umständlich. vielleicht muß es so sein. will inzwischen nicht mehr wissen was aus dem Geld wurde, ob der Automat es eingesteckt hat oder ein fremder anderer Kunde, der nach mir kam. – Bücherregale, Bankautomaten, Sachen wegstellen, Scheine greifen… manchmal bin ich es ein wenig leid, dieses permanente Geben und nehmen. manchmal ist es schön. HÄtte gerne was von Oliver Sacks mitnehmen wollen. „Der Tag an dem mein Bein wegging“, hatte aber keins mit, das ich hätte dalassen können.

***

DIe am Automaten in Bewegung gesetzten Prozesse zwecks Operation des Vaters im Februar, das befürchtete Hin-Und-Her zum Narkosegespräch, zum Check und schließlich wieder zur Operation selbst erübrigen sich möglicherweise. Die Urologen ziehen OP- in den nächsten Tagen in Erwägung, während er noch im Kranknhaus ist! Kann es kaum glauben, so matt wie der Vater in seinem Rollstuhl sitzt und aus dem Fenster blickt auf die Esso-Tankstelle schräg geggenüber. leuchtender Farbfleck im fahlen weißgrau des WInterwetters. der Beutel neben ihm ist blutrot. eine Spülung der Blase wurde gemacht. Nie und nimmer wäre das gut gegangen ohne Rückkehr ins Krankenhaus. Erleichterung, ausnahmsweise mal die richtige ENtschiedung getroffen zu haben.Wir sind zurück in Ebersberg, aber auf einer anderen Station.

***

Die neurologische Station, auf der der Vater vorher lag, vor dem einen Tag zuhause, hat alle Arztbriefe verbummelt, die ich mitgegeben hatte. möglicherweise sind sie im Archiv gelandet, sagt der sanfte dunkelhäutige Pfleger mit dem schönen Namen . HIer jedenfalls fände er sie nicht. dafür liegen aber noch die Kranknkassenkarte und die Tabletten des Vaters, die er eigentlich hatte per Post schicken wollen.  Aus dem Archiv wiederum darf die Akte mit allem, auch meinen ArztBriefennur der anfordern , der sie dort abgelegtr hat. sagt die Archivsangestellte: „Ich könnte die Akte heraussuchen, aber ich darf Ihnen die Dokumente eh nicht geben.“

„Dürfen Sie mir sagen, ob die Dokumente da sind?“

„Das ist sehr umständlich und sie haben ja doch nichts davon.“

„Aber es ist wichtig. Eine OP steht an und eine ENdoskopie; das waren Arztbriefe und Befunde von einer früheren Blasen-Operation in Bogenhausen., Befunde, die nicht unwesenltich sind, hat der Urologe selbst gesagt!“

„Dann muss die Station selbst sie  anfordern.“

„die Urologie?“

„Nein die Neurologie.“

„Aber von da komme ich ja gerade!“

Wut auf die Neurologischen wächst. die mögen zwar den schöneren Weihnachtsbaum auf der Station stehen haben und mehr Apfelteebeutel in der Patientenküchje vorrätig, aber weder haben sie die angeordneten Sitzbäder gemacht, noch kommuniziert, daß sie sie nicht machen können, noch die aktualisrten Medikationsplan beachtet und jetzt verstecken sie auch noch meine mühsam zusammengeklaubten Arztbriefe. wo doch alles Chaos ist zu hause und die blaue Mappe mit den Medizinischen Papieren so was wie ein STrohhalm war… – ja okay,  war selber nicht in der Lage die Briefe der Mutter von denen des Vaters zu unterscheiden und  die Sanitäter hatten über den Vornamen des Vaters rätseln müssen und sich gewundert, daß nirgendwo von der Vorhautverengung was stand bei der Hedda Sachs… aber das ist es ja  eben, das ist alles eh schon so wirr… zu viele Demente in einem Haushalt, zu viele Klinikentlassungen zur gleichen Zeit zu viel Papiere, zu viel Zeitungesstapel, zu viel des GUten, zu viel des Schlechten…

Wäre ich nicht so hungrig, ich hätte Lust mich ins Archiv zu schleichen. stelle es mir vor wie ein Szenario aus Kafkas „Prozess“. gehe stattdessen ins „Jakobsstüberl“, eine Leberkäs-Semmel essen und das Notbook auftanken. abends den Heizungskeller entrümpeln, beinahe vergessen, daß der Mann der das Ableitungsrohr repariert kommt. es ist aber eine gute Aktion, den Schiffskoffer der Mutter mit ihr gemeinsam durchgesehen.geordnet. er ist weiß lackiert und innen mit Stoff gefüttert, gestreift in rot und blau.  später im Traum tanzte der Schiffskoffer auf den Wellen des Meeres. ähnliches Bild habe ich noch im Kopf vom letzten Überlaufen der Waschmaschine. im Traum aber war es ein Schiffsbruch gewesen, kein dramatischer. der riesige KOffer hielt sich gut und das Meer war blau, so blau die Sonne glitzerte und ich war beruhigt, weil der KOffer war ja lackiert und somit Wasserdicht.

***

[…]

20.12. der Sanitärmann kam früh, fast zeitgleich die Haushaltshilfe von der Nachbarschaftshilfe. Pfefferminztee. es geht alles schnell. Wundere mich, daß der Mann keine Maske trägt (nicht wegen Corona, aber wegen des anschließednen Asbestrohres. es ist aber wohl kein Fall von „A Guada hälts aus!“, sondern die geschnittenen Fasern sei es  nicht gefährlich. Assoziation einer Guillotine. Stelle mir die bösartigen Eternitfasern vor wie Schlangen, denen man den Kopf abschneidet, allen gleichzeitig, bevor sie zubeiißen können. Einkaufsfahrten mit der Frau von der NAchbarschaftshilfe. Beinahe Baum gekauft bei Hagebaumarkt, aber es schien mir „keine Priorität“, dafür ein fahrbarer Metallschiene, auf die der Vater seinen linken Fuß stellen kann und  ohne viel Kraftaufwand seine Beweglichkeit trainieren kann. Lidl Großeinkauf.

Nachmittags nach Ebersberg Die Mutter will erstmals mit. es ist eine spntane ENtscheidung, aber eine gute. Bisher schien der Gedanke ans Krankenhaus Kältewellen und Erschöpfung auszulösen.

21. 12. habe Brief geschrieben an die Neurologinnen, die den Arztbrief geschrieben hatten, in dem der Vater angeblich mit einer nur leichten Lähmung des Armes entlassen wurde. Der Brief ist zwar nie and ie Angehörigen adressiert, sondern nur an die Kollegen (in diesem Fall immer noch an den alten Hausarzt, der in rente gegangen ist), aber er ist so wichtig für mich, um überhaupt eine verbindliche Info zu haben. auch wenn es eine ist, die ich mir erst übersetzen lassen muss von den  Ärzten und Ärztinnen, mit denen ich befreundet bin. Dem Brief aber musste ich antworten. erstens weil ich nochmal um die Unterlagen bitten wollte, die anderen Arztbriefe, die ich mitgegeben hatte im Sinne des „Was bisher geschah“. Zweitens wollte ich fragen, ob man dem Brief nicht noch ein PS anhängen könnte. eins das den ZUstand realistisch rüberbringt, denn das mit dem „Gehen-Können“ kann ja offensichtlich nicht stimmen. und auch die Urologischen DInge, die nicht auskurierte  Entzündung hätte ich gerne erwähnt gesehen gehabt. ich ahne schon, es ist kein Brief, den Ärzte lesen wollen. weise ausdrücklich darauf hin, daß es mir um „Mehr und klarere Kommunikation“ und Transparenz geht. Nachwievor, nehme ich den Pfleger/innen nicht übel, daß sie keine Zeit gefinden haben, die angeordnetetn Kamillensitzbäder zu machen. ich weiß, Jeder weiß, wie überlastet sie sind, wie schlecht bezahlt und unterbesetzt. Alles was ich will ist, daß jemand seine Grenzen kommuniziert. Und die pflegenden Angehörigen ernst nimmt, sie einbindet.  ich bin doch da, ich habe Zeit, ich hätte  das machen können. Von den übersehenen Druckgeschwüren hab ich nichts geschrieben. die wurden erst auf der Urologischen Station entdeckt. – Das also ist ein Dekubitus?

Bilder gegoogelt, die entweder harmloser aussehe als die Füße des Vaters oder der blanke Horror sind, schwarz-rote Stellen, bis zum Knochen durchgefressenes Fleisch..? beim Vater allerdings sieht es aus, als hätte ihn ein Zombie mehrfach in den Fuß gebissen. Pfleger erklärt, daß die Gafhr ist, daß das Fleisch innerilch abstirbt, dann öffnet sich das Geschwür und dann müsse man chirurgisch etwas tun. aber um die roten Druckstellen, manche sind wund und sehr dunkelrot, bildet sich ja schon ein schwarzer rand. das abgestorbene Gewebe schimmert schwarz durch die Haut hindurch, ein beinahe runder Kreis. Albträume.

Als ich auf der Station ankomme erzählt man mir, daß der Vater seine Beschneidungs-OP bereits hinter sich gebracht hat. so früh? wie sie verlaufen ist, weiß keiner der Pfleger, ob die Endoskopie stattgefinden hat, auch nicht. ein Dr. P habe sie ausgeführt. Gestern hatte es noch geheißen, ich könne ebentuell dabei sein, um den Vater zu beruhigen währendessen. hatte s mir schon gedacht, daß es am ende nicht erlaubt sein wird. es ist also vollbracht. Und ganz ohne Narkosegespräch und Rabbi!

22. 12. 

 auf Facebook fragt mich ein Freund aus Gambia, ob es stimmer, daß in Deutschland ein Putsch die Regierung gestürzt habe? Erhabe Gruseliges gehört – und gesehen, daß es viel  geschneit habe. (was wiederum sehr schön ausgesehen habe). Tatsächlich lange keine Nachrichten verfolgt. Keinen Nerv gehabt für Reichbürger und Ex-AfD-Richterinnen (oder AfD Ex-Richterinnen). Dafür Bild vom verschneiten Neukeferloh geschickt. Blick aus dem Fenster. das Haus gegenüber, das  mit dem Privatweg, den man nicht betreten darf, dahinter die Reihenhäuser, die winzig aussehen unter der Wucht der Schneedecke. der Wald. der Morgenhimmel. sehr idyllisch.

Der Vater  könnte theoretisch bereits am 23. entlassen werden! so kurz nach der vorgezogenen Operation? Wir einigen uns doch noch auf den 24. da ein Physiotherapie-Termin dann noch möglich ist, bei dem ich dabei sein darf, vielleicht auch  ein Neuro-Check? Sehr netter  sehr sorgfältiger Pflege zeigt mir wie ich die  Füße lagern muß, damit die Geschwüre nicht aufbrechen. bin nachwievor verzweifelt über die schwarzen Ringe – werde aber aufgeklärt, daß es sich um Kugelschreiber-Markierung handelt um zu sehen, ob das Geschwür sich ausbreitet. bin erleichtert und auch nicht. es sind so viele Baustellen geworden. Pflegedienst anrufen, daß Entlassung naht.

***

Wollte gerade den Pflegedienst anrufen, da kommt mir der Leiter desselben zuvor und teilt mir mit, er habe gerade alle Pflegekapazitäten anderweitig vergeben. um den Vater, wenn er morgen entlassen wird könne man sich über die Feiertage nicht kümmern, erst wieder in 6 Tagen. es sei denn er würde bereits am 23. entlassen, dann ginge es durchgehend. seltsame Logik. fühle mich allein gelassen. Ziehe vorzeitige ENtlassung in Erwägung, aber dann doch nicht, weil die Klinik jetzt einen Physiotermin angesetzt hat und auch sehen will ob alles funktioniert ohne Katheter. Streit mit Pflegedienst, weil es doch geheißen hatte, ich solle mich melden wenn der Vater definitiv entlassen wäre und auch weil ich verucht habe das doch recht teure  2 x täglich Grundpflege-Angebot runterzuhandeln  durch das Weglassen von DIngen, die ich selber machen kann (und meistens eh selber mache, auch wenn der Dienst kommt), Zähneputzen, Haare-Kämmen, Anziehen, Ausziehen, Eincremen. – Fettnäpfchen. Mißverständnisse. Daß während dem telefonat die Nachbarschaftshilfe klingelt und lauthals mit „Guten Tag, die Nachbarschaftshilfe!“ das Essen auf Rädern bringt macht die Sache nicht besser.: die verzweifelte Nachfrage „Was mach ich denn bis Dienstag ohne Pflegedienst wird quittiert mit „Gehen Sie doch zur Nachbarschaftshilfe!“. zu viele Mißverständnisse, zu viel  Bedürftigkeit. zu viele Feiertage. zu wenig Sicherheit…  – doch um ENtlassung am 23. bitten? Morgen immerhin kommt der starke Sohn. vielleicht wird es ja doch gehen. trotz Zombiebissen, OP-Wund-Versorgung, und trotz aller Ärzte die in Urlaub sind. der  neue Hausarzt immerhin hat noch Verordnung geschrieben. Wundversorgung doch einfordern? Oder Augen auf und irgendwie durch… –

23. darf heute vor der offiziellen Besuchszeit auf die Station, weil eine Jelena mir EInweisung gibt, wie ich die Wunde versorgen soll und der Physio-termin noch ansteht.  die Ankunft des Sohes, müde vom Nachtbus. die  Fahrt erstmals wieder mit dem Motorrad, das  gestern noch im vereisten Garagenhof auf dem Hauptständer stand. das Eis taute am Abend weg und die Mutter half mit erstaunlich gezielter Kraft  anschubsen. die Erleichterung wieder fahren zu können, das Aufatmen. keine weißen Weihnachten. egal. der Blick aus dem fenster sieht jetzt ernüchternd aus. trauriges Grau. egal. Hauptsache wieder fahren können. bin früh in Ebersberg. zu früh für die EInweisung. esse Leberkässemmel und warte…

im Zimmer der Vater im Reha-Stuhl – wartet auf den Physiotherapeuten??? linke Seite kippt wieder weg. erschöpft, Weit-Weg-Blick. schon länge sei er so gesessen, sagt der neue Bettnachbar, sei verwirrt, ob er nun abgeholt werde. Jelena kommt und will ihn ins Bett bringen zur Wundversorgung, er schnauft wieder heftig und blickt starr. vermute Anfall. sie will erst die Werte messen. Windeln. Jetzt??? sieht aus wie das, was bisher die kleinen Anfälle waren, die selten jemand live mitbekommen hat, der Ahnung hat. laufe nach unten zur neurologischen Station un dlande bei eben jener Oberärztin, die den Arztbrief unterschrieben hat. denkt, ich komm wegen meines Antwortbriefes und will minutiös alles durchgehen, was an Aktivitäten für den Vater unternommen wurde.

„Er hat gerade jetzt einen Anfall oder so! Können Sie nicht schnell mitkommen?“

Die teflonbeschichtete Ärztin, die kühle melodische Stimme, sanft  und ungreifbar. Nicht möglich, das Procedere sei: die andere Station müsse ein KOnzil anfordern, nur dann könne sie hinzugezogen werden.

„können Sie nicht einfach so vorbeischauen?“ Es ist doch nur eine Treppe! es ist das erstemal, daß jemand direkt in Echtzeit sehen könnte was ich immer versuche zu beschreiben, was sich immer wie laienhafte Sharade anfühlt, wenn ich versuche es wiederzugeben.

„Sie können ja abklären, worum es sich gehandelt hat, wenn Ihr Vater wieder zuhause ist.“

WIE DENN?? WIE? der Hausarzt macht keine Hausbesuche, der Bereitschaftsarzt existiert de facto nur als sonore Stimme in der Warteschleifenansage, die immer endet mit „keiner da, keiner verfügbar“ und hier und jetzt wo er vor ort im Krankenhaus ist, wo EEG-Aperate und sonstiges verfügbar sind, tut keiner was? Wut. Ohnmacht. zurück auf der Urologischen Station ärgere ich mich, daß ich nicht gleich die Urologen verständigt habe. kommen sofort und zu zweit. da ist der Anfall aber auch schon vorüber. Normalität kehrt wieder ein. Jelena zeigt mir die Wundversorgung. Das kleine Fläschchen mit der Aufschrift „Schmerzöl“, ihre tiefe, flüsternde Stimme, als ich frage was das sei, Schmerzöl? Und  sie  rätselhaft und geheimnisvoll erklärt: „Schmärrrrzöl… das ist gut. Ist Schmerzöl.“ steckte mir eine Flasche zu und ich hatte das Gefühl im Besitz eines Wundermittels zu sein. – allerdings ob es gegen Dekubitus hilft…? laut Internet gibt es nur Therapieformen, die man bisher fälschlicherweise angewandt hatte und von denen man weiß daß sie entweder nicht helfen oder schaden. Schmerzöl war nicht explizit erwähnt.  dann lange auf den Physiotherapeuten gewartet – der war allerdings wie sich herausstellte eine Stunde früher dagewesen als angekündigt. Muß in der Zeit meiner Lebenkässemmel gewesen sein.

Nachmittags zu hause. noch keinen  Baum gefunden. alles nur dürre riesige oder trostlos mickrige Restebestände. dann doch erstmals dem handgemalten Schild gefolgt das am Schwabenerweg „Christbam“ verspricht, landete im Wald , auf halbem Weg zum Friedhof – das freie Feld mit den echten Bäumen, frisch und grün, einer schöner als der andere, aus dem Boden wachsend. aus einer Hütte kam dicker Rauch, es hatte zu regnen begonnen ein paar Leute standen um eine Feuertonne, ich bekam Glühwein und habe mir die hellgrünste kleine Tanne ausgesucht. man kann sie selber absägen, wenn man will. ein Augenblick Ruhe. alles wird gut. wie beinahe immer hängt er an der Decke. vom Pflegebett aus sichtbar und vom Wohnzimmertisch aus auch. Immer schweben meine Weihnachtsbäume und sehen aus als würden sie die Schwerkraft außer Betrieb setzen, diesmal aber ist der Baum ist so leicht und zart und trotzdem üppig, daß es kaum ein WUnder scheint, daß er schwebt. es ist kaum Weihnachtsschmuck vorhanden, schmücke ihn mit Süßigkeiten und Lebkuchen und DIngen die ich im Haus finde. bunten Filmstreifen, Glaskugeln, winzigen Porzellan-Püppchen, Glühbirnen.

24. der Vater kommt um 9:30. vorher letzte EInkäufe für Weihnachten  – und Windeln. als er kommt sieht er erschrocken aus, beruhigt sich dann doch. schwer einzuparkende Liege. dünner Sanitäter quetscht sich zwischen Pflegebett und Wand. weiß nicht mehr warum. wird es schwer werden?! wie???? wie lange geht es gut? warum nicht? wird schon. Muß ja.

***

Alle schlafen. es ist noch früh am tag. Der Sohn und ich wissen nicht was noch tun und schauen deshalb eine Folge „House of Dragon“, denken beide gleichzeitig, daß der alte König mit seinen vielen Wunden und Geschwüren (nicht vom Liegen im Kranknhaus, sondern vom Sitzen auf dem martialischen Thron, der schon in „Game of Thrones“ so unbequem aussah, daß kaum einer drauf sitzen wollte oder konnte obwohl alles sich um dessen In-Besitznahme drehte) und dem dürren Haar dem Vater nicht ganz unähnlich sieht, vielleicht mal abgesehen vom Bart. der Bart des Vaters wächst und wächst. ein sehr weihnachtlicher Bart ist es geworden. zuweilen bleibt das Essen darin hängen.

 

17. 12. 2022

Der gestern Nacht hoffnungslos verschollene  Arztbrief tauchte am Morgen auf – erstmals habe ich Zeit in überhaupt zu lesen. vom Vater, der nicht gehen kann, dessen linke Seite kraftlos hernieder hängt, von dem man vor nur weniger tagen sagte, er könne nie wieder gehen und der eine so stark vereiterte Harnwegsinfektion hat, daß Eiter und Blut nur so aus ihm herausgequollen sind, wird gesagt, man freue sich  ihn entlassen zu können mit nur noch einer minimalen Lähmung des rechten Armes. Die urologischen Symptome sind so wenig erwähnt ihm Arztbrief wie  sie im Arztbrief der Mutter stehen, den ich fälschlicherweise gestern beinahe den Sanitätern mitgegeben hätte. Ja, durchaus auch Enttäuschung, weil  das Papier ein völlig verfälschtes Bild zelebriert, kein medizinischer Dienst würd emimr glauben wie schwer die Pflege ist. So froh ich bin, daß möglicherweise das, was die Ärztin gesagt hatte am Telefon: daß er nie wieder würde gehen können, daß Reha minimale Verbesserung bringen können täte, aber nicht in Frage komme auf Grund der Demenz. Ich könne aber mein Glück versuchen. Nichht ganz so stimmt, dennoch: hätte man das nicht MIR auch mitteilne lkönnen? Arzbriefe sind an die Ärzte Addressiert. der Angehlrig kann sehen was er hat und wo er bleibt. Wieder die S-Bahnfahrt nach Ebersberg. imme rnoch zu verschneit, zu glatt, um mit dem Motorrad zu fahren.

***

[…]

15. und 16. 12. 2022 So viel Blut!

Der Penis meines Vaters ist zum Gegenstand der Dauersorge geworden. Seltsame Umdefinierung des Tabus: Schluß mit dem nicht hinsehen. Habe schon zu viel übersehen.  Tabus muß man sich leisten können. Und überhaupt… – Ein Teil von mir kam aus diesem Organ. Es bleibt nichts anderes übrig als hinsehen, sehr genau…  umnun zu sehen wie Eiter heraustropft. Die Schwester gestern, eine die ich nicht kannte, denn sie war nach längerer Zeit erstmals wieder auf der Station, hatte erklärt, daß niemand SItzbäder mit dem Vater hätte machen können. Es sei seinfach nicht möglich bei der vielen Arbeit, die sie zu tun hätten. Zu umständlich zu lange, zu nass… aber sie hätte viel Eiter herausgeholt gestern. Es scheint zu stimmen, es riecht nicht mehr so schlimm wie die Woche über. Die Umdefinition der Tabuzonen in Behutsamkeit. Tupfen. Ausgerechnet eine Phimose. Etwas, das möglicherweise bereits Heirnich von Kleist 1800 zu schaffen gemacht hatte. Angeblich fuhr er bis WÜrzburg, um die selbe zu behandeln, was schwer zu glauben ist. Egal. Der Vater ist zuhause.

Er wird gebracht, da ist die Mutter noch in der Tagesklinik. Man setzt ihn in den Rollstuhl. Die Ankunft war noch gut gewesen, das weiß ich: Desorientierung des Vaters, dessen große panische Augen die Decke anstarren, als er auf der Liege gebracht wird, verschwindet, als ich ihn durch die Räume schiebe. Er dirigierte mich weitgehend stumm im Rollstuhl durch die Wohnung, wollte sehen, wo er gelandte war. Seltsamerweise zog es ihn eher in den Flur zurück. Dann zum Esstisch. Vertrauter Platz. Was aßen wir? Vergessen. Im Sitzen, in der Wohnung, am Tisch verspricht der Anblick Normalität. Warten auf die Pflegedienstleitung, die die Bestandsaufnahme macht. Wie es ihm geht, was nötig ist… warte auf die I.  Die I. ist diejenige,  wegen der wir dann den Pflegedienst auch gewechselt hatten, eine die im Notfall kommt ohne darauf zu schauen ob dann auch ein Vertrag unterschrieben werden wird oder worden ist.

Jetzt zieht es wiederum mich in den Flur. das eigentliche Badezimmer im ersten Stock – unerreichbar. bleibt nur das Gäste-Klo. Verfrühte kühne Idee ihn auf das Gäste-WC zu setzen um die lange schon fällige Kamillen-Sitzbad-Spülung zu machen.  Beinahe Fall auf der Toilette. Blut und Wasser geschwitzt.  Der winzige Raum, das „Flur-Klo“ ist nicht mehr als ein Waschbecken und eine Toiletten. (vielleicht fiel er deshalb nicht um). habe dieses kleinste aller Zimmer als Kind geliebt. Der Vater auch, Ort seiner Morgentoilette und Zeitungslektüre, bevor alle wach wurden. EInmal schnellte er daraus hervor und ertappte mich beim ENtwenden von 10 und 50 Pfenning STücken aus dem Trinkgeldtopf. –  kein Topf! dEin Wechselgeldspender der alten Straßenbahnschaffner aus ferner Zeit.  war damals eigentlich nur zur Diebin geworden, weil es so viel Spaß machte, die Tasten zu drücken und zu sehen wie Münzen herauskamen. Es waren so viele, mehr als genug. man konnte schon ein oder zwei  oder noch eine behalten „Jetz hab ich Dich erwischt!“. ich hatte das Geld so dringend gebraucht zum Biene-Maja-EInklebe-Bilder-Kaufen.  – schiefe Bahn… – Gerade noch Halt des Vaters am Waschbecken.Waschung dann doch nicht mit der eigens dafür gekauften Urinflachse, sondenr mit einem pistazienfarbenen Re-Cup-Becher. es kamm dann doch noch sehr viel Eiter. abtupfen. rötliche Spur von Blut, rosa eher.  in Ermangelung von Betaisadona-Lösung, die der Arzt verschrieben hatte, dann die entsprechende Salbe gnommen. alles rot.

Hielt die sehr kompetende leitende Pflegefrau deshalb die Infektion daher für eine Pilzentzündung? da hatte ich ihn sogar ins Bett gehieft. war es eher kontraproduktiv, daß ich schon alles recht sauber gemacht hatte? sie zeigtemir aber in RUhe, wie das WIndeln im LIegen geht. es sah sehr leicht aus, so wie sie es machte.

***

Es ist nicht leicht! die WIndeln in die Matratze einrollen, unterschieben, hochziehen… die erste reißt, die zweite auch. ich zerreiße sie in noch mehr Stücke und werfe die vielen weißen Fitzelchen ind ei Luft. es sieht aus als on es schneit. […]

***

16. Dez. am Ende quoll nicht nur EIter, sondern auch Blut. es war so viel, daß die Pflegerin die am Abend kam, sagte, sie hätte noch nie so viel gesehen, jedenfalls nicht aus einem Penis heraussprudeln. Der verzweifelte Versuch, einen Arzt hinzuzuziehen – am Freitag Abend! die endlosschleife des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, die immer nur von Datenschutz redet, die Vorgesetzte, diesmal eine andere, die abwiegelt, so schlimm werde e swohl nicht sein. die Pflegerin selbst, die irgendwann doch darauf besteht, ein Arzt oder Sanitäter müsse kommen. das Zerren, das hin und her, die Sorge, die Aufregung. der erneute Schlaganfall des Vaters. die Sanitäter… der Arztbrief des Kranknhauses, dern ich ihnen gab und die der eine studierte – aber sich wunderte, daß nichts von der Phimose darin zu finden war. die Erkenntnis erst spät im rettungswagen, daß ihch ihm den falschen, nämlich stattdessen den der Mutter gegeben hatte. Ebersberg… würde es wieder werden, sagte der eine. wieder. gut. vielleicht besser so. oder auch nicht. Hatte bis zu letzt gezweifelt ob es das Richtige ist, ob es nicht besser wäre doch einfach Ruhe einkehren zu lassen. Als er schon im Inneren des Wagens lag und die Sanitäter warteten, ob ich nicht doch noch den richtigen Arztbrief finden würde, als ich dann kam und ihn da liegen sah, jetzt nicht mehr blutend nur sehr erschöpft, beinahe firedlich, dachte ich daß es falsch ist. daß er besser in Ruhe zu hause…. blieben solle. Als das Auto davon war, war ich dennoch erleichtert. in der WOhnung lagen überall die blutroten WIndeln und Tücher. die Pflegerin updatete ihre Vorgesetzte. ins Bett gefallen, htte nach oben gehen können ins richtige Bett, fiel aber auf das Notlager im WOhnzimmer

14./15. Dezember. Die letzten Räumaktionen in der   Nacht, die gestrigen Last-Minute-Käufe im Sanitätshaus in Haar, zwischen der Busabfahrt und Ladenschluß. Urinflasche und  Bettpfanne (die ergodynamische, nicht die, die die Kasse zahlt, obwohl der Preis der selbe ist. . zu spät für halbe Hähnchen Kaufen vor Orterer. man kann nicht alles haben.

14. Dezember. Der Vater soll bereits entlassen werden! Kann mich nicht freuen, denn er wirkt erschöpfter als zuvor, der Entzündungsherd riecht schlimmer denn je. versuche verzweifelt den Urologen wieder zu finden, der die Sitzbäder angeordnet hat, merhfaches Telefonieren und auch Vorbeischauen auf Station 3B, der Urologie. der Name des Arztes sei G., sagt man mir, aber ich hätte schwören können, daß es ein längerer Name mit „S“. Auf der Station frage ich wie ich denn nach der ENtlassung die Sitzbäder machen soll. die Schwester sagt, sie selber hätten nur Kompressen in die Windel getan, Sitzbäder seien viel zu aufwändig.

„Und wenn ich einfach ein Glas nehme, und mein Vater hält das Glas und…“

„Dann wird alles nass. Das können wir hier nicht machen.“

bin verzweifelt. zuhause steht das Pflegebett unten im Erdgeschoß, weit weg vom gekachelten Bad. er kann nicht laufen, wie soll ich ihn wachen. Hier im Kranknhaus hat er direkt neben dem Bett ein Badezimmer und einen Super Rollstuhl. ich hätte längst mit ihm im Bad Sitzbäder machen können. SO schön es ist, ihn neben dem Weihnachtsbaum abzustellen, man hätte ihn doch auch ins Bad schieben können.

Panik wegen der Entlassung. versuche wieder mit dem Urologen zu sprechen. auch wegen der Beschneidungs-OP. und mit dem Physiotherapeuten, den ich immer verpasst habe, damit ich weiß, wie ich die Gehversuche mache, die man immer verspricht mit ihm, mit mir zu unternehmen und dann ist doch nie Zeit. Beschneidung wird wohl nichts. nicht einmal das Narkosegespräch könnte man jetzt noch angehen. alles müsse ambulant und mit zwei extra-terminen im Februar stattfinden. Ziehe in Erwägung den Vater zum Judentum konvertieren zu lassen und einen Rabbi kommen zu lassen.

13. Dezember. Es  liegt ein Fernsehtechniker auf dem Zimmer des Vaters. Gespräch über Daumenkinos und Wahrnehmung. zappende Filme der Stummfilmzeit. Ob sie zappelnd und schnell wirken, weil Bilder zu „fehlen“ scheinen, weil die Bildzahl pro Sekunde im Film anders ist als im Fernsehen? (immer noch beschäftigt mich die Frage ob mein Vater das Autofahren und die vorbeirasenden Bilder tatsächlich nicht mehr verträgt, weil das Kino in seinem Kopf  die Reizflut nicht schnell genug prozessieren kann). Dachte das sei wie mit dem Fernsehen und den zu unregelmäßig un dlangsam gedrehten alten Filmen. Der Mann meinte aber, man zeige sie im Fernsehen extra schnell, WEIL sie so holprig und mit einer Handkamera gedreht seien. Der Mann ist nett, aber entflieht des öfteren dem Raum, denn es riecht immer schlimmer nach Eiter. es ist auch kalt, weil das Fenster geöffnet ist. auch weil es so schlimm riecht. die zu vielen Bilder sind gerade nicht das Problem meines Vaters.

Gestern lag hier noch ein Mann kurz vor einer Herz-OP. strahlte kompetenz und Urlaubsbräune aus. Er war geplant und vorbereitet angereist für die Prozedur, kein eingelieferter NOtfall wie mein Vater, der immer noch seine Prothese nicht im Mund hat. erst hatte ich sie nicht mitgegeben, jetzt liegt sie immer noch  unberührt auf dem Beistelltisch, denn der Vater braucht sie auch wohl nicht, er isst nur Brei-Kost.  Den neuen Bettnachbarn assozierte ich mit dem Wort „Intakt“, hielt ihn für einen Golfspieler und Arzt, der selber zum Patient geworden sein Schicksal mit Gelassenheit zu tragen versucht. – war aber in der Computerbranche. in ehemals leitender Funktion. Wissenschaftler. Sprach über Plasma-Rechner und wie groß die Speicherkapazität die Zellen eines Ginkobaums sind. interessantes Gespräch aber viel Mansplainingpotential. aber nicht unangenehm. der Vater schwieg, ich stellte ihn vor, bezog ihn mit ein mit seinem Schweigen, er lächelte weise.  als ich aber schließlich ging und mich  von ihm verabschiedete, fragte er mit rauer Stimme „Gehst Du mit IHM?“ Ich sollte nicht so viel reden. ich sollte ganz bei Ihm sein, auch wenn es ein stilles Gespräch ist mit Blicken und HÄndedrücken. Auch mit dem Fernsehtechniker heute zu viel gesprochen. Zu viel, zu schnell.

***

Auf dem Rückweg in  Ebersberg (letzter Station auf der S-Bahn-Strecke), lange auf die Abfahrt der Bahn warten gemußt. sie stand aber schon da, dunkel und noch nicht einsatzbereit. man durfte aber schon einsteigen. Wäre beinahe eingeschlafen. Grüne Notbeleuchtung wirkte erst unheimlich dann sehr angenehm. Schocl als das Neonlicht ansprang und die Bahn losfuhr.

12. Dezember Gestern die Ankunft des Pflegebettes. Die Überraschung, daß alles passt. Daß es nicht schlimm aussieht. Das Warten auf den Mann der die Rohre im Keller prüfen soll. Dass Wunder daß überhaupt einer kommt schien so groß, daß ich den Mann bestellt obwohl es die denkbar ungünstigste Zeit ist – für ihn wohl auch, denn er kommt nicht. Fast bin ich erleichtert, weil der Tag ansonsten so voll ist. Alles Vorbereiten, falls der Vater entlassen wird bald. Hoffentlich! Oder hoffentlich nicht, falls doch möglich „den kleinen Schnitt“ noch zu machen. Schnitt machen. Seltsamer Begriff. Urologen erreicht. Weil nur er due Einweisung wegen Vorhaut-Beschneidung in die Wege leiten kann. Logopädin, die Frau K-F. erreicht, die am Freitag vorbeischauen will. Die Entdeckung, daß es leicht ist, auf Dr. K.’s Seite Rezeptwünsche zu hinterlassen. Ob er sie erfüllt? Die Verlängerung der Logopädischen Sitzungen z. B. Assoziation eines traurigen Wunschzettels. „WÜnschen hilft“ sagt Rahel Varnhagen im Türchen Nr. 2 in meinem Literatur-Adventskalender. Das Gefühl auf einem guten Weg zu sein… dann der Anruf einer wieder neuen Ärztin des Klinikums Ebersberg , die den Vater gerne entlassen wollen würde mir aber nebenbei mitteilt, daß er nicht mehr laufen können wird. Und da steht das tolle Pflegebett – im Erdgeschoss… ?! Wie soll er ins Bad, in die begehbare Dusche kommen im ersten Stock? Der schönste Moment des Tages war als ich nichts wußte. Der zweitschönste, als der Hans Pohl von Nipponpower Harthausen kam und einfach nur so mein Motorrad zu sich geholt hat zum TÜV. Und kein Geld gewollt hat und die Honda nach oben in seinen grünen Autobus gelenkt hat, ich hinten geschoben und das Moped dort stand auf einem wunderschönen alten Blümchenteppich. Assoziation eine Stehlampe müsste noch dazu oder der Sessel der Oma, der dem Pflegebett hat weichen müssen. Der Moment als das Motorrad auf der schmalen Rampe nach oben gehieft wurde, aber ich nicht stark genug schien es zu schieben, bzw. die Schuhe zu rutschig waren… und dann ging es doch. Werde ich Rampen brauchen für den Vater?

***

 

11. Dezember.

der Vater will doch einen Baum. wieder saß er draußen auf dem Flur neben dem Baum gegenüber vom Stationstresen. als ich fragte, was er sich zu Weihnachten wünsche, sagte er einen Baum.

„Einen kleinen, oder einen großen?“ (einen großen würden wir, jetzt wo das Pflegebett kommt, nicht unterbringen im Wohnzimmer)

„Einen großen“

„Und was wünscht Du Dir noch?“

„Viele Geschenke“

Unter dem Baum in der Station liegen sehr viele, aber ich bin mir inzwischen, daß es Atrappen sind. „Mal sehen…“ MOmentan habe ich nur die Handschuhe, die ich in Egelharting gekauft habe weil meine Hände so kalt waren – „… Aber wünscht DU Dir noch was bestimmtes zum Essen?“ Er überlegt, dann winkt er ab

„Darum kümmer sich meine Mutter, die kocht uns was.“

10. Dezember.

Der Vater flog aus der Tagespflege. – natürlich flog er nicht achtkantig raus. Aber das was eben noch vage optional in aussich gestellt worden war für „Nächstes Jahr“, ist eine vollendete Tatsache geworden. Kein Abwarten, Kein „Mal sehen“. kein Aussetzen auf unbestimmte Zeit. Als hätte sich ein Hebel umgelegt und die einfühlsame außerordentliche Pflege, Sorge und die Bereitschaft alles zu tun schlägt um in „Es war ja die ganze zeit schon untragbar“. wo ist der Mittelweg, wo der reine Wein, den man doch eingeschenkt haben will und muss als Angehörige? Erfahren, daß die immer so gut gelaunten Fahrer/innen  instruiert sind nur Positives zu sagen. nie wurden meine Fargen „Ist es okay? geht es? soll ich einen Sitz mitgeben für die Fahrt?“ also ehrlich beantwortet? Auch der eine, der jüngere Fahrer, der mal so plastisch von „eingekackt“ gesprochen hatte, hatte dann immer eingelenkt „kein Problem“. In WIrklichkeit ist es ein NO-GO.

ich weiß nicht… Wechselbad. das Kind, den Vater ausschütten. Schäme mich jetzt rückwirkend für alles Gute, was wir zu viel erhielten im letzten Jahr. und hasse, daß wir in der Schuld standen und jetzt ohne Aussicht. wie ist das zu schaffen ohne wenigstens einen Tag Luft holen zwischendurch? den Führerschein machen – kann ich vergessen. wie soll das alles gehen. – – – und natürlich geht es. irgendwie. Muß ja muß.

Als es damals passiert ist, habe ich damit begonnen, den Vater früher zu wecken, aber langsamer zum Aufstehen gebracht. Lange ließ ich ihn auf der Toilette sitzen und die Füße auf dem Pedal-Trainer treten. in die Gänge kommen, in den Stuhlgang, Kreislauf hochgefahren. ein Trittbrett gezimmert, damit es die Fahrer nicht so schwer haben beim Einsteigen. An seinem letzten Tag in der Tagespflege, war er so voller Vorfreude gewesen, so dynamisch, daß er schon – trotz der Morgenkälte draußen hatte warten wollen. wir standen im Garagenhof und warteten auf die Fahrerin, entdeckten einen kelinen grünen Ball und der vater begann damit herumzukicken.  und das mit Links. war noch so begeistert gewesen von der Entdeckung, daß die Linksschwäche beim Fußbalspielen vergessen ist. als er einstieg – die fahrerin winkte ab als ich mit der Trittstufe daherkam und vom Drehsitz sprach „So was hamma hier net!“ – „Aber ich könnte es doch zur Verfügung stellen…!“ schon war die Tür zu. hatte  trotzdem ein ein gutes Gefühl! – am Nachmittag dann war er so müde gewesen, daß sie mich herausklingelt, um zu helfen. er habe nur geschlafen und kaum etwas mitgemacht. man sei aber eine Tagespflege und kein Kranknhaus. Eigentlich war da schon klar, daß es nix mehr würde. es war das erstemal, daß jemand die Zumutung, als die wohl empfunden wurde, nicht weggeatmet hat. Ok, – Auch nicht so toll. So oder so: mir hätte klar sein müssen, daß es dem Vater eben doch noch nicht gut geht. Vielleicht hatte er alle seine Kraft für den tag verschossen im Garagenhof.  Immer hinke ich hinterher. nie weiß ich was angemessen ist. aber es wäre nett gewesen, wenn es einem jemand rechtzeitig erklärt hätte.

Erst jetzt wird mir das Ausmaß bewußt- die wegbrechenden Tage in denen alles andere absolviert sein musste. die gesamte Organisation alles bricht zusammen wie ein Kartenhaus. – na ja eigentlich nicht so. ich habe ihn ja in der letzten Zeit auch oft NICHT in die Tagespflege, in „den Club“ gehen lassen, eben wegen Antibiotikum und Müdigkeit undsoweiter. es ging ja irgendwie auch. allerdings macht es doch einen Unterschied, ob man die Dinge, die nicht mögich sind auf später verschiebt oder auf unbestimmte zeit. als Frau G. uns die fristlose Kündigung – ohne Wenn und Aber, ohne Modifizierungsvorschläge – mitteilte, kam ich  nicht dazu alles zu überdenken, denn es war eben jener Tag, an dem der Vater den Schlaganfall bekam. jetzt nagt es an mir. werds schon schaffen, aber ich bin wütend über die Art und Weise.

***

Ich schreibe dies in der S-Bahn.  es hat zu schneien begonnen. die Straßen sind feucht und  ein schlieriges weiß macht das Fahren unmöglich. die Haltestellen fliegen vorbei. Egelharting – hier mache ich sonst Pause und wärme mich Edeka oder Mcdonalds. an den betonwänden vor dem Fenster steht in gerader Druckreifer Schrift „FÜRCHTET EUCH NICHT!“

***

Das Schöne nicht vergessen! Als ich auf der Station 2c ankam, war der Vater nicht in seinem Bett, fand ihn neben dem Weihnachtsbaum in einem hohen Rehastuhl sitzenm da wo sonst die Frau die immer nach der Polizei fragte, saß, eingesperrt in die Rundung ihres Tabletts mit dem Pudding darauf den sie nie aß. es scheint ihm besser zu gehen. ich frage ihn ob er sich freuen würde, wenn wir auch so einen Baum haben werden an Weihnachten. er sagt nein, aber hält den Grund zurück. später rasante Fahrten durch die Gänge der Station. vor einem breiten und sehr tief liegenden Fenster, das eine Art Sackgasse bildet stehen bleiben: unerwartete DUnkelheit mit ebenso überraschendem Weiß. man muß genauer hinsehen, denn das Neonlicht des Kranknhauses spigelet sich in der Scheibe. Draußen ist nur ein kleienr Innen hof, ein winziger Baum, aber beladen mit Schnee Schnee Schnee. Und Schnee fällt auch sanft weiterhin durch die Nacht. ich farge den vater ob er es sieht, er sagt ja, aber ich solle lieber hier weg. er habe Angst hinausgekippt zu werden nach Draußen.

9. Dezember. Alles Schneebestäubt. Krankenhaus. Der Vater sehr müde. die unsichere Fahrt heim. die Wasserburger Landstraße lang geht es gut, aber in Neukeferloh sind die Straßen matschig. angehalten beim Orterer, Donnerstags ist der Hänchen-Stand da. immer wieder sagt der Mann im Inneren des Büdchen „Schon wieder eine Woche rum“. heute nur ein halbes Händl. durhgefroren und nass, rufe die Mutter an, an der Kasse beim Orterer,  daß ich komm, aber Tee hat sie nicht aufgebrüht. immer sagt sie, daß sie es gleich macht aber dann sagt sie, ich wußt ja nicht wie lange du noch brauchst.“

7. Dezember

keine Berge heute, nur schmenhaft, dunkelhellblau, wenn man nicht weiß, daß sie da sind sieht man sie eher als Wolken. Der Vater ist nicht auf seinem Zimmer, der Platz wo sein Bett steht ist leer. am Stationstesen gewartet, daß man sagt wo er ist. der erleuchtete künstliche Weihnachtsbaum, sogar Pakete liegen darunter. wüßte gerne was drinnen ist. Atrappengeschenke? Es sind immer die selben Paitienten, die hier anzutreffen sind. ein kahlköpfiger Mann in enganliegendem grünen Trainingsanzug aus Pannesamt. er steht und hält sich an seinem Rollstuhl kerzengerade aufrecht – und eine alte Frau mir rosigen Backen, die in einem erhöhten Rollstuhl festsitzt. aufheulend, trotig, verzweifelt. dachte,als ich zum tresen kam in meiner schwarzen Motorradbekleidung,  ich sei von der Polizei und rief mich um HIlfe an, weil sie gegen ihren willen hier festgehalten werde. ließ sich schnell trösten, aber es dauerte nicht lange da brach sie wieder in Tränen aus. daß sie nicht krank sein könne, denn sie gehe jede Woche einmal zum Arzt und daß sie drei Kinder hätte und außerdem schon 107 Jahre alt sei. das sagte sie trotzig und stark. aber man sieht immer schwach aus, wenn man in einem Rollstuhl sitzt aus dem man nicht entkommen kann, weil ihm   ein Tablett vorgeklemmt ist. der Pudding darauf sah lecker aus. sie rührte ihn aber nicht an. Habe ihr gesagt, daß man in ihrem Alter auch manchmal ins Krankenhaus müsse, damit man gesund bleibe. mehr geholfen zu haben schien ihr meine Versicherugn daß ich ihren Fall an die Polizeidienststelle weitergeben würde.  den Vater schließlich gefinden auf der Urologie. das Bett stand verloren im Flur. freute mich zu sehen. es schien ihn niemand erwarten dort, aber als man ihn zum Ultraschall brachte war man sehr  freundlich. Blasenentzündung zwar überstanden ist, aber Entzündung auf Grund einer  Vorhautverengung. Es ist mir unangenehm, weil ich nicht weiß, daß er die hat.  Das genaue Hinsehen, wenn ich den Vater wasche, war mir aber auch immer unangenehm gewesen, und vor allem ihm!. immer habe ich versucht diese letzte Intimsphäre nicht zu verletzen. immer lasse ich ihn sich selbst waschen „Im Schritt“. NIe weiß ich genug. Der Urologe sagt, man solle SItzbäder machen mit dem Vater. Kamillsosan. oder konzentrierten Kamillen Tee, das sei das selbe, nur billiger. BIn erleichtert. Warten auf die Rückfahrt des bettes. Der Vater sagt, er könne jetzt gehen. er will nachhause. er wirkt sehr klar und relativ  gestärkt. auch das CT übersteht er gut. Zurück im Dreibettzimmer  fast selbst mich zuhause gefühlt. Frau Gro. würdevoll aufrecht in ihrem Bett hinter dem  Paravant, hat heute Besuch. der Besuch sagt, es sei Zeit daß mal eine DIagnose herkäme und RUhe einkehre. man müsse langsam mal abreisen. im vorderen Bett liegt eine entzückend-zierliche Bayerin, die gestern noch desorientiert einfach nur da lag  mit geöffnetem Mund, tapfer stöhnened, heute wach ist und sich freut wenn man ihr Bayern2 einstellt am Radio. sie strahlt eine Fröhlichkeit aus, selbst wenn sie sagt „Ich hätt gedacht der Erwin kimmt heut!“ kein Leid, kein Klagen. „Wahrschienlich kimmt die Susi!“ der Vater ist enttäuscht, daß er nicht mitkann, als ich gehe. Fahrt zurück wieder sehr  kalt. wieder neue Handschuhe gekauft. bei Lidl diesmal. Halt in Egelharting muss sein, sonst Eisfinger.

6.  Dezember

Fragt ein Pfarrer einen Jungen:
“Kannst Du mir sagen, wo es nach Ebersberg geht?”
Sagt der Junge “Ja.”
Sagt der Pfarrer: “Dann sags mir doch bitte.”
Sagt der Junge: Nö.
“Dann kommst Du nicht in den HImmel!”, sagt der Pfarrer.
der Junge sagt: Und du auch nicht nach Ebersberg.”

 

Es ist nicht der aller beste Witz, aber es ist mein erster. Der erste Witz, den ich je erzählt habe in meinem Leben. Noch im Kindergarten. Und wie man mir jedenfalls immer wieder berichtete mit großem Erfolg. Denke ihn jetzt immer, den Witz,  wenn ich mich in Ebersberg verfahre. Allerdings verfahre ich mich in erster Linie nicht vor Ebersberg, sondern wenn ich aus Ebersberg raus will. Man kommt eher in den Himmel als aus Ebersberg heraus. Immer wieder fahre ich an der Hasi-Bäckerei vorbei, nie weiß ich welche „Ferne“ die richtige ist. Und nach Ebersberg ist der Vater zum zweiten Mal in diesem Jahr gekommen. Wieder ins Klinikum. Der Anfall, die Durchblutungsstörung im Zuge der Blaseninfektion? Die Aspirations-Pneumonie auf Grund der Schluckstörung, die mir gerade vom medizinischen Dienst Bayerns als nicht relevant abgetan wurde. Hier war ich im februar, gelich zu Anfang des Jahres und beharrte drauf in dem zeltartigen Vorbei der Anotaufnahme zu Warten, bis man mich einließe. Weil der Vater hier war. Lockdownzeit. niemand durfte herein. Ich blieb sitzen – bis ich aufs Klo musste. Diesmal ist das Kranknhaus nicht gesperrt. Der Haupteingang ist wieder geöffnet. Reingekommen bin ich trotzdem nicht, weil man einen Selbsttest braucht. Man kann ihm an der Sparkasse machen oder im EInkaufszentrum. Der Container vor der Mall, ein verschlossener weißer Container, wirkt wie ein riesiger Legostein. Zu. Trotz Öffnungszeit. Die Corona-Teststation an der Sparkasse hat gerade ihr System herunter gefahren. An der Pförtnerin (ist es die selbe wie damals?) kommt man nicht vorbei ohne Test. Seltsamerweise aber an der Notaufnahmetür, jetzt ohne Zelt, verlassen und leer. Kann icht glauben, daß ich nur den Türöffner drücken muss und auch wenn die Schilder sagen kein EIntritt , schiebt sich die Krankenhauswirklichkeit mir entgegen. Bin drinnen. Weiß aber nicht auf welcher Station mein vater liegt. Die Pförtnerin fragen kann ich jetzt nicht. Ich tippe auf geronto? Vierter Stock. An den Wänden hängen Hollywood-Motive. Natürlich muss der Vater hier liegen, schon wegen der Film-Thematik an den Wänden. Man kennt ihn hier abe rnicht. Eine Schwester durchsucht das System. Systematisch. Es klänge eher nach Schlaganfall-Unit. Sie findet ihn auf der 2c.

[…]

die unfassbaren Berge! Ganze Gebirge liegen vor Ebersberg in der Ferne – Hätt ich nicht gedacht.

Der Himmel war weitgehend bewölkt, ein fahles Grau, aber am Horizont, unter der Wolekndecke leuchtete er gelb, überwältigenden hell. Gestochen scharfdie fernen Felsen:  In den vorderen niedrigeren Bergen lag weiße Nebel, die fernen Gebirge am Rande leuchteten wie zackige Kronen, hähmisch-fröhliches Gebiss einer mythischen Gestalt, ein Krokodil oder der König eines Kasperletheaters.

Wie hoch bin ich hier?

Ich bin nich gut angezogen für die Fahrt, weil ich vorhatte nur bis zum Impfzentrum Haar zu fahren wegen des Tests und von da an mit der S Bahn nach E. aber im gegensatz zu gestern wo es regnete ist jetzt alles nur bewölkt, die STraße trocken und als ich über die Autobahnbrücke fuhr erschlig mich fast der Anblick der harten berge, ein Steinmassiv, nah und kantig und dieser gelbe himmel. So könnte er sein in einem Gemölde von Egon Schile – wenn er Berge gemalt hätte. Fuhr nun doch. Und kam an mit dem schwarzen seesack und dem Motorradhelm unter dem Arm, dem grauen zu Fundgrubenmantel Mantel und der schwarzen FFP-Maske.

“Ich bins, die Miriam” sicherheitshalber gesagt, als ich das Zimmer betrat, in dem der Vater lag.seltsam zusammengeschoben sah er aus in dem hochgefahrenen Kranknhausbett, sehr aufrecht.

“Und wieso hast du sich verkleidet?”

***

Die Rückfahrt anstrengend. Begann schön –  Der sehr ferne Mond, hinter einer dünnen Wolkenschicht, der bleigrau und fahle Himmel, nicht dramatisch, nicht unheilvoll, aber düster erhaben. dann doch wieder verfahren und in Schneeregen gekommen. Musste in Egelharting bei Edeka anhalten und mich aufwärmen. Handschuhe gekauft. trotzdem eisig.

 

Ende November

14. Dezember. Der Vater soll bereits entlassen werden! Kann mich nicht freuen, denn er wirkt erschöpfter als zuor, der Entzündungsherd riecht schlimmer denn je. versuche verzweifelt den Urologen wieder zu finden, der die Sitzbäder angeordnet hat, merhfaches Telefonieren und auch Vorbeischauen auf Station 3B, der Urologie. derName des Arztes sei GIrtler, sagt man mir, aber ich hätte schwören können, daß es ein längerer Name mit „S“. Auf der Station frage ich wie ich denn nach der ENtlassung die Sitzbäder machen soll. die Schwester sagt, sie selber hätten nur kompressen in die Windel getan, Sitzbäder seien viel zu aufwändig.

„Und wenn ich einfach ein Glas nehme, und mein Vater hält das Glas und…“

„Dann wird alles nass. Das können wir hier nicht machen.“

bin verzweifelt. zuhause steht das Pflegebett unten im Erdgeschoß, weit weg vom gekachelten Bad. er kann nicht laufen, wie soll ich ihn wachen. Hier im Kranknhaus hat er direkt neben dem Bett ein Badezimmer und einen Super Rollstuhl. ich hätte längst mit ihm im Bad Sitzbäder machen können. SO schön es ist, ihn neben dem Weihnachtsbaum abzustellen, man hätte ihn doch auch ins Bad schieben können.

Panik wegen der Entlassung. versuche wieder mit dem Urologen zu sprechen. auch wegen der Beschneidungs-OP. und mit dem Physiotherapeuten, den ich immer verpasse, damit ich weiß, wie ich die Gehversuche mache, die man immer verspricht mit ihm, mit mir zu unternehmen und dann ist doch nie Zeit. Beschneidung wird wohl nichts. nicht einmal das Narkosegespräch könnte man jetzt noch angehen. alles müsse ambulant und mit zwei extra-terminen im Februar stattfinden. Ziehe in Erwägung den Vater zum Judentum konvertieren zu lassen und einen Rabbi kommen zu lassen.

13. Dezember. Es  liegt ein Fernsehtechniker auf dem Zimmer des Vaters. Gespräch über Daumenkinos und Wahrnehmung. zappende Filme der Stummfilmzeit. Ob sie zappelnd und schnell wirken, weil Bilder zu „fehlen“ scheinen, weil die Bildzahl pro Sekunde im Film anders ist als im Fernsehen? (immer noch beschäftigt mich die Frage ob mein Vater das Autofahren und die vorbeirasenden Bilder tatsächlich nicht mehr verträgt, weil das Kino in seinem Kopf  die Reizflut nicht schnell genug prozessieren kann). Dachte das sei wie mit dem Fernsehen und den zu unregelmäßig un dlangsam gedrehten alten Filmen. Der Mann meinte aber, man zeige sie im Fernsehen extra schnell, WEIL sie so holprig und mit einer Handkamera gedreht seien. Der Mann ist nett, aber entflieht des öfteren dem Raum, denn es riecht immer schlimmer nach Eiter. es ist auch kalt, weil das Fenster geöffnet ist. auch weil es so schlimm riecht. die zu vielen Bilder sind gerade nicht das Problem meines Vaters.

Gestern lag hier noch ein Mann kurz vor einer Herz-OP. strahlte kompetenz und Urlaubsbräune aus. hielt ihn für einen Golfspieler und Arzt, der selber zum Patient geworden sein Schicksal mit Gelassenheit zu tragen versucht. war aber in der Computerbranche. in ehemals leitender Funktion. sprach über Plasma-Rechner und wie groß die Speicherkapazität die Zellen eines Ginkobaums sind. interessantes Gespräch aber viel Mansplainingpotential. aber nicht unangenehm. der Vater schwieg, ich stellte ihn vor, bezog ihn mit ein mit seinem Schweigen, er lächelte weise.  als ich aber schließlich ging und mich  von ihm verabschiedete, fragte er mit rauer Stimme „Gehst Du mit IHM?“ Ich sollte nicht so viel reden. ich sollte ganz bei IHM sein, auch wenn es ein stilles Gespräch ist mit Blicken und HÄndedrücken. Auch mit dem fernsehtechniker heute zu viel gesprochen. 

***

Auf dem Rückweg in  Ebersberg (letzter Station auf der S-Bahn-Strecke), lange auf die Abfahrt der Bahn warten gemußt. sie stand aber schon da, dunkel und noch nicht einsatzbereit. man durfte aber schon einsteigen. Wäre beinahe eingeschlafen. Grüne Notbeleuchtung wirkte erst unheimlich dann sehr angenehm. Schocl als das Neonlicht ansprang und die Bahn losfuhr.

12. Dezember Gestern die Ankunft des Pflegebettes. Die Überraschung, daß alles passt. Daß es nicht schlimm aussieht. Das Warten auf den Mann der die Rohre im Keller prüfen soll. Dass Wunder daß überhaupt einer kommt schien so groß, daß ich den Mann bestellt obwohl es die denkbar ungünstigste Zeit ist – für ihn wohl auch, denn er kommt nicht. Fast bin ich erleichtert, weil der Tag ansonsten so voll ist. Alles Vorbereiten, falls der Vater entlassen wird bald. Hoffentlich! Oder hoffentlich nicht, falls doch möglich „den kleinen Schnitt“ noch zu machen. Schnitt machen. Seltsamer Begriff. Urologen erreicht. Weil nur er due Einweisung wegen Vorhaut-Beschneidung in die Wege leiten kann. Logopädin, die Frau K-F. erreicht, die am Freitag vorbeischauen will. Die Entdeckung, daß es leicht ist, auf Dr. K.’sSeite Rezeptwünsche zu hinterlassen. Ob er sie erfüllt? Die Verlängerung der Logopädischen Sitzungen z. B. Assoziation eines traurigen Wunschzettels. „WÜnschen hilft“ sagt Rahel Varnhagen im Türchen Nr. 2 in meinem Literatur-Adventskalender. Das Gefühl auf einem guten Weg zu sein… dann der Anruf einer wieder neuen Ärztin des Klinikums Ebersberg , die den Vater gerne entlassen wollen würde mir aber nebenbei mitteilt, daß er nicht mehr laufen können wird. Und da steht das tolle Pflegebett – im Erdgeschoss… ?! Wie soll er ins Bad, in die begehbare Dusche kommen im ersten Stock? Der schönste Moment des Tages war als ich nichts wußte. Der zweitschönste, als der Hans Pohl von Nipponpower Harthausen kam und einfach nur so mein Motorrad zu sich geholt hat zum TÜV. Und kein Geld gewollt hat und die Honda nach oben in seinen grünen Autobus gelenkt hat, ich hinten geschoben und das Moped dort stand auf einem wunderschönen alten Blümchenteppich. Assoziation eine Stehlampe müsste noch dazu oder der Sessel der Oma, der dem Pflegebett hat weichen müssen. Der Moment als das Motorrad auf der schmalen Rampe nach oben gehieft wurde, aber ich nicht stark genug schien es zu schieben, bzw. die Schuhe zu rutschig waren… und dann ging es doch. Werde ich Rampen brauchen für den Vater?

***

 

11. Dezember.

der Vater will doch einen Baum. wieder saß er draußen auf dem Flur neben dem Baum gegenüber vom Stationstresen. als ich fragte, was er sich zu Weihnachten wünsche, sagte er einen Baum.

„Einen kleinen, oder einen großen?“ (einen großen würden wir, jetzt wo das Pflegebett kommt, nicht unterbringen im Wohnzimmer)

„Einen großen“

„Und was wünscht Du Dir noch?“

„Viele Geschenke“

Unter dem Baum in der Station liegen sehr viele, aber ich bin mir inzwischen, daß es Atrappen sind. „Mal sehen…“ MOmentan habe ich nur die Handschuhe, die ich in Egelharting gekauft habe weil meine Hände so kalt waren – „… Aber wünscht DU Dir noch was bestimmtes zum Essen?“ Er überlegt, dann winkt er ab

„Darum kümmer sich meine Mutter, die kocht uns was.“

10. Dezember.

Der Vater flog aus der Tagespflege. – natürlich flog er nicht achtkantig raus. Aber das was eben noch vage optional in aussich gestellt worden war für „Nächstes Jahr“, ist eine vollendete Tatsache geworden. Kein Abwarten, Kein „Mal sehen“. kein Aussetzen auf unbestimmte Zeit. Als hätte sich ein Hebel umgelegt und die einfühlsame außerordentliche Pflege, Sorge und die Bereitschaft alles zu tun schlägt um in „Es war ja die ganze zeit schon untragbar“. wo ist der Mittelweg, wo der reine Wein, den man doch eingeschenkt haben will und muss als Angehörige? Erfahren, daß die immer so gut gelaunten Fahrer/innen  instruiert sind nur Positives zu sagen. nie wurden meine Fargen „Ist es okay? geht es? soll ich einen Sitz mitgeben für die Fahrt?“ also ehrlich beantwortet? Auch der eine, der jüngere Fahrer, der mal so plastisch von „eingekackt“ gesprochen hatte, hatte dann immer eingelenkt „kein Problem“. In WIrklichkeit ist es ein NO-GO.

ich weiß nicht… Wechselbad. das Kind, den Vater ausschütten. Schäme mich jetzt rückwirkend für alles Gute, was wir zu viel erhielten im letzten Jahr. und hasse, daß wir in der Schuld standen und jetzt ohne Aussicht. wie ist das zu schaffen ohne wenigstens einen Tag Luft holen zwischendurch? den Führerschein machen – kann ich vergessen. wie soll das alles gehen. – – – und natürlich geht es. irgendwie. Muß ja muß.

Als es damals passiert ist, habe ich damit begonnen, den Vater früher zu wecken, aber langsamer zum Aufstehen gebracht. Lange ließ ich ihn auf der Toilette sitzen und die Füße auf dem Pedal-Trainer treten. in die Gänge kommen, in den Stuhlgang, Kreislauf hochgefahren. ein Trittbrett gezimmert, damit es die Fahrer nicht so schwer haben beim Einsteigen. An seinem letzten Tag in der Tagespflege, war er so voller Vorfreude gewesen, so dynamisch, daß er schon – trotz der Morgenkälte draußen hatte warten wollen. wir standen im Garagenhof und warteten auf die Fahrerin, entdeckten einen kelinen grünen Ball und der vater begann damit herumzukicken.  und das mit Links. war noch so begeistert gewesen von der Entdeckung, daß die Linksschwäche beim Fußbalspielen vergessen ist. als er einstieg – die fahrerin winkte ab als ich mit der Trittstufe daherkam und vom Drehsitz sprach „So was hamma hier net!“ – „Aber ich könnte es doch zur Verfügung stellen…!“ schon war die Tür zu. hatte  trotzdem ein ein gutes Gefühl! – am Nachmittag dann war er so müde gewesen, daß sie mich herausklingelt, um zu helfen. er habe nur geschlafen und kaum etwas mitgemacht. man sei aber eine Tagespflege und kein Kranknhaus. Eigentlich war da schon klar, daß es nix mehr würde. es war das erstemal, daß jemand die Zumutung, als die wohl empfunden wurde, nicht weggeatmet hat. Ok, – Auch nicht so toll. So oder so: mir hätte klar sein müssen, daß es dem Vater eben doch noch nicht gut geht. Vielleicht hatte er alle seine Kraft für den tag verschossen im Garagenhof.  Immer hinke ich hinterher. nie weiß ich was angemessen ist. aber es wäre nett gewesen, wenn es einem jemand rechtzeitig erklärt hätte.

Erst jetzt wird mir das Ausmaß bewußt- die wegbrechenden Tage in denen alles andere absolviert sein musste. die gesamte Organisation alles bricht zusammen wie ein Kartenhaus. – na ja eigentlich nicht so. ich habe ihn ja in der letzten Zeit auch oft NICHT in die Tagespflege, in „den Club“ gehen lassen, eben wegen Antibiotikum und Müdigkeit undsoweiter. es ging ja irgendwie auch. allerdings macht es doch einen Unterschied, ob man die Dinge, die nicht mögich sind auf später verschiebt oder auf unbestimmte zeit. als Frau G. uns die fristlose Kündigung – ohne Wenn und Aber, ohne Modifizierungsvorschläge – mitteilte, kam ich  nicht dazu alles zu überdenken, denn es war eben jener Tag, an dem der Vater den Schlaganfall bekam. jetzt nagt es an mir. werds schon schaffen, aber ich bin wütend über die Art und Weise.

***

Ich schreibe dies in der S-Bahn.  es hat zu schneien begonnen. die Straßen sind feucht und  ein schlieriges weiß macht das Fahren unmöglich. die Haltestellen fliegen vorbei. Egelharting – hier mache ich sonst Pause und wärme mich Edeka oder Mcdonalds. an den betonwänden vor dem Fenster steht in gerader Druckreifer Schrift „FÜRCHTET EUCH NICHT!“

***

Das Schöne nicht vergessen! Als ich auf der Station 2c ankam war der Vater nicht in seinem Bett, fand ihn neben dem Weihnachtsbaum in einem hohen Rehastuhl sitzenm da wo sonst die Frau die immer nach der Polizei fragte, saß, eingesperrt in die Rundung ihres Tabletts mit dem Pudding darauf den sie nie aß. es scheint ihm besser zu gehen. ich frage ihn ob er sich freuen würde, wenn wir auch so einen Baum haben werden an Weihnachten. er sagt nein, aber hält den Grund zurück. später rasante Fahrten durch die Gänge der Station. vor einem breiten und sehr tief liegenden Fenster, das eine Art Sackgasse bildet stehen bleiben: unerwartete DUnkelheit mit ebenso überraschendem Weiß. man muß genauer hinsehen, denn das Neonlicht des Kranknhauses spigelet sich in der Scheibe. Draußen ist nur ein kleienr Innen hof, ein winziger Baum, aber beladen mit Schnee Schnee Schnee. Und Schnee fällt auch sanft weiterhin durch die Nacht. ich farge den vater ob er es sieht, er sagt ja, aber ich solle lieber hier weg. er habe Angst hinausgekippt zu werden nach Draußen.

9. Dezember. Alles Schneebestäubt. Krankenhaus. Der Vater sehr müde. die unsichere Fahrt heim. die Wasserburger Landstraße lang geht es gut, aber in Neukeferloh sind die Straßen matschig. angehalten beim Orterer, Donnerstags ist der Hänchen-Stand da. immer wieder sagt der Mann im Inneren des Büdchen „Schon wieder eine Woche rum“. heute nur ein halbes Händl. durhgefroren und nass, rufe die Mutter an, an der Kasse beim Orterer,  daß ich komm, aber Tee hat sie nicht aufgebrüht. immer sagt sie, daß sie es gleich macht aber dann sagt sie, ich wußt ja nicht wie lange du noch brauchst.“

7. Dezember

keine Berge heute, nur schmenhaft, dunkelhellblau, wenn man nicht weiß, daß sie da sind sieht man sie eher als Wolken. Der Vater ist nicht auf seinem Zimmer, der Platz wo sein Bett steht ist leer. am Stationstesen gewartet, daß man sagt wo er ist. der erleuchtete künstliche Weihnachtsbaum, sogar Pakete liegen darunter. wüßte gerne was drinnen ist. Atrappengeschenke? Es sind immer die selben Paitienten, die hier anzutreffen sind. ein kahlköpfiger Mann in enganliegendem grünen Trainingsanzug aus Pannesamt. er steht und hält sich an seinem Rollstuhl kerzengerade aufrecht – und eine alte Frau mir rosigen Backen, die in einem erhöhten Rollstuhl festsitzt. aufheulend, trotig, verzweifelt. dachte,als ich zum tresen kam in meiner schwarzen Motorradbekleidung,  ich sei von der Polizei und rief mich um HIlfe an, weil sie gegen ihren willen hier festgehalten werde. ließ sich schnell trösten, aber es dauerte nicht lange da brach sie wieder in Tränen aus. daß sie nicht krank sein könne, denn sie gehe jede Woche einmal zum Arzt und daß sie drei Kinder hätte und außerdem schon 107 Jahre alt sei. das sagte sie trotzig und stark. aber man sieht immer schwach aus, wenn man in einem Rollstuhl sitzt aus dem man nicht entkommen kann, weil ihm   ein Tablett vorgeklemmt ist. der Pudding darauf sah lecker aus. sie rührte ihn aber nicht an. Habe ihr gesagt, daß man in ihrem Alter auch manchmal ins Krankenhaus müsse, damit man gesund bleibe. mehr geholfen zu haben schien ihr meine Versicherugn daß ich ihren Fall an die Polizeidienststelle weitergeben würde.  den Vater schließlich gefinden auf der Urologie. das Bett stand verloren im Flur. freute mich zu sehen. es schien ihn niemand erwarten dort, aber als man ihn zum Ultraschall brachte war man sehr  freundlich. Blasenentzündung zwar überstanden ist, aber Entzündung auf Grund einer  Vorhautverengung. Es ist mir unangenehm, weil ich nicht weiß, daß er die hat.  Das genaue Hinsehen, wenn ich den Vater wasche, war mir aber auch immer unangenehm gewesen, und vor allem ihm!. immer habe ich versucht diese letzte Intimsphäre nicht zu verletzen. immer lasse ich ihn sich selbst waschen „Im Schritt“. NIe weiß ich genug. Der Urologe sagt, man solle SItzbäder machen mit dem Vater. Kamillsosan. oder konzentrierten Kamillen Tee, das sei das selbe, nur billiger. BIn erleichtert. Warten auf die Rückfahrt des bettes. Der Vater sagt, er könne jetzt gehen. er will nachhause. er wirkt sehr klar und relativ  gestärkt. auch das CT übersteht er gut. Zurück im Dreibettzimmer  fast selbst mich zuhause gefühlt. Frau Gro. würdevoll aufrecht in ihrem Bett hinter dem  Paravant, hat heute Besuch. der Besuch sagt, es sei Zeit daß mal eine DIagnose herkäme und RUhe einkehre. man müsse langsam mal abreisen. im vorderen Bett liegt eine entzückend-zierliche Bayerin, die gestern noch desorientiert einfach nur da lag  mit geöffnetem Mund, tapfer stöhnened, heute wach ist und sich freut wenn man ihr Bayern2 einstellt am Radio. sie strahlt eine Fröhlichkeit aus, selbst wenn sie sagt „Ich hätt gedacht der Erwin kimmt heut!“ kein Leid, kein Klagen. „Wahrschienlich kimmt die Susi!“ der Vater ist enttäuscht, daß er nicht mitkann, als ich gehe. Fahrt zurück wieder sehr  kalt. wieder neue Handschuhe gekauft. bei Lidl diesmal. Halt in Egelharting muss sein, sonst Eisfinger.

6.  Dezember

Auf der Straße fragt ein Pfarrer einen Jungen:
“Kannst Du mir sagen, wo es nach Ebersberg geht?”
Sagt der Junge “Ja.”
Sagt der Pfarrer: “Dann sags mir doch bitte.”
Sagt der Junge: Nö.
“Dann kommst Du nicht in den HImmel!”, sagt der Pfarrer.
der Junge sagt: Und du auch nicht nach Ebersberg.”

 

Es ist nicht der aller beste Witz, aber es ist mein erster. Der erste Witz, den ich je erzählt habe in meinem Leben. Noch im Kindergarten. Denke ihn jetzt immer wenn ich mich in Ebersberg verfahre. Allerdings verfahre ich mich in erster Linie nicht vor Ebersberg, sondern wenn ich aus Ebersberg raus will. Man kommt eher in den Himmel als aus Ebersberg heraus. Und nach Ebersberg ist der Vater zum zweiten Mal in diesem Jahr gekommen. Wieder ins Klinikum. Der Anfall, die Durchblutungsstörung im Zuge der Blaseninfektion? Die Aspirations-Pneumonie auf Grund der Schluckstörung, die mir gerade vom medizinischen Dienst Bayerns als nicht relevant abgetan wurde. Hier war ich im februar, gelich zu Anfang des Jahres und beharrte drauf in dem zeltartigen Vorbei der Anotaufnahme zu Warten, bis man mich einließe. Weil der Vater hier war. Lockdownzeit. niemand durfte herein. Ich blieb sitzen – bis ich aufs Klo musste. Diesmal ist das Kranknhaus nicht gesperrt. Der Haupteingang ist wieder geöffnet. Reingekommen bin ich trotzdem nicht, weil man einen Selbsttest braucht. Man kann ihm an der Sparkasse machen oder im EInkaufszentrum. Der Container vor der Mall, ein verschlossener weißer Container, wirkt wie ein riesiger Legostein. Zu. Trotz Öffnungszeit. Die Corona-Teststation an der Sparkasse hat gerade ihr System herunter gefahren. An der Pförtnerin (ist es die selbe wie damals?) kommt man nicht vorbei ohne Test. Seltsamerweise aber an der Notaufnahmetür, jetzt ohne Zelt, verlassen und leer. Kann icht glauben, daß ich nur den Türöffner drücken muss und auch wenn die Schilder sagen kein EIntritt , schiebt sich die Krankenhauswirklichkeit mir entgegen. Bin drinnen. Weiß aber nicht auf welcher Station mein vater liegt. Die Pförtnerin fragen kann ich jetzt nicht. Ich tippe auf geronto? Vierter Stock. An den Wänden hängen Hollywood-Motive. Natürlich muss der Vater hier liegen, schon wegen der Film-Thematik an den Wänden. Man kennt ihn hier abe rnicht. Eine Schwester durchsucht das System. Systematisch. Es klänge eher nach Schlaganfall-Unit. Sie findet ihn auf der 2c.

[…]

die unfassbaren Berge! Ganze Gebirge liegen vor Ebersberg in der Ferne – Hätt ich nicht gedacht.

Der Himmel war weitgehend bewölkt, ein fahles Grau, aber am Horizont, unter der Wolekndecke leuchtete er gelb, überwältigenden hell. Gestochen scharfdie fernen Felsen:  In den vorderen niedrigeren Bergen lag weiße Nebel, die fernen Gebirge am Rande leuchteten wie zackige Kronen, hähmisch-fröhliches Gebiss einer mythischen Gestalt, ein Krokodil oder der König eines Kasperletheaters.

Wie hoch bin ich hier?

Ich bin nich gut angezogen für die Fahrt, weil ich vorhatte nur bis zum Impfzentrum Haar zu fahren wegen des Tests und von da an mit der S Bahn nach E. aber im gegensatz zu gestern wo es regnete ist jetzt alles nur bewölkt, die STraße trocken und als ich über die Autobahnbrücke fuhr erschlig mich fast der Anblick der harten berge, ein Steinmassiv, nah und kantig und dieser gelbe himmel. So könnte er sein in einem Gemölde von Egon Schile – wenn er Berge gemalt hätte. Fuhr nun doch. Und kam an mit dem schwarzen seesack und dem Motorradhelm unter dem Arm, dem grauen zu Fundgrubenmantel Mantel und der schwarzen FFP-Maske.

“Ich bins, die Miriam” sicherheitshalber gesagt, als ich das Zimmer betrat, in dem der Vater lag.seltsam zusammengeschoben sah er aus in dem hochgefahrenen Kranknhausbett, sehr aufrecht.

“Und wieso hast du sich verkleidet?”

***

Die Rückfahrt anstrengend. Begann schön –  Der sehr ferne Mond, hinter einer dünnen Wolkenschicht, der bleigrau und fahle Himmel, nicht dramatisch, nicht unheilvoll, aber düster erhaben. dann doch wieder verfahren und in Schneeregen gekommen. Musste in Egelharting bei Edeka anhalten und mich aufwärmen. Handschuhe gekauft. trotzdem eisig.

 

***

Telefonat mit Frau G. , die Leiterin der Tagespflege des Vaters. Eigentlich hatte ich nur wissen wollen, ob ich dem Vater Hausschuhe mitgeben kann und wie die aussehen müssen, dann langes Gespräch. Es ist für die Pflegerinnen in der Tagespflege schwer, den Vater aufs Klo zu setzen. Und das essen dauert bei ihm so lange. Auch stellt sich heraus, daß das Trinken dort nicht mehr so gut klappt wie im Sommer. Erst konstruktives Gespräch über Strohhälme, weil mit Strohhälmen trinkt er gut. Dann der Schock. Frau G. sonst eine, die alles nur erdenklich Mögliche möglich zu machen scheint, einer sehr empathischen Frau, der ich nicht nur viele Tips zu verdanken habe, sondern die dem  Vater möglicherweise einige Krankenhausaufenthalte ersparen hat können, eröffnet mir, daß ab Januar 2023 mein Vater hochst wahrscheinlich nicht mehr kommen könne. Es sei zu viel Aufwand und sprenge den Rahmen. Zwei Pflegerinnen, oftmals sie selbst müssen lange mit dem Vater zur Toilette gehen. Es bliebe dann für die restlichen 16 Leute nur eine einzige Kraft übrig. Bin erschrocken. Dachte schon, es läge nur an mir, daß die Pflege zur Zeit echt schwer ist… ist es wirklich so offensichtlich schlimmer geworden? Ich empfinde es in erster Linie nur in der Nacht und am frühen morgen so.  Bin verzweifelt. Im Sommer hatte man uns doch noch einen weiteren Tagespflegetag angeboten gehabt – den ich abgelehnt hatte, weil zwei genug schienen. Jetzt wäre ich schon für einen freien Tag in der Woche dankbar.Wenigstens EIN Tagespflege Tag, ein einziger, an dem ich frei habe, würde schon helfen. Aber die ganze Woche lang, immer… – fühlt sich an wie eine Sackgasse.  – – –  Ein Tag – und vielleicht wenn  ich ihna ja später bringen? zentraler Kritikpunkt war nämlich, daß dem Vater die Autofahrt wohl zusetzt und er manchmal mit vollen Hosen ankommt.  – Offensichtlich nichts ungewöhnliches. Viele Demente würden die Autofahrt nicht gut vertragen, und mit Erbrechen und Durchfall reagieren.

“Aber der Vater liebt doch Autofahren!”

“In seinem Stadium…?!” Sie bezweilfle es, die Fahrt im Auto, die zu schnell vorbeifliegende Landschaft, die Bilder, die er nicht verarbeiten könne… bin mir nicht sicher. Ich weiß, daß die Reizverarbeotung ein Problem ist, aber neulich beim heimlichen Autoausflug nach Glonn, daß er so entspannt saß – alledings auch vorne. Ist es ein Unterschied ob die Welt einem zufliegt oder an einem vorbeirauscht?

Der Vater ist wie eine alter Handkurbelkamera, seine Augen jedenfalls. Und sein inneres Kino spielt die Filme mit 25Bidler pro Sekunde ab, statt mit 24. Das Fernsehnievau, die HD-Flut, die nicht zu bewältigen ist. Die Wucht der EIndrücke. Ein Bildersturm. Wie habe ich das vergessen können… – – natürlich hat sich vieles verändert. Und ich kann es nicht wissen, denn wir fahren fast nie mehr Auto zusmmen, seit die Mutter nicht mehr fahren darf.

Soll ich eine Busfahrt probieren? Könnte ich ihn per Bus bringen, per Fahrrad? Selber einen Führerschein machen (Wann?) und ganz langsam fahren? Ihn bringen wenn der erste Stuhlgang in Ruhe bereits “vollbracht” ist? So gegen 10:00 – – – oder man bleibt ganz einfach daheim. Ruhe. Aus.

Erinnere mich, wie sauer ich war, als der Vater aus der Memory-Gruppe “flog”. Hatte es damals so empfunden, weil es so aus dem Nichts zu kommen schien. Eine vollendete Tatsache, die so gar nicht mit meiner eigenen Wahrnehmung in EInklang war. Er war doch ansprechbar. Er war zwar schweigsam, aber warum konnte er nicht einfach so mir dabei sein. Der Termin auswärts war wichtig für ihn. Mehr Inclusion! Damals verschlechterte sich sein Zustand rapide. Die Erklärungen hatte ich damals nicht nachvollziehen können, denn er war doch so zugänglich, man musste doch nur das Zauberwort treffen, und die MAschinerie setzte sich in Gang, die Wahrnehmung, die Sprache… – ja, es ist schwieriger geworden und klar, es ist ein Unterschied ob ich alleine mich um Wege in den Kopf des VAters bemühe, oder er in einer Gruppe funktionieren muß.

Verdammte Inkontinenz.

Der Fahrer, der ihn nachmittags brachte, hatte neulich auch so etwas gesagt, leider ziemlich gespürlos: “wieder eingekackt!” der Vater, der sehr wohl hören kann hatte es noch 1o Minunten später als er schon wieder bei uns angekommen war am Kaffeetisch.

Ist die Fahrt tatsächlich zu wild für ihn? Könnte er nicht neben dem Fahrer sitzen? Wenn die Welt langsam auf einen zukommt ist es einfacher, als wenn sie an einem vorbeifliegt.

[…]

***

 

Sitze im Garten, noch ist die Sonne knapp über den Thujen, dann ist es noch schön im Garten. Die alte Amsel in der Heckenrose, eine grauer Federknäul, als hätte sie sich verstiegen im Gewirr der Zweige. Ich sehe nirgendwo die Geranie… hat sie gehen müssen, weil ich sie der Mutter zu oft unter die Nase gerieben habe? Und wenn dann wie? Der schwere Topf. Vielleicht hat ihn die Mutter des Vaters weggetragen, die niemand mehr gesichtet hat unter den Essigbäumen. Die Sonne ist weg. Nur noch an der Terrassentür, über der Kletterrose ist Sonne. Habe das gelbe T-Shirt der Mutter dort ans Spalier gehängt, unter den Engelskopf, es sieht aus als wäre es sein Hemd. Ich bin total müde. Die Eltern machen Mittagschlaf. Auch der Engel wirkt müde undläßt seine langen Ärmel hängen, ansonsten lächelt er milde.

 

11.11./12.11

3:50 Vater geweckt wegen Windelwechsel. „Aufstehen!“ – Im Halbschlaf, aber sehr klar und total überzeugend sagte er:

„Wenn ich jetzt aufstehe, ist alles verloren.“

 

 

  1. November.

Insgesamt guter Tag. Die Mutter zwar immer todmüde, wenn sie aus der klinik kommt, aber besonders heute war sie kommunikativ und fragte mich viel. Hörte zu und nickte. Beinahe wie früher. Später nach oben, das Telefon suchen, es war im Kinderzimmer, darußen dämmerte es.

Ich erzähle der Mutter, die den Globus im Fenster nun doch gewürdigt hat, daß der Vater, als er die Lampe erstmals sah, gerufen habe “Da hängt ja der Mond”. Er wiederum hörte, daß ich es ihr erzählte, wir stande alle drei in meinem alten Zimmer und schauten in die Nacht.

Er dachte eine Weile nach und fügte hinzu: “Ich sehe sehr wohl, daß es sich nicht um den Mond handelt, sondern um die gesamte Bundesrepublik

***

Zu wenig getrunken heute. Erst gegen Abend alles dann doch irgendwie wieder aufgeholt. 17:30 waren es erst 900 ml gewesen; am Ende doch 1800. Die zu vollen Tage. Die zu verlockenden Programmpunkte. Hätte heute den langen Spaziergang mit ihm nicht machen dürfen. Oder ihn nicht ausschlafen lassen? Alles was so gut tat heute, war wieder kontraproduktiv. Dennoch: Highlight war gewesen den Vorschlag des Vaters von gestern aufzugreifen und bis zum Cafe gehen. Er ging den ganzen Weg! Rollstuhl erst auf dem Rückweg. Die alte Frau, die immer um den Block geht, etwas wirr ist, aber nicht so wirkt, lief lange neben uns her und wollte mehrfach wissen wie alt der Vater ist. Überrascht, daß sie älter war als er. Er 1934 geboren, sie 1929. Kranknschwester gewesen im Klinikum Haar. War entzückt, daß ich das bereits wußte von einem anderen Mal reden mit ihr. Wünschte meinem Vater „alles Gute!“ dann saßen wir vor der Bäckerei, tranken keinen Kaffee wie geplant weil es gab Lebekässemmel. Und Cola. Konnte mir das Kochen sparen. Saßen in der Sonne und schauten den vorübergehenden Leuten nach und in die Sonne. Fast ein bißchen wie das verlorene Ausflugsritual nach Antoling. Nur daß man auf die Fasanenstraße schaute und nicht auf die Berge.

 4. November.

Antibiotikum (neue Deals waren von Nöten um ein neues an Land zu ziehen) und Infusions-Set [reguläre und dismal auch aktuelle Verschreibung des Hausarztes] geholt. die zahllosen Butterflies, die in den schwarzen Sack der Tasche fielen, als wäre es ein dunkles Schmetterlingsnetz.

Meine Fahrt nach Berlin verschiebt sich. Es regnet so stark, daß ich doch lieber per BLabla-Car fahre, aber der Fahrer meldet sich nicht zurück.

Räume noch die letzten Dinge auf. Das alte Kinderzimmer / Ankleidezimmer aufgesperrt. Habe es offen gelassen, den sie muss ja jetzt das ANziehen des Vaters übernehmen. Habe aber einen Zettel an die Tür gehängt: “Bitte nichts umräumen! Herzchen-Herzchen-Herzchen” heimliche Hoffnung, daß sie sich freut über den Schneewittchen-Sarg in der Ecke, die Weltkugel im Fenster.

Gewartet bis kurz vor 12, dann doch Motorrad. der Regen begann gerade wieder als ich los kam. die lange Pause, bereits in der Holledau, das aufschreckende Hupen im Kreisverkehr zum Rastplatz. Toter Winkel? das freundliche aufmunternde Hupen eines LKWs auf der Regennassen A9. die Freude über den noch gültigen Sanifair-Gutschein bei Starbucks. Die seltsam gurrenden Geräusche der sich selbstreinigende Toilette. als würden Miniatur-Delphine in einem Becken herumzwitschern und kichern. An Flipper gedacht.

Ab Holledau dann doch kein Regen mehr. Sieben Grad fühlt sich nicht nach 5 Grad an. beinahe warm. die Sprechende Zapfsäule in Greding. Plötzlich WIndsbach. so schnell. Selten im November mit dem Motorrad hier. ich vermisse den Sommer, die schöne Zeit. angekommen bei der So. erschöpft aber für einen kurzen Augenblick – one moment – „entkommen“.

3. November.

Der Urin des Vaters riecht doch wieder sehr streng.

Urologe im Urlaub, der neue Hausarzt auch. Fuck Ferien!!!

noch ein altes Rezept gefunden, daß die Mutter verloren hatte. Es ist genau das Antibiotikum, dass der Urologe ihm immer verschreibt, wenn er auf eine Niereninsuffizienz zusteuert. Er hatte die letzten zwei Tage viel getrunken, aber davor sehr wenig. Eventuell auch Stau in der Blase? Versuche das abgelaufene Rezept einzulösen, für alle Fälle. lange Erklärungen, schließlich macht es die eine Apotheke. Noch Aldi. Komme rechtzeitig zum Abendessen machen. sehr erleichtert. die Mutter freut sich, daß es geklappt hat, reißt das Medikament gleich auf. kann es ihr noch gerade wegnehmen.

Wieder fühle ich mich als wäre ich in im Zentrum eines Drogen-Kartells.

Ansonsten:

Ich bin Höchstbietende auf 4 Stück Abena Abri-Fix 4141 soft cotton Fixierhosen Baumwolle Gr. XL – mit Bein.

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Nachts. Wäsche. Windeln. Geschirrspüler. Frühstück vorbereiten, medikamente…

Antibiotikum erschwunden! Suchte überall. Nichts.

 2. November

In den Morgen gestolpert, als ich in den Garten ging um Regenwasser zum Blumengießen zu holen. da stand unerwarteter Weise der schwere Geranientopf vor der Terrassentür, direkt im Weg den man geht, wenn man in den Garten will. Alles dunkel um 3:30. Fange mich noch, um nicht auf den Boden zu knallen, schlage aber mit dem Kopf an den Türrahmen und taumle doch, Stufe nach unten gefallen. Es ist schwer, es nicht persönlich zu nehmen. hatte die letzten Tagen den Garten so schön hergerichtet, eben damit sie das tun kann, was sie am liebsten macht: Pflanzen winterfest machen. Für was? Sie mag es eh nicht. Sie hat es rückgängig gemacht. wieso habe ich sie überhaupt drauf hingewiesen, gestern? Verdammte Lobhascherei. die sattgrüne Wiese, die fast wie Frühling wirkt. Der Tisch – blühender Unterschlupf Namentlich die Blumen auf dem Tisch lobte sie… – und wie hat sie den überaus schweren Geranientopf überhaupt tragen können.   — es muss eine Art Marke gewesen sein, die sie setzen musste, gerade nach dem langen Gespräch von gestern: DIES IST MEIN HAUS. Und ja, es ist ihr gutes Recht. (“Ich fühle mich wie deine Putzfrau!!!” – “Einer Putzfrau kann man wneihgstens kündigen!”) Warum stellt sie den Topf nicht einfach nach unten. warum schleppt sie ihn bis zur Terrassentür, hilft ihn auf die Stufe und schafft die ideale Stolperfalle für mich.

“Das ist immer hin auch noch mein Haus” sagt sie, nochmals

JA EBEN! UND ICH VERSUCHE ES ZU ERHALTEN. ICH BIN DA; DAMIT DU HIER WOHNEN KANNST!

An diesem Punkt lenke ich meistens ein, daß sie ja alles bestimmen darf, wo die verdammten Geranien hin sollen. nur, einbeziehen soll sie mich. Warum muß sie nachts, wenn ich (ausnahmsweise!) mal vor ihr ins Bett geh, weil ich echt müde war, alles revidieren ohne es mir zu sagen. warum sie nicht gleich wenn ich ihr zeige, was ich gemacht habe, oder machen will, sagt: schön, aber die Geranien will ich lieber am Boden. nahe am Haus.

Eigentlich ist nicht das Schlimmste, daß sie alles vergisst, sondern, daß sie mich nicht nutzt als eine die da ist um sie zu erinnern. eine die mit ihr zusammen plant und macht. das Schlimmste ist die fehlende Kommunikation. daß ihr nichts ferner liegt als nach dem Aufstehen eine Lebenszeichen von sich zu geben und zu sagen: Guten morgen, ich bin wach, ich habe gerade Lust deine alte Truhe auszuräumen, machst du mit?“

“Welche alte Truhe?”, sagt sie, als ich sie daran erinnere.

Immer noch sieht sie nicht, daß ich keinen Platz habe. sie sagt: „Du hast doch das ganze Dachzimmer für Dich! Papas altes Büro!“ wieso versteht sie nicht, daß die vollen Regale, die Türme von Zeitungen und Büchern, der Schreibtisch, der überquillt von den Akten des Vaters, nicht nutzbar ist? Nach und nach in homöopathischen Dosen wird er sich lichten. nehme den Vater jetzt manchmal nach oben und gehe mit ihm alte Fotos durch und Papiere. er kann leichter loslassen als sie. und ich?

Dinge loslassen. Menschen ziehen lassen. ich kann es überhaupt nicht. alles ist noch da. alles will bewahrt werden. das einzige, was ich zum Wertstoffhof bringen will, sind Bücher wie „Window 95 für Anfänger“ und alte besondere Weinflachen , die das Vorratsregal blockieren.

was mich fast noch mehr erschreckt als die unbewußt mörderische Geranienaktion und die Tatsache, daß sie Töpfe, die selbst für mich schwer sind, schleppt, ist, daß es spät abends war; mir war immer noch schwummrig von der Migräne und wollte endlich ins Bett, der Vater schlief schon. sie hatte versprochen, auch zu gehen. Aber es ist immer so, es gibt einen Nachschlag. ein Jetzt-Erst-Recht-PS. immer bereue ich es, wenn ich doch früher ins Bett gehe als sie.

Wollte Memory-Angehörigen-Gruppe heute ausfallen lassen, weil Kopfweh vom Stolpern. dann doch hin, weil so wütend und verzweifelt, daß ich das irgendwo loswerden muß.

8:30 der Vater wird abgeholt zur Tagespflege.

Wäsche aufhängen, Bett neu beziehen. im alten Kinderzimmers, das Licht repariert.

Jetzt leuchtet ein alter Globus blau.

9:30 im Garten geschrieben, für mich. nebenbei gefrühstückt. Walnuss-Brötchen von Aldi. öfters kaufen.

10:30 Aufbruch ins Klinikum Haar.

Tag verläuft trotz Kopfschmerzen gut. Angehörigen/ Memory-Gruppe

wollte Dinge erzählen, die mir unter den Nägeln brannten, aber verbrauchte meine Redezeit mit Erzählen von alten Dinge, die Bezug hatten zu dem was andere erzählten. Eine Frau fragte Dr.B. ob plötzliche Anfälle, wie die Frau des einen Mannes „aus dem Nichts heraus“ in der Nacht gehabt hatte, mit Dingen aus dem Traum zu tun haben könnten. Dr. B. war eher skeptisch.

Die Frage brachte mich aber auf die wohl eher dumme Frage, ob nicht der Traum nicht ein Schlüssel sein könnte, ein Draht zu der Welt des Dementen. Einen freilich, den man nicht im Schloß herumdrehen kann. Neulich sprach der Vater im Schlaf, und es war klarer und mit größerer, schöner Dringlichkeit als am Tage. leider war, als er erwachte alles weg.

das schlafende Lied, in allen Dingen… Das Träumen. das Zauberwort treffen.

Komme immer seltener dazu die alten Assoziationsketten-Übungen mit dem Vater zu spielen. Mit der Mutter ist es schwer, sie denkt immer, sie müsse “Logisch” antworten oder “das Richtige” sagen, treffen. Dabei ist das Zauberwort meistens ganz banal und alltäglich, ungefiltert, authentisch. – wünsche mir mehr Zeit für die “Wege in den Kopf” des Vaters. Bei der Mutter müsste das Projekt heißen “Wege ins Herz”.

Immer noch staune ich wie viel Kommunikation mit dem Vater, auf den “direkten Umwegen” der Assoziation, der gestützten Kommunikation möglich ist. Wenn man die Regeln der herkömmlichen gängigen und konverntionellen Kommunikation hinter sich läßt, die Zeit vergisst, den Druck, öffnen sich Türen. Bei der Mutter ist es mir noch nicht gelungen. Ich habe aber auch viel weniger zeit als früher.

Nie hatte ich aber bisher an den fragilen Zustand gedacht in dem man ist zwischen Wachen und Schlafen. Wie konnte ich nicht früher daran denken, bei all den Kleistschen Figuren, die mir im Kopf herumspuken, die zwischen Bewusstsein und Traum, in Filmrissen und Ohnmachten, Geistesabwesenheiten und Schlafwandlerisch und unbewußt ihren Weg sicherer gehen als am hellichten Tag.

Ich hatte in der Memory-Gruppe total vergessen von meinem eigenen leid zu klagen, weil der Gedanke mcih nicht mehr losließ:

Gibt es Studien zu Demenz und Hypnose?

ich mußte es fragen, denn die „Wege in den Kopf“ meines Vaters, die gestützte Kommunikation, die Assoziationsketten sind etwas auf der Strecke geblieben, seit die Mutter mich so in Bewegung hält. wäre ein Weg in die Gedankenwelt des Vaters ein Gespräch unter Hypnose? sozusagen eins „unter dem Holunderbusch“, unter dem das Käthchen ruht und ihr Schweigen bricht ohne es zu brechen, weil sich Friedrich einen Weg in ihre geheime Welt erfragt, während sie schläft.

Die vielen ungeahnten Dinge, die in meinem Vater vor sich gehen! Manchmal ist er auf Zeitreise, manchmal denkt er sich seinen teil. manchmal treibt er auf Fragmenten eines Gedanken dahin. ich sehe ihn lächeln, aber ihm fehlen die Worte. ist der Gedanke an Hypnose so abwegig? – DR. B. sah mich irritiert an; fragte: „zu welchem Zweck denn?“

„Nicht aus therapeutischen Gründen!“ Daß ich nur einen neuen Weg in seine innere Welt finden wollen würde. Sie meinte, das wäre für den Dementen wahrscheinlich mit viel Stress verbunden.

Schade. ich hatte gedacht Hypnose könne etwas entspannendes sein. Ich weiß zu wenig.

 

Den Vater ins Bett gebracht gegen acht.

Komm jetzt besser mit dem „Zähne-Heraus-Nehmen“ klar. Er leider schafft es gar nicht mehr. bis vor kurzem noch machte er es gut selber.

Maniküre links (“Aber schneid mir die Hand nicht ab!” es klingt immer als meinte er es ernst.

 1. November

Ich muss endlich nach Berlin!!! Geht nicht anders. Nicht nur wegen der winkenden Polizei, sondern auch weil wir alle einen Hauch Freiheit brauchen. Und Identität. Und damit meine ich nicht nru den Ausweis. Wahrschienlich wird er mit samt dem Führerschein genau dann auftauchen, wenn ich einen neuen beantragt habe. Ich werde zu obsessive. Eine Struktur ist ja da. ein bißchen Autonomie kann der Mutter vielleicht auch gut tun. Denke ich. Hoffentlich. Alle ihre Akrtionen sind ja fast sowas wie unbewußte Territorialkämpfe. Bis hier hin, bis da. die Grenzen erweitern. Besser loslassen für zwei Tage als alles noch enger zurren.

[…]

31. Oktober. das vielleicht neunjährige Mädchen und dem braven Haarschnitt im Fledermaus-Cape auf dem Roller. man sieht das Cape als solches erst nicht, werst als sie den Arm ausstreckt, wieder ein warmer milder Oktober-Tag. Das enorme Freiheitsgefühl, weil beide Eltern in ihren „CLubs“ sind. der Vater in der Tagespflege, die Mutter in der Tagesklinik. im Garten gearbeitet, erst geschrieben, dann Laub. die frische WÄsche zwischen den Bäumen. die Lust plötzlihc den tag doch nicht zum Arbeiten zu nutzen, sondern die zahllosen Puppen-Hände, die die Mutter  über Jahre  hinweg gesammelt hat,  50er-Jahre-Schaufenster-Arme, ,  deren und separtargrazösie HÄnde, Puppenstuben-HÄndchen, klobigere weiße Männer-Pranken und eine mechanische Zombie-Hand als Halloween-Dekoration zu nutzen. Auch Gelegenheit die vielen Berge von Süßigkeiten loszuwerden, die der Vater immer in den EInkaufswagen gelegt hatte und die Mutter schließlich durchgehen ließ, dann aber in der Küche, in allen Ecken versteckt hat, weil er sie sonst alle auf einmal aufgegessen hätte, ließ. Die kleinen Portionen haben sich angesammelt (welche oben auf den Schränken, manche in  alten Brot-Tüten hinter der Heizung, einige im kaputten herd zu einem großen Berg. Leider vieles bereits abgelaufen. eine Schokolade entdeckt, die genau heute verfallen wird. einen kleinen Extra-Berg mit Sauren Süßigkeiten, die ich für mich will, bleibt immer noch eine Schüssel voll für den Abend. Umständliche lustvolle Effizienz. DInge loswerden. was, wenn keiner kommt?

gestern sagte die Mutter, sie habe letztes Jahr auch auf Kinder gewartet, sich einen Hexenhut aufgesetzt, aber die Kinder seien stumpf gewesen, es sei nicht so toll gewesen. heute sagte sie es wäre nie jemand gekommen.  es ist eben doch ein totes Dorf. die Mutter hatte es früher wohl so genannt. ich wusste das nicht, aber sie erzähltee s, als ich sie im Juli für das Filmprojekt interviewte. immer hatte ich gedacht, die Eltern seien mir zu liebe aufs Land gezogen, raus aus München-Milbertshofen an den Waldrand, wo eine neue die reihenhaussiedlung entstand. immer geahnt, daß die Mutter nicht froh war hier, aber für ich war das tote Dorf eine vor leben berstende Baustelle, ein erweiterter Spielplatz und lauter hoffnungsvolle Menschen begannen zur gleichen Zeit, ihre Thujenhecken zu pflanzen, die noch so niedrig waren und  deren Lücken noch so großzügig, daß man durch sie hindurch blicken konnte. noch war alles vielversprechend und einsehbar und lebendig. ich spazierte durch die neue Welt, frei und sicher und lernte alle kennen. habe es immer als großes geschenk Gesehen, daß die Eltern sich hier her begaben. Dann allerdings erfahren, daß  sie es in erster Linie taten, weil in einer MÜnchner Mietswohnung kein Platz war für einen Schneideraum. und selbst als man den Schnittplatz irgendwie eingerichtet hatte es imme rnoch zu laut war. Nachts schneiden, wenn ich schlief, hätte das ganze Haus geweckt.  das tote Dorf…. heute kommt es mir selber so vor. Stagnation. Vielleicht kommen keine Kinde. vielleicht gibt es keine. vielleicht sehen sie auch nicht, daß es hier Süßes oder saueres gäbe…

die Lust den Mini-Beamer aus dem Schneideraum zu holen und Geister über die Wände des Garagenhofs huschen zu lassen, oder das Haus des Hä. dessen provartweg man zwar nicht betreten darf, aber das dürfte nicht für gebeamte Geister gelten. die Hand  die aus dem Baum kommt und einen pfel hält, die Hand eingesperrt in die große Laterne, die signalisiert, daß  es sich lohnt zu klingeln. Biedere ich mich an? die Eltern haben sich zu einem späten Mittagsschlaf hingelegt, ich koche – mit einer HAnd, weil die andere steckt fest im Mechanismus der Zombiehand. wenn nämlich einer klingelt, dann zu spät um die anzulegen. kommt aber keiner? höre das NAchbarskind, aber es weint, weil es einen mantel anziehen soll. 

Kenne ich. die perfekten Kostüme, die weißen wehenden Kleider, die jenseitig zarten Spinnweben, die Flügelchen, die dann mit einem plumpen kracherten Anorak versaut werden. eine Qual! Schnalle die Hand wieder ab. Wasche nochmal Wäsche. dann aber doch erscheinen sie: , erst ein Totengerippe namens Tim, dann zwei, dann große und kleine, sehr zaghafte Geister, sehr wohlerzogene kommen. die Hand wieder angeschnallt, den Knopf ertastet, der die Finger zum Greifen bewegt.. Das Nachbarskind, jetzt  wieder froh darf doch schließlich wie  klingeln ganz in weiß! Der große Bride rmit goldener Totenkopfmaske. starr und wild. Die schönste war ein dunkler ENgel. ENge sündhafte Corsage, dahinter breite Flügel, flankiert von ihren Freundinnen in WOllpullovern. Das unheimlichste: ein keliner schwarzer Geist zwischen zwei größeren Kindern.  man sah nichts. Kind war wie eine gähnende Lücke, ein schwarzes Loch, ein Schatten, erst als er sich bedankte mit fröhlichem bayrischen STimmchen war die Illusion dahin.  –  Die Schüssel hat sich geleert. es war ein schöner Abend. aber warum sind die Kinder so wohlerzogen? war die Idee nicht mal gewesen ungebunden zu sein, anarchisch, bedrohlich, forderns? Süßes, sonst Saures! Erpresserisch, dukel. Faule Eier an die Tür oder Klopapier in die Bäume. Angebrüllt wurde man früher aus tiefster Seele, aus entzüückenden Kinderkehlen, jetzt sagen sie Verse auf.

29. Oktober 2022. Der lange Spaziergang mit dem Vater, erst nur zum Altpapier-Container am Wald, dann bis zum Bäcker, den Rollstuhl fast nur gebraucht um die Brezel, die Torte und die 500g.Packung-Quark zu schieben. die strahlende Bäckerin, der Vater der sich einen Kuchen aussuchen soll in der Vitrine, aber sich für „’ne Brezel!“ entscheidet.  isst sie obwol er keine Zähne drinnen hat, was ich erst abends feststelle. Die Sonne, die glühend-warme Herbst-Sonne, der Nachbar, der den alten Bleistiftspitzer mit der Kurbel reparierte, das wiederentdeckte Päckchen Knick-STrohalme, das noch aus meinerJugend stammt – gerade als die kostbaren Plastik-Halme zur Neige gingen. der Kpchtopf mit Kaffee, den ich im Sommer zum Färben von Papier  angesetzt hatte und der jetzt den schönsten „Instant-Schimmel“ birgt, die sofort patinierten Briefpapiere die schöner gewordne sind als alle  bisherigen. meine  nicht ab-ebbende Freude über das gemalte Gesicht der Straßenlaterne am Waldrand. immer wiedre weise ich die Eltern darauf hin, die Mutter übersah es schweigend, der Vater bemerkte es durchaus, überrascht aber mit der sehr klaren Aussage „Ja, da ist ein Gesicht, aber es sieht Scheiße aus!“ Er sagt es ohne jeglichen Anflug von negativität. es war ein guter Tag.

25. Oktober

Termin bei Dr. P, die langjährige Neurologin des Vaters und seit einiger Zeit auch die der Mutter. Ich jetzt auch. Offiziell wegen “Anpassungsstörungen” im Umgang mit dementen Eltern. Etwas, das auch den Angehörigen-Termin in der Memory-Gruppe abrechenbar macht. Fühlt sich aber dennoch an wie Gesprächstherapie. Verschreibt auch eine solche. Gehe getröstet. ELtern haben Glück mit ihren Ärzten.

Und ohne Dr. P. wäre die Mutter gar nicht in der Tagesklink.

Glück ist nicht nur Marmelade von Aldi.

26. Oktober. wollte meine PCR-Tests, die grünen und die rroten zur Apotheke  bringen um mich als „Genesen“ registrieren zulassen. es ist der zweite Versuch. immer fehlt was. staune, daß der positive Test in Relation zum negativen gar nicht gefordert wird. ein nicht positiver  test reicht um als genesen zu gelten? woher will man denn dann wissen ob man nicht einfach nur jetzt im Moment kein Corona hat? Apothekerin selber sehr genervt von der idiotischen  und offensichtlich eh unnötigen Aktion. viel Aufwand, keiner hat die richtigen BEfunde mit oder Leute halten sich an das was auhc mein Arzt sagte: nach 5 Tagen ist man gesund und darf raus. schon stehen hustende und offensichtlich nicht gesunde menschen in der Apotheke schlange und wollen attestiert haben, daß sie genesen sind.   Verstehe imme rnoch nicht. den roten Befund hätte ich nicht gebrauch, aber den hgrünen habe ich doch auch mit…? – „Falscher Downlad!“, sagt sie. hätte den klicken sollen mit der Deutschland-Flagge.

25. Oktober.

Die vergessene Krone des Vaters.
renne dem Auto hinterher, in dem die Mutter mit dem Vater zum Zahnarzt fährt. aber die abgebrochene Krone lag noch auf der Ablage im Flur. renne in den zu hohen Schuhen hinter dem Auto her. am Ende sieht sie mich doch.

***

Der Vater sitzt in der Septembersonne und blickt zu mir. ich habe bedauert, daß er nicht mehr so ohne Weiteres auf die alten Wortspiele einsteigt, aber vielleicht ist ihm die Stille einfach wichtiger. Stumm lachen wir uns an. ich ziehe die Nase kraus, er auch. nochmal, er ebenso. wir spiegeln uns. aufgeblähte Backen, Pusten. Pfeifen. dann lacht er und fasst es zusammen mit „Das kann ich auch!“ Schöner Augenblick.
ich versuche das selbe 5 Minuten später, aber da sagt er: „Warum machst Du das?“

24./25. Oktober. 2022  Träume von nicht zu bewältigenden DIngen. gestern versuchte ich mit Lo einem Regime von grausamen Frauen, die wie Hippi-Barbiepuppen aussahen zu entkommen, was in roher Gewalt endete bzw. kurz davor mit dem Erwachen und heute träumte ich, daß ich die PR-Frau von Donald Trump bin. ich sollte einen Photo-Termin organisieren bei dem Trump ein kleines  dunkelhäutiges Baby auf dem Arm haben sollte. Ich hatte auch eins aber ärgerte mich, daß die Mutter im Vorzimmer warten musste. was unhöflich, unmenschlich, außerdem unpraktisch und mir sehr peinlich war. Trump hatte Angst, wenn die Mutter dabei wäre, würde man denken, das Kind sei von ihm.  ich ließ die Mutter trotzdem in der Nähe, es dauerte ewig, bis alles arrangiert war, die Presse erschien Deus-Ex-Machina-artig ebenfalls, ich stand im HIntergrund und versuchte, nicht im Bild zu sein, aber der Raum war plötzlich so voll, daß ich nicht weg kam. überlegte, ob nun ich vielleicht der Mutterschaft bezichtigt würde, entdeckte aber dann die Unlogik in dem Gedanken. im Moment, als ein Blitzichtgewitter hätte einsetzen sollen, herrschte stattdessen Stille, weil keiner von der Presse das Foto machen wollte.

Dienstag, 24. Oktober 2022 Heute kleine Sonnenfinsternis. die Demenzhelferin, Frau Mü. wie mich darauf hin. nachdem ich von Arzt-Termin zurück war standen wir im Garten, sie gut ausgerüstet mit einer silbrigen Brille, der Vater und ich mit CD-Scheiben vor den Augen. Glaube, er sah die angebissene Sonne nicht, die  in den kahlen Zweigen des Essigbaums hing. Wir standen  im herbstlichten Garten, der Himmel war fahl aber hell, erst sah er immer durch das Loch in der Mitte der CD, dann waren wahrschienlich die Zweige im Weg von seinem „Point of view.“ an sich spektakulär war es an sich nicht, keine  „Finsternis“, aber die Sonne wirkt erschrecken konkret, wenn ihr ein STückchen fehlt,  gestochen scharfe Delle, ein klar Körper der eine Lücke in die diffuse Strahlen-Patina reißt. Nachdenken über das Wort „Umriss“.

[…]

Bildschirmfoto 2022-10-24 um 21.39.39 

 

 

ITALIEN mit/ohne Johnny Depp

link nach unten zum Beginn der „Depp-Zeit“
 
17. Juli, Perugia , abendsDrago_16.7_sw
Drago

Aneis Drago und Band ist nicht die Vorband. Sie spielt im Ring zwischen der eigentlichen Konzertarena und den äußeren Regionen. Es ist eine kleine Bühne, es ist vielleicht der beste Spot, obwohl es ja beinahe so was ist wie für Jeff Beck eröffnen. Auf dem Rasen vor der kleinen Rik-umrankten Mini-Bühne sitzen Zuschauer , weiter hinten im Gastro-Bereich oder an den Buden hören Leute aus der Ferne zu die eigentlich essen und warten daß es auf der Hauptbühne losgeht. Wenn man nicht nah dran ist, könnte man die Band für einfach nur nett halten. Jazz-Standards, zwei Gitarren, Kontrabass und eine zauberhafte Violine. „Violine“ klingt weich, manchmal spielt Drago aber auch, daß man das WOrt „Hinterhof-Geige“ denkt, die Wucht einer Straßenmusikerin, mit hinreißendem Lachen, Charme sprühend, begeisternd mit der Brillianz und Zartjeit einer großartigen Konzert-Violinistin. Ich liebe die Stücke, die sie spielen, es sind eben jene zum dahinschmelzen, aus alter zeit, aber neu klingend, lebendig. Restlos glücklich über diesen Akt, könnte mir nur noch Paolo Conte dazu wünschen – und prompt wieder wo anders hin beamen, als die Band Eigenes spielt, Unglaublich was sie aus ihrem Instrument herausholt, es scheint voller Delphine zu stecken, Walgesänge lockt sie aus der Violine hervor, Wind läßt Wellen rauschen, die prägnante Rhythmus-Gitarre, des bauchige Bass, es klingt als triebe man in einem alten Kahn über das Meer. Und käme in einem fremden Hafen an in dem jemand Tango spielt ohne Akkordeon, just stringes atteched, Aneis Drago spielt wie eine verführerische Elfe, zärtlich und sanft, stark und rotzfrech steht sie mit ihren kurzen Haaren und ihrer Batschkapp auf dem Kopf in der (immer noch) hellen Sonne und zaubert Atmosphären. Ebenso die Jungs um sie herum. Die zwei Gitarren ergänzen sich hervorragend, rhythmisch und melodiös, unaufgeregt, aber flirrend, Assoziation einer Springfedermatratze, die einem in andere Regionen katapultiert und wieder auffängt, weich und zum Weiterträumen einladend.

Die eigentliche Vorband:  Pasquale Grasso’s Trio (er Gitarre, Ari Roland Kontrabass, Kenny Washington Schlagzeug) und Samara Joy hörte ich vorgestern schon auf der kleinen Bühne gegenüber vom Hotel, im WInzigen Park zwischen Büffet und Bierbänken und der kleinen Mauer hinter der es steil hinab geht uund von der man  gnaz Umbrien zu überschauen scheint. wir waren erschöpft gewesen von der Reise und die Hitze und die Hektik des Nachmittags war keine gute Bedingung. Samara Joy sang Standards, Up-Beat, rasantes Tempo, es war in diesem Augenblick gestern? vorgestern auch mir zu viel, heute in der großen Arena wirkt es ganz anders. weich und samtig – darf man sie mit Ella Fitzgerald vergleichen? vor allem  wenn sie in diesem rasanten Tempo singt mit so großer Leichtigkeit? auch gestern vor Tom JOnes spielte die selbe Besetzung, aber gestern, so schön und sympathisch alles wirkt nervtre mich die Stückauswahl, es schienen, fast nur Stücke,in denen eine Frau einen Mann anfleht, sie wieder zu lieben „If you never fall in lobve i with me“). Heute stärkeres Narrativ.  (anderes Programm? oder singt sie selbstbewußter? Auch hihre Stimme ist so „smooth“ sie rüberkommt eine wahnsinns Mischung aus tief und hoch und in erster Linie warm. Ihr Alter ist schwer zu schätzen. weil ich immer an Ella denken muss, halte ich sie für sehr erwachsen, aber lese später, sie ist est 22! tolles Zusammenspiel zwischen Grassos „Luftgitarre“, sie so leicht klingt. es fetzt nicht wirklich zwischen den beiden, es ist eher wie der Hauch einer Berührung, man kommt muikalisch zueinander „If you’d stay the way I dream about you“ und  die X. hatte schon im Garten vor dem Hotel,  während wir Melonen aßen und Pasquale Grassos Gitarrenspiel hörten, aber nicht richtig, gesagt, den müsse man sich merken, in New York sei der total in. kann mir seltsamer den Namen überhaupt nicht merken (denke immer „Vincent Gallo“ )obwohl  Samara Joy ihn sich ständig auf der Zunge zergehen läßt zwischen den Titeln: „Pasquale Grasso…! – … könne alles spielen, jeder zeit, und aus dem Stehgreif. Tatsächlich ungeheur brilliant, leicht, elegan… smooth.  Geerdet wird alles durch den sehr charismatischenBassisten und natürlich… das umwefende Schlagzeug.

Bildschirmfoto 2022-07-20 um 02.30.02

P1120029Grasso

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johnny_depp_soundcheck

UMBRIA-Jazz-Festival

die X. wiederfinden im Getümmel der Arena. Gesucht gefunden. Euphiorie wegen der zwar nicht coolen, aber doch erfolgreichen Karten-Aktion. Daß sie das Konzert nun doch hört finde ich super. und auch daß ich es ihr ermöglicht habe und nicht ihre Last-Minute-VIP Karte. Allerdings findet sie es „grottig!“ Ganz schlimm. Indiskutabel. Ich hingegen, finde es musikalisch besser als in MÜnchen. Nur, daß das Feuer zwischen den Beck’schen Musikern untereinander in München atemberaubend war, iregendwie wirkt es hätten sie alle einen Dämpfer verpasst bekommen – nur Depp scheint besser drauf zu sein, mehr Funken sprühen in Richtung Publikum. Rechts vor der Bühne tanzen sogar Leute. Kritisch beäugt von den Ordnern. ich tauche ein in die  Menge. so, genau so hatte ich mir ein Musikfestival in Italien vorgestellt. die X. starrt einen Mann an, der ein  Lebensgroßes Gemälde mit sich herumschleppt und es in die Höhe hält. Dachte, sie fände es so skurril und urig wie ich heute nachmittag die  vielen Fans, die dachten, sie täten Johnny Depp einen Gefallen, wenn sie ihm ein selbstgemaltes Bild  verehrten. einen ganzen Anhänger voll (oder war es ein ganezs Haus?) von solchen Sachen habe er und führe er zuweilen mit sich um den Fans, dann udn wann das Gefühl zu geben, die Währung ihrer Liebe sei  – so inflationär sie auch ist – tatsählich ihm wertvoll. – hätte da sgerne gefragt, ob er  glaube, daß die  Bedingungslosigkeit der Liebe der Fans genährt werden müsse.  Sollte nicht lieber die „Musik, der Liebe Nahrung“ sein? – „Play on!“. und umgekehrt: Will man als liebender Fannicht von der geliebten Ikone, daß sie auf dem Sockel bleibt? darf sie nicht unnahbar, muß sie nicht unanahbar sein, um unangekratzt zu bleiben? – Klar freut sich jeder, wenn er das Gefühl hat, sein Idol irgendwie erreicht zu haben, aber Verlangen Sympathiebekundungen wie z.B. das Tragen von Ketten, die ihm Fans gemacht haben, nicht nach immer mehr und mehr? – heute hat er nur Schals um und  wirkte insgesamt nicht so wuschig wie in München, wo  er behängt war wie ein Weihnachtsbaum und der Huldigungsschmuck ihm dauernd vor dem Mikro herumbaumelte. – Wieso nervt mich das so?  ist das die ehemalige Schauspielerin in mir, die selber zuweilen auch in ihrer Wirkung  verlor, weil sie zu viel herumzappelte, oder die Regisseurin, die jeglichen Schnickschnack auf der Bühne hasst.  egal! – – –  Sähe so gerne was auf dem 2-Meter-Gemälde des Mannes ist, aber  die Wogende Masse ist undurchdringbar. FIlmen, Sehen. Mit-Wogen, die  Bewegungen antizipieren, die die Tanzenden machen… – als ich mich endlich aus dem Treiben herausspülen lasse, ist die X. bereits im Alarm-Modus. Das ginge gar nicht! Das sei total unprofessionell. Das sei Vertragsbruch. daß da ein Mann mit einem 2-Meter-Brett eines Bildes durch die Security kommt und dann so nah an der Bühne herumtanzt. und überhaupt… –  okay… sie ist wieder im Arbeitsmodus – und hat natürlich recht.  Menschen sind unberechenbar. und ja, auch teenager, die auf die Bühne stürzen und an Johnnys Beinkleidern herumzerren, können eine Bedrohung sein, aber Herr Je, endlich kommt mal überhaupt Stimmung rüber. Der X. reicht es. sie ist stocksauer. Das werde ein Nachspiel haben! -komme mir sehr unprofessionell vor, daß ich  (ich, die ich halt eher kleine Bühnen gewohnt bin und zugegebenermaßen selten  vor Fans fliehen musste), Leute, bewaffnet mit Gemälden anstatt mit Autogrammkarten eher interessant finde. was für eine Metapher! ein ganz anderer Bildersturm auf eine Ikone, die man gerade eben noch selbst in Scherben schlagen und stürmen hatte wollen und nun selbst mit Bildnissen vom Vor-Bild eben jenem zu nahe rückt… ich bleibe noch und will den 2-Meter-Maler interviewen nach dem KOnzert, die X. läuft bereits zum Ausgang. die Masse ist ihr unheimlich.  Diese aber löst sich in WOhgefallen auf, bereits nach der ersten und einzigen Zugabe.  Von durchdrehenden Fans keine Spur (leider vom 2-Meter-Gemälde auch nicht). Eben noch johlen alle nach „Johnnyyyy, aber als er dann wie von einem unsichtbaren Gummiband gezogen hinter der Bühne verschwindet, isses auch gut.  der Applaus tröpfelt aus. alles bleibt heil. Ein paar Funken mögen übergesprungen sein, so richtig Feuer gefangen hat niemand.
 
[…]

17. Juli, Perugia
Die Fans, nicht alle weiblich vor dem Portal des Hotels. die heute wie eine Regentin wirkende Frau von der presseabteilung, die meinen Presseausweis mit dem schwarzkopierten Foto zusammengebastelt hatte, die mit einer Schar von Untergebenen und Vorh´gesetzten stringent den Gang entlang rauscht, heute hat sie keine Zeit für Smalltalk. sollte ihr wohl folgen, aber ich fühle mich heute wie unter einer Glasglocke. kaum gechlafen, das upgrate-Zimmer ist beklemmend eng und die X. kann bei offenem Fenster nicht schlafen. auch sie schlief schlecht. geht eigene Wege. Ihr jetzt langes Haar fällt über das Iphone, Scrollen und Tippen. ich verfluche inzwischen die Doppelfunktion in der ich hier bin. Habe ich wirklich geglaubt, wir sind hier auf Motivsuche für etwas eigenes, Impressionen aufschnappen, nur mal schauen ob  hier – bisher unentdeckt und am Rande des Geschehens eine wunderbare  Geschichte wartet, eine die natürlich gar nichts mit Johnny Depp zu tun hat, die gerade eben nicht sich um ihn dreht. eine in schwarz-weiß aufgenommene kleine Story über jemand ganz anderen. Über ein gewisses, ungewisses Etwas. habe mich bisher durchaus im Sinne dieser Geschichtsuche bewegt, aber heute ist es natürlich doch klar. selbst die Geschichten am Rande drehen sich um Depp. Depp. Depp.  wollte mich zurückziehen ins Fitness-STudio des Hotels, aber eine drahtige Blondine, sehr gebräunt, sehr alt, trat in die Pedale. zu lauter Hardcore Rock, fürchte mich ein bißchen, obwohl sie der einzige Mensch zu sein schien die besseres zu tun hatte als auf Johnny Depp zu warten. Die X. erzählt dann später, auch sie ging ins Fitnessstudio, das sei die Frau von Jeff Beck.  In der großen Halle geht es zu wie in einem Bienenstock. ein Sponsor hat einen Stand gegenüber der Rezeption aufgemacht, nicht klar, was dort provided wird. hatte erst gedacht Pressematerial aber eigentlich stehen die Damen nur rum in ihren T-Shirts und Schlüsselbändern, die wie die des Jahzz-Festivals aussehen, aber doch irgendetwas anderes bewerben. Wo ist mein, unser gewisses Etwas? Die Fantraube vor dem Hotel nimmt zu. will man rausgehen und trippelt, egal wie bescheiden über den roten Teppich und egal wie schnell man abwinkt, nein man sei nicht Depp-related, sehen sie einem an als wäre man ein Strohhalm. der Held ist der, der durch alle Räume gehen kann. oder ein Zimmer-Upgarte bekommt. oder es aus dem Kabinett des Dr. Parnassus schafft. oder Earls Grey Tee bekommt im Frühstücks-Raum nach drei Anläufen. – Nicht alle Fans, nicht alle Presse muß draußen warten. Ich bin da. WIll aber  für OPUS  inzwischen lieber über Hedy Lamarr schreiben als über Johnny Depp. Bzw. tät schon auch schreiben wollen über Depp, aber  wo isser? Auch im Inneren schweben Frauen in hochhackigen Schuhen durch Lobby und Korridore, auf und ab wie auf einem Laufsteg und warten darauf, daß Johnny sich irgendwann sehen läßt. Dachte an die Fans in München, alle schienen geblümte Kleider zu tragen, die einen mädchenhafte  winzige Pünktche-Rosenknospen auf schwarz, Mini und  Gänseblümchen-Trägerkleidchen, die erwachseneren  großblumige, Klatschmohnartige, Ja!-Blumen!-Staement-Mode, lang, Leinenhaft –  und nicht zu vergessen die soolerenMädchen, SOlo, die einem Tim-Burton-Film entsprungen schienen, die eine, mit der tätowierten blauben Ros, die sich neben mir auf die Wiese setzte, mit der  ich so gerne gesprochen hätte, was in aller Welt sie auf einem Johnny Depp KOnzert mache, oder ob sie gar doch wegen Jeff Beck da sei? – – – die Blumenkleider der Frauen in Italien, Rosen in allen Stilen, stechen alles aus, sie sind modern-barock, sie sind wie aus dem Ei gepellt, entblätterte haute-couture, Rot auf weißem Grund, darunter raschelnde Unterröcke, wie schwebt man auf High-Heels wie Dornen. Wahnsinn. Das Hotel ist gesperrt, sat die X. nur dort untergebrachte Gäste dürfen hinein – weshalb viele der Fans im Inneren sich früh ein Zimmer genommen haben. Die Haute-Couture-Madonnas wirken, als könnten sie es sich leisten, andere sehen aus, als wäre für die eine Nacht unter einem Dach mit Johnny ihr gesamtes Erspartes drauf gegangen. Eine etwas finsterer blickende Frau, Jeans-rock, Fransen-Tshirt, Wuschelhaar, kommt zum wiederholten Male aus dem Waschraum und steckt verstohlen die seidigen Handtücher ein, von denen man nicht weiß, ob sie aus Papier oder Stoff sind. Musste an Hedy Lamarr denken und ihre Ladendiebstähle. etwas nehmen, weil man ahnt, dass hier ansonsten nix zu holen ist.  Und eigentlich weiß, daß einem mehr zusteht? Es fehlt so viel! – Inzwischen sitzen die meisten in einer Sitzgruppe in der Nähe eines antiken Flügels gegenüber der Presse- und des Wasch-Raums.  Ja, auch ich. Und ja, ich weiß, daß ich das in Aussicht gestellte Interview vergessen kann. Die X. hat es mir nach und abgeschminkt. Depp habe nach zu viel Bad in der Menge bei den ersten Konzerten, nach zu viel Wiederauferstehungs-Party vom Managment Jeff Becks absolutes KOntaktverbot erhalten. Corona-Schutz-Maßnahme und überhaupt… Presseleute seien eh „windige Frettchen“, keiner möge sie. In Amerika könne man die Presse wenigstens kontrollieren, hier, schlösse man sie dann lieber gleich ganz aus.  wozu bin ich dann hier?  Richtig. Nur so. mal sehen. die andere Geschichte suchen. nein, sie finden.  – was genau ist ein Frettchen? Egal. Bei sich bleiben. oder bei ihr? irgendwie wirkt sie auch verloren unter ihrem Haar. sie sitzt nicht da wo die Fans warten, sie hat sich zurückgezogen und thront im hinteren Zimmer aber auch mit Blick auf den Gang. lässig. „Bella Figura“ Sie zeichnet in ein Moleskine-Heft mit einem meiner Graphitstifte.  steht oder sitzt zur Verfügung und versucht dennoch bei sich zu sein. es gelingt ihr. sie wirkt, als gäbe es nichts selbstverständlicheres als hier zu sein. WartenIST selbstverständlich es sei der Job. BIn nie sicher ob sie mir zu liebe hier ist oder weil es ihre Arbeit ist, spätestens seit heute.Und ja, hier  käme er dann wohl durch, wenn er das Hotel verläßt… –  sie whats-appt wieder –  …und zwar sei das entweder !jetzt,  sehr bald in den nächsten 2 Minuten! oder sehr lange erst mal gar nicht.“  Sie sagt, das sei immer so: man müsse warten. Die zwei Minuten jedenfalls sind um. „Und was macht er jetzt, wo er also wohl dann eben tatsächlich sehr lange nicht kommen wird?“ – Auf seinem Zimmer sei er. schlafen tät er. fix und fertig sei er.  – – – wenigstens einer der wirklich bei sich ist. wollte ich das nicht auch am liebsten, schlafen? Haben wir nichts besseres zu tun? BIn mir plötzlihc doch wieder sicher, die X. warte hier vielleicht mir zu liebe. Signalisiere: wir können auch gehen. ich muss nicht hier sein. Sie aber eben wohl schon. Fassaden. Gemälde an den den Wänden. beginne an meiner lange vernachlässigten Handschriftlichen Adaption von Bram Stokers „Dracula“ zu arbeiten. Auch irgendwie affig. alle klammern sich an die Kunst.

An den Wänden zieren foto-realistische Stilleben von Melonen in Alufolie, Zitronen und Knoblauchzehen die Wände – und in Dauerschleife läuft auf einem kleinen in die Täfelung der Wand eingelassenen Monitor ein Making of der Obst-und-Gemüse-Kunst. Kaum beachtet von den Damen, von denen überraschenderweise selbst einige Gemälde im Gepäck haben. Eine vollbusige Frau in weiß- wallender Tunika, brandneuen All-Stars an den Füßen und perfekter Spring-Lockenpracht hat eine Gitarre gemalt und sondiert die Lage, im Schlepptau einen Kumpel, dessen Körper wiederum Leinwand vieler Tatoos ist und aus dessen weißen Socken eine Madonna mit Jesus herauszuwachsen scheint. Er hält sein Iphone bereit, um die Übergabe des Werkes zu filmen. Falls er kommt. Also sind nicht nur Frauen unterwegs. habe STummen Ohrwurm im Kopf, das Lied von einem  zu erwartenden „Er“, der aus Richtung Oberammergau kommen solle, von dem man aber nicht weiß ober aber über Oberammergau oder aber über Unterammergau, oder aber überhaupts net kommt. „des is net gwiss.“ das gewisse ETwas. Neben mir im Sessel sitzt ein Mann mit zu schwarz gefärbtem Haar, trinkt souverän und scheinbar gelangweilt Espresso und macht sich Notizen. Schielt mal nach der Oberweite der Gitarrenmalerin, mal auf deren Gemälde. Lobt es generös, weiß Rat zu schlagen – und entpuppt sich schließlich (wie konnte man es übersehen) als der Maler der malerischen Hotel-Dekoration. Auch er ein Johnny-Fan? Oder einer, der will, daß Johnny sein Fan wird?  – – – habe gegoogelt was ein Frettchen ist: Frettchen, auch Frett (Mustela putorius furo – aus dem Lateinischen „Fuertus“ der Dieb) eine Art Iltis mit sehr kurzem Darm, weshalb sie ständig essen müssen. Frettchen werden genutzt für die Frettchenjagd. Wer sich eins halten will, sollte ein Männchen wählen und es kastrieren, weil die Tiiere einen starken Gerucht haben. Sterven meist an Nierentumoren. Das Wort „Dauerranz“ gelernt.  – – – Anrührender als der Jahrmarkt der Eitelkeiten wirkt die Anmut einer 22jährigen in einem roten Abendkleid, die begleitet von ihrer Mutter in den Gängen patroulliert. Die 50 x 60 Leinwand etwas versteckend… flankiert von der Älteren. Rätselhaftes Gespann. Irgendwann ist es Zeit zu gehen. manchmal  huscht auch die Sponsoren-Stand-Frau vorbei und streut Fehlinformation, flüstert den Frauen was zu, sorgt für Aufregung. Wo soll er sein? Wohin? Wohin?– ein Bienenschwarm bildschöner Damen und einigen Bildern stürmt zur Lobby. Depp verläßt einstweilen durch Küche und Hinterausgang den Ort und ist unterwegs zum Soundcheck. – was gäbe es hier zu stehlen?

***

[…] Die  X. hat  ein Ticket von dem sie glaubt, daß es nicht gültig ist, weil ihr Name darauf falsch geschrieben ist. Kann nicht glauben, daß man so genau kontrolliert, dass die Ordner überhaupt Zeit haben für Personalausweis-Kontrollen. gestern war das nicht so. Sie sagt aber heute MÜSSE es so laufen. das Security-Protokoll verlange es. sie hat versucht ihr Ticket umzutauschen, musste es stornieren, aber hat nun gar keines mehr, weil in der Zeitspanne zwischen Storno und Neubuchung der Freikarte auch das Kontingent der VIP-Tickets aufgebraucht ist. Ihre Laune ist schlecht, eigentlich wollte sie sich das Konzert eh nicht anhören, sie ahnt, daß es schlecht ist, bzw. Depps Part darin nicht gut sein wird. Finde aber sie sollte es hin. Man muss doch sehen, wo das Herzblut hingeflossen ist, ob es mitreißt oder versickert in der Bedeutungslosigkeit. wer weiß.  gemeinsamer Konzertbesuch doch auch gruppendynamisch schön. zumindest herrscht jetzt wieder konspiratives Miteinander. erst gehe ich sehr früh zur Konzert-Arena mit meinem Presse-Ticket und  Presseausweis, suche dann eine entlegene Stelle am Zaun (das Gelände ist groß und geht in einen Park über) , wo ich beides deponiere unter einem Stein.. sie kommt später nach, ich schicke ihr die  Beschreibung der Stelle und sie geht mit beidem als „ich“ zum Einlass. Falls sie nicht als „Ich“ durchkommt, sogar den schal, den ich auf meinem Presseausweis-Foto trage gebe ich ihr mit, soll sie wirres Zeug reden und umschwenken auf Plan B, sie sei meine Assistentin und bringe mir meinen AKku und bekäme Mords-Ärger von mir, wenn sie ihn mir nicht bringt. Das Rollenspiel ist kompliziert, aber es gefällt mir. funkenüberspringende Solidarität.

Sehr früh die Rolltreppen durch die Stadt herabgeglitten    , weil ich auch Filmische Impressionen sammle für  das andere Projekt. interviewte gestern z.B: einen sehr jungen Ordner, der fast aufgeregt war, gefragt zu sein. alles bedeute dieses Festival für die STadt, es gäbe die zeit des Festivals und die andere Zeit, in der die Stadt in eine Lethargie fiele – er suchte nach Worten, es war ihm wichtig, das richtige zu sagen.  hatte ihn gefragt ob es „Langweilig?“ sei, das verwarf er, nein nicht langweilig, aber wie in einer Art Winterschlaf. es gäbe hier keine JObs, keine Inspiration. am Festival mitzuwirken, ob irgendwo in einem Außenposten der Arena Wache zu stehen oder backstage  von Nöten zu sein (wovon alle träumen), es sei wichtig. das Event für  Studenten oder Schüler. Bezahlt werde man nicht, aber egal. Dabei sein sei alles! ich gab ihm meine emailadresse, denn es ärgerte ihn, daß er imme rnoch nicht das richtige Wort gefunden hatte.  – Ich schreibe das vor dem Park, auf einer Bank, weit vom Haupteinlass entfernt. Habe leider feststellen müssen, daß auch in den Outerim-Gefilden des Arena-Geländes Ordner  patrouillieren. Will später, wenn ich drinnen mein Ticket gezeigt habe, dasselbe in dieser Höhe unter dem Gitter platzieren. Stelle ist günstig, weil das Denkmal für die X. gut erkennbar ist und gleichzeitig Deckung bietetet und von außen kein Wartender, kartenloser mensch die Aktion sieht und möglicherweise sofort errät, was hier läuft, sich die fallengelassene Karte schnappt (und meinen Presseausweis!)- – – Die Absurdität der groß-geplanten Kleinigkeit. soooo wichtig, so bescheuert. fühle mich wie fünfzehn. WIeso das alles? Doch Doch, genauso das alles. ISt doch eh ein Unding, daß die X. nicht einfach so rein darf. Wollte den Ort fotografiere für sie, damit sie weiß wo ich später das Ticket hinlege. die versehetnlich abgelichtete Frau die chamäleonartig am Denkmalsockel sitzt und jetzt aufspringt ; nein, keine Ordnerin, eine die ins KOnzert will – aber bereits eine Karte besitzt. Nur EIne die nicht fotografiert wnerden will. Ob ich sie gerade aufgenommen hätte??? „No. no, naturalmente, no…!“ nettes Gespräch dann doch. Frau entpuppt sich als die Angestellte einer Möbel-Design-Firma in der Nähe von Rom, die für die Ausstattung des Museums verantwortlich war, das die X. und ich uns angesehehn haben. speziell für die Divanartigen Polster-Sitz – bzw. Liege-Gruppe in der Mitte des Raumes in dem wir lagen und die Decke anstarrten wie zuvor die Fresken des billigen Hotelzimmers in Florenz.  konnte mich nicht einkriegen über den Zufall und schwärmte von Museum und Mobiliar. – Kurzes Innehalten bevor der KOnzertwahnsinn mich verschluckt. Ticket-Aktion dermaßen auffällig-unauffällig, und wieder in einem obskuren WInkel gelandet in einer Grünanlage in der nur Leute sitzen, die so tun als hätten sie nichts besseres zu tun als hier abzuhängen. Warte auf die X. lese nochmal was ich gerade geschrieben habe. Komme mir noch dämlicher vor… Wirres versteckspiel mit einem Ordner, der vermeintlich auf dem Weg zum Dixie-Klo ist, und dann doch nicht. KOmme mir vor wie in einer frühen Woody-Allen-Komödie (höre sogar insgehehim den Soundtrack dazu, während ich vor dem Ordner herumgestikuliere – und nicht nur wegen des Tom-Jones-Ohrwurms von gestern!) , als er plötzlich neben mir aus dem Gebüsch springt (der Ordner) und ich ihn nm in begeistertem Phantasie-Italienisch frage, ob ich ihn interviewen darf und neben bei das Papier mit Ticket und Ausweis jenseits des Zauns fallen lasse – allerdings anderswo, als per whatsapp und picture angekündigt. Komme mir wir genauso unauffällig vor wie mit 18 als ich auf einer SPD-Wahlveranstaltung Oskar Lafontaine fotografieren wollte, bzw. eben nicht, weil es mir peinlich war und ich prompt von der Security durchsucht wurde, weil man dachte, ich hätte ein Attentat vor. Die X. später, auf der anderen Seite des Zauns, tut so , als wäre sie eine, die aus deutschem Pflichtbewußtsein und Umweltdenken, sich um jedes weggeworfene Müll-Papier am Boden bückt. wie fanden wir am Ende zu einander im Gewühle, im Ikonen-Bildersturm?? wie überhaupt nach so langer Zeit. ? sind wir inzsichen erntszunehmende Business-frauen oder was? oder die kleinen Mädchen von Früher. müsste man sich langsam mal entscheiden? geht beides? . weiß noch das es sich gut und toll und kühn und idiotisch zugleich abgefphlt hat., aber vielleicht hätte ich lieber Anaïs Drago interviewen sollen…

[….]

 

16./17 Juli

geträumt von der Stadt , aber die Stadt P. hatte viele Versatzstücke von Montepulciano im Traum und war überhaupt zusammengeschraubt aus Fassaden und alles begann auf einem Jahrmarkt, der überhaupt nichts mit Perugia zu tun hatte, lediglich ein halb aufgebautes Karussell, noch ohne Miniaturautos, Pferde, etc. drehte sich. möglicherweise war es das „Giostri“ aus Grado, auf dem ich als Kind immer fahren durfte.  auf der Plattform befand sich nur ein bunt blinkender Hubschrauber, in den ich nicht passte. schämte mich, weil ich eh viel zu groß für den Rummel war. ich tat so als gehöte ich zur Crew, die das Karussell aufbaute und sprach „Italienisch“, ein Phantasie-Italienisch, gespickt mit Worten und Floskeln wie „Si vedra“ („Mal sehen“) und „Canelloni“. Dann war ich außerhalb des Karusells das sich immer noch drehte, ein Mann trieb es an mit einer Handkurbel. es war plötzlich total klar, daß nicht nur die Handkurbel von Nöten war, auch die Füße deshalb rannte ich, erst um das Karussell herum, dann änderte sich der Traum und ich lief durch die Stadt P. immer noch in Kreisen. übrall schraubten sich  Türme in die Höhe und alles sah aus wie ein großes Modell, ein „Best of Italy“ und insgesamt war es eine Sznerie wie im Titelvorspann von „Game of Thrones“ mechanische Städte, die sich auf einem reißbrett entfalten, wachsen, schrumpfen, zusammenklappen, ein Elfenbeimturm und ein Flaschenzug, und schließlich eine Gangway, die weiderum zu einem Hubschrauber führte, diesmal ein echter, den ich aber verpasste. der Turm schließlich bestand aus einer einzigen großen Rolltreppe, ebenfalls handbetrieben. die X. fuhr seelenruhig  nach oben und sah aus wie Milva. – – – eigentlich sah wenig im Trau m aus wie Perugia, aber ich weiß noch daß die Flying-Tiger-Filiale darin vorkam, in der ich gestern doch noch Schuhe fand, die meine Füße nicht zerfleischen…

***

…Und natürlich die Rolltreppe. sie war, nach dem Konzert gestern abend, das Highlight überhaupt: Perugia  verfügt über ein System von Rolltreppen, die fast durchgehend vom Fuße der STadt bis nach beinahe ganz oben führen. möglicherweise hatte man uns im HOtel auch von dieser Fortbewegungsart erzählt, sie sogar beschrieben, aber immer war das Wort „Mini-Metro“ gefallen und eine metro war  nirgends zu sehen. Die X. wiederum hatte gedacht, man hätte uns das ausleihen von Fahrrädern empfohlen. Mein Italienisch ist eigentlich ganz okay, es umfasst mehr Worte als „Mal sehen“ und „Pasta“, aber Mechanisches Italienisch verstehe ich nicht. Stolz und erleichtert  als ich nach dem Konzert, bereits in Panik ob ich den letzten Bus noch bekäme, hin und her rannte und schließlich auf einer Rolltreppe landete von de ich dachte, sie würde zu einer U-Bahn führen, erst nach unten gefahren, aber da war nichts. dann wieder nach oben und dem Strom der Menschen gefolgt, die bereits wenige weiter auf eine neue Rolltreppe aufsprangen. die vierte mündete in einer Burgartigen Station, hohe Mauerbögen, dunkle GÄnge,LED-Beleuchtung und seltsamerweise ein Hinweis auf eine Joseph-Beuys-Ausstellung. das Szenario wäre unheimlich, wenn nicht so viele Menschen durch die finstere Ruine sich winden würden. nächste Treppen und schon spuckt man mich aus unweit des Hotels. hinter einem Bretterzaun tauche ich empor, den ich von der anderen Seite niemals entdeckt hätte oder erkannt als die wunderbarste Abkürzung der welt. EIn Traum  Ansonsten…: P1120081_Tom Jones

… großartiges Konzert! was wusste ich über Tom Jones! hielt ihn – ohne groß darüber nachzudenken für einen all-amerikanischen Schlagersänger, mit HIts in den 60er, 70er  Jahren und assozierte ihn mit Las-Vegas-Casinos in den 80er, 90ern. „It’s not unususal…“ hatte ich im Rahmen einer Ally-McBeal-CD in den 2000er Jahren öfters im Ohr. was für eine späte echte Entdeckung also! Und nicht aus den USA ist er, sondern aus Wales,  Arbeiterfamilie. früh geheiratet, weil ein Kind unterwegs war (mit 16). die geschemidige STimme, der bescheidene CHarme, die wahnsinnige Bandbreite (die New York Times nannte ihn  einmal einen „musikalischen Formwandler“ es hat mich berührt, wie er auf die Bühne kam und sich sofort ins Smalltalk mit dem Publikum rutschte, sich bescheiden dafür entschuldigte, daß er während des Konzertes weitgehend im Sitzen singen würde, er habe es in den Beinen, den Schmerz beschrieb, ohne rumzujammern  („We von Euch kennt das auch?“) und dann zu singen begann. Fast vor allen Songs erzählte er kurz, was er da nun gleich singen würde und von wem der Text sei. ich rechne  es ihm hoch an, daß er (diesen doch eher schrecklichen Ohrwurm) „Pussy Cat“ ansagte, als einen den er seinem Freund Woody Allen verdanke (Ich bin sicher nicht viele bezeichnen Woody Allen noch öffentlich als Freund bezeichnet) weil er für dessen ersten Film geschrieben worden sei, „and it goes like this…“ ich wünschte die X: wäre mit. es ist mir nicht gelungen mit dem inzwischen offiziellen und mit gscheitem Bild versehenen Presse-Festival-Ausweis, auch die X. in das KOnzert zu schleusen. wollte ihr eine Karte kaufen als Dankeschön, aber sie lehnte dann doch ab. Offensichtlich wird auch der Depp erwartet an diesem Nachmittag. oder sie hat eine Besprechung in Sachen Anreise. es ist mir nicht ganz gleichgültig, aber ich merke auch, daß  es gut tut allein unterwegs zu sein. mit dem Mann vom Imbiss am Busbahnhof zu quatschen, die Tom Jones-Fans zu beobachten, die Familien, die sich weiter hinten auf die Steinstufen der Arena gestellt haben oder Picnicken, die tanzenden Kinder, der Sonnenuntergang. Es wird dunkler. Tom Jones singt „Sex Bomb“ und ich bin sicher, kein anderer alter Herr kann diesen Titel (von dem ich nicht einmal wußte, daß er von ihm ist) so hinreißend, cool und lebenslustvoll, authentisch und vor allem überhaupt nicht peinlich singen mit samt-sonorer Stimme singen.

Perugia, 16. Juli

Wir sind umgezogen innerhalb des Hotels, bin ich so leicht zu beeindrucken von dem dekorativen Balkon, den wolkenweichen Pantoffeln dem üppigen Bad, dessen Türschloss allerdings seltsam marode ist und sich von Innen kaum öffnen läßt. hatte am Ende die Klinke in der Hand. Die X. ist empört, aber nicht nur egen des Schlosses, und der lauten Lage. sie hatte bereits, während ich noch selig auf dem Bett lag, durch die Flügeltürfenster blinzelte, ihr iphone gezückt und  in allen Ecken nach Mäkeln und Schmutz gessucht. Snapshot eines Insektes, Staub in einer Ecke. sie ist in einem neuen ELement. sie sagt, sorry, ich kann nicht aus meiner Haut.  sie ist auch durch alle Gänge patrulliert und hat nach Ausgängen gesucht, durch die ihr VIP, der nicht vor heute Abend und heimlich anreisen wird (oder auch nicht) gegebenenfalls ein under ausgeschleust werden kann. Sie ist anders. auch trägt sie jetzt ein raffiniertes Haarteil und wirkt mindestens fünf Zentimeter größer. es macht sie attraktiver, definitv unnahbarer. ich staune. sie beeindruckt mich. es ist aber auch etwas unheimlich. im Frühstücksraum hat sie einen großen runden Tisch ganz hinten eingenommen. Der Service lasse zu wünschen übrig.

den Service, den sie selbst zu bieten hat, nicht in Anspruch zu nehmen fällt schwer. hat uns das Schwimmbad gebucht. es kostet nichts, aber man muß sich eintragen.  liege auf einer Liege in der tiefsten Schicht des Hotels und starre in den Pool, dessen gläserner Boden den Blick auf den antiken Steinboden, auf weitere Abgründe, schick angeleuchtet. es sieht von außen schöner aus als wenn man drinnen ist im Wasser. tauchte bereits  und versuchte mich am Boden entlag zu tasten, trieb aber imme rnach oben und sah alles nur verschwommen. ein altes britisches Ehepaar steigt ebenfalls ins Becken. Seit die X. gesagt hat, Depp habe das ganze Hotel gebucht und  nur Gäste aus seinem Umfeld seien jetzt hier, schaue ich alle Leute an und kann es nicht so recht glauben. sie revidierte aber bereits. die leute die schon lange vorher gebucht hatten, seinen natürlich ganz normale Gäste, Aber es gäbe keine Neubuchungen mehr, seit bekannt gemacht worden ist, daß Johnny Depp morgen hier auftritt als very special guest. meeine Füße schmerzen immer noch. mein Pflaster hat sich beim Schwimmen gelöst, es teribt unschön oben auf im türkisfarbenen Pool, fische es noch schnell heraus bevor es die Briten sehen. fühle mich plötzlich erschöpft. Der Tag verspricht anstrengend zu werden. Abends singt Tom Jones in der großen Arena. die X., wieder mädchenhaft und  im privat-modus lacht und sagt, eigentlich müsse man da hin. wer weiß wie lang es den noch gäbe.

[…]

Perugia, 15. Juli, abends.

Die Berge von Melonen, die die X. verspeist mit Messer und Gabel. der Blick über das weite Land von der Brüstung der Mauer die den Platz umspannt, die Nachmittags-Musik, der wilde Pianist mit dem sanften Gesicht und der Rasterlockenoracht, seine Begeisterung und Anmut beim Spiel, die Statuen im Park, die versteinert zuzuhören scheinen. das milde Licht, die Hitze, das Gefühl mehr sehen zu müssen. ich sehe, daß ich mich im tag geirrt habe, es ist ein Tag später als ich gedacht habe. ich verpasse das Konzert featuring Bill Frisell, das ich hören wollte. In der Stadt tobt andere Musik, eine Brassband in der Hauptstraße, bevor sie gänzlich Fußgängerzone wird. rote T-Shirts, Lust am Spielen im Gehen, pure Lebensfreude. Glück hier zu sein. eine Woche fernab vom Wasserhaushalt des Vaters, den Wäschebergen, den Windeln, den Sisyphosarbeiten. W. ill Konzert anhören in der Nationalgalerie – kenne die Band nicht, aber Jazz im Museum klang gut. leider noch kein Presseausweis. mein Ansprechpartner ist nie im Pressebüro, hinterlegt ist nichts.Trotzdem rein gekommen. Verwirrung, weil in der Ausstellung gra nichts stattfindet. zurück in den zweiten Stock, dort spielt DIno Rubino, aber nur in einem langweiligen Raum. hatte gedacht, das Museum, die Gemälde seien einbezogen in das Spiel der Musiker, ich dachte „Töne treffen Bilder“. die X. lacht mich aus, das sei versicherungstechnisch unbezahlbar. bin benommen von allem und von dem Stück der Band, das wie eine Mischung aus Piazzola und Debussy klingt, verführerisch, scharf, wolkig, nächtschattig, sanft. hätte gerne den Titel des STückes gewußt – war es etwas mit „Mond“?. später ginegn wir doch die Bilder ansehen. […]. die geplsterten Liegen von denen aus man an die decke starren kann, die Wucht oder der Sog der Fresken. die mal harten mal jugendlich-süßen Züge der zahllosen Marias mit ihren immer wieder anders drein blickenden Kindern im arm, durch alle Epochen immer wieder…. es ist schön mit der X. durch Gemäldegalerien zu gehen. wir reden nicht viel, aber immer wieder finden wir etwa stoll. der Depp, sagt sie ginge auch gerne in Museen. dann müsse sie dafür sorgen, daß die Location für ein paar STunden gänzlich gebucht wird. Der Öffentlichkeit entzogen. Damit er, Depp sich die Bilder in Ruhe ansehen könne ohne von Fans gestört zu werden. wir  selbst sind komplett ungestört, auch ohne Art-Lockdown. Ich hätte ein schlafen können auf der DIvan-Fläche unter dem Freskenhimmel. oder in dem kleinen flachen extra Gang, der auf der anderen Seite der Rathausuhr endete. ich betrachte die alte Uhr – von Innen. alles andere ist dunkel. seltsame Magie. wenn Alice hinter den Spiegeln ein Wunderland findet, was wäre hinter einer Uhr zu entdecken? Wahnsinnst Ausstellung.  herausgekommen versehentlich im Rathaustrakt. leer und düster, altbackene Behäbigkeit, ledergepolstert. auch hier hingen Bilder, Handschriften, war zu müde um zu entziffern. später erneuter versuch, ein Eis zu essen (klappte schon in Florenz nicht). diesmal immmerhin eins gekauft. es tropfte in Nullkommma nichts. wollte einen Straßenmusiker, filmen, der in einer der Gassen hinter der Galerie saß, person of colour,  und sang, daß er alle Frauen der Welt respektiere, er klang wütend dabei und sang und hipp-hopp-gestikulierend gebückt, nicht die stehenbleibenden Menschen ansingend sondern das Kopdsteinpflaster. seltsameWut, die nirgendwohinging – sah dann doch, daß.sie sich an sein Tablet richtete. eine alte Dame,  in lilanem 60erJahre Gewand und locken in ähnlicher Farbe und einer alten Handtasche schlurfte vorbei, alle anderen fühlten sich verpflichtet der anmutigen Ärgerlichkeit des Schwarzen Tribut zu zollen, die ignorierte ihn nicht mal. Abends zum Hotel. wieder kein Glück mit C. der meinen Presseausweis haben sollte. bekam schließlich einen vorläufugen,mit Kopie aus meinem eigenen Presseausweis. man sieht gar nichts auf dem Bild. ich könnte jede sein und keine. Armselig. Egal. wieder Melone gegessen. am Platz vor dem Hotel, es scheint der Knotenpunkt zu sein, von allem.

Unten in der Arena weit weg, am Fuße der Stadt singt Diana Krall. der Zoom der Kamera erwischt wie  in der Ferne , oder ahnt sie. Dämerung, Abdnrot, violett blauschimmer über allem. in der Nacht kann die X. nicht schlafen, denn das Zimmer geht zur Piazza hinaus, der Balkon, den wir liebten, jetzt hasst sie ihn, weil bis in die Frühen Morgenstunden gespielt wird. ich liebe es.

Perugia, 15. Juni

Das Sina Hotel Brunfani liegt ganz oben, man hat einen Blick von dort über die halbe Stadt, die sich nach oben schraubt wie so viele kleine STäfte in der Toscana und Umbrien und wie man es so schön sehen kann auf den Landkarten die Leonardo da Vinci entworfen, gemalt, gezeichnet, berechnet hat – nicht aber in Google maps. Die Abkürzung der X. erwies sich als Luftlinien-weg mit tausenden Stufen, einigen, er schien nie zu enden und wurde steiler und steiler. Ich hasse es dass sie viel fitter ist als ich. Wieso ist sie auf einmal so fit? Komme mir alt und verbraucht und idiotisch vor neben ihr. – der über die Treppen stolpernde Rollkoffer, der laufende Schweif, der schleichende Ärger über den nicht genommenen Bus, die mitleidigen Blicke der betagten Touristen, die uns überholen. Die X. die mir anbietet meinen Koffer zu nehmen… gebe mir einen Ruck und sprinte voran. (Eine Ende schien in Sicht, auf den letzten Meter alles geben schien möglich, aber da machte der Weg nur einen Knick, ging durch eine unschöne Unterführung und dann wieder treppauf weiter nach oben. Wut auf mich selbst, weil ich diese Städte doch kenne, immer sind die auf einem Hügel. Ich weiß es doch. Wieder nostalgische Gedanken an Früher und an Montepulciano, unweit von hier. Der Bahnhof auch so weit entfernt von der eigentlichen Stadt, die winzigen zerfurchten Gassen die sich nach oben schrauben in unregelmäßogen Serpentinen. Montepulciano, war damals die erste Station, mein Freund D. war damals Assistenz von Hans Werner Henze, der den Cantiere in M. in Leben gerufen hatte. Ich kam an, ohne eine Pfennig in der Tasche, weil das Postsparbuch in ganz Europa nur nicht Italien galt. Die abenteuerliche Schwarzfahrt im Zug, das Herzklopfen bei der Ankunft, als ich endlich ankam und der Bahnhof, so häßlich er war, versprach, dass meine aller erste Reise alleine nun doch noch gut werden würde. Der weite Aufstieg damals machte mir nichts, ich sah nur die Löwenmäuler an den Wänden, das Sandsteinfarbene, Kopfsteinpflster, chargierend zwischen safran und rosa, strandfarben, beige, okker, die uralte Stadt, die Ritzen und Kerben, die Sackgässchen, die Tore über dem Kopf, die Wäschleinen die das ganze zusammenzuhalten schienen, die Handtuschschmalen CAfe-Bars. Ich kam an oben und setzte mich in einen schattigen Park, unter Zypressen waretete ich daß D: Zeit haben würde, die Musikschule war nah, aus einem geöffneten Fenster drang Gesang, Tonleitern schraubten sich in die Höhe wie die Gassen die Stadt, eine Frauenstimme sang sich ein, später kam eine Querflöte dazu und eine etwas kratzige Geige. Ich hätte der X: gerne Montepulciano gezeigt, aber es wäre schon rein geographisch Unsinn. Ja, ich hatte großspurig gesagt, ich könne eine Vespa leihen und wir könnten einen Abstecher machen, es ist ja auch nicht weit. Leider hat sich herausgestellt, daß ich keinen Führerschein mithabe. Unaiffindbar! Selbst der vorläufige Führerschein bleibt vorläufig verschwunden. Es ist auch unnötig, denn die Altstadt von Perugia ist schön genug. Die Treppen nach oben nahmen irgendwann ein Ende, die Altstadt begann mit eben solchen Gassen und Hinterhof-Wegen mit aller Wucht der Antike und des Mittelalters und der Mittagshitze. Die Wege waren schöner als der Anfang des Anstiegs, dennoch rasten gemußt. Jemand auf einem E-Roller flog an uns vorbei. Schlängelte sich an den Treppen vorbei am reitlichen Rinnstein entlang. Auch das hätte mich überfordert. Kein Wasser mehr, was war nahliegender als der Musik nachzugehen. Sie kam ebenfalls aus einer musikschule. Seriöse Dame am Empfang verstand mein Italienisch erst beim zweiten Mal, weil ich so schnaufte. Die X. wartete königinnenhaft in Foyer und ich dufte auf die Toilette. Einen Treppe hoch, dunkle Gänge, Musiker warten in den Gängen, es wirkt als hätten sie eine Prüfung oder ein Vorspiel. Wasser gelassen, getrunken in tiefen Zügen, Flaschen wieder aufgefüllt. An die Eltern gedacht und ob die Mutter dem Vater genug zu trinken gibt. Am geöffneten Fenster eine Weile, vielleicht zu lange gestanden, weil auch hier jemand sang. Musik immer am schönsten, wenn sie ansonsten unerhört ist. War zu lange fort gewesen, die Empfangsdame war schon in Aufregung und hatte die X. gefragt, ob es ihrer Freundin gut ginge, hatte wohl ein so rotes Gesicht gehabt vorhin, daß sie dachte ich wäre irgendwo in den Fluren umgekippt. Sie erzähltl es mit einer seltsamen Belustigung. Ich werfe ihr eine der aufgefüllten SanBernedetto-Wasserflschen zu. Warum geht sie denn nicht aufs Klo. Warum trinkt sie immer erst, wenn sie selber fast zusammenklappt? Der Rest des Weges einfach. Plötzlich ist man oben. Auf der einen Seite sieht man über ferne Hügel, hoch, tief, unten liegt die Arena Giuliana, in der die Hauptevents stattfinden. Vor dem Hotel ist auch eine Art Kantine improvisiert, überdachte Büffets, Bierbänke, kleine Tische, eine Bühne, Musik – vergessen was es war. New Orleans Jazz?

Auch das Pressebüro ist im Hotel Brunfani. Irritation an der Rezeption, weil die X in ganz anderer Funktion hier ist als ich, wir aber in einem Zimmer sind. Ich bin hier Presse, Ihr Job ist es Presseleute fernzuhalten. Bahnt sich doch ein Interessenskonflikt an? Zimmer ist atemberaubend. Es scheint sich zu einer Suite zu entwickeln, aber dann endet es nach einem langen Korridor und vielen Schranktüren doch in eine verschlossenen Tür. Die Flügeltüren zum Balkon aufgestoßen. Man überblickt nicht nur den ganzen Platz, auch weit über Umbrien. Es ist der herrschaftlichste Balkon auf dem ich je stand. Prompt fangen Leute an zu fotografieren. Rückzug ins Zimmer.

15. Juli, Florenz – Perugia

Ich schreibe das alles im Zug nach Perugia. Vor dem Fenster fliegt Grün vorbei, aber kein sattes, eher ein dezent graues, manchmal zartes, und steinige Flussbetten. Wäre so gerne ausgestiegen in dem Ort mit dem See. der Plan aus der Ferne war ursprünglich gewesen, diese Tage vor dem Jazz Festival und vor dem Johnny-Depp-Stress zu nutzen um eigene Wege zu gehen, spontan zu entscheiden „Hier steigen wir aus“ und fahren mit dem nächsten Zug weiter, wenn überhaupt. aber in der Realität ist es natürlich idiotisch. wir haben einen festen Zug gebucht und schon diesen so spät, daß er das dreifache gekostet hat. wir könnte man da aussteigen und einen Kaffee trinken am See Trasimeno. vielleicht blieben die Fotos, die nichts geworden sind, die Orte an denen man icht aussteigen konnte auch die stärksten Erinnerungen. hellblau war der See, licht und weitflächig. er funkelte in der Sonne, milde und zum Greifen nah. hier hätte ich aus dem Zug  und hineinsprungen wollen – wäre das Gepäck nicht gewesen, das eben doch zu viel war. man darf nicht mit zwei Gepäckstücken reisen, es darf nur eins sein. vielleicht darf es nur das Kissen sein und vielleicht geht so was auch doch nur allein und wenn es eben nicht doch in  Wahrheit eine Anreise ist. erster Spannungen mit der X. sie osziliert zwischen dem VIP-Betreuungsmodus hin und her, der Expertin für Reiseplanung und der Agenda „Hey, ich bin hier nur Austeiger-Touristin im Hippi-Rock und mit riesigem Rucksack. ich wiederum bin die, die gerne ausgestiegen wäre und dolci gegessen hätte. ich hasse Reiseplanung. Ich will einfach nur reisen. Und manchmal, wenn mein Handy doch mal Netz hat und Google ganz klar den Bus vorschlägt, der zum Hotel Brufani fährt, der Frau im Navi-System folgt  (ja, auch ich habe zwei Seelen). Die X. aber hat eine Abkürzung gefunden, einen Fußweg, der nur wenige Meter lang ist. sie plant, sie hält ihr I-Phone in die HÖhe. meinetwegen. es ist ja richtig, wer will in Italien auf einen Bus warten. und am ende steigt man doch in den falschen. also nur kurz an einem Brunnen verschnauft, das Kissen unter den Arm geklemmt und zum Fünf-Sterne Hotel Brufani.

 
Florenz, 15. Juli.
Gut geschlafen, unter den lüsternen Putten. ein Hauch von bleichendem Putzmittel liegt in der Luft der Unterkunft, was der X. sehr behagt und mich an den indischen Spätverkauf in der Jungstraße in Friedrichshain erinnert. denn ein bißchen riecht es auch nach Brausepulver. es ist eigentlich eine große ALtbauwohnung, deren Flur sich ins Unendliche zu verlieren scheint. Kilometer weit könnte sich diese Wohnung erstrecken. Schmal und hoch, der Flur, knarzende Parkettdielen, ein kompliziertes System von Riegeln und Schlössern und einem Zahlencode – waren gewarnt worden von dem alten Mann – so alt war er gar nicht,  ein Ausbund an Kraft, wirkte aber doch wie ein alter Krauterer, der bereits schimpfte, wir sollen ja nicht den Code vergessen, wir kämen sonst nicht hinein – ab einer gewissen STunde würde er auch sein Handy ausschalten – es hätte schon Gäste gegeben, die auf der Türschwelle draußen genächtigt hätten. Dafür könne er nichts wenn die Gäste zu dumm seien sich vier Zahlen zu merken. Habe sofort anggefangen die Zahlen zu üben, bin sicher, daß ich von dieser Art der Dummheit betroffen sein könnte. 
„Von den Gästen ganz zu schweigen, die nicht verstehen, daß das Fenster zubleiben muß!“ sonst funktioniere die Klimaanlage nicht. „And don’t flip that switch…!“ man würde nicht glauben wollen wie viele das nicht kapieren: Schalter aus Anlage funktioniert nicht. Wir nickten und versicherten wir hätten es verstanden. Musste an die Schluss-Szene der zweiten Staffel „Better call Saul“ denken, ein hoffnungsvolles Finale: ein wunderbares Büro hatte Sual bezogen, eine Kanzlei gefunden, die gerne mit ihm zusammen arbeite. er geht durch seinen neuen Raum, inspiziert seinen Arbeitsplatz, alles sieht aus nach „Jackpot!“, dann sieht er diesen Schalter an der Wand, von dem nicht klar ist, was er bewirken soll. aber es steht darunter „Nicht den Schalter betätigen“. er starrt ihn an und es ist klar: er wird ihgn ausprobieren. und es wird sich nicht ausgehen mit der neuen Firma.  – auch das Fenster,d as wir nicht öffnen sollen wirkt verlockend, es ist mehrfach verdunkelt, durch die schweren Samtvorhänge und durch kompliziert verriegelte antik-wirkendes Holzläden. und einen Hauch von leichtem Vorhangstoff. die DUnkelheit des Zimmers ist aber nicht unangenehm. weil die X. noch schlief als es später Nachmittag geworden war gestern, bin ich alleine spazieren gegangen – bis zum nächsten arabischen Billig-Laden. Flip-Flops gekauft, dann weiter ein paar EInkäufe.Trinken, Früchte, Pan die Stelle. fühle mich reich, weil ich diesmal Geld in der Tasche habe und nicht das Wasser aus den Trinkbrunnen trinken muss. oder darf. man macht sowas heutzutage eh nicht mehr.
 
Die Erleichterung, die die Badeschuhe gebrachte haben reichte nur für zwei Blocks. jetzt habe ich Blasen zwischen den Zehen. wie schlecht  ausgerüstet bin ich verreist. das einzzig praktische, was ich mithabe ist das idiotische Kissen. Abends  orientierungslos durch die Stadt. den Fluss gesucht, aber nicht konsequent und ohne Plan. und am Ende war es doch eine Tour von Apotheke zu Apotheke und Schuhgeschäft zu Schuhgeschäft. die X. ist geduldig. es scheint ihr nichts auszumachen, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Um die große Medici-Kirche herumgeschlichen. immer war sie zu groß für ein Foto. es muß die sein, bei der Leonardo einen Lastenzug erfunden hat, der den Bau erst ermöglichte, war es die Kuppel der Sakristei?  weiß nur noch, daßß viele große Namen an dem gwaltigen Bau, de vielen Trakten, weitergebaut haben, über Jahrhunderte hinweg. eine Fassade fehlt immer noch. seltsame Schlichtheit. bis hier hin und nicht weiter. oder als ob ein KInd seine ausufernde Sandburg plötzlich mit einem Spatenstich  beendet hätte. kleine Trattoria gefunden, erster wirkliche Ruhepunkt. danach müde, aber trotzdem wollten wir den Fluß sehen. wildes Gestrüpp und Brachland. stand hier irgendwo der Campingwagen des obskuren Vaters mit dem verschüchterten Sohn? Der Sohn war eigentlich sehr hübsch gewesen. dennoch undenkbar!

 

auf dem anderen Ufer, lockt ein altes Gebäude von Bäumen umwachsen und von Lichterketten erleuchtet, sieht nach Biergarten aus, wirkte wie ein wirklich cooles Lokal wie das Tacheles in der Orianienburger Straße, war dann aber doch eher seelenlos teurer Schuppen. auf der anderen Seite aber ein anständiger Park, schmal und mit altem Mauerwerk und hohen Bäumen und LIegestühlen und ordentlichen Liebespaaren, nicht solchen wie im Zuhälter-Park gestern. Wehmut, weil schon zu müde um den Streifen Grün, das lebedige abendliche Florenz  zu genießen. habe das gefühl. damals bin ich immer auf der  auswärtigen Seite des Arno gewesen.  Hatte trotzdem gedacht im Zentrum  zu sein. abends zufrieden in die seltsame Unterkunft, die wahrscheinlich gar nicht seltsam ist. Hatte zunächst der Alternative nachgetrauert, ein privates Mini-Apartment, in dem angeblich Dante an seiner Göttichen Komödie geschrieben haben soll. aber bin jetzt froh  hier zu sein. Und den Code nicht vergessen zu haben. und so nah am Bahnhof. morgens  kein weiter Weg zu Bahnhof. den alten Krauterer leider nicht mehr gesehen, hatte doch noch gescheites Trinkgeld geben wollen. Dann doch in Eille zum Bahnhof und es vergessen. Gute Bewertung geben. unbedingt!
 
***
Ich schreibe dies alles im Zug von Florenz nach Perugia…
 

Florenz, 14/15. Juli. bin eine Nacht geblieben. – Nicht in dem Park! Das reißerische Beine-Und-Hände-Reiben der Zikaden, die seidigen Hemden der auf Kundschaft wartenden Männer, der wandernde Schatten den der Baum plötzlich woanders hin wirft. zu müde um dem Schatten zu folgen. Die X. neben mir, die so fremd wirkt – vielleicht wil ich sie eben doch nur von einem anderen „Früher“ kenne? sie fiel sofort in einen tiefen Schlaf – STricherpark hin oder her, die Frage ob man uns für völlig verpeilte Touristennen hält oder Crack-Huren, noch ungeklärt. Noch erschöpfter als ich ist sie. Florenz hätte ein Extra sein können, ein Stop am Wegesrand, bevor die Glamour-Welt des Jazz-Festivals in Perugia beginnt. Ist es ja auch, wir liegen wortwörtlich am Wegesrand. vor ein paar Minuten noch stolz darauf, daß wir beide so unkomplizierte Reisende sind, sie sagte, sie könne überall schlafen, es sei ihr egal, ob Luxushotel oder Mehrbettzimmer – oder eben Park. Ihre letzten Worte aber, bevor sie auf meinem schwarzen Häkelschal einschlief, den ich vielleicht zu übereifrig ausgeworfen hatte für sie, waren, daß sie merke wie ein schlimmer Anfall sich ankündige. sie fischte die Tabletten noch aus dem Rucksack, aber hatte nichts mehr zu trinken um sie einzunehmen. es war aber so heiß, daß ich ich mein letztes Wasser selber ausgetrunken habe. war noch stolz gewesen, daß ICH TRINKE und mich nicht darum kümmern muß, daß andere zu trinken haben. Zurück gelaufen zum McDOnalds in Bahnhofsnähe. War der nächste Anlaufpunkt in Sachen Trinken und Essen, denn der Kiosk neben dem Teich im Park hatte noch zu. Diesmal bergab, schien es schneller zu gehen, aber der Weg zieht sich doch. McDonalds sieht von weitem verlassen aus, als wäre er geschlossen. Erleichtert, daß doch geöffnet.kaum jemand darin. froh, daß es schnell gehen würde, aber dann leider doch dringend  Aufs Klo gemusst.  bevor ich für die X einen Millch-Shake und Wasser und Pommes bestelle, bitte ich erst aufs Klo. man bekommt einen Bon, den die Tür einliest. die Tür verweigert sich. eine Amerikanerin, die aussieht wie ein Chearleader in einem weißen Mini-Dress wartet ebenfalls.. ihre Verzweiflung ist… die einer rührenden Drama-Queen. Drama-Princess. Sie war schon im Inneren des WCs, war aber wieder raus, weil kein Klopapier vorhanden. und jetzt geht ihr ScanCode nicht mehr und sie wartet dass jemand kommt, aber es kommt keiner. ich biete ihr Feuchttücher an, aber sie sagt, ihre Haut sei very very sensitive. wir warten jetzt beide, daß jemand kommt. weil mein Code auch nicht zu funktionieren scheint. zurüclk zum Burger-Tresen, wo die Frau, sie sieht aus wie 15, sagt, es sei jemand unterwegs, sie selbst dürfe nicht die Tür öffnen oder Klopapier ausgeben weil sie im Essensbereich arbeitet. Hygienegründe. ich versuche nochmal meinen Bon, diesmal öffnet er die Tür. die Amerikanerin, sie ist jünger und ihre Blase offensichtlich dehnbarer als meine, wartet weiterhin vor der Tür. die eltsame Diskrepanz zwischen Hygiene und Hygiene. Die Panik, weil ich mich in fremden Dramen verzettele, statt zum Baum im park zurück zu sprinten. MÜSSEN MÜSSEN MÜSSEN. Als ich raus komme aus der Toilette steht die Amerikanerinimmernoch wie eine Adelige mit gekreuzten Beinen im Minniröckchen vor der Tür und schüttelt zu stolz ihre Locken. ich war nicht lange im Waschraum, aber in den wenigen Minuten ist der verlassene McDonalds überrant von Menschenmassen. Schlangen an der Kasse. Stehe auf KOhlen. Wie lange muss die X. jetzt auf ihren Milch-Shake warten. – es gibt keinen Milch-Shake. Auch Exotisch andere Burger (mit Mozzerella und Tomaten!) . Und mir fällt das Wort für Pommes nicht ein. Alles dauert zu lange. Komme mir vor, die X: unter dem Baum im Stricherpark aufgegeben zu haben. Renne dann endlich mit dem Essen bergauf wieder in Richtung Fortezza. – oder doch die eine Station STraßenbahn?. Gluthitze. Frage eine wartende Italienerin ob es denn die rchtige Bahn ist. Sie sagt ja, aber es sei nicht weit, ich könne auch laufen. Ich sage, ich weiß, aber deute auf meine Schuhe. Solidarischer Augenblick. Sie weiß. Ahhhh – ein Lächeln.  die Bahn kommt. ich fahre schwarz. ausnahmsweise werde ich nicht kontrolliert. weiter zurück in den Park. die X. schläft noch. der Mann mit dem Heroinschuß ist nicht mehr da.
Das alles war gestern. Das Florenz von gestern erinnert mich an das Florenz das ich mit 19 ansehen wollte, aber das Postsparbuch für junge Leute unterwegs , mit dem man in ganz Europa Geld abheben hätte können, galt eben doch nur für ganz Europa außer Italien. Hätte damals in eben einem solchen Park landen können, aber damals war es nur der Camping-Anhänger eines alten Mannes, der m it seinem überraschend jungen SOhn mich auf einen Teller Spagehtti eingeladen hatte, als ich an irgendeiner Piazza versucht hatte mir mein Geld mit dem Verkauf von Zeichnungen zu verdienen. Kirchen gemalt und gekritzelt. die EInladung dankbar angenommen, weil ich dachte, ich würde in ein Haus eingeladen wo eine nette Italienische Mutter Spaghetti Bolognese kochen würde. – Stattdessen waren es verkochte Nudeln mit einer Sauce die ausschließlich aus Rotwein zu bestehen schien, und der Vater verließ irgendwann den Wagen, weil er erwartete ich würde mit dem Sohn Sex haben. bin gegangen. schimpfend und ohne Geschlechtsverkehr. als ich die Tür zum Wagen zuschlug zuckte ein Blitz am Himmel und es donnerte fast augenblicklich. Und Regen fiel vom HImmel. Mitten in der Nacht stand ich nass und stolz in Florenz unter einer Brücke und schlief schließlich in irgendeiner Kirche. ISt Florenz eine Nummer zu groß für mich? Schaffe ich es – damals wie heute – nur bis zu den anrüchigen Ecken? (DIe Kirche ausgenommen). Und bin ich die Drama-Queen oder die Chearleader-Prinzessin oder die X. deren ANfall wohl doch nur einer von Migräne gewesen wäre. Aber was heißt nur?? MIgräne kann schrecklich sein. Wie schafft sie das alles überhaupt? Wenn ich sie frage, ob sie nicht liber mit JOhnny Depp von Hotel zu Hotel gejetet werden mag, sagt sie so klipp-und-klar „NEIN!“ Dass sei noch anstrengender. Das hier… das sei ihr priovater Urlaubstag. Und die wahre Drama-Queen, die Über-Prinzessin sei sowieso wenn dann überhaupt ER. der Depp. „Prinzessin“ nenne man ihn. es sind noch zweio Tage bis zum eigentlichen Event.. und ich bewundere die X. dass sie beides kann: die coole VIP-Service-Frau sein und hier und jetzt mit mir im Park liegen. CHe sera sera. Wünschte nur, ich begriffe ihre Krankheiten. – Mittlerweile liegen wir immer nochab, aber besser aufgehoben und bewahrt er erschöpft in einem Zimmer, ebenfalls Bahnhofsnähe, aber welche Pracht! Schmiede-Eisernes Schnörkel-Bett, rote Überdecke aus Samt und die Decke über allem, die des Zimmers hat Fresken. Stuck. Täfelung . Putten und Vögel. seltsame Mischung aus sakral und obszön, denn die Putten sind keine kleinen Baby-ENgel, sie haben Brüste. hatte dem alten Mann an der Rezeption ein Trinkgeld geben wollen, aber mein Italienisch versagt bei Zahlen. es war so großzügig, daß ich es schließlich doch downgraden musste.Jetzt ärgere ich mich doch über meinen Geiz. werde dafür gute Bewertung schreiben. der X. geht es besser. sie hat wieder in ihren Organizer-Modus zurückgefunden. Ist happy mit ihrem Unterkunfts-Deal. Jetzt schläft sie. ich muss Schuhe kaufen. irgendwelche FlippFlopps am besten.

Neukeferloh/München – Florenz 14. Juli

Sehr früh aus dem haus, noch niemand war auf. KOmme mir vor, asl würde ich heimlich durchbrennen, nur der  „Gute Reise“ der Mutter auf dem Esstisch beweist das Gegegnteil. Ich reise mit elterlichem Segen. Sie hat geld in den Zettel getan – jetzt habe ich noch schlechteres Gewissen. daß der Pflegedienst jetzt zweimal täglich kommt hilft da auch nichts. Zu Fuß zur S_Bahn Vaterstetten, weil noch kein Bus fährt.  doch zu viel Gepäck? die X. hatte Ratschläge erteilt. Weil der Flug, den sie für mich gebucht hatte nur Handgepäck inclusive hat, ich aber nicht alles in meinen Reiserucksack gekriegt habe, hat sie aufgezählt, was sonst noch so geht: Notebooktasche, Kamera, darf alles extra dazugenommen werden. auch ein Recht auf ein Kissen hat man, weshalb sie rät, extra-Klamotten in einen Kissen-Umschlag zu stopfen. habe das befolgt aber komme mirjetzt mit dem Rollköfferchen, dem Strohhut auf dem Kopf und dem großen Kissen vor, wie der Paddington Bär. es fehlt nur noch ein Schild um den Hals „Bitte kümmern Sie sich um diesen Bären“ bin mir noch nicht sicher wer sich um wen kümmert auf dieser Reise. „Kümmern“ ein Wort saß idiotisch klingt, wenn man es zu oft hinter einander weg sagt.  Wie eine Journalistin, die über JOhny Depp in Italien schreibt, sehe ich nicht aus.. aber noch reise ich nur an. Anreis über Florenz mit Extra-Tag für mich. – wann kommt die S-Bahn? wieso bin ich in Berg am Laim ausgestiegen, statt Leuchtenbergring? Umständliches Rein-In-Die-Stadt-Und-Wieder-Raus-Zum-Flughafen. der Morgen bricht an.  Nix wie weg…

***

liege im trockenen Gras unter einem Baum. der Schatten wandert. Piniennadeln pieksen. der Park – die erste begehbare Grünfläche seit dem Bahnhof sah von weiten freundlich und einladend aus. Möglicherweise dennoch idiotische Aktion: Ankommen und spontan nach einer Bleibe suchen. Spontan in Florenz… – hatte nur, als angekommen am  HAuptbahnhof einen Kaffee trinken wollen außerhalb des Bahnhofs, um zu entscheiden, ob ich hier kurz bliebe oder weiterfahre nach Perugia, dem ersten Auftrittsort Depps hier in Italien.  Über das Jazzfestival zu schreiben wäre die sofortige Weiterreise gut, aber Florenz…. ein paar Stunden oder eine Nacht in Florenz… Wenigstens Kaffee außerhalb des Bahnhofs. Schließfach gesucht für Notebooktasche, Koffer und Kissen, aber   Gepäckannahmestelle erweist sich als weit weg und unverschämt teuer. einziger Kaffe winkte bei MacDonalds. weitergegangen, denn ein schöner Park lockte. kurz irgendwo sitzen. leider war das Tor geschlossen. Stiftung für internationale Kommunikation. Cafe hinter verschlossener Tür, man hätte sich anmelden müssen und wahrschienlich ohne Kissen unter dem Arm mit mehr VIP-Ausstrahlung erscheinen müssen. Immer wieder  verschlossenes Grün,  bin inzwischen an der Festung gelandet. aufwärts in der Mittagshitze. Hunger. Durst. Müde… dann ganz oben lag eben doch der öffentliche Park.  kleiner künstlicher See, eine entferntes Büdchen, Menschen sitzen auf Bänken und lesen Zeitung. sehr schön. Kiosk leider noch zu. liege unter einer Pinie und trinke den Rest des Wassers.

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Eingeschlafen. Aufgewacht vom Stöhnen eines mannes auf der anderen Seite des Pinienstammes. Öffentlicher Park entpuppt er sich als Stricher – und Drogenpark. Beinahe erleichtert, daß er sich wohl einen Schuß gesetzt hat und keinen runterholt. Und die Männer auf den Bänken mit ihren Zeitungen, auch seltsam.

[…]

München,  13. Juli, Tollwood-Festival

Beck_Depp

[diesmal kommt der Blog-EIntrag ein bißchen „versetzt mit Artikel-Passagen“ daher, da ich die über  die Depp/Beck auch in einem Magazin geschrieben habe ]

Das Tollwood-Festival in München ist eines der lebendigsten, vielseitigsten und atmosphärischsten Festivals weit und breit – (in Bayern). Mit Motorrad hin, das immer noch nicht rund läuft und nie dort in den Leerlauf kommt wo ich parken will. Gänge springen raus und rein. Ohne Leerlauf nie wieder an. Parke auf Radweg und alle schimpfen. Weiche Hügelwelt des Olympiaparks. umrandet von etwas das als städtisches Wald-Ambiente herhalten kann. Man ist nicht wirklich im wilden Wald, aber toll ist es trotzdem. Bin früh da, weil (wenn ich mich, wenn ich schon nicht Original Offenbacher Fan-Mundart notieren konnte, dann wenigstens bayrische Fans studieren will. oder von sonstwo. Angereiste. Verliere mich in der Wunderwelt voller Buden und Biergarten-Nischen, etabliert, teuer, aber immer noch zusammenstoppelte wie ein Flickenteppich aus Gastronomie, Brettlbühnen, Verkaufsbuden, kleinen Konzertbühnen, Rummelplatz-Versatzstücken, Wunderblüten-Installation aus Richtungsweisenden Pfeilen, Straßenschildern, Abbieg-Pfeilen verschmolzen zur Installation einer gigantischen Blechblume. vergiss das Wohin! Nicht alle Alle Wege führen dorthin, aber da ist es dann doch das Hauptzelt.

Tollwood ist zauberhaft; wäre es eine Filmkulisse, wäre eine Figur gespielt von Johnny Depp hier kein Wunder. Sein tatsächlicher Gastauftritt überraschend. Bin zu früh da, Bier und Wurst in einer kleinen Bierzelt-Nische unweit des Hauptzeltes. Buddy-Holly-artige Band.

Scharen von weiblichen Fans. Man könnte glauben, es gäbe nur das eine Publikum und es dürfte eher das von Johnny Depp sein, als das des eigentlichen Protagonisten. Jeff Beck. Musiklegende. (aber es hatte gedauert bis ich die Legende wiederentdeckte. Von Jeff Beck habe ich nur ein Album, es steht bei den Platten, die aus meinem ehemaligen Zimmer zu den Schallplatten meiner Eltern gewandert sind „Jeff Beck’s Guitar Shop…“ stand neben einer Kinder Hörspiel-Platte über Johann Sebastian Bach und es zeigt eine Auto-Werkstatt, in der ein winziger Jeff Beck unter einer Gitarre in Autogröße herumbastelt, die auf einer Hebebühne thront weil er nur von hinten zu sehen ist und gezeichnet, habe ich mir nie ein Bild von Beck selbst machen können. Eric Clapton und Mark Knopfler stachen mir eher ins Auge, vielleicht, weil die Musik wiedererkennbarer schien weil eine gesungene Botschaft mitlief. Sah vor ein paar Tagen auf Youtube nach und entdeckte ein Stück, das ich von früher kannte, aber nie zuordnen konnte. krass, zärtlich, stolz, fingrig… erstaunliche Töne. Spielte sie wie eine zu tief gerutschte Geige. Irrwitzige Sounds. Wäre ich hin zum Konzert ohne die Aussicht auf Italien und diese Depp-Sache? Wahrscheinlich nicht (aber ich wär auch nicht zu Johnny Depp gegangen. Tatsache ist, ich geh gerade überhaupt nie wo hin wegen irgendwem).
[…] Beck immer so beschäftigt mit seiner Gitarre guckt nie ins Publikum oder in die Kamera beim spielen.

Die vielen Frauen in Blumenkleidern, Mitte vierzig, fünfzig – üppige Ranken, oder Mauerblümchen, oftmals im Doppelpack, junge Mädchen, bunt-geblümt verspieltere Seidenkleidchen. Die sind Jetzt wohl auch keine eingefleischten Beck-Fans. Und selbst für Depp-Fans, sind sie ziemlich jung, frage mich, aus welchen Filmen Sie „Johnny! Johnny!“ kennen. Fluch der Karibik? Nee. Nur so: „Aus dem Prozess! Sagt eine. Das sei ja auch großes Kino. – Und – ohne Blumen oder maximal einer dunkeln tätowierten Rose auf der blassen Haut: vereinzelt, die blass-häutigen, schwarz gekleidet und gefärbten Gruftie-Damen. darker, als wären sie einem Tim Burton-Trickfilm entsprungen. Ansonsten: sehr viele ganz normale Menschen. Frauen. Die nicht all zu unwilligen Ehemänner im Schlepptau.
Noch geht man nicht rein in die Hauptarena. Man sitzt in den Biergärten, den Cocktailgärtchen, steht am Bratwurststand an (weil man nicht wie die Hardcore-Fans schon in der Hitze der erste beim Einlass sein will. Aufschrei einer Gitarre , von Innen, von überall her aus den vielen Lautsprechern. Jeff Beck beim Soundcheck. erinnert mich an Where were you? Ist es aber nicht. Ein Solo, das auch zwei Instrumente sein könnte und eine Stimme. Singende Säge, Gitarre und ein astreiner Sopran. Ich glaube Jeff Beck könnte auch die Arie der Königin der Nacht auf der Gitarre spielen.

Einer der mitgeschleppten Ehemänner sagt zu seiner Frau „ Siehst Du, du kannst die Musik auch von draußen hören“ – „Also echt…!“ Augenverdrehen. „…ich will doch schon ihn sehen! In echt!!!“. Die Gitarre tobt sich aus, schwingt im Raum, liegt über allem. Menschen, die man sonst nicht in Live-Konzerten sieht, sind hier. Jemand von der Presse interviewt zwei Schwestern die ganz vorne in der Einlass-Schlange stehen, die eine blond und Ende Zwanzig redet und redet, die rotgesichtige Schwester schwitzt stumm. Die Reporterin entschuldigt sich schließlich, sie müsse jetzt in den Schatten zurück. „Wir sehen uns sicher noch ganz vorne an der Bühne, Du siehst auf mich wie eine, die ihren BH auf die Bühne schmeisst.“ die Blondine lacht und sagt „Nee, wenn dann den Slip!“.

***

Im Inneren des Zeltes ist es dunkel, die glatt gespannte Haut, die kein Jenseits erahnen läßt. Man steht wie absorbiert vom Ereignishorizont eines schwarzen Loches. Launige Vorband. Gute Stimmung. Platz gekriegt an einer Traversenpfeiler lehnend. die Sommerhitze hat mich schon jetzt müde gemacht. will was trinken, aber dann wird mein Platz weg sein.
Dann ist es so weit.
Jeff Becks Gitarrenspiel ist präzise und stark, emotionsgeladen ohne auszuufern. die Stücke, die er spielt bevor der Special Guest auftritt sind extrem auf den Punkt. Beck, bereist xy Jahre, dünn, drahtig, zu schwarzes Haar, wirkt, obwohl er fast nur Blickkontakt mit seiner Gitarre hat, extrem präsent . Die ersten Drei Stücke sind stark. Ensemblestark. Die lustvollen Schläge der Schlagzeugerin, das lange Haar mit einem Gummi zum Dutt gerafft, im Muscleshirt, wirkt sie wie ein Ausbund an Power, jeder Schlag ist lustvoll und sitzt.] unpretentiös, so direkt so klar und trotzdem raffiniert. Es ist Annika Nilles, aus Mannheim, international noch bekannter als hier in Deutschland. bin total hin und weg. War der Abstecher nach Offenbach ihre Idee? Die Bassistin, coole Bewegungen, ebenfalls bis zum Anschlag gespannt: drei Musiker reiben sich aneinander, einzig der Mann am Keyboard wirkt wie ein ruhender Pol. Es funkt derrmaßen zwischen allen, keine Bewegung zu viel oder zu wenig. Alle stehen unter Strom, und alles entlädt sich in ausschließlich: der Musik. Das Ensemblespiel funktioniert so hervroragend wie auch Becks langes Solostück, wolkiger und sanfter, berührend zart, daß die erwartete Steigerung nach 5 Stücken mit dem Auftritt Depps eigentlich kaum eintreten kann. Beck beschwört sein Erscheinen mit rockigen Gitarren-Akkorden. Sekundensprünge, minuten lang – bis der special Guest endlich die Bühne betritt

JOHNNYYYYY
Wolke von AH und Oh und Johhnyyyy und We love you macht sich breit. Wuschiger wird’s. Wow. Wirklich Johnny Depp, behängt mit Ketten und zu viel Haaren im Gesicht. Und ich seh eh kaum was (auch weil ich jetzt doch was zu trinken gekauft hab. Sitze jetzt auf meinem Motorradhelm). Und so sonor und stark Depps Stimme auch ist, und so stark er die Brust herausstreckt, ich hör auch nicht alles. Ein bißchen verwaschen kommt doch alles rüber. Nuschelig.

Johnny Depp OPUS

Besonders deutlich wird das gleich zu Beginn bei dem eher poetischen „Song for Hedy Lamarr“, auf den ich mich so gefreut hatte. Und gerade das Stück, das quasi das Überthema der ganzen Sache unreißt „The Death and the Resurrection show*“ [original by The killing joke, 2003] eher eine Enttäuschung. Es mag an der Akkustik liegen, an der Aussteuerung, aber Vocals und Instrumentales zerfließen zu einem Brei. So prägnant Becks Gitarre, die lustvoll präzisen Beats von Annika Hilles und die coole Intensität von Rhonda Smith (E-Bass) im ersten Teil waren und keine Bewegung zu viel zuließen, kein Drumherum nötig hatten, ist die Präsenz Depps eher „self-involved“. – ja okay, Jeff Beck guckt auch immer nur auf sein Instrument und es wirkt als befummeler er sie Gitarre und sich selbst gleichermaßen, aber das ist auf den Punkt, es entsteht ein Stück, es dringt zu einem und Beck tritt hinter dem was er spielt zurück.
Depp aber wirkt als mache er auf Understatement. Hat er denn jetzt was zu sagen oder nicht? ist die Musik das Ventil / der Liebe Nahrung / der Rettungsanker, der Strohhalm. — Keine Entfesslung, kein kontrollierter Outburst – jemand ist sauer und fährt sich zu oft mit der Hand durch das Haar, Vorhang auf und zu, auf und zu. die Ketten um den Hals baumeln und lenken ab. ist das jetzt die Post-Survival-Perfromance oder nicht? Vielleicht kann man nicht immer und wieder von den Toten auferstehen? Selbst Jesus hatte (bisher) nur zwei posthume Auftritte zu verzeichnen. (und vielleicht ist eben doch ein Unterschied zwischen Auferstehung und Auferstehungs-Show).

ZUGABE UND DANACH
Dann ist es vorbei. Die einzige Zugabe: Jeff Beck beginnt solistisch, mit geschlossenen Augen, zart, fragil und berührend, Depp kommt hinzu und es klingt erstmals an diesem Abend so ,als ob beide „ganz für sich sind“ und einfach nur Musik machen, vielleicht weil er tatsächlich hinzukommt, sich ins Spiel begibt, anstatt es anreißen zu müssen.

Beide erhalten gigantischen Applaus. Es mag sich weitgehend um das Johnny-Puplikum handeln, aber die Größe Becks ist offensichtlich; die musikalische sprach für sich, klang für sich im ersten Teil des Konzerts, die menschliche Größe Becks weiß das Johnny-Publikum möglicherweise noch mehr zu schätzen:

VOR DER TOUR
Beck hatte Depp als Überraschungsgast in seiner Tournee eingebaut, als dieser quasi „Nobody’s guest“ war und lange bevor absehbar war, wie Prozess und Schlammschlacht vor Gericht [in den Verleumdungsprozessen mit Depps Ex-Frau Amber Heared] ausgehen würde. Die Freundschaft der beiden geht lange Zeit zurück, das musikalische Zusammenspiel auf die Lockdown-Zeit: Eine Studioaufnahme entstand, ein Cover des Lennon-Songs Isolation, das in die Corona-Zeit passte wie die Faust aufs Auge – und vielleicht auch für den kurzfristig-zwangsläufigen Rückzug vom Filmgeschäft, das innere Exil im Zuge der sich ankündigenden Kämpfe vor Gericht. – Auch für John Lennon zeugte „Isolation“ damals (nach dem Auseinanderbrechen der Beatles ) rund 50 Jahre früher, von einer „vulnerablen Zeit“, wie dessen Biograph John Blaney findet: („Painful for Lennon, for whom belonging and acceptance was very important“), schmerzvoll für Lennon, dem Zusammengehörigkeit und Akzeptanz existenziell wichtig war.

IKONEN UND BILDERSTÜRME
Daß die Wankelmütigkeit von Fans schmerzen kann, ist nichts Neues. Es kann bedrohlich sein, wenn 14jährige Teenager en masse auf die Bühne stürzen und an Johnnys Hosen herumreißen, wie man in seinem Umfeld zu berichten weiß. Liebe die sich mit Gewalt Bahn bricht um jeden Preis, birgt Risiken und Nebenwirkungen mit sich wie blaue Flecken und gebrochene Beine – oder schlimmeres: Fans sind wankelmütig. Vor einem Jahr drehten sich nur wenige nach Johnny Depp um. Sein Status war zu ungeklärt, als daß man ihn in die eine oder andere Schublade (Opfer der zunächst passiv-aggressiven Verleumdungskampagne einer Frau, die „me-Too“ zu eigenen Zwecken mißbrauchte? Oder selbst Mißbraucher? Gewaltoper oder Täter – oder einfach nur ein Künstler voller autoaggressiver Impulse? – Taumelnder Bad Boy aber, der fälschlicherweise verdammt wurde und dem Unrecht geschah…. das schreit nach Empathiewellen, Fast schon wäre es ein Filmstoff für sich, wäre Depps „Resurrection Show“ nicht doch zu laut und dauerte nicht schon zu lange an. [Klären: sang er in „Isolation“ tatsächlich „Demolition“? Oder habe ich mich verhört?] Wäre dies ein Film, und würde Depp in ihm die Hauptrolle spielen, die Dramaturgie verlangte es, daß er Hollywood den Rücken kehrte, nicht rehabilitiert vor der Welt, nur vor Gott – bzw. den Augen der Zuschauern in den Kinosesseln. Es wäre ein kleiner berührender Film. – keine Tragödie wie die Ermordung John Lennons durch einen ehemaligen Fan, der Lennons neue Kreativität und die Verbindung mit Yoko Ono ihm nicht verzeihen konnte. Nichts schlimmer, als wenn die Ikone nicht mehr dem Bild des Verehrenden entspricht, dem Gemälde, das der Fan sich im Geiste von ihm gemacht hat.

Dann strömt die Masse dem Ausgang zu, die Finsternis spuckt Fans und Musik-Fans aus, von außen sieht die Hauptarena aus wie die Zeltlandschaft eines sich dahinziehenden Ritterturniers, Hell und blass, Dächer wie spitzige kleine Brüste, winzig schwebt die rötlichr Lichtreklame „Tollwood“ über den hellen Planen. Der Abendhimmel ist leicht bewölkt, der riesige Mond ist eine weitere Lichtinstallation vor noch dämmer-blauem Himmel. Eine will nochmal zurück ins Zelt, aber ein Zurück gibt’s nicht. Die Ordner wehren ab. Was würde die schon wollen, als sich einen Weg ins Backstage suchen. Auch ein Mann darf nicht. hat seinen Rucksack vergessen, sagt er. keine Chance. Der Strom mündet in die Tollwood-Welt jenseits des Main-Acts, ergießt sich in die Budenstraßen, die Biergärtchen, und auf einmal steht man an einem Tisch mit Leuten, die nicht einmal wissen, wer grad gespielt hat. „dieser alte Gitarrist, oder?“ Ja, Jeff Beck. und Johnny Depp
„Der Johnny Depp?“
„Ja.“
„Der is hier in München?!“ Am Tisch auf der einen Seite zwei junge Studentinnen aus Salzburg und Eichstätt. „Der Pirat? – wie sah er aus?“
„Also eigentlich…“, – Die vielen Klunkerketten um den Hals, das wirre Haar… “er sah eigentlich wirklich noch ein bißchen so aus wie ein Pirat.
„Der is ein Pirat!“ sagt die Salzburgerin.

Auch die zwei anderen Damen, die auf meiner linken Seite am selben Stehtisch einen Cocktail trinken horchen jetzt auf und wollen hören, daß sie jetzt bitte bitte nichts verpasst haben. „Wie war er denn, kann er singen?“
Ja, doch…
„Der erste Songs ist wunderschön, aber ich hab nicht alles verstanden..,“
„aber kann er singen?“
„ja, auf alle Fälle. Tolle starke Stimme. Gänsehaut! Aber ich hab nix verstanden. Als hätte er keinen Draht zum Publikum, als spräche er es eher zu sich selbst“
„Na ja , das ist ja in der Oper auch so. Nie hörst du die Worte richtig.“
Ich stimme zu. Dennoch: Die Lust, zu erzählen, jemanden zu erreichen. Understatment ist cool, aber speziell den „SONG FÜR MISS HEDY LAMARR“ hätte ich gerne verstanden.
„Vielleicht hat er ihn ja nur für diese Hedy gesungen. Und nicht für die Leute, sagt die Studentin aus Eichstätt.Die anderen nicken und denken wahrscheinlich: Who the fuck is Hedy Lamarr?!

[hier wirds etwas „Artikel-mäßiger“, musste zeitgleich an einem Text für ein Magazin arbeiten]

A SONG FOR MISS HEDY LAMARR
Daß Depp der Schönheits-Ikone und Schauspielerin Hedy Lamarr einen Song – den ersten, den er singt an diesem Abend – widmet, ist erstaunlich und dennoch (auf den ersten Blick)naheliegend. Lamarr’s Karriere war eine außergewöhnliche, und so sehr ihre Schöneheit von Hollywood gefeiert wurde, so sehr ging diese Karriere bergab in der zweiten Hälfte ihres Lebens. Klar, nicht der einzige Star sein, der unter der Marketing-Maschinerie Hollywoods gelitten hat. – und nicht der einzige Star, der den Kampf ums berufliche Überleben auf der Bühne der Gerichtssäle ausgefochten hat.

„Ich habe mich als Schauspielerin immer am überzeugendsten gefunden vor Gericht“, sagte Lamarr einmal, die zwischen 1968 und 19xy zz Prozessen auftrat. Es ging zunächst um Ladendiebstähle, dann klagte Lamarr ihrerseits, weil die mutmaßliche Verleumdung , sie hätte gestohlen, ihrer Filmkarriere geschadet hatte und bestand auf Entschädigungen für die nicht zu Stande gekommene Filmprojekte und und und… […]  –
Der von Johnny Depp heraufbeschworene „perfect cocoon“, mit Goldfäden versponnen, dessen Nähte nicht halten, zwischen Fiktion und Wirklichkeit, Selbstlüge und Ikonen-Image zerrieben reißt, erinnert an eine Metamorphose, die nicht stattgefunden hat: Hätte eine kluge Frau, wie Hedy Lamarr, die von Physik und Technik viel Ahnung hatte, als Jüdin die Flucht aus dem (noch nicht) annektierten Österreich geschafft hat, und – für sie vielleicht nicht weniger wichtig: die Flucht for einem kontrollierenden Ehemann, möglicherweise „abusive“ würde man sagen. Glaube aber beinahe auch Hedy war ein bißchen „abusive“. — vielleicht generell ein zu inflationär gebrauchtes Wort. Führt das jetzt wieder zum Johnny-Depp-Amber- Heart Thema? Kann die grauzonige Welt der Beziehungskisten wirklich im Schwarz-Weiß eines Juryurteils entscheiden werden?

Die Freundin, die mich überhaupt auf dieses Thema gebracht hat, behauptet (und ich zitiere hier Hörensagen), er hätte das nicht gerne getan, aber es habe keinen Anderen Ausweg gegeben als „Hosen runter“, jedes noch so unschöne Detail über sich. Über sie, auf den Tisch packen. Nur dann könne man sicher sein, wenn alles gesagt worden ist, alles offenbart wurde, daß die Wahrheit, ans Licht komme und Rehabilitation möglich. Und es reiche nicht aus, dies hinter verschlossenen Türen zu tun, es müsse öffentlich sein. Youtube—Öffentlich. Kann ja sein. Alles oder nichts. Sein oder Nicht-Sein. Sterben. Schlafen. Youtube gucken. weiterschlafen. nicht sterben.

Kann man Hedy Lamarrs Kämpfe vor Gericht mit dem Prozess von Heard / Depp vergleichen? Es war eine andere Zeit damals. Eine in der Frauen sich an Schönheitsidealen messen lassen mussten. In der Me-Too-Aera ist gerade die Frau als Objekt das schlagende (und geschlagen werdende?) Argument für eine Klage.

„Daß die [Amber Heart] eh lügt wie gedruckt hab ich schon am ersten Tag gesehen!“, sagt die blonde Studentin aus Salzburg.
„Naja, da steckst net drin!“,
„sicher…“
Nie is was sicher.

„Aber wie war er denn jetzt… wirklich?“, fragt nochmal eine der Cocktail-Damen. Und setzt, ohne die Antwort abzuwarten, nach:
„Bitte sag, daß wir nichts verpasst haben!“
Naja… eine Wiederauferstehung wars jetzt nicht. Aber er singt schon nicht schlecht!
In London war es vielleicht wirklich toll gewesen, als er erstmals auftrat und alles noch so frisch war, die Erleichterung über den gewonnen Prozess, die Lust, sich zu zeigen. Vielleicht ist das problem, dass im Zuge des neuen Medienrummels, der Auferstehung der Fans, die große Welle einfach zu viele Konzerte folgten. […]Vielleicht kann man nicht immer und wieder von den Toten auferstehen? Selbst Jesus hatte (bisher) nur zwei posthume Auftritte zu verzeichnen.

***

Der Hedy Lamarr Song war der erste, den er gesungen hatte, die Lyrics verstanden hätte ich nicht, wenn ich mir den Auftritt nicht schon vorher auf youtube angesehen hätte. Da hatten aber in die wohl gesetzte Kunstpause vor „frozen…. in scream“ irgenwelche Mädels „I love you, Johnny“ dazwischen gebrüllt. Ich frage mich, was aus der geworden ist, die ihre Unterhose werfen hatte wollen. Und wie kriegt sie die aus der weißen Jeans? Oder hat sie welche extra dabei gehabt?

„Des kann man sich eh nicht vorstellen, wie die so leben!Wahnsinn sei das. Dass man so übereinander herfällt in der Öffentlichkeit, und vor keinem Tabu mehr halt macht. – Nicht über Frauen, die über Johnny auf der Bühne ausziehen wollen oder von deren fliegenden Unterhosen spricht sie, wieder ist das Thema der Gerichtsprozess:
„Das müssen doch mal Liebende gewesen sein. „Daß man sich dann so was antut?“
sagt eine der „älteren“ Damen.

Was im nachhinein als gut aufgegangene Marketingstrategie durchgehen könnte, mag die einzig mögliche Strategie sein, um einem Gerücht – ob Verleumdung oder Wahrheit – entgegenzuwirken, etwas auszuräumen, mag in der Vergangenheit einer Hedy Lamarr noch mit vielen kleinen Einzelauftritten vor Gericht kompensierter gewesen zu ein: Manchmal ließen sich die leeren Kassen auf diese Weise auffüllen, in der Gegenwart und der Omnipräsenz von Me-Too aber nur ganz oder gar nicht funktionieren. Der Preis ist die totale Verausgabung. Alle smuß raus. Alles auf den Tisch. Streitkultur im Sinne der psychotheraputischen Correctness scheint da völlig passe und fehl am Platz zu sein „Mag sein, daß du es so empfunden hast, daß ich Dir damals beinah den Kopf an die Wand geknallt hätte, aber von meiner Seite hatte sich das ganz anders angefühlt, ich hatte eigentlich meinen eigenen Kopf knallen wollen, um eben deinem nicht zu schaden.“ – Ein Mißverständnis. Eine Überlagerung von Wahrnehmungen. – Langweilig! Ansichtssachen sind nicht so spannend wie das unumstößliche Aufeinanderprallen von angeblichen und sich widersprechenden Wahrheiten.

Das shamful shamless /painful, painless [im Lamarr-Song] umreißt die beiden Seiten der Medaille: Hosen runter, auch wenn es weh tut, sich bis in die letzte Pore ausliefern – und so auch wieder bei sich selbst ankommen? – Zu viel Um-Sich-Selbst-Gekreise!
Hedy war alles andere als schamhaft. Sie veräußerte sich in ihren (nicht selbst geschriebenen) Memoiren; als sie erschienen (aufs Gegenlesen hatte sie verzichtet), verklagte sie den Ghostwriter. Die im Buch „Ekstase und ich“ genannten Eskapaden, sexuellen Abenteuer () lösten wiederum Klagewellen gegen Hedy aus. Depp hat sich also eine ehemaligen Ikone als Seelenverwandt gesucht, der das Thema Verleumdung ebenso zu schaffen gemacht hatte. Auch sie verlor Rollen im Zuge des Image-Verlustes. Aber ist ihm die eigentliche Parallele bewußt? Gerade sie ist der Beweise dafür, wieviel man (sich) verliert in den Auftritten vor Gericht, in denen man „am überzeugendsten“ ist. Am Ende überzeugender als in der Kunst selbst.

Lamarr hatte sich schließlich in den Gerichtswelten verloren. Auch war sie alles andere als unschuldig. Sie mutierte zur Witzfigur, Mel Brooks benutze ihren Namen für eine solche in einem seiner Filme, Andy Warhol machte einen Film, „Hedy, the shoplifter“, sie betäubte den Schmerz – unwissentlich mit – Drogen, war eine der vielen KlientInnen des Dr. Feelgood, dessen Amphetamin-Spritzen auch Politiker wie JFK über Wasser hielten.

„Die leben doch alle wild. Sex, Drugs Rocknroll…“, sagt einer der älteren Frauen neben mir. die haben inzwischen ohne mich weiter gesprochen.
„Aber eben deshalb isses ja so irre, daß der jetzt hier in München ist. Der Johnny Depp…“, sagt die Salzburgerin. „Ich kanns immer noch nicht glauben.“
Über die Sein-Schein-Hollywood-Welten wurde schon viel geschrieben. Darüber, daß das Leben ein Traum sein kann und ein Albraum ebenfalls. Daß die feine Linie, die Naht, zwischen Wirklichkeit und Fiktion, Film und Gegenwärtigem Sein in der Selvie-Zeit der Reality-Shows, von Youtube und Instagram, in denen man „My story“ in Echtzeit auf Facebook teilt, immer unsichtbarer zu werden scheinen, ist bekannt und man hat jetzt so ziemlich alles gesehen von Depp und Heart. Kommt man der Wahrheit näher? Ist es wie mit der Verausgabung, dem Sich-Verschleudern einer Hedy Lamarr? ist die Zentrifugalkraft des Bewegung dann das, was die innere Welt im Innersten zusammenhält. Gibt es das Auge des Sturms? Findet man hier wieder die kreative Mitte? Sie hätte so viel anderes tun können, war wissenschaftlich hoch begabt, hatte während des Zweiten Weltkrieges Nachrichten-Technik entwickelt, die das heutige Bluetooth vorweggenommen hat. Hätte sie nicht auf die Anerkennung von Hollywood verzichten können und sich ihren anderen Talenten widmen können, anderes weltbewegenderes tun?

Sitze mittlerweile in einem anderen Biergärtchen. die Gespräche der Damen am Pizzastand und der Espresso haben mich müde gemacht. Es ist Jett doch dämmrig und Dunkel. Lichterketten schimmern. kein Bier mehr. muß fahren. wenn das Motorrad will. Morgen fliege ich nach Florenz.

 
Neukeferloh, 8. Juli,
Mann auf Fahrrad im String-Tanga. sonst nix an. in München!
 
***
 
In Sachen „Vorbereitung auf Johnny Depp“ tue ich nicht viel. Aber, da ich jetzt doch mal in den Verleumdungsprozess hineingesehen habe auf Youtube, verstehe  ich inzwischen die Bemerkung der X:, sie wüsste, wie „das mit dem Finger“ gewesen sei, den si eihm angeblich abgetrennt hatte durch die Wurf einer Wodkaflasche, oder eben andersherum, den er sich selbst abgeschnitten hatte (ich übertreibe natürlich wieder, es handelte sich wohl nur um die Kuppe). Abgeschnittene Finger erinnern mich an Märchen – musste niech einmal in einem ein Kind die Himmelspforte aufschließen mit dem eigenen Fingerchen, das es sich abtrennen hatte müssen, weil es den passenden Schlüssel verloren hatte? war das in sieben Raben? die Schwester, die die Brüder retten muß, die depperten Brüder, die alles falsch machen?
Es erinnert mich auch an Kleists „Familie Schroffenstein“. das Körperindiz, der Finger des kleinen Peters, das zum Beweisstück wird (und es ist auch ein sehr fragwürdiges!) und die Familienfehde weiterhin bis zum  äußersten schraubt. Und in „Amphitryon“ „Von Leib getrennte Glieder, Ohren, Finger, Gepackt in Schachteln, hätten hingereicht, Um einen Gatten zu erkennen.“ – oder das was (Ex)-Gatten manchmal tun? Oder ihnen angetan wird?
Un bei Kleist klappt es eben auch meistens nicht, die Wahrheit (oder die rechtmäßigen Gatten und Gattinnen) zu erkennen. es ist nue leicht. selbst die Körperzeichen  lügen, denn manchmal handelt es sich um prothesen, Fake-Bodies, falsche Zähne, Haare, Corsagen.. man muß (bei Kleist)  schon alle Hüllen fallen lassen um die Wahrheit ans Licht zu bringen (und auch dann brennt das Licht manchmal in den Augen, wird zum Gegenlicht, man sieht wier nix.
Würde Kleist über den Prozess Depp/Heard schreiben, das mit dem abgehackten Finger wäre bestimmt ein tragikomischer kleiner Höhepunkt. nicht der Wendepunkt, eher ein absurdes Wortgefecht […], das Flugbahn der Flasche und spritzendes  so wie die Suche, die Unauffindbarkeit des Fingers –
 
-…des Fingers? Wahrlich –  Sagt, des Fingers, Wirklich?-
– Verzeiht, es war der Finger nicht, die Kuppe nur des selben!-
– Und die, die trennte er…? und selbst? Er selber hätt von Knochen Nerv und Sehn der eignen Hand, den Finger sich geschnitten?

 

-Die Kuppe, Freund, ich sagt es doch, es war die Kuppe nur!
-Ich weiß nicht, was ihr heute sprecht, die Flasche wars,
die just im Flug zerbrach und auf die Glieder traf mit solcher Wucht,
daß Sehne, Nerv und Knochen die Kuppe trennten von dem Rest.
Blut quoll vom Finger auf den Boden.
– Wo blieb die Kuppe denn?-
– im Staub von Küche, Bad, ich weiß es nicht. Sie rollte weg, man fand sie später erst.

Okay, genug Fake-Kleist. – Aber: Lest den echten! er ist großartig. In „Penthesilea“ zerfleischen sich die Liebenden konsequenter als es Hollywood verkraften würde. Aus Rosenfesten werden nicht etwa Rosenkriege –  Mißverständnisse und Beziehungsstörungen, Traumata enden damit, daß sie Frau den Mann tatsächlich zerrfleischt, verschlingt auf-isst. EInvernehmen ist nur möglich als EInverleibung, Wort für Wort, „Hand jetzt und Mund und Mund und wieder Hand“. EIn „Versehen!“ – oder: Lest den zerbrochnen Krug!  Ein STück, das wie eine ländliche Komödie daherkommt und tragikomisch bis ins letzte Details den Prozess der Wahrheitsfindung auf den Kopf stellt. Und auch bei Kleist sind die Schuldigen nihct nur (wenn überhaupt) die Angeklagten. Auch die Kläger müssen die Hosen herunterlassen um ihre Unschuld zu beweisen.  In Kleists STück ist es ein  Krug, der kaputt ging, lauthals in der Nacht mit viel Geschrei und einem fliehenden Mann, der sich aus der Kammer davon stahl, in der eben jener Krug stand, der Kammer des Mädchens  Eve. Die Mutter beschuldigt den Verlobten. sie muss ihn beschuldigen, denn wer sonst hätte der Täter sein können. EIne Alternative? Undenkbar! Auch bei Kleist geht es um Verleumdung, Imagepflege und Ehrenrettung („Dein guter Name lag in diesem Topf!“).  Wer seinen guten Ruf verliert, bekommt keinen Ehemann ab – und keine Hollywood-rollen.

Daß der Richter (Adam), vor dem die Parteien den Fall darlegen,  selbst den Krug zerbrach, weil er das Mädchen (Eve) zum Sex nötigen wollte, macht die Sache um so spannender, und wenn schon keine  Instanz wie Youtube dem ganzen beiwohnt, so bei Kleist ein Prüfender Gerichtsrat, der ausgerechnet an diesem Tag nach dem Rechten sehen kommt. Es ist ein Stück mit jeder Menge „Me-Too“: Übergriffige, Amtsanmaßende Autoritäten, Sündenfälle, Stürze. die Wunde an des Richters Glatze spricht Bände, aber es dauert, bis sie unter der Perrücke hervor ins Auge sticht. Um den Guten Namen Eves aber wiederherzustellen bedarf es der Aussage. Auch wenn sie widerwillig vor Gericht erscheint, von der  klagenden Mutter zur Aussage gezwungen wird, steht sie am Ende nicht weniger in der Rolle einer beschuldigten vor Gericht, die, die Hosen runterlassen muß. Nur so sei die Wiederherstellung der Unschuld möglich (so auch das KOnzeot von Depp und Team) – und ebenso wenig funktioniert es. Am Ende steht man eben doch beschämt da – oder wie der letzte Depp.  In Kleists längeren (und politisch brisanteren) Version, im sogenannten „Variant“ muß Eve jedes Detail erzählen, sowohl die sexuelle Belästigung, als auch das, was sie zum Lohn dafür bekommen hätte haben sollen: ein Attest, das den Verlobten vom Wehrdienst befreit hätte, von dem der Richter ihr erzählt hatte, daß er nicht wie propagiert im land absolviert werden soll, sondern in kolonialen Krisengebieten.  – wieder so eine Sache, von der man nicht weiß ob wahr oder falsch. die Wahrheit ist bei Kleist ein verkneteter Teig mit jeder Menge anderer DInge darin, immer ist sie gefiltert und nur die reinsten aller reinen, die reineren als Engel sind, können sich irgendwie am Ende doch aus dem Sumpf ziehen (oder gezogen werden), aus dem Staub erheben. wobei die Ohnmacht, also eigentlich das O und A der heutigen Me-Too-Welt, nicht selten der Rettungsanker ist. Schwarz vor Augen werden lassen, anheimfallen, bewußtlos werden. Filmriss. Drogenbedingt oder naturstoned, weil die Welt zu viel ist, die Götter zu übergriffig – – – Ach! ich komme vom Thema ab.   Die, die sie aussprechen müssen, die Wahrheit werden selten reingewaschen. EInen Johnny Depp, von Kleist geschrieben, würde ich lieber auf der Bühne eines Gerichtssaal sehen, als den echten.  Die Unschuldsbezeugung mag eine nötige sein, in beiden Weltensein, der Akt der Bekundung ist aber ein schmutziges Gechäft (Wie krieg ich diese Bilder aus dem Kopf, der Depp im Drogen-Rausch, auf dem Sofa dahingestreckt und in seinem Schoß schmilzt eine Tüte Eis. Oder die „Wund-Bezeugenden Fotos“, auf denen man alles und nichts sieht. laß stecken!). Immer zerbricht daran mehr als nur ein Krug.
 
 
***
 
 
Und was am Ende nun die X. zu berichten wußte… – sie wüsste es, sagte sie. Ja, und? Ich wüsste lieber warum!
 
 
München, 7. Juli
Die Kamerafrau ist bei der M.  im letzten Reihenhaus der Reihe untergebracht, aber eigentlich ist sie immer bei uns. es ist schwerer meinen Vater in die Gänge zu bekommen, als ich dachte. Die „Wege in den Kopf“, die Assoziationen und sprachlichen Eruptionen, die letztes Jahr noch möglich waren, sind es jetzt kaum.  – oder doch… man muß nur länger kurbeln, länger warten, länger den faden suchen, den roten. den zu Ariadne außerhalb des Labyrinths. Festfestellt, daß der  uralte Schleifstein im Garten, tendenziell dazu taugt, Bewegung zu bringen in den Gedankenstrom. es ist wie mit dem Sprechen, dem ENtwickeln von Gedanken beim SPrechen, manchmal hilft eine Geste, die Hand, die schreibt, die Hand die  nach Worten sucht… – warum sollte das Drehen einer Kurbel nicht weiterhelfen, oder das Sitzen am Spinnrad, um den roten Faden wieder zu finden. Leider eiert er, der Schleifstein und läuft nicht rund. die B. fand es heraus und versuchte eine Führung zu basteln.
Der Schleifstein spielte eine Roll in dem letzten Film des Vaters: „Kurbelkind“, der einzig autobiographische. „Das Kurbelkind“ wurde wohl mein Vater genannt als Kind, auch „Drehwurm“, weil er alles was man drehen und kurbeln konnte (die Kaffeemühle, die Spieldose, den Schleifstein) nahm und spielte, er sei Kameramann. Wenn die Hand gleichmäßig und kontinuierlich kurbelt, kongruent zur Wirklichkeit, fängt sie sie ein im selben Fluß. Holpert es beim Drehen, gibt es Sprünge. ich dachte, das Drehen der Hand kurbele auch die Gedanken, die Assoziationsketten des Vaters an und es war auch so, er kam ins Sprechen, Worte purzelten wieder; nur holperte der Stein eben. Den Vater Festhalten. die Mutter ebenso. in der Sommerhitze stand B. in der Terrassentür und nahm alles auf. meist beachtete der Vater sie nicht, aber dann sah er sie doch lange an und suchte nach Worten. er wollte „Filmen“ sagen aber fragte sie freundlich: „Sie wollen mich wohl fliegen?“. „Ja“, sagte die B., das wolle sie  sehr gerne.
 
 
Neukeferloh, 6. Juli
Bin nicht gefahren. DIe X. selbst fährt auch nicht hin. deshalb fuhr ich aber nicht nicht, sondern weil meine Nachbarin und Kamerafrau nun doch einen Tag früher nach N. kommt.  ein geschenkter Tag statt eines geschenkten Luxusaufenthaltes in der Stadt Offenbach am Main. die X. sagt, auch ihr sei gerade alles zu viel.  Und sauer sei sei auf Depp außerdem eh. weil er viel zu viele neue Tournee-Termine mit hineinnähme. das sei doch als Auszeit konzipiert gewesen, jetzt aber sei es ein derart großer Medien-Hype. Nie könne er mal nein sagen, zu neuen Terminen. Sucht nach endlich-Wieder-Anerkennung. Freispruch (mehr oder weniger) und schon beginnt ein Taumel nach mehr und mehr. Das Münchner Konzert, das wohl auch ein bißchen auf ihr anraten zu stande kommt, habe sich ja noch gut im Kalender gemacht, dann Italien, immer noch mit Luft drumherum. Jetzt aber sei eine Anprobe in Frankreich dazu gekommen und ein weiteres Konzert in Skandinavien. Traue mich nicht zu fragen, ob sie auf Depp sauer ist oder auf sein Orga-Team. Was überhaupt ist ihre Funktion? Kurzer Wehmut-Moment, über die verfallende Fahrkarte. Wieder bleibe ich in N.  – egal.
 
***
B. abgeholt an der S-Bahn Vaterstetten. Noch nie bekam ich so viel Besuch in meinem Kindheitshaus. Früher waren die ELtern nie entspannt, wenn Freundinnen kamen, jetzt nehmen sie alles hin in Gelassenheit. DAfür bin ich gestresst. Sehe erst jetzt das Haus mit anderen Augen. die Rostspuren unter der Amatur im oberen Bad. die Tatsache, daß da Schuhe stehen – man kommt kaum rein ins obere Badezimmer. Wer stellt Schuheschränke in Badezimmer? und wievele Schuspanner exisitieren in diesem Haus, wieviele Paare, wieviele Vereinzelte, die ihren Partner veroren. Klobige Hölzerne, graziösere aus Plastik in allen Farben… Früher mochte ich sie. Jetzt hasse ich sie und möchte jeden, der mir im Weg liegt in die Tonne treten. Aber auch aus dieser kommen sie immer wieder heraus. B. verbreitet sofort gute Laune. Beginne aufzuatmen. Stelle ihr meinen Vater vor (und sie ihm) als Kollegin, Kollegen. Der Vater begutachtet die Kamera wie ein SPielzeug, das er nie hatte. WOhlwollen.  B. empfindet die von mir gekaufte Kamera ebenfalls als SPiezeug. dachte sie wäre gut. Die Mutter fährt zu Rossmann SD-Karten kaufen. und WIndeln und dies und das. Die B., die die Welt durch das Auge der Kameras wahrnimmt, betrachtet mein ZUhause, ich sehe es erst später in den zufälligen AUfnahmen, beim Ausprobieren der Kamera, wie angespannt  sie doch ist. Die Großaufnahme ihrer HÄnde, die am Portemonialle herumnesteln, es einpacken, wieder auspacken. fast nahtlos reicht das Probe und Test material von ihren „Reisevorbereitungen“ bis zum KLingeln des Telefons 20 minutren später; eine Rossmannverkäuferin ist dran und meldet, die Mutter habe ihre Geldbörse liegen lassen an der Kasse. es dauert aber bis sie wiederkommt. Sorge. Zurück kommt sie als wäre nichts gewesen.  Die Aufnahmen, die B. machen soll, die Bestandsaufnahme, die Impressionen gelten eigentlich meinem Vater. aber das System dieses Hauses, alle Ecken und Enden spielen hinein. Das Bild vermeiden – vermeiden mit im Bild zu sein, fast unmöglich.
 
Neukeferloh, 5. Juli.
Werde nicht nach Offenbach fahren können. in allem hinke ich hinterher.  Die Mutter kam zurück, der Freund  zu Besuch, und gleich nach dem Konzert morgen meine Berliner Nachbarin B.  – Ganz abgesehen davon: Unmöglich eine Pressekarte zu bekommen. Karte selber kaufen – zu spät. Verschiebe Artikel auf das Münchner KOnzert und Italien. Nach Italien zu fahren, das wären drei Stationen Perugia Jazz Festival, Pordenone, und der Gardasee. alles in beinahe nur einer Woche. es wäre dann mehr als eine Konzert-Review. X. die Freundin, die mich zu dieser Tour eingeladen hatte, fährt nun selbst nicht nach Offenbach. soll wohl nicht sein. Bin ehrlichgesagt auch ein bißchen erleichtert. Habe mich weder vorbereiten können noch das Haus in den Griff gekriegt. Nachwievor lese ich lieber in dem Hedy Lamarr-Buch als mir Johnny Depps Gerichts-Show anzusehen. Muß ich wohl auch nicht. Fragen zum Prozess beantworte er eh nicht, sagt die X.
 
München, 3. Juli
[…] Schweinekrustenbraten am Chinesischen Turm mit aufgewichten Bratkartoffeln 50 €! das Bier nicht mit eingerechnet! […]
 
Neukeferloh, 2. Juli.
Heda Lamarr erfand Bluetooth!! jedenfalls den Vorläufer. Habe ich in dem Buch festgelesen, das der Vater im Bad hatte liegen lassen. Ich hatte es mal gehört, aber nicht so recht geglaubt, es ist aber eine Tatsache. Sie war mathematisch hochbegabt, hatte nicht nur gute Ideen, sondern diese auch im Detail verfolgt. In den „Song-For-Miss-Hedy-Lamarr-Lyrics“ taucht diese ihre Stärke nicht auf. Depp zeicnet sie weitgehend nur als Opfer ihrer eigenen Schönheit und natürlich der Ignoranz Hollywoods. Von ihren wissenschaftlichen Talenten (aber auch von der Tatsache, daß sie sie auch später, als ihre Schauspeielrische Karriere vorbei war, nie wieder genutz hat, sie brach liegen ließ), erzählt der Song nichts.

EIn weiteres Buch fiel mir in die Hand, ebenfalls ein Weihnachtsgeschenk, das ich meinen Eltern mal geschenk hatte. Ein großformatiges Heft“ mit Karton-Seiten: „Hollywood-Stars als  Paperdolls zum An – und Ausziehen.  die Hedy-Lamarr-Puppe fehlt, ich hatte sie ausgeschnitten und für eine Inszeneirung verwendet. Als „Delilah“ legte sie einen ziemlich gekonnten Strip hin vor Samson. Muß also zugeben, daß ich selbst auch bisher Hedy Lamarr auf Äußerlichkeiten reduzierte. hedy ist links

delila

Neukeferloh, 1. Juli. Es gibt sie! die begehbare Dusche! Licht, hell, Wasser läuft. Der Vater betritt das BAdezimmer und sagt „Das hab ich ja noch nie gesehen!“ Jetzt sitzt auf seinem Duschsitz, gießt seine Füße und sieht ausgesprochen zufrieden aus. Und die Mutter tauchte wieder auf in Bad Kissingen. Es komplizierte die Sache, daß cih ihr ein Zimmer in der „Pension am Rosengarten“ gebucht hatte, aber halb Kissingen aus Unterkünften zu bestehen scheint. „Hotel am Rosengarten“, „Rosengarten-Hotel“, „Hotel Rosengarten“. Daß sie den Zettel mit der richtigen Adresse in letzter Minute wieder ausgepackt hatte auch nicht gerade geholfen.

Der Vater duscht schon sehr lange. sitze am Boden vor dem Bad und schreibe und fühle mich erstmals etwas aufgräumter. Dinge gehen voran und sind erquicklich. Und Johnny Depp kommt nach München. In München aber, sagt meine Freundin, sei alles kein Problem, das sei ihr Terrain. da könne sie so ziemlich alles in die Wege leiten. Will trotzdem das Offenbacher KOnzert auch besuchen, schon allein weil ich hören möchte was hessische Fans en masse vor der Stadthalle babbeln.

Der Vater ist fertig mit Duschen. eingewickelt in weiße Handtücher sitzt er jetzt im Sessel und liest in der Hedy-Lamarr-Biographie, die ich ihm mal zu Weihnachten geschenkt hatte und die ich aus dem regal gefischt habe zwecks Re-Lektüre. Es ist eigentlich die erste Schnittstelle, der erste Ansatz zu einer ersten Frage in Sachen Johnny-Depp-Konzert-Artikel: „Wieso Hedy Lamarr?““ Depp hat ihr einen Song geschrieben. Poetisch, berührend, zart. – Identifikationsfigur? Von Gefallener Ikone zu gefallener Ikone?

29. Juni, Neukeferloh.

Die Abreise der Mutter zum Klassentreffen in ihre Heimatstadt Bad Kissingen erweist sich als schwierig. Erleicherung, daß sie rechtzeitig auf dem Weg ist, bevor (erst morgen!) die Dusche dann weiter gebaut wird. Sie ist „aus dem Weg“, aber noch lange nicht „auf“ dem richtigen.   Odyssee von der ich erst später höre. Wieso kann man kein Taxi nach Daglfing bestellen? zwei Wochen vorher hätte man das tun müssen? Und 39 € extra würde es kosten , eins 2 km von Haar (bereits zu München gehörig) kommen zu lassen. Aber um 11 muß sie in Daglfing sein, weil da der Mitfahrgelegenheits-Klassenkamerad wohnt, dessen Adresse sie genau kennt, aber dann doch nicht. Auch Bad Kissingen selbst ist ist  Baustellen – und Odyssee-Terrain . Eintreffen widersprüchlicher Nachrichten von der Kissinger Verwandtschaft über den Verbleib der Mutter… Keine Ruhe diesmal. Das Schauen alter Johnny Depp Filme („Rum Diaries“, „Fear and Loathing in Las Vegas“ die nicht nur von Drogen-Trips handeln, sondern auch als solche konzipiert sind, hilft nicht. Stelle aber fest, daß meine gelegenheitlichen Journalistische Tätigkeit möglicherweise  eine Affinität zur „Am-eigenen-Leib-Recherche Hunter S. Thompson aufweist.Ich muß das wohl erklären. Journalismus sollte wohl in der Regel neutral sein. Wenn man selbst Teil der Story ist, soll man die Fingfer davon lassen., wie mein Mentor J.A. mir sagte, als ich verzweifelt war, daß die beste Story, die ich überhaupt je gefunden hatte (im Gazastreifen) immer komplizierter wurde, weil ich selbst, weil meine recherche Dinge verursachte, die Teil der Story wurde. Seine Schlußfolgerung war damals: „laß die Finger davon!“ Die Geschichte!“ sei verbrannt. Ich kann aber nicht glauben, daß Geshichten verbrennen können. Die Tatsache, daß man etwas kontaminiert hat, schließt doch nicht aus, daß etwas brisant ist. So lange man Ursache und Wirkung nicht verwechselt, nicht verschweigt, daß man selbst Teil der Geschichte geworden ist, die Mechanismen analysiert und davon erzählt, ist es doch eine eigene Art der Berichterstattung. JA, Okay, der Journalist, den Johnny Depp spielt in „The Rum Diaries“ ist mir nicht sonderlich sympathisch und „Fear  and loathing in Las Vegas“ aber halte ich für ziemlich hohl. Gab es da irgendeine Mission, von der sich der Held entfernte, oder wieder zu ihr zurück hätte finden können?

28. Juni, Neukeferloh.

Der An-Nur-Einem-Tag-EInbau der neuen Dusche fällt zusammen mit dem Ende der Verstopfung des Vaters und dem ebenfalls zeitgleichen (montage-bedingten Abdrehen des Wasserhahns. Baustelle. Statgnation der Montage ab 14:00, weil eine Bodenplatte kaputt ist. Verzweiflung. Wut. Die verlassene Baustelle erinnert an die Ruine eines gezogenen Zahns. Kann nicht hinein mit dem Vater.

Ende Juni 2022, Zwischen Neukeferloh und Vaterstetten.

Schwindelig. So viel gekocht, aber nichts mehr da. Zu hungrig,um nochmal zu kochen oder gar ein Brot zu schmieren. Zu alle für den Nachtspaziergang, aber auch zu volles Hirn. Beinahe zwanghaftes Ritual. Heute anderer Weg. großer Spielplatz, am Mayer vorbei und hinterrücks, die schmalen Wege durch das Dickicht des  Waldes, um plötzlich – als wäre sie aus dem Nichts herabgefallen und hier gelandet – an der blauen Tankstelle herauszukommen. sie leuchtet in kaltem Licht, sie wirkt wie eine Fata Morgana. sie ist nah, man muß nur die B304 überqueren, die man hier auch nicht erwarten würde, wenn man von der Waldseite kommt. sie leuchtet wie eine Mischung aus  Raumschiff und Tempel. eine Oase in der es Schinkencroissants und Chips gibt. Caprisonne für alle Fälle. leider nur mit Papierstrohhalm.
 
                                                                      ***
 
Habe Charly und die Schololadenfabrik geguckt. Mochte die in ihren Wohnbetten  sich gegenüber liegenden Alten in der Hütte, mochte das Ende, wenn WIlly Wonka zum Zahnarzt-Vater zurückkehrt mit tadellosen Zähnen, obwohl  „nie Zahnseide genommen!“. EIgentlih mochte ich vieles, aber das Schlaffenland wirkt so digital und ich kann nicht glauben, daß da echte Schokolade im Fluss fließt. – Dealt WIlly Wonka oder  ist er selbst der Süchtige?
 

GEDANKEN IN SACHEN JOHNNY DEPP

Bildschirmfoto 2022-10-24 um 21.39.18 ab hier widmet sich der Blog sowohl der Pflege meines Vaters der an Demenz leidet und Johnny Depp. Möglicherweise beides Menschen die wenn auch aus verschiedenen Gründen, sehr der Augenblicklichkeit anheim fallen.

Neukeferloh, Ende Juni 2022.  Johnny Depp, der mich nie interessiert hat, jedenfalls nicht groß, nie wirklich – ja, er war mir mal ins Auge gefallen in „dead man“, aber das ist jetzt schon sehr lange her – und dem Zufall geschuldet, weil keine andere Lektüre da war… – Johnny Depp, so las ich mal im Wartezimmer eines Arztes in einer Gala, besitzt eine Insel und kassiere die höchsten Gagen in Hollywood . Das ist aber nun auch schon lange her. Nie sah ich „“Charly und die Schokoladenfabrik“, nie „Edward mit den Scherenhänden und in „Das Kabinett des Dr. Parnassus“ erkannte ich ihn gar nicht (und weiß auch nicht genau wen er spielte, den verstorbenen Heath Ledger?  oder Heath Ledger, wie er im Spiegel-Kabinett zweischen den Welten  verloren ging, oder eben eine Figur (namens Tony?), die in eben den Welten und zwischen GUt und Böse den moralischen Kompass zu verlieren drohte, die aber noch von anderen Schauspielkollegen gespielt wurden, weshalb ich den Überblick verlor, aber mich gut erinnere, wie einer dieser Darsteller aus einer Kiste heraus kletterte, und ich fand, daß es außerordentlich gut und präzise gespielter Slapstick war . In Alice in Wunderland sah ich ihn, diesmal als Navigations-Systhem in wieder einer Wunderwelt. Dem nach habe ich Depp gespeichert als einen der Tote spielt oder welche die mit einem Fuß im Jenseits stehen. Und das mit dem Seeräuber, das auch… –  Johnny Depp also, der mich nie groß interessierte spielt ein Konzert in Offenbacher Stadthalle.  Und  Da wollte ich durchaus hin (in die Stadt) SPurensuche für den Film über den Vater. Gräberpflege. mal rauskommen aus dem Elternhaus und doch was machen, was mit den Eltern zu tun hat. – Und über Johnny Depp schreiben? – – – Kann er wirklich singen? Eine Freundin von mir, eine ehemals beste, aber dann doch aus den AUgen verlorene, hatte mich auf Offenbach hingewiesen.  Sie würde hinfahren. Hatte erst gedacht sie sei heimlicher Fan, aber tatsächlich hatte sie selber mal für Depp, bzw. seine Entourage gearbeitet. Seltsame Fügung. Es interessiert mich nun doch. ein bißchen.

Führe ich hin, sagt sie, müsste ich mich nur um die Fahrt kümmern. Unterkunft sei kein Problem. Wie könnte ich da nicht hin? Und nicht in der Bahnhofsabsteige am Frankfurter Hbf absteigen! in der es kein Frühstück gab und in den Gängen die ganze Nacht Möbel verrückt wurden.   (nicht die Möbel selbst drehten durch, sondern Leute ver-rückten sie). – Einmal kurz in eine verzauberte Kutsche steigen und für eine kurze Zeit in die Welt hinaus, bevor sie sich wieder in einen Kürbis verwandelt?? (die Kutsche, nicht die Welt) 

Neukeferloh, 31. August

Die Demenz dieses Hauses macht sich auch in meinem  Computer breit, speziell auf dieser WordPress-Seite – wo ist der Juli hin? gestern war er noch da. Er war doch schon gespeichert gewesen?!. gestern war auch der Flyer mit der Wegbeschreibung zum Memory-Zentrum noch da.  Und meine Schuhe. gestern sprach die Frau in meinem Handy noch deutsch, jetzt switchte Google-maps ohne daß ich irgendetwas gemacht habe auf Indonesisch um. (Es dauerte, bis ich herausfand daß es Indonesisch war, hatte es erst für Ungarisch gehalten, dann auf  Koreanisch getippt…  es ist mir ein Rätsel was zu diesem Identitätsverlust geführt hat. Auch die eigenen Wege werden dadurch noch verworrener, obwohl ich verhältnismäßig schnell gelernt habe was links abbiegen, rechts abbiegen und gerade aus auf Indonesisch heißt. Dennoch eine Stunde zu spät gekommen zu einem neuen Zahnarzt in Giesing.   KOmme kaum in die Außenwelt. Aber daß die Innenwelt wegbricht. die Momentaufnahmen des Schreibens, gibt mir gerade den rest. Rekostruktion. Aufarbeiten. festhalten. Nicht Kopf verlieren. den Flyer mit der Wegbeschreibung zur Memorygruppe finden.

[…]

[Rekonstruktion Ende Juni, 1. Juli-Hälfte erfolgt nach und nach]

[…]

Neukeferloh, Zweite Junihälfte

Spaziergange durch die Nacht.  der vereinzelte LED-Zauber der  Glühwürmchen, anfangs. dann Dunkelheit. Wasserschutzgebiet wird zu nächtlichem Regenwald. Gehemnsivolle Geborgenheit. niemand weit und breit. Nur Freundin und Hund. es wirkt als hätte der Hund Angst.

***

Früher Morgen. Der Vater fiel aus dem Bett, nicht dramatisch, aber er konnte nicht mehr aufstehen. vielleicht wollte er auch nicht. er saß auf dem Teppich, blieb dort und verstand nicht warum wir an ihm herumzerrten. Das viel zu komplizierte Erklären von körperlichen Abläufen: Fuß unter dem Bein hervor, Verlagern des Gewichtes von der einen Pobacke auf die andere, Schwung holen, das Bein aufstellen. Stell das Beim auf, nein das andere.  behalte die Fußflächen am Boden… Drücke die Knie durch… – HOffnungslos. „Kann ich nicht einfach zurück ins Bett?“, fargte der Vater. JA! JA! JA! Zielorientierter reden. oder gar nicht reden. ein Stück Kuchen und Himbeeren mit Sahne auf einem teller aufs Bett stellen. die  Mechanik des Körpers vergessen, nur den Kuchen sprechen lassen. „wieso ist da ein Kuchen?“  Am Ende kamen dann drei Feuerwehrleute. War mir perinlich, weil es ja kein NOfall war. Und weil das Schlafzimmer voller alter Schlappen und  Schuhe war. aber es ging schnell und es waren drei nette Feuerwehrmänner. Der Vater behauptete später, die seien wegen mir da gewesen. nicht wegen ihm.

Neukeferloh, Zweite Junihälfte

Die fröhliche Ambulante-Pflege-Frau hat das Pflegedienst-Auto vor dem Privatweg geparkt. sie war schon fertig und auf dem Heimweg. Tür zu Feierabend – da tönte das bauchige Schimpfen des Gegenüber-Nachbars Hä. durch die Siedlung. SIe blieb fröhlich und entschuldigte sich, was ihn noch mehr zu ärgern schien. Hätte es dabei belassen sollen, aber ich schoss hinzu. Merke wieviel sich angestaut hat. Vielleicht kam er mir gerade gelegen. Ich betrat die Kampfzone und es sprudelte Drama aus mir heraus: ob er es nun tatsächlich geschafft hätte, die Grenzen der Unmenschlichkeit um eine neue Dimension zu erweitern?! (jetzt da ich es aufschreibe, stelle ich fest, daß der Satz der mir im Affekt druckreif erschien, keinen rechten SInn ergibt). Daß er jetzt hart arbeitende Menschen von Pflegediensten anginge! &nbsp; zu&nbsp; Es verwirrte ihn, daß er nun mit einer schimpfenden&nbsp; Nachbarin die er nicht einmal zu kennen schien („Wer sind Sie überhaupt?“) und einer engels-geduldigen Ruhe-In-Person gleichzeitig zu tun hatte . und als ich sagte, wer ich bin, verlagerte er die Front in Richtung Garten („Schneiden Sie Ihre Hecke!“) – da war ich aber eigentlich noch (oder wieder)&nbsp; höflich gewesen und hatte ihm gesagt, daß das auf meiner Liste stehe, aber nicht ganz oben, weil mein Vater beinahe gestorben wäre und im Kranknhaus war und… – wartete auf irgendeine Empathie-Bekundung. Die Pflegerin redete mittlerweile sanft auf ihn ein, er solle doch froh sein, daß es ihm in seinem Alter noch gut ginge und er keinen Pflegedienst benötoge, ob er jemand hätte, der sich um ihn kümmere, wenn es mal anders wäre… der süße Ton brachte ihn zum Rückzug. Erklärte ihr die Situation des Privatweges, daß er&nbsp; verbotenesTerrain sei. „Ein Minenfeld!“ Das Wort „Minenfeld“ katapultierte ihn wieder zurück an die Front. Seltsamerweise brachte ihn das Wort mehr in Rage als das mit der Unmenschlichkeit<. Rotes Gesicht. Fuchtelnde Hände in Richtung Thujenhecke: „DAS IST DAS MINENFELD!“  Die Pflegerin gab ihm den Rest mit Freundlichkeut. er ging. Ich rief ihm hinterher – mir fiel nichts anderes mehgr ein – „KEINER MAG SIE!“.

***

Als der Streit war, schien er mir existenziell wichtig.  Aufgeschrieben im Blog wiedermal unsinnig. Dafür habe ich eine Einladung nach Gaza erhalten. Nur so! Diesmal ohne Arbeitsauftrag. die wahren Minenfelder sind allerdings momentan unbetretbar. NIcht so lange die begehbare Dusche noch nicht eingebaut.

Neukeferloh, Zweite Junihälfte.

Das blaugetupfte  Olivia-Walton-Kleid passt nicht. ich kann nicht mal sagen ob zu eng oder zu weit. Ist auch egal. Ich pass einfach nicht in die Rolle der geduldigen Hausfrau. Sitze am Dachfenster, in der blauen Sommernacht und schreibe und wenn ich schon jemand aus dem GUtemensche-Imperium der Fernsehfamilie sein muß, dann doch bitteschön John-Boy.  Über alltägliche DInge schreiben.  die immer noch von ukrainischen Haustieren belegte ehemalige Turnhalle. die gesammelten Nacktschnecken aus unserem Garten, die ich heimlich über den Privatweg hinweg in den Garten des Erzfeindes werfen wollte (aber dann doch nicht gemacht hatte. Aus Anstandsgrünbden, aber auch weil die Schnecken entkamen. Die Plegerin vom ambulanten DIenst, der immer andere DIge in unserem Haus ins Auge fallen als mir. die vom „Elefantenfuß in der KÜche“ spricht, daß sie denn toll findet, un dich merke daß ich keine Ahnung habe wovon sie spricht. – Die üppige Pflanze die auf der alten Küchenwaage am fenster thront. (jetzt weiß uich , daß sie eher dort fußt und die Waagschale in Grund und Boden stampft. – oder das A-3-Papier, das an der Betonsäule der Wendeltreppe klebt: „Lob der Vergangenheit“ – seit wann hängt es da? Und hängt es da, weil die Vergangenheot nun mal sehr präsent ist in diesem Haus? die Pflegerin wirkt so jung und fröhlich, tut gut. Will lieber jung sein als eine alte Mutter in der Zeit der großen Depression.  Und schon gar nicht seit die Mutter zurück ist vom Kochelsee. es kann nur eine Mutter geben  – aber eine muß sein. (habe meinen Kindheits-Serien-Marathon /Waltons-Gucken) in der Staffel aufgegeben, in der man die Mutter aus der Serie schrieb. Ich glaue die wollte nicht mehr mitmachen, weil zu viele dramaturgische Ungereimtheiten sich breitmachten,weil zu viele Schauspieler aus der Serie sich verabschiedet hatten, die aber dennoch irgendwie am Leben bleiben mussten. Metapher für auseinanderbrechende Familienkontexte und  längst überholte Vorbildfamilien. – Draußen duftet die Nacht nicht mehr nach dem nahen Wald, sondern jemand scheint Kratoffeln zu braten oder zu grillen. DUft nach ungeheuer leckerem sehr rustikalen Abendessen. obwohl schon sehr spät. heute nicht mehr spazierne gehen mit der M. schreiben im Computzer und auf altem Papier. habe sehr coolen Auftrag erhalten, Bram Stokers Roman „Dracula“ in alter Schrift abzuschreiben – nicht alles, nur die Tagebucheinträge von Jonathan Haker. Als gäbe es das im Roman zitierte Tagebuch  tatsächlich. Viktorianische Handschrift finden, die zu einem  tendenziell spießiger Anwaltsgehilfe und Real-Estate-Makler, der aber dennoch zum Helden taugt im Kampf gegen Vampire. Ausgerechnet dieses Buch?! meine Eltern lasen es mir vor als ich zehn war im bett (aber nur morgens!). – Draußen duftet es nicht mehr. der Grill-Duft ist zu scharf geworden und umgeschlagen nach etwas ausgesprochen unangenehmen. – – – Und natürlich ist es etwas, das unten auf dem eigenen Herd steht. Verzweiflung,  über den Verlust der aufwändig gekochte Sahne-Zwiebelsauce-Weißwein, die wir dann doch nicht aßen, weil gar keine Nudeln mehr vorrätig waren. nur ein bißchen davon über die letzten Kartoffeln, von denen auch wieder wenige genießbar waren (die meisten hatten Auswüchse von langen Fühlern, die sich in den Korb hineinstreckten wie tastende Finger. Uferloses Haus. egal Die Mutter hatte behauptet, es wären noch Nudeln da, als die Sauce fertog war, stellte sich heraus das nicht. Die Späzle aus der Tiefe des Kühlschranks, noch eingeschweißt hatten Schinmmel und die  Kartoffeln waren bereits im begriff zur neuen Generation zu mutieren.  Hatte die Sauce in den Kühlschrank gestellt für morgen, aber die Mutter hatte sie aus irgendwelchen Gründen wieder auf den Herd gestellt – den wiederum ich angelassen hatte. WIr ergänzen uns auf fatale Weise. alles ist zu viel vorhanden und verkommt oder knockt sich gegenseitig aus. Und habe ich wirklich gedacht die große andere Depression, der echten Mutter heilen zu können mit drei Tagen Kochelsee? meine Ruh ist hin. Und schon ist das aufgeräumte Gartenhäuschen wieder umgestopft. wo sind die teuren WIndelsäcke? Wo sind meine Schuhe? „wo ist mein Haus und wo ist mein Verstand?“

Neukeferloh, 19. Juni 2022

Geburtstag der Mutter. Wahrscheinlich seit langem das beste Geschenk gefunden, bzw. in die Wege geleitet. 3 Tage Kochel am See. nur sie und die Tochter. Also meine Tochter. Dafür habe ich keinen Kuchen mehr geschafft, aber die M. brachte eh einen. Hätte einen geschafft wenn sie es nicht getan hätte, aber  war klar, daß sie einen backen würde. Seltsames Gefühl nicht die Kuchen-Backende zu sein. der Kuchen, den ihc vor einem Jahr gemacht hatte, war perfekt gewesen. Schokolade. Zitrone. Und trotzdem war ihr prompt schlecht geworden. der Kuchen der M. ist viel heftiger als der meine, aber sie hat ihn ohne Beschwerden gegessen. Dann Aufbruch. den bereits gepackten KOffer noch geupdatet. das Anprobieren der diversen Badeanzüge, gute Zeit („Wir haben noch gut Zeit“), dennoch die Hektik der letzen Minuten. die Erleichterung, weil die  Nachbarin,  die Frau T. die die beiden zur S-Bahn fuhr. Die Ruhe im Haus. weil es plötzlich so ruhig ist, beginnt der Vater zu reden. die WIeder-ENtdeckung der Langsamkeit.  Satelitenanlagen auf den Dächern gezählt in der Abendsonne vor dem  Haus.

Neukeferloh, Juni, 2022

Ich hinke hinterher. ich schaffe viel, es hilft nix. Wird schon. Muß ja. „A Guada hälts aus“ – bin ich „eine Gute“? Streit, Frust, Ungeduld. Habe mir in den Riem-Arkaden ein blauweiß-getüpfeltes Schürzenkleid gekauft in dem ich aussehe wie die Mutter aus „die Waltons“, wenn die Serie in den 50er Jahren spielen würde. Es ist sozusagen die neue Berufskleidung. Kind spielen. Mutter spielen. Gut sein. Besser sein. „Köstlich ohne K“ – um diesen EIntrag mit einer weiteren Floskel zur Wohlbefindlichkeit zu beenden,ändern,  einer aus den neuen Bundesl auch wenn sie nicht in eine bayerische Reihenhaussiedlung passt.

***

Die Firma, die dei Wanne zur Dusche umbaut an nur einem Tag, hat diesen Tag zum dritten Mal verschoben. kann wieder nicht nach Berlin, weil der Tag in der Berlinzeit  liegt. dem Vater geht es besser. Verstopfung.  in Wasser eingelegte Trocken-Pflaumen. Der Pflegedienst rät zu Joghurt mit Pflaumen darin und Leinsamen.  die M. sagt, unbedingt in Wasser quellen lassen. wenn nicht aufgeweicht bewirkten sie das Gegenteil. es seien schon Menschen im Krankenhaus gelandet deswegen. das BIld ploppte auf, wie die Großmutter abends immer einen Teelöffel  Leinsamen aus dem Wasser-Glas nahm. das Glas war ein ehemaliges Senfglas gewesen und  sie hatte es verziert mit einem transparenten Klebebildchen einer Rose.(Heute bekannt als Adhäsionsfolie). es sei das A und O der Gesundheit. Da war sie dann schon auf dem Weg ins Schlafzimmer. blaue Stunde. das weitgeöffnete Fenster. 3. STock-AUsblick über die Garagenhöfe, dahinter weit in der Ferne, funkelten die Lichter des Offenbacher Krankenhauses. Die Großmutter machte Kniebeugen und war stolz, weil sie nichtin einem der  funkelten Fensterpünktchen liegen musste („Da sind all die armen Leut, die Verstopfungen haben und nicht uffn Klo können!“). 

Morgen Danach Streit mit der Mutter weil sie  die Leinsamen trocken gegessen hat.

Neukeferloh, Juni, 2022

[…] Die Umstellungen sind ein zäher Kampf. Dies ist mein Haus? es leckt, es birst. die Asbestrohre, die im Keller schwülstige Auswürfe bilden, feucht sind, Tumore zu bilden scheinen und unter die die Mutter rote Plastikeimer stellt, weil sie tropfen. das Gartenhüttchen, mein früheres Chemielabor, das voller Ameisengift ist und von Mäusen zerfressenen Plastikplanen, von Erde und Dünger und Rattenfallen, die nie eine Ratte je betreten hat. ich habe das Haus aufgeräumt, aber als ich im Keller die Wäsche aufhängte, räumte di e Mutter alles wieder ein. Verzweiflung. auch weil ich im keller die tropfenden Rohre entdecke und nicht einmal weiß, wei man jemanden in den keller fürhen könnte, alles müsste raus. der 35-mm-Projektor, der Architektenschrank, die gelblackierten kleinen Regale mit dem Handwerkszeug (war das nicht mal mein früherer Kaufladen? es riecht immer noch nach Brausepulver und Zucker, nach Speich-Seife und 4711. Und nach modrigem Zerfall. Asbest. die Mutter findet, ich soll Gips nehmen ud das rohr zuschmieren. oder das teure superklebeband aus demInternet. bzw. aus Korea. Möglicherweise könnte das sogar die beste Lösung sein.

andere Projekte. Badewanne raus zu Dusche werden lassen.an einem Tag! der Tag naht. war dreimal verschoben worden, jetzt naht er. die Rohre werden davon nicht betroffen.

Neukeferloh, Wann?  2022 Die Umstellung… der Lebensumstände,  der Möbel (die Sitzecke hinten im WOhnzimmer, meist nur verwendet zu Weihnachten um dort geschenke auszupacken – jetzt könnte ein Krankenbett dort stehen, aber wohin mit dem Sofa. Und wohin mit den 35-mm-Filmdosen, die im Inneren, zwischen Holzkasten und Polster gelagert sind wie in allen Ecken des Hauses. Noch mehr Ka-putt-Ma-chen! Der Lebensmittelpunkt verschiebt sich. wohin? und wie?

***

Nachts geträumt daß ich eine Gleitsichtbrille kaufen will, aber vor dem Ooptikerladen steht John Lennon und überrascht mich mit dem Angebot, mit mir eine Sonnenbrille auszusuchen, für mich! Ich freue mich wahnsinning, vor allem weil es John Lennon ist, aber auch weil ich schon so lange nach einer getönten John-Lennon-Brille gesucht habe (in echt). leider überreicht er mir dann eine mit eckigem Gestell. ich lasse mir die Enttäuschung nicht anmerkn,ich trau mich nicht zu sagen, dass die Brille mir nicht gefällt. Auch fällt mir (und das ist noch viel enttäuschender) ein, daß Lennon ja beriets tot ist, woraus ich wiederum schlußfolgere, daß dies ein traum sein muß.  ein schöner. Nur daß auch die eckige Brille es am Ende nicht in die Wirklichkeit schaffen wird.

Samstag. Entlassung? erreiche niemand.- wird er gebracht? holen wir ihn und fährt die Mutter mit dem Auto? sie hat ihn noch nie besucht. scheint erleichtert, weil eh immer nur einer besuchen darf. wieder kein Arzt. Wohl doch nicht entlassen heute. Der Belgier freut sich über die Kekse. bedauert kein geld bei sich zu haben um mir die Auslagen zu erstatten, aber nachmittags kämen Freunde von ihm „seine Leute“,  wenn ich da noch da wäre…? „Eher nicht. der Vater soll ja entlassen werden.  Davon weiß allerdings niemand was. Katheter soll gezogen werden und dann doch neu gelegt werden.  Hätte nichts gegen Katheter gehabt. geht nicht, weil krankenhaus niemand mit Beutel entlässt. geht am ende dann aber doch. muß gehen, weil es nicht läuft. will eigentlich dass er gar nicht entlassen wird, weil ich nicht weiß wie stark mein Vater wieder ist. Kann er gehen?  „Doch er geht!“ sagt der Belgier. In der Nacht  zum Fenster sei er gegangen. Gut ginge er. er habe sich nur Sorgen gemacht. ob er aus dem Fenster wolle. es muß ein bißchen gruselig gewesen sein. der langsame, große Vater der vielleicht plötzlich im Mondschein an seinem Bett steht und guckt.  – und dann lieber in den Park hinab sieht. Und wie ging das mit dem Urin-Beutel?

***

Freitag. Kann nie viel tun tagsüber. schnell ist es eins, dann Corona-Test am Container, vorher einkaufen. DInge fürs Krankenhaus. Es gibt keine Butterkekse von Balsen in gelber Verpackung.  Es gibt auch keine Caprisonne mit Plastikstrohhalm. Aber Strohalme, die nicht aufweichen sind lebenswichtig! Dann Fahrt 40 Kilometer, meistens mehr, weil ich mich um den Tierpark herum immer verfahre. weiß den Weg, aber komme nicht rechtzeitig auf die Abbiegespur. Auch fehlt der Blinker. Vater besser. aber im Krankenhaus zeigt es sich, daß keiner die Vorgeschichte des Vaters kennt. wo sin die ganzen Unterlagen und Arztbriefe geblieben, die ich mitgab?. und wo das „Schlaf gut“ schild in der Schrift der Mutter geblieben, Habe auch noch nie mit einer Äztin gesprochen! nur mit der aus der Notaufnahme, die tatsächlich sehr genau zuhörte und fragte. aber das war eine Station vorher. AUf der Station scheint nie jemand zu sein. wenige Schwestern, die immer nur sagen sie seien nicht autorisiert, sprach schließlich  lange auf eine Putzfrau ein, die kompetent wirkte, aber kein deutsch verstand. Mann an der AUfnahme unten im Parterre erreichte schließlich für mich die Ärztin, die durfte aber nichts sagen, weil sie seit 2 minuten Feierabend hatte! Hätte gerne mit mir gesprochen, die Krankenhaus-regeln verbieten es aber. Rückruf eines anderen Arztes wurde in Aussicht gestellt.

Der Rückruf trifft mich auf dem Motorrad, bzw. erreicht mich nicht. der Vater soll entlassen werden. schon? Man will das Risiko nicht eingehen, ihn lönger dazubehalten, Wegen Krankenhauskeimen. Und WOchende. Aber ich weiß noch nicht mal ob der Vater laufen kann? sah ihn nur schwach im Bett liegen. wie ihn ins Schlafzimmer bringen über die Treppe?

Donnerstag. Der Vater ist inzwischen auf Station. er teilt sich ein Zimmer mit einem Belgier, der sein Bett aber so wegdrehen hat lassen, dass der Vater kaum merkt, dass noch jemand im Raum ist. Der Belgier ist empört, denn man hat ihn auf pürrierte Kost gesetzt, er ist aber doch ein Mann und will seine Wurscht kauen. Der Vater hat nichts gegen Brei-Essen. Auch schmeckt es überraschend gut. Es geht aber wohl um andere DInge. vor allem weil niemand dem Belgier sagen kann, was ihm widerfahren ist. Oder ob „seine Leute“ Bescheid wissen. die würden sich sonst Sorgen machen. Und kämen vorbei. Das Pflegepersonal eiert rum, er könne schon davon ausgehen, daß „Man“ Bescheid wüßte – im Pflegeheim. Stille. Dass da aber wer kommt, kannst  du vergessen! sagt die Stille. er ist aufgebracht, aber man merkt, daß er daran gewöhnt ist, DInge gelassen zu nehmen und deshalb empört er sich lieber über die Frechheit mit dem Essen. Matsch. Babypamp. Mann sein. Ich sehe ihn nicht richtig, denn er liegt abseits, stelle mich aber schließlich doch vor –  Stimme von schräg hinten –  eine gewisse Spannung löst sich. wurde aber angehert, Butterkekse von Balsen zu kaufen, die gelben.  Heimfahrt im Regen. Spritkosten immens. Dennoch schön.

 

[…]

 

Freitag. Kann nie viel tun tagsüber. schnell ist es eins, dann Corona-Test am Container, vorher einkaufen. DInge fürs Krankenhaus. Es gibt keine Butterkekse von Balsen in gelber Verpackung.  Es gint auch keine Caprisonne mit Plastikstrohhalm. Aber Strohalme, die nicht aufweichen sind lebenswichtig! Dann Fahrt 40 Kilometer, meistens mehr, weil ich mich um den Tierpark herum immer verfahre. weiß den Weg, aber komme nicht rechtzeitig auf die Abbiegespur. Auch fehlt der Blinker. Vater besser. aber im Krankenhaus zeigt es sich, daß keiner die Vorgeschichte des Vaters kennt. wo sin die ganzen Unterlagen und Arztbriefe geblieben, die ich mitgab?. und wo das „Schlaf gut“ schild in der Schrift der Mutter geblieben, Habe auch noch nie mit einer Äztin gesprochen! nur mit der aus der Notaufnahme, die tatsächlich sehr genau zuhörte und fragte. aber das war eine Station vorher. AUf der Station scheint nie jemand zu sein. wenige Schwestern, die immer nur sagen sie seien nicht autorisiertm sprach schließlich  lange auf eine Putzfrau ein, die kompetent wirkte, aber kein deutsch verstand. Mann an der AUfnahme unten im Parterre erreichte schließlich für mich die Ärztin, die dirfte aber nichts sagen, weil sie seit 2 minuten Feierabend hatte! Hätte gerne mit mir gesprochen, die Krankenhaus-regeln verbieten es aber. Rückruf eines anderen Arztes wurde in Aussicht gestellt.

Der Rückruf trifft mich auf dem Motorrad, bzw. erreict mich nicht. der Vater soll entlassen werden. schon? Man will das Risiko nicht eingehen, ihn lönger dazubehalten, Wegen Krankenhauskeimen. Und WOchende. Aber ich weiß noch nicht mal ob der Vater laufen kann? sah ihn nur schwach im Bett liegen. wie ihn ins Schlafzimmer bringen über die Treppe?

Donnerstag. Der Vater ist inzwischen auf Station. er teilt sich ein Zimmer mit einem Belgier, der sein Bett aber so wegdrehen hat lassen, dass der Vater kaum merkt, dass noch jemand im Raum ist. Der Belgier ist empört, denn man hat ihn auf pürrierte Kost gesetzt, er ist aber doch ein Mann und will seine Wurscht kauen. Der Vater hat nichts gegen Brei-Essen. Auch schmeckt es überraschend gut. Es geht aber wohl um andere DInge. vor allem weil niemand dem Belgier sagen kann, was ihm widerfahren ist. Oder ob „seine Leute“ Bescheid wissen. die würden sich sonst Sorgen machen. Und kämen vorbei. Das Pflegepersonal eiert rum, er könne schon davon ausgehen, daß „Man“ Bescheid wüßte – im Pflegeheim. STille. Dass da aber wer kommt, kannst  du vergessen! sagt die Stille. er ist aufgebracht, aber man merkt, daß er daran gewöhnt ist, DInge gelassen zu nehmen und deshalb empört er sich lieber über die Frechheit mit dem Essen. Matsch. Babypamp. Mann sein. Ich sehe ihn nicht richtig, denn er liegt abseits, stelle mich aber schließlich doch vor –  Stimme von schräg hinten –  eine gewisse Spannung löst sich. wurde aber angehert, Butterkekse von Balsen zu kaufen, die gelben.  Heimfahrt im Regen. Spritkosten immens. Dennoch schön.

Mittwoch. Die vielen Fahrten. die neue Routine des Corona-tests im Container auf dem Fahrschulparkplatz Vaterstetten – nachdem ich gestern fluchend kein einziges Test-Zentrum fand in der Nähe.  Bahnhofsplatz Vaterstetten ist nicht Bahnhofstaße Vaterstetten sondern am S Bahnhof Baldham. Geschlossen. alle anderen erwiesen sich als etwas anderes. oder mein handy kam nicht klar mit der Anmeldung (hätte  Tag für Tag zurück-scrollen und klicken müssen zum Tag meiner Geburt in den 70er Jahren, weil sich das Datum nicht als Zahl eingeben ließ, nur als „zurück-zurück-zurück“. Als ich in den 80er Jahren angekommen war, stellte sich aber eh heraus, daß man in der Praxis in der ich gelandet war nur einen teuren PCR-Test hätte machen können. man verwies mich zum Bahnhosplatz, ein kleines Hüttchen, winziger als der Gartenschuppen in dem sich früher mein Chemielabor befand! die Plane mit den Öffnungszeiten war viermal so groß: gerade war Mittagspause. Regen fällt. Zeit verrinnt. die Besuchszeit im Krankenhaus ist nur für eine Stunde möglich zwischen 14 und 16 Uhr. eien Test in der Apotheke gekauft – und eine Kundin googelte dann das mit dem Test-Container auf dem Fahren-lern-Parkplatz.der mache bald auf. teenager rauchen zwischen den Bauzäunen zwischen den Containern. es sind aber die tester. Rollladenfenster schiebt sich empor. auf ist. keine Schlange. der regen ist heftiger geworden. ausfüllen des Fomrulars auf dem Stehtischchen in einer Lache wasser. den benutzen Kugelschreiber in einePlastikfolie tun, die am Bauzaun klemmt. alles ist so trostlos. selbst daß keine Warteschlange ist. Ausgetestet. Dann kommt doch noch eine Frau. braucht das Negativ ebenfalls wegen Besuch bei dementem Vater.

Dienstag Es geht ihm sichtlich besser. Aber immer noch nicht liegt auf der Internistischen, nur Notbett. wirkt aber dennoch wie ruhiges Zimmer. darf nur ein paar Minuten. ausnahmsweise.

Angst, daß er mich nicht kennt. ich seh zu anders aus. bin zu füllig und zu alt, müsste maximal 15 sein. die STimme hilft, die Melodie des Familienjargons, das „Halu, Papa!“, statt „Hallo!“.

„Ich bins, Minan.“ Authentische Verstellung – dachte ich!. er sieht mich intensiv aber nicht ungewogen. „Kennst Du mich noch?“

Er nickt. „Ich kenne DIch schon sehr lange.“ Dann fragt er, aber es ist eher eine Feststellung: „Bist Du die, die die Miriam spielt?“

Pfingstmontag Zugang  in der Nacht rausgegangen. Endlich doch Feuerwehr und Notarzt, die ihn einweisen. erst kommen drei, dan noch zwei und noch ein Arzt, der aussieht wie der künstlerische Leiter der Neuköllner Oper und immer nur das sagt, was die Feuerwehrleute bereits gesagt haben. hört nicht zu und ist in einem anderen Film (der Arzt, nicht der Leiter der Oper), googelt was im Handy, während der Vater angeschnallt wird, um wie auf einer Sänfte getragen dem Abgrund der Wendeltreppe entgegen schwebt. Intuitiv greift er immer nach dem Gelände, soll aber nicht. Wird fixiert, will aber nicht. Immer entschlüpft wenigstens die Hand den Gurten. Man muß sich doch festhalten am Geländer! (sagen ihm mindestens sieben Mal pro Tag alle Leute, die ihn ihn sonst in Leitlupe die Trepe rauf und runter scheuchen. Jetzt dagegen bekommt er die Anweisung, er solle stattdessen (warum auch immer) eine Plastikflasche „festhalten! gut festhalten! mit beiden Händen!“. Praktisches Ablenkungsmanöver. Er hält sich trotzdem lieber ans Gelände.  „Finger weg vom  Gelände, gell?!“ ruft der Arzt von hinten über den Rand seines Handies hinweg in Richtung Treppen-

„Er kann Sie nicht verstehen von so weit weg!“

Die Abstraktheit der Informativ dahingesagten Worte. Die Unbegreiflichkeit von allem, was nicht…. greift; nicht trifft, nicht mit voller Wucht der Empathie DIR DIR DIR gesagt wird.

„Dann muß er fixiert werden,“ sagt der Arzt. Immer noch steht er weit ab vom Schuß. Sieht er die Gurte nicht, mit denen der Vater längst festgezurrt ist? aber auch die lassen halt freie Hand.  immer ist Intuition stärker als das konventionelle Funktionieren oder Tun was gesagt wird. Im Zweifelsfalle sucht der Körper seinen Halt da wo es SInn macht. Weil alles andere ist wabernde Unsinnigkeit. Abstrakter Aktionismus von fremden Leuten, die zu viele DInge gleichzeitig wollen von einem (und tun) und nichts wirklich. 

„Wollen Sie denn überhaupt ins Krankenhaus?“, sagt der Arzt, der jetzt doch näher gekommen ist.  -Der Vater am Steilhang schüttelt den Kopf. „Also gegen den WIllen können wir niemanden einliefern“, sagt der Arzt und zieht sich wieder an sein Handy zurück.

Ich hasse, es immer wieder zu wiederholen. Sagte ich nicht, daß mein Vater dement ist? ich hasse das Wort. es klingt wie schwachsinnig. Abwesenden Sinnes. und ein bißchen nach Dementoren, die Typen, die einem bei Harry Potter die Seele aus den Körpern saugen. Disput über Vollmachten und die Frage, ob denn irgendjemand jemals „Ja“ gesagt hat, auf die Frage „Wollen Sie ins Krankenhaus?“ Wut über den Mann, der die ganze Zeit über den Kopf meines Vaters hinweglabert, an ihm vorbeiredet, aber dann plötzlich mündige Antworten erwartet.

Wirklich direkt spricht der Arzt erst zu ihm, als wir dann doch an der Tür sind, wo die Stapel von Filmrollen stehen, die der Vater früher immer nachts vor die Tür gestellt hat, zur SIcherheit, dass keiner herein kann. „Waren Sie Kameramann, Herr Sachs?“ – Erste direkte Rede.

Ja. auch. Filme habe er gemacht, eigene. produziert und auch aufgenommen.

„Müsste man was kennen von Ihnen?“ – Daß er jetzt interessierter ist, ärgert mich noch mehr als seine Unbeteiligung die ganze Zeit über. Nix muss man! Sich am Geländer festhalten muss man. und auch das nicht immer.

Fahrt im Konvoi. hätte im Kranknwagen mitfahren dürfen, aber nur vorne. nicht hinten beim Vater. dann lieber mit dem Motorrad hinterher. Internistisches Klinikum am Isarkanal. Thalkirchen. Keine Ahnung wie ich da fahren muß. Aber es ist ja egal. ich fahr halt hinter dem Krankenwagen her. „Aber nicht verfolgen!“ sagt der Fahrer. – „Was? Wie kann ich sie nicht verfolgen, wir haben ja einen Weg.“ „Aber wir fahren auch mal bei Rot. Sie müssen dann warten!“

Die vielen Irrfahrten der letzten Tage. Ahne Schlimmes, aber kann doch mithalten. keine roten Ampeln. Keine Sirenenfahrt. nur sehr schnell. Denke dauernd die Namen „Skylla und Charibdis“. Wieso heißen Sirenen Sirenen? ich komme gut an am Klinikum. Nur daß auf der AUtobahn der linker Blinker abgefallen ist.Geruch von Pferden und anderem Tier. Gleich gegenüber ist der Tierpark.

Warten. diesmal aber im Inneren. Ausnahmsweise kurz auf Notaufnahme-Station. Erleichterung.

Samstag

der sehr sehr schwache Vater. die verschwundenen Antibiotika. so viele schon gegeben von gestern auf heute? Die Mutter sagt, die seien in den Matsch gefallen. sie habe sie entsorgt. in welchen Matsch? hat sie sie weg getan weil der Arzt so große Worte gemacht hatte? Mittelgabe schweirig, er liegt und kriegt den Mund kaum auf. verwüsteter Körper. kann kaum den Kopf heben. Geruch von Jauche und Aceton. zu wenig Kissen. selbst zum Kissen werden. Pieta-ähnliche Verrenkung, Haferflockenbrei und die Medizin. sie vertrocknet bröselig im Mund.

***

„Wege in den Kopf des Vaters“ – wollte so einen Film nennen, der vom BKM aber nicht gefördert wurde. es hätte aber gehen sollen um die Gedankenwege, die Wortspiele, das dadaistische Ping-Pong von Assoziationen, die ihren eigenen Sinn ergeben im Fluß, in ihrer Poesie. keine Wege, eher Brotkrumen. Jetzt ist nichts mehr mentale Spielerei. Weg in den Kopf ist der FInger, der das Antibiotikum auf die Zunge schiebt. die ZUnge is trocken und rau. was geht im Inneren vor sich? die in den Matsch gefallenen bisherigen Tabletten hatte die Mutter selbst geschluckt. sie gab es dann doch zu. weil sie aussehen wie die, die sie selber nehmen muß.

Pfingstsonntag. Pflegedienst Notfallnummern – schließlich bei einem gelandet der nicht einmal der unsere ist. eine Frau, die einen Namen hat, der an eine frühere Erdkundelehrerin erinnert, berät mehrmals den tag über. Rotes Kreuz – freundlich täten in ins Krankenhaus bringen, aber sagen auch, er müsse nur hydriert werden. wenn Arzt Zugang legt, sei es einfach und ginge schnell und zuhause wäre dann das Beste. man findet aber keinen Arzt. wieder kommt der, der das Antibiotikum nicht geben hatte wollen. sehe ihn erstmals, finde ihn aber wieder Erwarten nett. Homöopath. dennoch… findet Vene nicht. dennoch Ist auch schwer, Fließt in meinem Vater überhaupt noch Blut? würde Butterfly-Braunüle empfehlen, subkutan, hat aber keine. Odyssee nach Kirchheim zur Notapotheke. – WIeso steht Kirchheim immer überall dran, an allen Autobahnausfahrten, aber nie kommt man hin? Umleitungen, Baustellen, ganze Baustellenimperien. An der Existenz Kirchheims gezweifelt,  auch in Kirchheim gibt es Schilder mit der Aufschrift „Kirchheim“, ich folge allen, aber  Anwohner berhaupten  das sei woanders. Nie ist Kirchheim. EInkauszentrum mit Apotheke dann doch in Neubaugebiet gefunden, im Inneren eines WOhnblockes. lange Schlange. eine Frau will Immodium akut für ihren Mann, „Männer sind Weicheier. Immer jammern sie. erst nix nehmen wollen und wenn Feiertag ist, haben sie Durchfall. und dann muß man nach Kirchheim.“ sie erzählt das mit den Weicheiern sehr lange. auch der Apothekerin. ewiges Warten. auf KOhlen. dann halte ich selber die Schlange auf, weil die Apothekerin mir erklärt wie man den Zugang legt, aber ihr dann einfällt, ,daß das eigentlihc nicht jeder kann. die Nachbarschaftshilfe macht es nicht. die M. würde auch lieber nicht, obwohl sie doch Krankenschwester war.  Verzweiflung. Wut. Was kann so schwer sein, das DIng in die Fettschicht der Haut zu pieksen? Und dann steht doch die Frau mit dem Erdkundelehrerinnen-Namen vor der Tür. rettender ENgel. später Abend. Sommerkleid. sie sieht selber aus wie ein Schmetterling.

Anfang Juni Berlin – München „Fahrt zurück… zu früh“ Rückfahrt zu spät. der Vater muß wieder ins Krankenhaus. diesmal zeichnete es sich ab, in der Tagespflege warnte Frau G. er wirke sehr dehydriert und der Allgemeinzustand sei nicht gut, aber die Mutter schien so sicher. kam an spät und war erstmals durchgefahren. beinahe effektiv. fühle mich trotzdem orientierungslos. an der Raststätte Pegnitz erstmals gehalten und um Zeit zu sparen erst aufs Klo gegangen und dann erst tanken gewollt. irgendwie gab es aber kein zurück. ging verloren im Pfeil-Schilder-Wald und fuhr nur kurz über ein winziges Stück Wiese. dann Ausfahrt und Autobahn. fuhr 10 Kilometer bevor ich merkte, daß ich in Richtung Osten fuhr. Und Hof stand angeschrieben. wie bin ich auf die Gegenspur geraten? Rätselhaft. angekommen spät. die M. war da gewesen und hatte der Mutter beigestanden. seltsamer Bereitschaftsarzt, der nur auf massiven Druck ein Antibiotikum verschrieb. „Wenn er dann stirbt, sind Sie Schuld!“

15.  Mai, Neukeferloh – Berlin

Fahrt zurück, Motorrad. A 9 Zu früh in der Höhe Hilpoltstein, zu früh, um bei A. einen Kaffee zu trinken, oder die Einladung der So. in Windsbach abzunehmen zum Mittagessen. ZU viel zu wneig Zwischenzeit. Weiter. Erstmals durchfahren ohne Übernachtung. Duft der bewaldeten Hügel hinter Bad Steben. Ehemals Grenzgebiet? Land der Tausend Teiche nur kurz: in der Sonne eine Entenkeule gegessen. Weiter. Agro-Farm-Tankstelle in Knau hatte zu. Hermsdorfer Kreuz. Handy verloren auf der Toilette, aber Frau (Ukrainerin?) brachte es mir  hinterher. Tankwart (Ukrainer?) war unglaublich gut gelaunt und freute sich, mir ADAC-Rabatt zu geben. Haß auf die Smiley-Schilder auf der Baustellenabschnitt im Großraum Leipzig. Ihre Farbgebung macht keinen Sinn. Moderndenken in Sachsen-Anhalt.

G. kam mir entgegen, traf ihn nach langen Irrfahrten ums Autobahn Kreuz Potsdam herum und einer gesperrten Straße, von der die Googlemaps-Frau nichts wußte in Caputh am Schloß.. kein lange ersehnter Kaffee – „Na, irgendwann machen die Cafes dann auch zu!“, sagte G. der bereits viele gehabt hatte. Dann doch noch einen erbettelt in einem CAfe am Schloß, das geschlossene Gesellschaft hatte. Bank am Schwielowsee. angelnder Junge am Steg, Fische im flüssigem Gold d es Sees nur knapp daneben. Doch noch schön.

Erster Moment Ruhe von den Vibrationen der Reise. Immer ist es, als ob der Körper sich noch im Zustand der Beschleunigung befindet. Oder nicht fassen kann, daß sie vorbei ist. Ist mein Hirn, zurückgefallen, irgendwo hinter Linthe auf der A 9 unterwegs? Oder ist ed weitergebraust und schon am Schönefelder Kreuz?

Dann weiter auf langsamer Landstraße. Wollte erst voranfahren, aber immer noch ist das Hirn sonstwo. Fahre hinter G. her. – der die Führung ebenfalls outgesourct hat. Navi behauptet Sandweg zwischen x und y sei Straße.

Mein Hirn ist wieder da. Die Erleichterung, als aus dem märkischen Sand ein Kopfsteinpflaster wird. Kleinmachnow. Berlin..

Altbackene kiosk-Leuchtreklamen in Zehlendorf.

Eine junge Frau mit straffem dunklen Zopf liest im gehen ein Buch.

Das hohe, hohe Gras auf dem Mittelstreifen – Hohenzollern Damm zwischen Fehrbelliner und Heidelberger Platz. Ein dünner Hydrant lugt gerade noch aus den Ähren hervor und wirkt wie das Periskop eines U-Bootes

Der erschreckend pädophile Brunnenfigur in der Nähe der schwangeren Autor. Irgendein unehelicher Sohn des Poseidon. Nicht die Figur ist pädophil, aber sie könnte möglicherweise einem Pädophilen gefallen.

Der Reifrock der Kuppel des Reichstages –Wo ist die Frau die darin stecken könnte?

Die Schönheit der Prachtbauten der Frankfurter Allee im Abendlicht. Sandstein mit Meissner Keramikfließen. Wußte nicht, daß sie mal (ein Geburtstagsgeschenk!) nach Stalin benannt war.

Das Ankommensbier beim Inder in der Kaskelstraße. Zu viele?

14. Mai, Neukeferloh.

Der Vater sagt, als er in den Garten geht, an der Schwelle innehält und die Augen zusammenkneift: „Was für ein Geist ist denn hier im Garten?“ – Es ist weit und breit keiner zu sehen. Kein Geist kein Mensch. Nicht einmal die Amsel mit den grauen zerfledderten Bauchfedern.

„Was für einen Geist vermutest Du denn im Garten?“

Er denkt lange nach und sagt dann: „Einen Lebensgeist.“

12. / 13. Mai, Neukeferloh

Nach dem anstrengenden Stadttag gedacht, daß ich keinen Schritt weiter gehen kann. die Maihitze des Tages entlädt sich Nieselregen. warm ist es immer noch. Schließlich, trotz der ErschöpfungNachtspaziergang. nur kurz, weil es regnet, schließlich, eigetlich ist es egal doch noch erstmals in der NAcht in den Wald eingebogen, den echten. seltsame Atmosphäre, weil der MOnd hell scheint, aber es dennoch regnet. fast ohne  Wolken.  Vielleicht ist es der Wald der regnet. Vielleicht ist es ein Regenwald? Gegenseitiges Angstmachen, weil wir uns an die Schattengestelten der Ausstellung erinnern. einer der Männerumrisse hatte ausgesehen, als käme er einem entgegen,  bewaffnet mit Kreissäge-Händen.  Weiß inzwischen nicht mehr, wie ich mich freuen hab können, daß ein McDonalds nach Neukeferloh kommt. ich habe ihn mir vorgestellt wie einen winzigen Pavillion, der unter einer Straßenlaterne steht inmitten des Buschwerks, der geheimen Wege. ich dachte ihn mir als einen Geheim-McDonalds, den nur M. und ich besuchen (zwar ist sie Vergetarierin, aber sie kann ja EIs essen), der kaum Raum einnimmt, keinen Parkplatz drum herum hat und keinen Müllablade hinterhof.

Unrealistischer Gedanke.

fast zurück aus dem Wald beinahe auf einen Frosch getreten. Ausgesprochen schöner Frosch. große Augen. er hätte aus einem DIsneyfilm stammen können. Möglicherweise gibt es keine perfekten Prinzen, aber es gibt perfekt Frösche.

12. Mai, München

Anstrengender Tag in der Stadt München. Die Stadt ist laut. Am MArienplatz schreit sich die Gewerkschaft die Seele aus dem Leib. am Rindermarkt plärrt eine ethno-straßenmusik-Band. Hatte ein Manuskript abgeben wollen und vorher den Verlag anrufen wollen, aber ich hörte nichts, ahnte nur daß jemand in der Leitung war, aber verstand nichts. aufgelegt. dachte ihc rufe von vor Ort aus an, vor dem Verlagshaus in einer kleinen Straße in der Nähe der Sonnenallee, aber stand in ohrenbetäubendem Baulärm. Kein guter Tag für Kommunkation. HAndy vergessen. das Handy der M. ist seltsam eingestellt. vielleicht ist es ein taubstummen Handy. Insgesamt drei mal menschen gefragt, ob ich von ihrem Smartphones aus telefoneiren darf. ängstlische Frau an der STraßenbahnhaltestelle Orleansplatz wurde frendlich. indianisch wirkender Mann am Marienplatz war geradezu erfreut. wartete geduldigst obwohl ich die Nummer ewig nicht fand. Fremde Knotenpunkte. Kommunikationsschnittstellen.

Neue Bekanntschaft knüpfen gewollt, aber zu schnell überlagerte sich das echte Gespräch, das wahrhaftige, gut beginnende, kaffeedufentde, vormittagsluftige, das ohne Agenda dadurch, daß man die selben Menschen kennt, aber von anderen Seiten der Front aus. die leere Kaffeetasse, das mutmaßliche Bad im Fettnäpfchen. Themenwechsel… und auf einmal steht doch irgendwie eine Agenda  in der Luft. Dan der Fremdphone-Nutzung dann doch noch M. getroffen. Weitere Stadtgänge. Abtauchen in einer Ausstellung. Schattenwesen in Graue Farbspritzer. Zurück mit dem Motorrad die nicht enden wollende B403 entlang.  Rote Ampeln, wieder der Lärm der Stadt. ich glaube M. auf dem Fahrrad war schneller zuhause als ich. 

 

11/12. Mai, Neukeferloh

geträumt, von einem Goldfischglas, in das ich Wasser aus der Molchspfütze geschöpft hatte. die Molchspfütze meiner Kindheit war wirklich nicht mehr als eine längliche Pfütze, möglicherweise entstanden aus den Reifenabdrücken eines Baggers oder Forst-Fahrzeuges; ihr Wasser war  lehmig und trüb un din den Sommern vertrocknete sie und der Boden bekam Risse. Dennoch war sie randvoll mit Kaulquappen und Molchen. Im Traum stammte das Wasser im Goldfischglas aus ihr, aber das Wasser wurde lichter mit der Zeit, klarer und außerdem wuchs das bauchige Glas mit der Zeit, es wirkte schwanger. Leute waren eingeladen, nicht wegen des Glases, aber es stand herum und eher zufällig stellte ich fest, daß in  ihm Molche lebten. Sie waren aber so groß, daß das Gefäß, obwohl es inzwischen riesig war, im Begriff war zu platzen. Die Molche waren tief-blau mit orangen Bäuchen, so wie sie es auch sind in echt, die Weibchen aber waren zwar in ihrer Färbung, so wie in der Natur, aber flach wie breit getreten, ausgewalkter Kuchenteig. Meine Agentin war auch ein Gast in dem Zimmer; sie gab Ratschlage, die gut waren, aber ich habe sie nach dem Aufwachen vergessen.  Auch auf der Party waren – obwohl ich sie persönlich nicht kannte- Siegfried und Brunhilde. Ich war Zeuge, wie er (klein , schmächtig, unsicher – alles andere als ein Held) wie er vor ihr auf den Kniene herumrutschte und sie ihn abblitzen ließ. sie vernichtete ihn regelrecht. Was aus den Molchen wirde weiß ich nicht.

 

7. Mai, Neukeferloh,

Regenschwangere abendluft. Dämmerblau. M. ist zu müde zum Spazierengehen. Fast schriller Vogelgesang in den Fichten. Waldrand lockt. doch für den Altpapier-Container entschieden. Kryptisches Zettel-Blatt-Für-Blatt in den zu dünnen Schlitz des Metallbauchs. Auf dem Rückweg, gesehen, daß mich eine Straßenlaterne angelächelt hat. Erst unauffällig für sich, dann strahlend.

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6. Mai, Neukeferloh

die  Nachtspaziergänge  führen fast immer durch den ganze Ort. das vertraute Reihenhausrund, weg vom Wald, in RichtungBundesstraße, aber dann am Orterer vorbei durch die Straße wo uns manchmal eine Spottdrossel hinterherpfeift (einmal jedenfalls was das so, aber es hat bleibenden Eindruck hinterlassen). Neue individuellere  Reihenhäuser. Ansätze eines Straßenspielplatzes, ene Schaukel dren Schaukelbretter sich  nach oben verschlagen haben, unerreichbar, eine Wippe mit Tierköpfen – glaube ich, darum ein weißrotes Absperrband. Im WInter war alles trist, jetzt wirkt selbst der vergessene Spielplatz niedlich, mit all den blühenden Büschen drumherum. Über die breite Straße, fast schon an einem der Enden angelangt. dann doch noch in den Luisenweg hineingeschlüpft. die größeren versteckteren Häuser, immer dunkel. manche zerfallen schon, man fühlt es, wenn man es weiß. Die Straße in der die Familie G. wohnte, an der äußersten Spitze. Ach wie oft schon ging… linkerhand neben dem ehemaligen hexenhausartige Pfarrhaus wuchert wieder Wald. Früher war da das Ende der Welt, die geheime Zweitfamilie, nie hab ich begriffen, daß die Idylle nur  ein hauchdünnes Etwas entfernt war von der großen Bundesstraße auf der einen Seite, auf der anderen brauste die A99 vorbei. Schwellen-Nostalgie, damals ahnte ich nur, daß hinter allem Autobahnen und Ausfahrten einen wegreißen.

Wir stehen nie lange vor dem Haus, es gibt schöneres Schlupflöcher. ein paar Schritte durch das geheimnisvolle Restwäldchen, da ist es schon ein schmaler Asphaltweg geworden. denke immer „Hohlweg“, was Unsinn ist, nur das  sich in die Büsche schlagende Grün, weg wachsend vom Weg, über dem Kopf wieder zusammenschlagend wirkt wie eine Ausnahmsweise-Schneise. es ist dunkel und licht zugleich, weil dahinter wiederWOhngebiet naht. STraßenlaternen im und außerhalb des DIckichts. M. sagt, daß hier bald ein Mc Donalds sein wird. bin begeistert.

2. Mai, Neukeferloh

Angekommen daheim. das Motorrad, das die Tage über immer gut fuhr,  geparkt im Johann Hackl Ring klilngt sie wie eine alte Kaffeemaschine. rosa anmutender Schaum tropft auf den Asphalt, brodelt vor sich hin. welche neue Art der Inkontinenz ist dies?

***

Es ist doch alles anders mit der Turnhalle. Zwar hatte man offensichtlich das Konzept „Nur Corona-Positiven Ukrainer“ in einer Turnhalle unterzubringen, aber man war dann doch umgeschwenkt auf: „Nur Ukrainer mit Haustieren“ die schwarze Katze, die man gerade so erspähen konnte, die auf einem der Bauzäune herumbalancierte, mit denen im Inneren ABteile eingeteilt sind, war nicht „die eine Katze“, kein Maskottchen in Mitten von Corona-Kranken oder sich ansteckenden Ukrainern. die Katze war nur die SPitze des EIsbergs. Nun habe ich imme rnoch nicht ins Innere blicken können, man sieht aber mehr Leute mit Hunden Gassi gehen um die Halle herum. am Zaun stehen mit Schoßhündchen. Natürlich denke ich mir das Innere wie eine gestrandete Arche Noah. es müssen Leute doch anderes Getier mitgebracht haben. Hühner? Lämmer, Kälber (es heißt, es sei eine vorwiegend ländliche Region)  einen Bienenstock?). wie lebt es sich in meiner alten (zu meiner Grundschulzeit  hieß sie die neue) Turnhalle und HUnd und Katz und Maus. wie kommen die alle miteinander klar? wie lange ist man einfach nur froh überhaupt „In Sicherheit“ zu sein. Wann schlägt es um in Unmut über Unzumutbarkeit und wann werden sich die Menschen hier in im Ort N. aufregen, weil die Leute nicht mehr nur dankbar sind, mit ihren Tieren in stallartigen Verhältnissen zu hausen. Was bewog die Gemeinde Neukeferloh-Grasbrunn dazu, die Halle speziell zu einem geheimen Zoo zu machen.  Zu öffnen für eine neue Art von Lockdownsitaution? oder Augiasstall to go. Jemand flüsterte, es sei auch eine Menge Geld dabei abzugreifen. und praktisch seis auch; man schlage –  um bei Tiermetaphern zu bleiben – zwei Fliegen mit einer Klappe; denn: die Halle müsse sowieso weg. Seit langem schon will man sie nicht mehr. Gut is. reicht. passt.

***

In der Nacht, spaziergang mit M.  unter dem  Motorradauf auf dem Asphalt ist die Lache zum dunklen Fleck geworden mit einem vertrockneten Schaum-Rest, ein krustiger Ring in Weiß. der Motormann in Berlin-Weißensee meint es sei Batterieflüßigkeit, das sei nicht schlimm. Echt? ich hatte dran geleckt, um es zu prüfen, es war aber nicht sauer.

30. April / 1. Mai, Thüringen

Und wieder zurück nach München. hatte schon vorgestern fahren wollen, aber es war zu viel zu tun. unverhofftes Geschenk eines Maifeuers, auf der Durchreise. muß  noch nachdenken, wie ich es fand. ich kenne nur Feuer, um die die Hexen tanzen

 

17. April, Ostersonntag, Berlin – Görzke bei Potsdam

mit G. AUsfahrt in Richtung Potsdam-Mittelmark zum Töpfermarkt in Görzke. Inzwischen weiß er, daß ich Töpfermärkte hasse. Auch Geöpfertes meistens häßlich finde. Weil aber der Weg das Ziel ist und Ostern ist und das Wetter schön und ich wo sein will wo ich noch nie war (Mittelmark???) und so weiter und so fort…  In einer alten Scheune, hinter den Ständen, die einen kurze Dorfstraße füllten verkaufte eine alte Frau alte Leinenstoffe, Hemdchen, Geschirrtücher. gebügelt und gestärkt. wie neu. Fand ein langes Unterhemd mit Spitzen mit meinen Initialien darauf gestickt. es war im vergleich zu all dem anderen Neuen-Kram der Verkaufsstände so billig (als ich fragte „wieviel?“, sagte sie ohne zu zögern „Zwölf €, aber ich will zehn“. sie sagte, es sei noch völlig ungetragen, weil es sei Aussteuer. – Also aus dem Bestand eines Mädchens, das es nie anzog. Ärgerte mich, nicht nach der Geschichte gefragt zu haben. Warum? Weil das Mädchen nie heiratete und deshalb das schöne Hemd aufsparte für die Ehe und nie heiratete? oder vorher starb? Passte es je in das Kleid? und werde ich es an einem heißen Sommertag anziehen? oder nur in der Nacht? oder hängt es in meinem Schrank wie es Jahrzehnte lang lag in der Aussteuertruhe

später Wiesenburg. Cafe gesucht, aber googlemaps kennt nur „geöffnete“ ,die inzwischen ausgestorben sind. Streit auf den Treppenstufen mit Restsonne. dann Versöhnung. Möglicherweise war dies eine der besten Streits, die wir je hatten. EIskalte Fahrt. ANkommensbier in der kleinen Kneipe. brachte mir dieheute nicht benutze Pickbickdecke mit in die Kneipe, weil ich so fror. Wärme der Versöhnung.

16. April, München-Berlin

Die Fahrt zurück ungewöhnlich aufreibend. Im Streit gefahren und zu früh aus dem Haus gebraust. Erschöpft eine Ecke weiter an der BUshaltestelle mit dem Gepäck gestrandet. erst genervt, dann erleichtert, daß der nächste Bus erst in einer 40 minuten kommt, weil in der Sonnesitzen immer besser ist als in Bussen und Zügen. Dann kam doch einen bereits nach 5 Minuten. Hätt ja nicht einsteigen müssen. Aber das vorwurfsvolle Seufzen der sich öffnenden BUstür war zwingend. dann am S_Bahnhof Haar auf der nähsten Bank gesessen. die „Auffälligen“ Leute aus der Nervenheilanstalt Haar. nur eine Bushaltestelle von hier. Kommen und Gehen. es waren früher die spannendsten Stops auf der Fahrt zur Schule. Kreisklinikum Haar I und Haar II. in der füh stiegen die Spinnerten zu, am Nachmittag spuckte sie der Bus wieder aus und sie verschwanden wieder auf dem Gelände. – es ist das selbe, auf dem wir uns neulich verliefen, weil die Mutter nicht mehr wußte wo es zum Memory-Zentrum ging. sie suchte einen Parkplatz, ich irrte mit dem Vater ins Blaue – die laufende Nase, die rutschende Hose, die kalten Hände – die Straßenfeger, denen wir erst hin, dann her immer im Weg waren, den Weg suchten „zum Alzheimerntrum?“  und die sich höflich das Lachen verkniffen weil ich aufgelöst und viel zu spät dran beteurte, ich wüsste den Weg ja, aber ich hätte ihn… vergessen. Ich verstehe jetzt, daß viele Leute, die sich auf dem Gelände des Kreisklinikums Haar aufhalten oder es verlassen (auch das Verlassen dauerte, denn die Mutter hatte vergessen, wo sie das Auto geparkt hatte) nicht „spinnert“ sind. Aber „Auffällig“ eben. jetzt sind wir also so. 

S- Bahn bis Hackerbrücke. Flixbus. kein Halt zwischendurch. kein Rastplatz. wieso weiß man nie, ob gehalten wird? Spät zuhause. Zu spät für ein Ankommensbier. Aber der SOhn hat Pizza übrig.

9. April, Neukeferloh

Zwischen Wald und der Turnhalle, in der die Corona-positiven Ukrainer hausen – sie dürfen natürlich schon manchmal raus, die Zigarettenstummel zeugen davon. Frau in rosa Jogginghosen mit Schoßhündchen im Arm rauchtn am Gitter zum Fußballfeld. Wie mag sich die Katze verstehen mit den Hunden? Und wieso frag ich das überhaupt. Es ist eigentlich M.s Frage. Weiiter hinten fast schon am Kreisverkehr, der in den Wald Richtung Grasbrunn führt, geht eine andere Mutter, eine der wenigen, die ich hier kenne. Eine zierliche Frau aus Bulgarien. Sanft und höfich, aber wie M. läuft sie in der Nacht, weil ihr sonst die Decke auf den Kopf fällt. Die zugleich warme wie kalte Nacht. Russisches Roulette der Roadkill-Frösch die Über die Fahrbahn wollen, von der Waldseite hüpfen sie in Richtung Gärten. Rettete vier mittelgroße, während die Frauen queitschten – und stolperte über eine riesige Kröte, die hatte sich aber schon vorher breit – und die Innereien aus dem Maul treten lassen. Warm und immer noch gewaltig. Erst hinterher kaoiert, daß ich die anderen Frösche, die fast schon auf der Seitre der Gartenteiche angelangt waren, zwar in Sicherheit brachte, aberwieder zu zurück zum Waldrand. Muß wie Mensch-Ärgere-Dich-Nicht gewesen sein für sie. Hinter meinem Rücken hüpften sie wieder von Neuem los. Man osll sich nicht immer einmische. Und M. sagt, sie spritzen ein ekliges Sekret aus. wer kam auf di Idee, man müsse sie gegen Wände werfen, damit sie Prinzen werden? tut es auch der Asphalt?

8. April, Neukeferloh

Die Mutter hatte vergessen, daß ich kam. Ihre Überraschung,  als ich endlich vor der Tür stand war beides gleichzeitig: „Willkommen!“ und „Unwillkommen“. der Vater blickte kurz auf und freute sich sichtlich, vertiefte sich dann aber wieder ins Provinz-Werbeblättchen. schob ihm das Kfaka/Kino-Buch unter aber er sagte, das kenne er schon.

7. April 2022. Frankfurt am Main.

Das Frühstück ab 6 Uhr… das es dann aber aber doch nicht gibt. („Kannst Du Frühstücken bei Burger King im Bahnhof“). Die stämmigen bunten Frauen in Bahnhofsnähe. EIne schien zu lächeln, Zurück-Lächelt triggert  Erzählung tragischer Familiengeschichte …und so viel Kindaa! mit Bitte Geld.  die Hast der heruntergeratterten Kinderschar macht mich atemlos und dicht. In Zukunft zu dosierendes  Lächeln. will weg vom Bahnhof. deshalb kein Burgerking Frühstück. Früher zum Treffpunkt: Cafe Laumer. hat aber noch zu. EInmal um den Block. schlechtgelaunt wirkende Bettina Brentano entdeckt, ihre Gesichtszüge in Eisen, an einem kastigen Gebäude, wirkten zerknautscht. Immer noch zu früh. bin die Treppenstufen zur Cafe-Terrasse hoch und throne in der Frühlingskälte. Es ist ein herrschaftliches Cafe. Gegenüber vor Rewe flatternde Plastiksäcke, halbgefüllt. der Wind bewegt sie nicht von der Stelle aber durchweht sie wie Arme einer schlauchigen Reklamefigur, die auf einen Autoverkauf hinweisen. es wird ein sonniger Tag. Croissant vorab bei Rewe kaufen? Sehe:  die Säcke sind eine Frau. die sitzt am Boden und bettelt. Nicht der Wind weht in ihr, ihr Arm in schwarzgrünem gewand bewegt sie hierhin und dorthin, je nachdem wer an ihr vorübergeht. die Mitte ihres Körpers im dunkelgrünschwarzen Gewand tanzt im Sitzen. Ich bleibe auf dem fernen Thron. im Cafe Laumer regt sich auch etwas. junge Kellnerin die an ein Dienstmädchen um 1910 wirkt. Haarspraylocken Karammell,  zurechtgezupft, sehr geschminkt, aber nicht grell, eher mattiert, darunter ein breites unnahbares Gesicht, fegt die Terrasse. ich darf noch nicht hinein. das macht nichts. fühle mich dennoch unwohl, weil sie fegt und ich sitze. Kluft.

***

Drinnen im Konditorei-Schlösschen – Keine Zeit auf den Torten-Tresen zu starren. Und wie hab ich nicht wissen können, daß dies das erweiterte Arbeitszimmer von Horkheimer und Adorno war. wahrscheinlich saßen sie im hinteren Teil, den ich jetzt erst sehe, mit Blick in den Parkartigen Garten. die weiche Tapete aus rotem Samt. Eine kaum sichtbare winzige Wolke von Staub, Partikelchen im Licht – wieviel blieb hängen an den Wänden… 1968 beispielsweise Tortenstück, als man das Cafe (warum?) stürmen wollte. Suhrkamp-Kantine. Rohwolt. In den 50er Jahren  während seines Studiums: Helmut Kohl.  In der Nazizeit studentischer Widerstand;  in den 20ern: Weltbühne. 1919 erbaut. – Es regnet jetzt nicht mehr. es ist ein schöner Ort für ein Treffen. es ist ein schönes Treffen. bliebe auch später noch sitzen. das Puppengesicht bringt noch eine Kanne Tee – in der Größe eines Milchkännchens. dennoch zu viel Tee. Dauernd Toilette. dann wieder zurück ins Bahnhofsviertel. nicht endenwollende Zugfahrt. geschäwtziger Hessischer Zugführer hört sich gerne selber reden in betontem Dialekt. Sein Englisch dagegen tadellos.  Bekommt er Zulage für sein Gebabbele? Ziehe Trinkgeld in Erwägung, vor allem wegen der Erwähnung einer Autopanne bei Aschaffenburg, die er mal hatte und weil sein Handy-Klingelton der imperiale Star-Trek-Marsch ist, lasse aber weil mich das mit dem perfekten Englischgänzlich ohne hessischen Slang irritiert. vielleicht ist doch alles eine selbstdarstellerische Performance, die an sich selbst genug hat.

Am fenster vorbei fliegt Offenbach. Der Bahnhof. Der Friedhof. Die Pappel am Grab. Ich sehe es nicht, aber ich sah es gestern. Das reicht.

6. April 2022,

das Offenbach meiner Großeltern, meines Vaters hat sich verändert. Die Trinkhallenbüdchen (eines hieß „Sinn“, die Brache, die alte Tankstelle sind verschwunden. Das Offenbach meiner Kindheit habe ich als Bilderbuchstadt empfunden; es hat sich auch verändert. Mein Vater witzelte iaber mmer es sei eine Klein-Schurkenstadt. Dauernd kam sie vor in Sendungen wie XY-Ungelöst. meine Tochter sagt, jetzt sei Offenbach berühmt. Geburtsstadt Deutschlands berühmtesten Rappers (den ich nicht kenne). Schurkenstadt und Rapper-Zuhause schließt sich nicht unbedingt aus; ein anderer Offebach-Rapper zum Beispiel heißt Haftbefehl. das Mietshaus meiner Großeletrn hat sich kaum verändert. der Hermannblock. aber die Garagen vermisse ich schmerzlich. die Nostalgie über die verlorene Hinterhofidylle… – die Erkenntnis: immer war mal vorher was anderes. Lernte, daß da wo ich Kettcar fuhr früher der Richtplatz war. Rabenstein genannt oder „In den Sümpfen“. bis ins Jahre 1812 wurden hier Schurken gehängt. zuletzt die Brüder Konrad und Johannes Werner. der eine öffentlich, der andere hatte sich in der Nacht zu vor in der Zelle erhängt. Keine Kleinschurken. Räuber und Mörder. 1827 wurden Galgen und Gelände verkauft an Johann Philipp Holzmann, der verbaute den Galgen-Querbalken in einem Haus in der Geleitstraße, auf der anderen Seite der Bahn. Wurde reich, ein großer Baukonzert, irgendwann doch insolvent. ganz sicher bin ich mir nicht wo genau dieser Galgen mal stand „In den Sümpfen“. in den Garagenhöfen? auf der hügeligen Brache? im Sandkasten des Hermannblocks. wahrscheinlich war all das ein riesiger Rummelplatz. Büdchen, „

„Alles, was Beine hatte“, so wurde berichtet, „fand sich ein“, um die aus heutiger Sicht abscheuliche Zeremonie zu verfolgen. Und man kann sich gut vorstellen, dass dort, wo viele Menschen sind, einst fliegende Händler und Gaukler für ein makaberes Begleitprogramm sorgten“

Abends nach Frankfurt. Morgens sehr früher Termin im Westend. daher verbringe ich die Nacht dort. wieder ein Bahnhofsviertel. die falschen Schuhe. die falsche Gegend. zu den nächsten Schuhläden ist es zu weit und zu spät. Arabischer oder türkischer Billigladen in dem es alles gibt, aber Schuhe dann doch nur wie ich sie nicht mag. Bauchtasche erstanden. der geruch von Leder und Naphtalin. eine Straße weiter ist meine Pension. 60er Jahre Bau. ein Zimmer ohne jede Hoffnung am Ende des Ganges. Bei Booking.com sah es so luxuriös aus! was habe ich auch gedacht man bekommt etwas schönes für 40 €uro. In der Nacht Männerstimmen. Fremde Sprachen. Fremde Menschen. Jemand scheint jemand Möbel zu verrücken. von irgendwoher weht und zieht es. Jedesmal wenn der Luftzug zustößt, rüttelt es an meiner Tür. Es ist ein Nichtraucherzimmer. oder ein Zimmer das nicht raucht.

dav

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5. April 2022, Offenbach am Main,

für mich der Inbegriff einer soliden Kleinstadt, mit Sandsteinhäusern und Parkanlagen, einem Friseur namens Kunkel, bei dem ich 1986 meine erste Dauerwelle erhielt und dem Bäcker Hebberer, bei dem ich Brötchen kaufen durfte allein, aber die sich mittlerweile als Wiener Kette entpuppte (und mit nur einem „b“). An den Main habe ich kaum Erinnerungen, einmal dort entlang bis Frankfurt gelaufen. Flohmarkt war. Gegenwärtiger ist er mir in der Beschreibung der Oma S, si ehätte da als junges Mädchen mit der ganze Kippe gebadet. Unvorstellbarkeit.  die Großeltern wohnten nicht in der NÄhe des Flusses; nicht im zentrum, sondern  auf der anderen Seite der Bahngleise. Die Wege „in die Stadt“ führten selten weiter als bis zum Markt.  Uffn Markt gehen.Weit war es nicht – Abkürzung über die Brache an der Ecke Hermannstraße / Schäfer, zwei Minuten zum Bahnhof durch den Bahnhof oder die Unterführung – aber es dauerte, weil immer alte Frauen grüßten und das Kind zurückgrüßen mußte. Beifuß stehen, in augenhöhe mit dem dunkelBlau-dunke-dunkellblaukarierter EInkausbeutel aus synthetischem Stoff.  Darin fanden sich manchmal längliche Bonbons, Schlauchbootform. Von außen nie klar ob rot oder gelb oder blässlich.  Zunge über der süßen Vertiefung. es gab auch Lackritzbonbons in schwarzweißkariertem Papier. Die stärkste Erinnerung ist der Garagenhof. das alte EckHaus mit der Werbefläche an der Brandmauer – 50er? 60er Jahre?  daneben der Hof mit den kleinen Holztorgaragen und der alten Miniatur-Tankstelle außer Betrieb. der Großvater un dich gingen vor, das Auto aus der Garage holen. selten durfte ich das Kettcar haben, das dort ebenfalls parkte. das Auto fuhr vor und man wartete au „die Oma, die lahme Ente“, die wieder mal „hinterher gedackelt“ kam. Dann Ausfahrt. ins „Gärtchen“. Schrebergartenkolonie. oder Bieberer Berg. aber da war ich wohl nur einmal. Kickers Offenbach gegen EIntracht Frankfurt. ich hatte mir ein Fußballspiel wie im Fernsehen vorgestellt, aber sah nichts.  ein entferntes SPielfeld, groß wie eine Fußmatte. Wogen von Gesang und Ohhhs und Ahhhs.  zu abstrakt. das Schlafzimmer der Großeletrn ging nach Südwesten. lichtdurchflutet, aber dunkle Möbel. das taubenblauseidene Federsteppbett.  SPielwiese, WOlkendecke, Frau-Holle-Landschaft. Wenn der Abend dämmerte lag das Bett im Fenster. im Hochhausturm des Krankenhauses, dessen Silhuette ins Auge sprang gingen die Lichter an. „da liegen all die armen Leut mit schlechter Verdauung“, die nicht uffn Klo konnten, wie die Oma sagte – weshalb sie jeden Abend einen Teelöffel in Wasser aufgequollene Leinsamenkörner zu sich nahm: um nicht auch dort zu landen – und machte mehrere Kniebeugen am offenen Fenster und Hampelmann, von Angesicht zu Angesicht mit dem Klinikturm, dessen Fensterpünktchen in der Nacht ins Auge stachen. der Großvater landete schließlich dort, warum weiß ich nicht mehr, aber er bekam eine Lungenentzündung und man amputierte ihm ein Bein. Kurz danach starb er. – fragte mich immer, was aus dem Bein wurde.

yz. Vaterstetten, Haar, Berlin-Friedrichshain

Der Kopierladen in Vaterstetten, erkennt weder meine USB-Sticks noch die extra windows und Mac formatierte neue Festplatte. Nichts geht. Und das Handy kann auch keine verbinsung aufbauen zum Ladennetz. der Mac schon gleich eh nicht.  – Der kleine Kopierladen am Kreisverkehr in Haar aber, neben dem Italiener, in dem fast nie jemand kopiere und die Drucker immer herumstanden wie gerade ausgepackte Ware, den ich aber mochte, weil man in Ruhe im Internetarbeiten konnte, im Stehen zwar, aber ansonsten ungestört, von dem ich immer befürchtete, daß er sich nicht halten werde können, es sei denn vielleicht als Abschreibungs – oder Geldwäsche-Projekt (ich sage nicht daß es so ist!), ist jetzt ein Tatoo-Studio. Eine sehr entfernte Affinität besteht. Toner. Tinte. Kopien auf Haut.

Zurück in Berlin die Erleichterung daß es den Kopierladen des G. gibt. Es ist voll. ein Mädchen, höchstens vier oder fünf, das zarte, winzige Gesicht das fast im Leopardenplüsch ihrer risiten Jacke versinkt, wartet darauf daß ihr vater fertig ist an der drei. lehnt an der Maschine und wedelt mit einem Blatt Papier (was zum Ausmalen). Geduldig, in sich ruhend, Madonnengesicht – dennoch ahnt man eine spätere Diva, die vielleicht auch im Alternativen Kopierladen des Tatoostudios Geschäfte haben könnte, irgendwann in zwölf Jahren. In diesem Alter begann meine liebe zu Kopierläden. Hand unter den Deckel der Maschine. Lichtblitze, der Geruch von Toner, damals noch eine süßlicherer Duft und dann das finstere Konterfeit der winzigen Hand. Körper tattoowiert auf Papier. Die Mutter, mit mir vor dem LAden wartend im auto, hatte mich  schließlich hineingeschickt, weil der Vater so lange darin abgeblieben war, seite über  seite kopierte un dkein Ende fand.  Der konkrete Auftrag war gewesen: ater  solle meine HAnd kopieren (der eigentliche war wahrscheinlich pass Du auf das Kind auf! wenn du schon so lange herumtrödelst). Ich war mir nicht sicher es richtig verstanden zu haben und richtete es so gut es ging aus, aber Der Vater verstand nicht das mit der Hand, sondern „Kopiere mein Land“ das klang noch besser. ich hatte weder gewußt, daß ich Länder besaß, noch daß man sie vervielfältigen  konnte. später gelernt: ich besitze kein Land aber kopieren kann man so ziemlich alles. (nur mit dem Ausdrucken klappt es nicht immer).

xy. März 2022

Da waren noch gar keine positiv getesteten Ukrainer in der Halle. wir schichen drimheum und wunderten uns über die Wachleute und die unheimliche Stille im Inneren, dabei waren die Flüchtlinge noch gar nicht eingetroffen. ich war nicht da, aber M. erzählte es  am Telefon: JETZT erst! Und jetzt sah sie auch Leute, draußen und drinnen – oder ahnte sie. deutlich zsichtbar war nur eine Katze, die auf den Bauzäunen in der Halle entlang balancierte. alles darunter bleibt Mutmaßung, wegen des Sichtschutzes. die Unschärferelation des Wohlergehens, der Covid-Tests. Katzen in Kisten. nie weiß man was. immer leigt man daneben.

Neukeferloh, 18. März 2022

Nachtspaziergang mit M. durch den Ort. Sprechen im Gehen so viel besser als auf der Stelle.  Waldstück zwischen Schwabener Weg und „den Zwergen“. Baulampen leuchten Rot. Krötenwanderungsschild. Zauberhaft. dann, hinter den „Zweregn“ der Waldrand und gegenüber sie neue Turnhalle. der betonierte Schulhofstreifen. Die alte neue Turnhalle. der Molton vor der Fensterfront ist verrutscht – man sieht jetzt hinunter in deren Keller. Spielfeld voller Bauzäune mit Teppichen verhängt und weiteren schwarzen Stoffbahnen. ein Labyrinth von improvisierten Sichtschutzwänden und Korridoren. da schlafen jetzt Menschen?

17. März, Neukeferloh

Die alte Turnhalle – nicht die ganz alte, die so aussah wie eine graue Kaugummiblase, die, die neu war, als ich in der vierten Klasse war und die von Anfang an nach Gummi und Schweiß roch und eigentlihc nur aus einem großen Basketballfeld zu bestehen schien von dem sich  Umkleidekabinen und Duschen abzweigten. alles schien unterirdisch zu sein, obwohl der Bau voller Glasfassaden war, von denen man hinunter aufs Spielfeld blicken konnte. da sie gegenüber vom Wald lag, war sie dennoch immer dunkel.

Sie ist längst nicht mehr neu, es gibt eine neuere. aber sie dient jetzt Ukrainischen Flüchtlingen, die positiv getestet sind als Notunterkunft.  ein Security-Mann bewacht die Halle, denn direkt daneben grenzt der Grundschulen-Pausenhof. früher war er ein grünes weites Feld, jetzt wurden so viele Freizeitangebote gebaut, daß er nur ein kleiner Gitterkorridor zu sein scheint, aber vielleicht sehe ich nur auf die Außenposten. man hieß die Flüchtlinge wohl willkommen, aber viel sah man nicht von ihnen – un umgekehrt. Bilder wurden gemalt, aber konnten nicht überreicht werden. Nachts schleichen M. und ich manchmal um die Halle, sie scheint erleuchtet, aber schwarzer Molton verhängt die GLasfront. auch tagsüber. Privatsphere oder Sonnenlicht. man kann nicht alles haben. wie lebt es sich in der Halle? zu Fünfzigt. alle positiv? oder positiv getestet? haßt man uns bereits für unsere Gastfreundschaft? Und wie werden die guten deutschen Bürger die Flüchtlinge ab demnächst hassen, wenn sie nicht mehr tief dankbar sind über Obdach und WIllkommensbilder. Über dem schwarzen Vorhang klafft ein Spalt.dämmriges Licht dringt nach außen. M. renn immer die halbe Nacht durch den Ort, weil sie nicht schlafen kann. sie schlafen die 50 Menschen im Inneren. wo rennen sie herum?

16. März, Neukeferloh

Das konsequente Wieder-Sehen der „Waltons“ (im Internet) , die offensichtlich meine Kindheit mehr geprägt haben (im Fernsehen) als ich mir hätte träumen lassen, nimmt ein abruptes Ende bei Staffel 7/8. Die Mutter steigt aus. Also die Schauspielerin der Mutter. Ohne Mutter geht es aber nicht. Ich vermisse die Serien-Mutter.  ich vermisse meine Mutter. sie wirkt so abwesend. Und manchmal wünscht sie sich weit weg. Ohne Mütter geht es nicht. Ohne funktionierende Mutter werde ich zum Kind. Der Vater wiederum sitzt am Tisch, ein Farboto von früher, 60er Jahre bunt, ist ihm in die Hand gefallen. Klein Rechteckig und mit weißem Rand. meine Mutter und er, als si enoch keine Eltern waren, im Hammelburger Schloß während ihres Hochzeits-Essens. Die Mutter hat einen offenen Blick und strahlt. Der Vater (im Bild) wirkt erfreut. der Vater, der es in der Hand hält vertieft. Weil es nicht ganz im Gleichgewicht des goldenen Schnittes ist, rahmt es mit Streifen von Klopapier ein. es wirkt als decke er es sanft zu, bis nur die Köpfe unter der Decke herauslugen.

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Fremde Mütter und fremder Kinder am Gitter des Sportparks Keferloh, sehen ihren Kindern zu wie sie Ballspielen und Frisbyscheiben werfen. Ich notgedrungen auch. Ich babysitte. alle 15 Minuten ist Trinkpause. Dann laufen die Kinder aus dem Käfig und M.’s Kind Maria will dann immer gleich ganz gehen. zu viel Gruppenaction. Lieber radelt sie Slalom auf dem Waldweg und spricht über Wesentliches. über Leben und Tod – als wir am Friedhof vorbeigehen. Dem verstorbenen Herrn S. pflanzt sie einen Tannenbaum, indem sie einen Tannenzweig in die Erde steckt. Diskussion, ob auch Tiere auf dem Friedhof wohnen dürfen und was „wohnen“ überhaupt heißt für Tote. Wird man „ein Totenkopf“ oder hat man einen? Und über angemessene Grabinschriften. Und wer das schönste Grab hat. Das schönste Grab auf dem Friedhof zwischen Wald und Wiesen, Sportpark und Froschteich ist das Äußerste vor der Mauer, übersäät mit helllila Blumen. Maria findet das schönste ist das vom Herrn S. wegen des neuen Tannenzweigs. und eins mit rosa Herzen an Stielen und einer Maria (einer Mutter Maria) mit langem Gewand. Jede Menge Ersatz-Mütter. Heute war ich sebst eine. Zuhause angekommen dann Reperatur der uralten Puppe mit dem Loch im Kopf (und dem Haarteil und der Haube über dem Dachschaden). immerhin hat sie jetzt wieder Arme.

11. März, Neukeferloh

Geträumt, daß ich besucht werde. es war in der üblichen Stadt in der ich im Traum zuhause bin, aber da ist nie eine bestimmte Wohnung, wenn dann unzählige viele, in die ich vergessen habe einzuziehen. meist bin ich draußen in meiner Stadt. Sie ist zusammengebaut aus wirklichen Fragmenten, dem Wiener Westbahnhof, der von der anderen Seits aussieht wie der Hamburger, die Isar fließt durch die Stadt und Brücken wie um das deutsche Museum herum, sie ersteckt sich bis zur Nordsee, Straßenbahnen fahren auch bis zu Inseln. Es gibt auch einen Flughafen, aber ich bin noch nie bis zu einem Flugzeug gekommen, der Airport scheint fast ausschließlich aus Shoppingcentern zu bestehen, die mich nicht interessieren. nur manchmal in sehr trashigen Auslagen bleibe ich hängen und wühle. zum Check-in komme ich nie. Das macht aber nichts, denn manchmal fliege ich selbst. Friedrichshain ist eine kleine burgratiger Bezirk in der Mitte manchmal städtischer manchmal ländlicher, ebenfalls voller verlassener Wohnungen, die mit noch nicht ausgepackten Kisten vollstehen, hinter denen sich neue Zimmer eröffnen, leer und schön – Raum wäre genug. wieso vergesse ich immer ihn zu beziehen. die Treppenhäuser sind Wohnraum für sich, manche haben Seitentüren zu anderen Häusern. Friedrichshain existiert meistens unter dämmrigen Himmelblau. verläßt man es, das ist zu Fuß möglich gelangt man an einen Hafen, Docks, manchmal fahren Schiffe nach New York von dort aus, manchmal sieht man die Skyline bereits, zuweilen ist sie nachgestellt aus bunten Containern. die Zwillingstürme stehen noch.

Heute Nacht fuhr ich  mit meinem Besuch die große Mittelstraße durch meine Stadt. auch diese hat eine Straßenbahn, so begann auch die Fahrt, aber dann waren wir auf Fahrrädern, die in den Schienen fuhren, schurgerade. ich überlegte, ob es eine gute Route war, ich wollte den Besuch nicht langweilen, aber der gerade Weg hatte etwas. Zwangsläufig ging es weiter und weiter.  ein schöner Weg. ich wunderte mich, daß er nicht endete, bis mir klar wurde: wenn man immer geradeaus fährt, reist man in der zeit rückwärts. so war es auch, und wir kamen in einer vorzeitigen Fassung meiner Stadt an. Terrassen über die blaues Wasser schwappte. ein Hauch von Venedig, aber freier, weitläufiger. meine Stadt war früher noch schöner als in der Präsenz der sonstigen Träume.

 

0. März, Neukeferloh

Der kalte Frühling reißt am Herzen / woran hängt es / Schlägt es, stolpert es, fehlt es? / Ganz  still gestanden, weiter gekrochen. / Gehts noch? Wenn die Sonne kommt – ja!

***

 

Komme langsam dazu die Mails der letzten Zeit zu sichten.  der Landesverband der freien Theater ruft, bzw. rief  auf zur Demonstration gegen den Krieg.

25. 2. 2022 Aufruf zur Demonstration
Kultur braucht Frieden – Nein zum Krieg
Treffpunkt vor dem Brandenburger Tor

„Kunst und Kultur können nur im Frieden gedeihen. Krieg ist Barbarei. Krieg zerstört nicht nur die materiellen Werke von Kunst und Kultur sondern auch deren geistige Substanz.Krieg entzweit die kulturellen Grundlagen der Verständigung zwischen den Völkern und Nationen….“

Muß Kultur gedeihen? Immer suche ich nach den optimalen Bedingungen für alles. Nur in meinem sogenannten kulturschaffen war es mir eigentlich immer egal. Ich glaube ich wollte immer eine sich-bahn-brechende Kunst, die entweder trotz schlechter Bedingungenentsteht oder eben wegen der schlechten Bedingungen. Es liegt mir fern den Krieg zu begrüßen, auf Grauenvolles zu warten, auf daß ich es verarbeiten kann. Aber mir geht eine Kunst-Szene auf die Nerven, die sich von vorneherein und immer darauf besteht, relevant zu sein. Gedeihen sollen die Blumen im Garten meiner Mutter. Sie sind schön, sie duften, aber Kunst soll refelktieren was IST, sagen was ist, darstellen was ist, auch träumen von Dingen die (leider) nicht sind, sich in Beziehung setzen auseinandersetzen neu auf der Bühne zusammenbauen – Nur im Frieden gedeihen kann Kunst die satt ist, unversehrt und das ist leider nicht immer die beste Kunst. Ich muß prompt an pastellfarbene Aquarelle denken, die man auf Sylt kaufen kann. An antroposophische Stocktänze, an Kunst uóhne Ecken und Kanten.

Ich weiß – das ist nicht was der Landesverband der Freien Theaterschaffenden meint, wenn er sagt, Kunst und Kultur können nur im Frieden gedeihen. Und natürlich ist Krieg barbarisch. Das Kunstwerke im Krieg zerstört werden, Theater schließen müssen im krieg ist auch wahr und bedauerlich, aber vielleicht kann man auch nicht immerzu Kultur produzieren und möglicherweise ist es wichtig das Leben zu leben, zu kämpfen, ihm ins Auge zu sehen, um hinterher wieder Worte zu finden und Gesten und Bilder. Die geistige Substanz aber… ich bezweile, daß sie zerstörbar ist. Sie ist verwundbar, aber sie geht nicht verloren. Ich wage zu fragen, ob sie nicht sogar zu nimmt. Ob sich nicht die Spreu vom Weizen trennt. „Krieg entzweit die kulturellen Grundlagen der Verständigung zwischen den Völkern und Nationen“ – ja, natürlich, es wurden aber in jedem Krieg auch neue Wege gegraben, nicht geebnete Straßen, keine Pracht-Alleen, kleine Kanäle, irrwitzige Umwege, die den Dialog aufrecht erhielten und möglich machten. Ich will keine Kunst, die nur im Frieden sich bewährt, ich will Kunst, die sich bewahrheitet und trotz und alledem unter Einsatz von Herzblut Klugheit, von Gespür und Hartnäckigkeit an einer Sache dran bleibt. Das wird nicht immer möglich sein, das wird warten müssen, das wird aber – wenn es wirklich wahre Kunst ist – auch nicht aufhören.

Ich mag keinen Krieg. Aber er gehört wohl zum Menschen. Und die Kunst kann sich gefälligst weiterhin an ihm die Zähne ausbeißen, sonst ist sie nich tmehr wert als ein Therapietanz oder ein Pflaster mit einem netten Bildchen daruf, das das weinende Kind ablenken soll von der Schürfwunde.

2. März, 2022 Neukeferloh

Die „besseren Zeiten“ finden innerhalb der Grundstücksgrenze statt. Das Reihenhäuschen. Der Garten. der Liegestuhl in der Sonne. die Nachtspaziergänge um den Ring. Das Fernsehen berichtet Schlimmes. und schon wenn die Mutter das Haus verläßt um sich eine Zwiebel auszuborgen bricht die heilende Welt zusammen. dünnes Eis. Erschöpfung. Abgründe. Minenfelder und ein Atomkraftwerk in der Ukraine, das unter Beschuß liegt.

1. März, 2022, Ebersberg

Und gerade als man mich beruhigt hatte, daß Corona-Station nicht bedeutet, daß da lauter hustende Menschen in einem 8 Bett-Quarantäne-Zimmer liegen, sondern isoliertes Einzelzimmer, kam der Anruf der Ärztin. Erst jetzt habe sie die CT-Aufnahmen in Händen, vorher nur die Diagnose der Radiologie durchgegeben bekommen: ein Fehler. Lungenbild nicht Wert vier, sondern Wert eins. und außerdem seine jetzt auch die anderen Werte gut. gegen drei warten wir vor er NOtaufnahme, wieder im Außenzeit, diesmal ist der Radiator an. Starren auf die rot glühende SPirale der Heizung. Geht maneinen Schritt in Richtung Krankenhaus, löst man den Tür-Öffnungsmechanismus aus, manchmal reicht schon eine verlagerung nach links. Ständig reißt es die Glastüren auseinander. es muß den Pförtner, es ist der von gestern wahnsinning machen. Die Mutter macht sich Sorgen wegen der Entfernung des Autos vom Klinik-EIngang/Ausgang, wie soll der Vater so weit laufen. als sie geht um nach einem näheren Parkplatz zu schauen, öffnet sich die Glastür von Innen und er kommt nach draußen gerollt. Sitzt mit dürren Beinen in langen Unterhosen im Rollstuhl, seine Füße in fremden Socken berühren das Trittbritt,  und starrt in die Ferne. das dünne Oberteil, der zu weite Rollkragen – wie konnten wir vergessen, daß er keine Schuhe anhaben würde und keine Jacke? er wurde ja so abgeholt, jetzt kommt er zurück wie er war, nur die Socken sind neu. erkennt er mich?  – die schwester, die den Rollstuhl schiebt, weist pikiert darauf hin, daß sein Lungenbild dem von Covid entspräche. „Wert vier! „

„Aber die Ärztin sagte doch…“ „Na, wenn die Ärztin das sagt…“-  Die Schwester klingt nicht weniger pikiert. Das Auto fährt vor. Laß die Werte gut sein. wir fahren heim. M. hat uns einen Kuchen vor die Tür gestellt. Es ist ein dicker glänzender Schokoladenkuchen mit  Brocken von noch mehr Schokolade darauf. Gefühl, es brechen bessere Zeiten an.

28. Feb. 2022, Neukeferloh und Ebersberg.

Es gibt eine Assistenzärztin, die doch sehr nett ist. An ENtlassung ist nicht zu denken. An Besuch ebenfalls nicht. aber endlich Info. NIerenversagen. und eine leichte Lungenentzündung. Letzteres verwundert. con Corona sei keine Rede, aber dennoch liegt er in so einer Art „Wer-Weiß-Quarantäne.

Nachmittags Anruf von der Radiologie, ob wir einem CT-zustimmen.  Man wolle Covid Ausschließen, zwar seien alle Tests negative ausgefallen (und die Booster-Spritze war ja Ende Januar!) aber das Röntgenbild sein ein bißchen so wie bei vielen Covid-Patienten.  Muß das wirklich sein? KAnn ich nicht doch von Nutzen sein, wenn ich ihn beruhige, währnd er in die Röhre muss? ich stimme dem CT nur zu unter den Bedingung dabei sein zu dürfen. Genau hier greift die Ausnahmeregelung. „Nötige Betreuung, während Transport. Lange Dispute, langes Zitieren von Ausnahmeparagraphen. Weitergereicht am Telefon. man sieht was man tun kann. morgen dann – – –  war das jetzt gut? Das alles war gestern… Heute kein Rückruf von der Radiologie. auch nie durchgekommen. Dann doch: man sagt ich dürfe nicht mit in die Kabine, um ins Mikrophon zu sprechen, wärhend er gescannt wird. Und zwar aus Datenschutzgründen.  „Wieso DAtenschutz?“ „Weil bei uns überall  CT-Bilder herumliegen!“ „Dann schau ich halt weg! oder verbindet mir die Augen!“ – udn was soll ich schon erkennen auf den Röntgenaufnahmen fremder Leute.  „wir passen schon auf ihn auf! Er ist nicht der erste Demente, den wir behandeln“- außerdem könne man ihn sedieren. „Nein! auf gar keinen Fall!“ Und außerdem stellt sich heraus, daß das CT gar nicht die Röhre ist, die man mir am Tag zuvor beschrieben hat. das hätte ich wohl verwechselt mit dem MRT. – ja, kann sein. mir hatte man gesagt „Röhre“.

Also darf ich nicht fahren. wir fahren trotzdem, weil wir Briefe undWeingummi-Drops abgeben. Telefonat von vor der KLinik mit der Ärztin im Inneren, die verblüfft ist, daß ich nicht beim CT dabei war. sie hätte es doch autorisiert. – – – ich hätte doch mitgekonnt?  Den Menschen an der Pforte diesmal mit Quarkbällchen  wohlgesonnen gestimmt. er gab uns eine Visiten karte. – es gibt eine PAtientensprecherin und Beauftragte…?  er sagte, wenn Dein Vater dement ist, dann macht sie bstimmt eine Ausnahme!

***

leider erreicht man sie nicht. dafür sagt die Ärztin, er kommt auf die Corona-Station. die Radiologie habe die CT-Aufnahme in die Kathegorie 4 eingestuft. das entspräche dem Corona-Status.

„er hat Corona?“

„nein, wir behandeln ihn, als hätte er Covid“

27. Feb. 2022, Neukeferlo

okay, genug gejammert.  Fast allen Patienten geht es jetzt so, wenn niemand rein darf… –

Und selbst „Die Waltons“ haben in Staffel 5 akzeptiert, daß ihre Oma (wie lange??? ein Jahr?) im Krankenhaus liegt – bis Staffel 6! Und nie hat man jemand  in dieses Krankenhaus gehen sehen, auch wenn es immer behauptet wurde. also auch perfekte Fernseh-Familien akzeptieren No-Goes. Dann ist es halt so. Und außerdem ist Krieg. Bei den Waltons droht der Eintritt in den Zweiten Weltkrieg, in Europa überfällt Russland die Ukraine. Es fällt mir schwer, das zu verfolgen. Es ist schrecklich, und es ist toll, daß alle so solidarisch sind.  bin aber nicht so richtig bei der Sache. als es 2014 im August begann Schlagzeilen zu machen, war ich gerade noch in Gaza. die operation edge war gerade vorüber, dem Waffenstillstand traute ich noch nicht. Und die Zerstörung überall… ich steckte noch mitten drin, aber im Fernsehen war das Thema Gaza bereits abserviert, dafür tat sich ein neuer Krisenherd auf. Russland-Ukraine. Und obwohl ich mmich an Kiev erinnere, schon da war, konnte ich mich damals nicht interessieren für das neue Krisenspotential. Alle haben verstanden, wie nah der Krieg ist, der da tobt. ich kann gerade nicht hinsehen. Dafür beginnen auch die Waltons mir langsam auf die Nerven zu gehen. lassen nicht mal ihren zweitältesten Sohn den Kriegsdienst verweigern. Kämpfen. Helfen wollen. alarmiert sein, Anteilnehmen. Teilnehmen. oder über Gerhard Schröder herfallen.  – kann ich grad nicht.

Nachts spazieren gehen mit M. Sterne. Kleinkriegs-Berichterstattung. sternklarer Himmel.

***

 

26. Feb. 2022, Ebersberg

Das Krankenhaus liegt etwas oberhalb der kleinen Stadt. es ist die letzte auf der S-Bahnlinie. der Bus kam 7:30 an in München, wieso ist es mittlerweile schon 9:00.  der Haupteingang des Klinikums ist gesperrt, man muß über die Notaufnahme aber darf auch nicht hinein. Warten in einem kalten Zelt außerhalb. ein Heizgerät steht herum, ist aber aus. Bodenplattenstapel. zweckloses Trotzdem-Warten. drei Wege gefunden wie man hinein kommt, zwei sind eigentlich No-Go. der dritte funktioniert nur unter der Woche. Nicht weggehen, bevor jemand wenigstens verspricht einen Brief, ein Buch, ein Hebäck nach oben zu bringen. Diskussion mit der Frau am Schalter, wie die Ausnahmeregelung zu interpretieren ist. sie ist freundlich. sie ruft sogar auf der Station an.es hat kenen sinn, zumal noch nicht einmal im Arzt im Haus ist, der es autorisieren könnte. Kein Arzt? am Wochenende, sagt sie Frau, wäre nur ein einziger für das ganze Krankenhaus zuständig. das dauere.

„Ich warte trotzdem“. man sieht neue Wege, wenn man wartet.

„es hat doch keinen Sinn, daß Sie hier sitzen…“, jetzt kam die Pförtnerin selbst hinaus, also ins Zelt.

„Es hat auch keine SInn daß ich geh“. ich erzähle ihr dann doch in Ruhe von der Demenz. Und daß laut Gesundheitsamt ja ein Recht auf Rooming in bestehe, wenn der Patient dement ist.

„Aber nur, wenn er sich selbst gefährdet, wenn er wegläuft, um sich schlägt…“

Immer läuft mein Vater weg. selten wirklich, aber immer entgleitet er der Wirklichkeit, was wenn ich nict mehr hinterherkomme. Wege in den fremden Kopf. Navigation durch temporale Anomalien. Vergiss mein Nicht.

meine Warteaktion beginnt einzubrechen, weil ich aufs Klo muß. es gibt hier keines weit und breit. und das nächste Cafe ist eine viertel Stunde von hier. Bienenstich-Krapfen gegessen in der Hasi-Bäckerei Ebersberg. Gottseidank Impfpass. wie machen ungeimpfte das, wenn sie unterwegs sind und aufs Klo müssen? zurück mit Donuts. einen für den  Vater, ein ganzes Paket für die Station. auch das ist aber kein Türöffner, allein die Pförtnerin verspricht, auszurichten, daß man den Brief und das Buch dem Vater dierekt aushändigen wird. Und sie schreibt meine Nummer auf, damit der Arzt mich so bald als möglich zurückrufen kann.

Zurück zur S Bahn. die gerade verpasste Bahn. ein Hauch von Fasching. Die Weiterreise in Etappen. der klare HImmel, aus dem es gerade noch schneite. die Mutter,die die noch zugesperrte HausTür öffnet und plötzlich selbst so verwirrt scheint, wie der Vater es sonst ist. wundert sich, wie ich nach draußen kam, ohne aufzusperren. „Aber ich bin doch jetzt erst angekommen, ich bin doch von Berlin aus gekommen und nicht von hier.!“ Sie lacht über ihre Schusseligkeit. Vielleicht hätte ich nichts sagen sollen. Ich wünschte, ich könnte durch verschlossene Türen gehen.

***

der versprochene Rückruf des einen einzigen Arztes, der am Wochenende in Ebersberg arbeitet, kommt nicht. die Stationsschwester sagt, sie dürfe aber nichts sagen über den Zustand des Vaters. das dürfen nur Ärzte. irgendwann sagt sie doch. er wirkkt ganz okay.

25. Feb. 2022, Berliner S Bahn

Der Mann mit den zu großen offenen Schuhen aus Leder ohne Schürsenkel, lallend aber um Artikulation bemüht, intensiv, hat was zu sagen (aber was?) fraß das blätterteiggebäck in sich hinein in der S Bahn, als gälte es die Welt, zog die Maske erst über als die Security ihn imme wieder ansprach. Aß weiter ohne Maske. Wurde hinaus gebeten aus der Bahn. Wenn schon nicht jetzt dann bei der nächsten Station sagtren die jungen Security Männer noch höflich, er sprach ihn Lauten, die so aussagestark waren wie unverständlich. Es war, als sagte er „Ich muss essen! Jetzt hier! Es geht nicht anders. Er sah aus als wäre er eine abgewrackte Figur in einem Goldgräber-Film. Seltsamer Auftakt meiner kurzfristigen Reise gegen zehn Uhr in der Nacht. Am Ostbahnhof trickste man ihn schlißlich zur Tür, der eine lenke ihn ab, der andere schubbste ihn nach draußen. Abgeschoben stand er auf dem Bahnsteig und die Türen schlossen sich.

„Tat der Euch denn nicht doch auch Leid?“

„Klar!“ Er habe aber unangenehm gerochen und die Maske nicht getragen.

Stimmt schon. Aber die Inbrunst seines Essens,  seiner Wortlaute, Er sah aus wie besoffen, aber er klang auch nach schlaganfall. Ich habe noch nie jemanden so hungrig essen gesehen. („Aber wir müssne halt, es ist unser Job!“) Scheiß Job. Sie sahen aus als stimmten sie zu.

***

Weiterfahrt zum Hauptbahnhof.

Hauptbahnof. Wie finde ich  den Blablacar-Bus? Ich fahr jetzt meistens Bahn, aber diesmal war es so kurzfristig und die Züge so teuer. Der Vater ist im Kranknhaus. Es ist Wochenende. Man darf ihn nicht besuchen. Er lag heute 5 Stunden in der Notaufnahme, bevor er auch nur aufgenommen wurde. Mit ihm im Gang warten hätte man aber auch nicht gedurft. Wie kann das sein? – M. meldet sich endlich, harte Worte, aber wahr. Das Gesundheitssystem sei am Arsch. Und jetzt hinzufahren würde auch wahrscheinlich nichts bewirken. „Du kannst eh nicht rein!“

„Aber es gibt doch Ausnahmen?!“

Die Ausnahmen gelten im Kreißsaal, bei der Geburt, auf der Palliativ-Station und eben in besonderem Ausnahmefällen. z.B. wenn jemand verlegt werden muß. „Dann hol ich ihn halt ab – oder ziehe es in Erwägung!“ 5 Stunden in der Notaufnahme, ohne was zu trinken. Bei einer Blasenentzündung kurz vor Nierenversagen. Und ohne zu wissen wie ihm geschieht! „der weiß doch nicht mal warum er da jetzt liegt.“ M. sagt als Freundin verstehe sie mich, als ehemalige Krankenschwester aber müsse sie mir sagen, daß jeder denke, er sei eine Ausnahme. Und daß es sehr anstrengend sei, das den Angehörigen immer wieder zu erklären – – –

Vielleicht hätte ich in Ruhe übermorgen die Bahn nehmen sollen. Aber ich dachte ich bring wenigstens ein paar Sachen, einen brief, daß er weiß, daß wir ihn nicht vergessen haben.

„Keiner wird deinem Vater irgendwas an sein Bett bringen.“ sagt M. es ist hart zu hören. Man will hören „Alles wird gut“. Aber sie hat ja recht. Vielleicht fahre ich auch, weil es in B .noch schlimmer ist. Ich hab mich selten so verlassen gefühlt. Die kalte Welt die wie Frühling aussieht aber doch am Gefrierpunkt herumeiert. Der Freund… sucht im Feburar immer das Weite, ich ja auch. Die Sehnsucht nach Nähe. – Oder wenigstens an dem Ort zu sein von wo ich aufbreche. Europa Platz1 klingt gut. Aber wo ist der Blabla-Car-Bus? Google maps (es belegt mal wider dass der Inder/Pakistani neulich irrte, als er sagte, wenn alle Menschen Google  maps n´benutzen würden, sei alles gut) vermutet Europa 1 am Hauptbanhfosgebäude Ausgang Invalidenstraße. Da wo die Taxen stehen, aber deren Fahrer nicht sagen wollen wo Blablacar abfährt weil sie verzweifelt sind, weil keiner sie nimmt. Frage Männer die mit Rollkoffern verloren aussahen, aber sie wollen nicht zu Blablabus. Sie sagen „Sorry wir sind auch nicht von hier!“ „Ich schon!“ Ich irre herum und höre mir an, daß so ziemlich alles andere wichtiger ist als mein Vater. z.B. die Ukraine. Ich verstehe alles ich hasse alles ich hasse Google maps. Ich liebe den Mann am Deutsche-Bahnschalter, weil er obwohl es nicht seine Baustelle ist, mir doch hingebungsvoll und unter Körpereinsatz seines linken Armes zeigt wo der Blabla-Bus abfährt, es ist ganz woanders. Es ist auf der anderen Straßenseite, da wo auch Linienbusse fahren. Nachtbusse, Tagesbusse. Es ist, obwohl direkt am Verkehrsknotenpunkt in einer vergessen Nische des Verkehrs. Busse rollen heran, aber es sind nie Fernbusse, immer nur die der BVG. Erinnerung an meine ertse Fernbusreise in den frühen 90erJahren am S Bhf Landsberger Allee, wo später der Schulweg des Sohnes war, und eine Baracke mit einem Pfennigladen. Damals gabs da noch Pfützen, der Bus fuhr ebenfalls spät in der Nacht und ich dachte noch, das ist alles nur ausnahmsweise, das kann nicht lang so gehen.

Jetzt stehe ich auf der Verkehrsinsel unweit vom gigantischen Hauptbahnhof und sehe den Schilderwald vor Bäumen nicht. Ratlose vereinzelte Nachtgestalten. Wirklich hier? Eine junge Frau mit schwarzem Haar fragt mich auf Englisch ob ich glaube daß hier der Blablacar-Bus fährt. Ich glaube es eigentlich auch nicht, aber hatte das Schild dann doch gesehen, es war zwischen die der BVG geklemmt und sah provisorisch aus. Vielleicht dürfen die gar nicht hier fahren und gleich, wenn der Bus abgefahren sein wird, springt nachher aus dem Gebüsch und reißt es wieder weg, wenn der Zweck für diese Nacht erfüllt ist. Das Mädchen macht sich Sorgen, es sei so „untypical for Germany, not German at all“, auch ist der Bus spät. Sie ruft die Blablacar-Bus-Telefinnummer an, aber erschrickt vor dem Deutsch des Ansagebandes. Ich fühle mich nicht mehr so verlassen, weil jemand anderes noch verlorener wirkt als ich. Und weil jemand auch diese Fahrt so wichtig nimmt wie ich, obwohl die Welt gerade viel wichtigeres zu tun hat. Im Bus sitze ich und heule stuum bis wir aus der Stadt raus sind und bin ab Dreilinden wütend weil hinter mir eine Frau Kartoffelchips aus einer knisternden Verpackung ißt. Ein völlig eintöniger Rhythmus: Knistern, Greifen, Kauen. Ich hasse die Frau so sehr wie ich mir einbilde JETZT schlafen zu könne, wäre die Frau nur nicht. Und es muß die Mary-Poppins-Variante einer Chipstüte sein, nie leert sie sich. Ich beginne die Frau in der Spiegelung der Scheibe anzustarren. Sie merkt es und starrt zurück, aber ihr Knister-Und-Kau-Rythmus ändert sich dabei nicht Ich stöhne demonstrativ. Hat mein Freund mir gerade wiedermal wie so oft in dieser Jahreszeit den Laufpass gegeben oder  erwartet er daß ich ihm? Es war mal wieder nicht klar.  Pro-Forma-Lappalien. Kleingedrucktes.  Weil ich nicht an ihn denken will, beginne ich innerlich wilde Reime zu machen über unsinnige Dinge. Kobold in meinem Kopf, der flüstert. jemand schlägt eine Tür. ein Springbrunnen stößt Fontänen. Nebelhirn. Schlage ich? FUnktioniert das mit dem Herz so, daß man eine rote Heizungskellertür aufmachen muß und die Pumpe in Gang setzen muß indem man einen rostigen Hanh aufdreht? Ich bin so verzweifelt, daß ich einschlafe und nur jede Stunde exakt um halb aufwache. Der Bus ist angenehm dunkel, aber manchmal in der Nacht öffnet sich ein Portal in eine andere Welt. Ein heller Raum von Licht. Sehr unwirklich – es handelt sich aber um die Bustoilette aus der ein grelles Neonlicht strahlt, wann immer jemand die Plastiktür öffnet. Jedesmal schrecke ich auf und denke es ist die Tür eines Ufos. Es riecht jedesmal nach alten Sardinendosen. Dennoch wirkt alles steril. ein andermal weckt mich das ferne Sprechen eiens Nachrichtensenders, in fremder Sprache. Schlaftrunken-entrüstet, daß da wer ohne Kophörer hört, richte ich mich auf. – Dann klingt das Unverstädnliche… Russisch. ich habe es über dem Naheliegenden Leid vergessen: es ist Krieg. Russland wirft Raketen auf Kiev. Für den, der die Nachrichten hört, sind sie mindestens so wichtig wie für mimch der kranke unerreichbare Vater, der herzlose Freund. Ich schlafe wieder ein,  während die fremden Worte an mir vorbeirauschen und träume doch wieder nur von meinem eigenen Kram.

Ich träume  von HMG, daß er lebt und ich mit ihm und seiner Schwester in einer WG wohne. Ich bin überaus glücklich. Eine großartige Konstellation. Leider fällt mir irgendwann ein, daß er tot ist und ich denke den Rest des Traums darüber nach, ob ich es ihm sagen soll oder nicht. Seiner Schwester, das ist klar, sag ich es nicht.

22. Feb. 2022

die Sehnsucht nach Frühling. etwas muß neu werden. es muß anders werden. wenigstens die Fensterwand meines Schlafzimmers. sie strahlt jetzt in Pistaziengrün. leider sehe ich es nicht wenn ich im Bett liege. nur wenn ich vor dem  Bett stehe. ind er Nacht geträumt von weiß lackierten Blumenranken, Kletterpflanzen, vertrockneten vom letzten Herbst. Lackiert sahen sie atemberaubend schön aus.

21. Feb. 2022, Berlin Dahlem

T. kam sehr plötzlich aus Windsbach, nein eigentlich Ansbach, da lebt er jetzt, aber für ich ist er immer ein Windsbacher. Obwohl er eigentlich aus Äthiopien ist. Odyssee zur Botschaft, weil T. brauch einen Pass und es gibt in Deutschland nur eine Botschaft in Berlin. Er hat alle Unterlagen, er ist alles durchgegangen mit seinem Anwalt, aber er hat die Reise lange aufgeschoben. Trip in letzter Minute. Die So. simste, ob ich eine günstige Unterkunft für ihn wüsste „in der Nähe der Botschaft“. Dachte ans Botschaftsviertel, rund ums Brandenburger Tor, rechnete mit irgendwo hinterm Potsdamer Platz, aber offensichtlich ist die Botschaft der Äthiopier fern ab von allem. Dahlem! Biete ihm trotzdem ein Zimmer an, kann mir nicht vorstellen, daß man in Zehlendorf eine billige Unterkunft findet. Google maps berechnet die Route auf mindestens 43 minuten oder anderthalb Stunden – vom Hauptbahnhof! Er kommt 10:30 dort an, Die Botschaft schließt aber um 12:30. wir sind am Gleis 7 verabredet, da wo er ankommt, ich sehe ihn nicht, zu viele Leute quillen aus den Türen. Der Bahnsteig leert sich. Jetzt müsste ich ihn sehen, aber er ist nicht da. „“wo bist du?“ ruft er ins Handy und ist so erstaunt. Daß ich nicht da bin.

„Ich bin auf Gleis 7!“

„Aber wo ist das?“ Er war aus dem Zug gestürzt ohne links und rechts zu sehen, in Eile, das Treffpunkt Gleis zu finden.

„Wo bist du?“

„An der Rolltreppe?“

„an welcher?“

vieviele Hindert Rolltreppen hat der Hauptbahnhof? Ich habe schon immer gefunden, daß der Bahnhof zu groß ist. Er wirkt so unübersichtlich und zugig wie ein gigantisches Parkhaus. T sucht Gleis 7 auf allen Etagen… und dann schwebt er wie ein Wunder doch die richtige Treppe herab, mir entgegen. Ich sehe ihn, bevor er mich sieht, aber ich bin im Vorteil. Ich die ich nichteinmal vertrauteste Freunde erkenne, wenn sie Masken tragen halte ich mich an die Hautfarbe. Ich winke ihm entgegen. Er sieht mich an, aber erkennt mich nicht. Schrecksekunde, daß er es vielleicht nicht ist und ich rassistisches Profiling betrieben habe. Er ist es aber doch. Er erkennt mich nicht, weil er kennt mich nur mit rotem Haar. Verblüfftes Lupfen der Maskeraden. Umarmung.

„Bist du mit dem Motorrad da?“, fragt er hoffnungsvoll.

Ich hatte es in Aussicht gestellt, aber hatte mich doch nicht getraut. Die Windböen waren zu heftig. Auf dem Stadtring bei Windstärke 6 mit ihm hinten drauf… – wir wären in 26 Minuten in Lichterfelde Ost. Oder nie. Dabei ist jetzt noch nicht einmal Wind. Wir nehmen weitere Rolltreppen in Richtung S-Bahn. Das schönste am Hauptbahnhof (und es macht das Durcheinander der vielen Etagen und der dunklen Kälte wieder gut, ist die Galsfassade. Die Stadt sieht so weitweg aus obwohl man mitten in ihr steckt. Das Regierungsviertel vor hellgrauem Himmel. T. Will ein Selvie machen. T. Will rauchen. Ich bin im wir müssen am Zoo den Schnellbus kriegen. Unerbittlich. Aber wir haben ja später Zeit, wir haben alle Zeit der Welt, wenn wir es nur bis zur Öffnungszeit schaffen.

„12:30 – Es ist nicht zu schaffen!“, sag ich, als wir am Bahnhof Zoo ankommen.

„Schau ma mal“.

Die unterbrochene Buslinie. Ich komme mir uneinheimischer vor als er, der so gelassen ist. Und dann doch aufgeregt. Die große Stadt. Der Kurfürsten Damm. Ob ich nicht in der Kirche mit dem zerbrochenen Dach Theatermachen möchte. Es ist die Gedächtniskirche. Es wäre ein guter Ort. Die Gottesruhkapelle in W. wäre mir dennoch lieber.

Am Brücke-Museum steige ich doch aus. Googlemaps berechnet die Route neu und wir sind nun auf weiteren 1 ½ Stunden. Wieso? Habe das Gefühl, T. Allein, der gleich von vorneherein ein Taxi nehmen wollte, wäre besser zurecht gekommen in der Stadt als mit mir.

Wir nehmen ein Taxi. Ein schweigsamer Pakistani fährt langsam an Villen vorbei und noch mehr Villen. T bewundert, daß ich Googlemaps benutze und ich beginne ihm zu erklären, warum Googlemaps ein Scheiß ist. Und ich die Frau hasse, die mit ihrer leiernden Stimme immer alles besser zu wissen glaubt, aber noch weniger weiß wo rechts und links ist als ich.

„ich liebe Google Maps“, sagt der Taxifahrer. Er fährt nur mit Google maps. Wenn die ganze Welt Google Maps hätte, dann gäbe es keine Probleme auf der Welt.

 

***

 

Der Umriss des Landes in Glas. Eine Scherbe in grün, gelb, rot mit einem blauen Kreis mit Stern darin hängt an der einen Wand. Es ist gut gemacht, aber dennoch wirkt es wie zerbrochenes Glas. Vielleicht ist das auch richtig so. Darunter stehen rote Klappstühle. An den anderen Wänden hängen Bilder. Eins zeigt ikonenhaft einen jungen Mann mit Turban, Machbuba. Bad Muskau, Cottbus.

Starker Blick, zarte Züge, androgyn. Die anderen beiden Bilder sind Fotos. Ein alter Mann liest in einem noch älteren Buch, um ihn eine Leinendecke, sieht aus, als hätte er im Bett gelesen und wäre gerade unter der Decke hervorgetaucht. Er liest hingebungsvoll und fröhlich. Unter dem anderen steht „Frau aus Süd-Äthiopien“, aber der Titel ist eine ausgeschnittene Zeile einer Kopie, darüber geklebt, man liest nur „Hama…. Frau. Süd….opien“

Hinten in der Ecke steht ein uralter Tresor. Daneben eine Kindertafel mit Spuren von Kreidebunt.

erst zu letzt noch ein viertes Bild entdeckt. Neben dem geöffneten Schalter, um den sich alles drängt. Eine naive Malerei des Brandenburgertors mit viel grünem Rasen davor.

Einen Warte-Markenautomaten gibt es nicht, einen Wasserspender, aber der ist leer. Auch aus dem

Desinfektionsmittelkasten kommt nichts. Auch viele, die nach uns kamen sind jetzt schon wieder gegangen. Ich weiß nicht, ob T. immer noch auf seine Bestätigung wartet oder ob wir hier nur noch sitzen weil er einem anderen Typen hilft das Formular auszufüllen. Eine super-ernste Angelegenheit, aber sie lachen auch viel. Das Problem scheint zu sein, daß ein bestimmter Tag ermittelt werden muß, den man in eine Zeile eintragen muß.

Man muß den Tag der Ausreise, in den meisten Fällen: der Flucht exakt eintragen, alle weiteren „Grenzüberschreitungen“, die Ankuft… von den eigenen Geburtstagen ganz zu schweigen. Leider ist die Äthiopische Zeitrechnung nicht wie die europäische. T. hilft, die verschiedenen Kalender in Einklang bringt. Die vielen jungen Typen, mit den perfekt verrutschten Jeans sehen eigentlich so aus, als könnten sie eine App finden in ihen Handies… T. Sagt, die hätten alle überhaupt keine Bildung.

„Warum dauert es so lange? Kannst du nicht fargen? Soll ich fragen? Wissen die daß du aus Nürnberg angereist bist und wieder zurück mußt?“ – „Nein frag nicht!“

alle die hier sind in dem winzigen Keller-Wartestelle mit den zwei Schlatern, von denen immer einer geschlossen ist, kommen von weiter her als Berlin-Lichtenberg. Die meisten aus Frankfurt.

Ich stecke den Presseausweis weider ein. Auch weil der eine, von dem die meisten sagen, er wäre der Boss, bereits fragte, ob ich nicht ein „appointment with his Excellency, the Ambassador”, machen will.

Schau ma mal.

Es zeigt sich übrigens, daß T. Recht hatte mit seiner Gelassenheit in Sachen Öffnungszeiten. Es scheint dauergöeffnet, andererseits geht auch nichts voran. Vielleicht wirkt es nur wie Öffnungszeit, weil immer eine Traube von Männern vor dem Schalterfenster klebt und wartet, weil der winzige Warteraum offen steht, immer gehe ich raus in die Kälte, dann wieder die kleine Kellertreppe hinunter in den zu villen Raum. Irgendwann geh ich aufs Klo, das wiederum ist hell und geräumig.

„Soll ich nicht doch am Schalter fragen wie genau das Procedere ist? Manchmal hilft es

Ich hatte mich gleich am Anfang, am Tor, das lange nicht aufging, meinen Presseausweis gezückt, als der junge Mann das Gatter öffnete und T. abwies, er solle sich online registrieren.

Es ging dann doch. Und T. ist nämlich inzwischen verzweifelt, weil man seinen derzeitigen Ausweis weggenommen hat und er Angst hat, daß er ihn nicht wieder bekommt.

 

Es stellt sich heraus, daß alles normal ist. Das Procedere daurt, weil eben doch eine Mittagspause zwischen Abgabe des ausgefüllten Fragebogens ist und der Bestätigen durch den Botschafter, der in seinen Räumen im oberen Geschoß der Villa sitzt. Es ist halt so. und eigentlich weiß ich es doch auch, daß es so ist.

Wir warten jetzt ruhiger.

„Wer ist der Typ mit dem Turban auf dem Gemälde?“, frage ich T.

„keine Ahnung. Das ist nur so ein Bild. Irgendwer muß immer an der Wand hängen.“

„Aber ist das ein Held Deines Landes.“

„Ja wahrscheinlich.“

stelle mir vor, ob e smich interessieren würde, wenn ich von deutschland nach Äthiopien gefohen wäre und im Keller der deutschen Botschaft sitzen würde und an die Wände starren. Wer würde da hängen? Gerhard Schröder? Bismarck? Günther Jauch?

„Muchbaba“ und „Muskau“ gegoogelt. Im Internet steht das selbe Bild! Und es ist doch eine Frau!

Ein Abessinisches Mädchen, daß der Fürst Pückler auf einem Sklavenmarkt erwarb. Gereist sein soller mit ihr, geliebt soll er sie haben. Ob „Muchbaba“ („Geliebte“) wirklich ihr Name war.

Eigentlich interessiert mich das jetzt doch. Aber T. Hat wirklich andere Probleme. Vielleicht ist eine bitterherb blickende Mädchenhafte Frau, ein exotischer Fund aus kolonialer Zeit ein guter Wandschmuck in einer Botschaft im keller. Ich meine das wirklich. Vielleicht suchte man händeringend nach Gemeinsamkeiten zwischen der BRD und der demokratischen Republik Äthiopien und ein Mädchen die aus einer Gegend stammte die heute auf eben diesem Staatsgebiet liegt, wäre ein Anfang. Schade, daß kein Lebenlauf daneben steht.

„Das ist übrigend gar kein Typ, sondern ein Mädchen, da auf dem Bild und sie kommt aus deinerm Land, eine Oromo.

„Das ist aber nicht mein Volk. Die Oromo sind eine ganz andere ethnische Gruppe. Wir haben nicht einmal eine Sprache!“

Äthiopien ist ein Viel-Völkerstaat; über 70 verschiedene Ethnien, viele Sprachen. Auch hier im Raum ist kaum einer, mit dem T. In der seinen sprechen kann.

Wir schweigen wieder.

Eine Zeitung liegt herum. Jemand hat mit Kugelschreiber Zahlenfolgen geschrieben. Immer wieder 12345678910, dann mit dazwischengeschalteten Hunderten. Rätselhaft. Auch T. rechnet wieder für jemand Ausreisetage um in europäische Zeitzählung. – und ich rechne, daß Muchbaba erst 12 Jahre alt war, als Pückler sie in Kairo gekauft hat. Mit 15 starb sie bereits.

Hm.

wir gehen. T. Hat sein Papier. Wir sind beide erschöpft, aber zu aufgeregt um ein Taxi zu holen. Wir laufen. So weit ist es gar nicht, wenn man eigene Schritte geht und nicht Google planen läßt. Step by step.

Berlin, 14. Februar.

Auf der Straße vor meiner Haustür hüpfen die Nachbarskinder. Der wilde junge und die kleinere Schwester. sie will vom Valentinstag erzählen, er unterbricht sie duernd, um sie zu ärgern. es ist ein klater Tag, aber sonnig. ich habe ihn am Bötzsee verbracht und um im Selbstmitleid zu ertrinken. Wieder in die Valentinstags-Erwartungs-Falle gegangen. hatte mit Kuchen gerechnet, weil G. gestern einen gebacken zu backen schien. aber jemand anderes bekam ihn. hatte mit einem Spaziergang gerechnet – aber er wollte nur EInkaufsbummel. wer will denn am Valentinstag zu Alexa gehen? (es sei denn Leute deren Freundin Alexa heißt). an diesem Punkt schien zwar klar, daß er den Tag wieder nicht auf dem Schirm hatte, aber spätestens beim Betreten von Alexa (dem EInkaufszentrum) hätte er es doch merken können. Nicht einmal eine der Gratisblumen, die man da hinterhergeworfen bekommt? – Nachbarsmädchen erinnert mich daran, daß sich auch Freundinnen Valentinsgeschenke schenken. ich weiß das. wollte der Tochter was schenken, aber die ruft nie zurück. Dafür sendet die M. einen Gruß. und virtuelle Kitschrosen aus Gaza. auch falsch.

9. Februar.

immer noch gucke ich Die Waltons. bin hängengeblieben in der Zeit der amerikanischen Depression die am Fuße von „Waltons Mountain“ so idyllisch wirkte. eigentlich bin ich jetzt schon bei Staffel 4 und der erste Weltkrieg droht. heile Welt in unheiler Welt sehen in einer Zeit, die auch nicht grad toll ist. – und das auf einer Streaming Plattform in der man einen Weg-Klick-Marathon absolvieren muß um überhaupt etwas zu sehen. rechts oben ist nur Werbung und nochmal werbung. links kommen die Nackten. rechts unten auch. sie lassen sich alle leicht entfernen, aber dann kommen die Hardcore-Sex-Bilder in der Mitte unten und die sind penetrant. man muß sie viermal ausixen und dann die entsprechenden neu aufploppenden großen Seiten wegmachen und in derZwischenzeit sind die harmloseren Adds rechts oben wieder da (auch hier gehts um Sex, habe ich inzwischen gesehen, aber es werden nur Bilder angekündigt, die mir manchmal eine Natalie, manchmal eine Rita, seltener eine Anna geschickt haben sollen) und alles fängt von vorne an. unregelmäßig aber erscheint wie aus dem Nichts das beinahe ganzflächige Bild eines grinsenden Kindes (keins der Waltonfamilie, obwohl ebenfalls rothaarig), das mit mit Daumen hoch zu einem Versicherungskauf rät. Wenn es gelungen ist den echten Film zu starten, kommt kaumnoch werbung, aber  immer aus heiterstem Himmel. zum beispiel an der Stelle, asl John-Boy nach hause kommt, unglücklich, weil er die Rate für seine Druckerpress enicht hatte zahlen können und seine Zeitungsherausgeber-Karriere beendet glaubt. er öffnet die Tür zur Remise, macht große Augen und fragt „Was ist das…?“ Der Schnitt ins Innere zeigt dann eigentlich die alte schwarze Maschine, aber dazwischen drängt sich eine Blondine die gerade von hinten gefickt wird.  in der Remise der Waltons?!

 

3. Februar, Unterjoch / Oberjoch.

Der QR-Wahnsinn. Die Stunden vergeblicher Versuche den Impfnachweis auf den Skipass zu laden. Am nächsten morgen ist alles besser und es geht ohne weiteres. Die Gruppendynamik. Das kotzende Kind im Schließtrakt des Trampolins. Die weichen Schnauzen der Pferse, die das andere Kind streichelt. Immer will ich alleine Ski fahren und immer sehen ich mich nach der Gruppe, die mich sein läßt wie ich bin. Es funktioniert selten. Selbst die Skiurlaube vor ein paar Jahren. Immer denkt man es passt und hinterher merkt man, man war die Spaßbremse. In der diesjährigen Konstellation sind die anderen die Spßabrmse. Man sollte den ganzen Drumherum-Quatsch abschaffen. Bremsen gibt es immer nur, wenn es Leute gibt die sich bremsen lassen. Und am Brombachsee.

Unterjoch. Oberjoch. Die zu brettharte Piste, aber weil sie leer ist, ist es doch gut. Erstmals Skiverleih, der mir erklärt wie man die oberkante der Skischuhe erweitert („ich habe ja gleich gesehen, daß die Dame (also ich) stattliche Waden hat.“ es ist aber ein Kompliment. Und mein Alter hatte er unterschätzt. Als ich die Skier habe (die Waden drohen dennoch zu krampfen) Gefühl von Freiheit, weil überall vor dem Skilift „Jetzt fahr halt einfach ohne mich, fahr! FAHR!!!“), an der Hütte, eigentlich überall, latente Aggressionen lauern, die mich nihcts angehen („Chill out, Typ!“ – sagt Tochter zu Vater). Wohlgemeintes Mansplaining auf der Piste (Mann erklärt Frau, warum rechts (rote Piste) besser ist als links (blaue Piste).

Ich gönne mir Zwischenstopp. Am Rande der Piste in der Sonne. Will den Schuh ausziehen und einfach den Ausblick genießen, aber immer hält wer, der fragt ob es mir gut geht. Ich versuche mich mit Glühwein zu betrinken unten an der Hütte und schreibe dies. Ich liebe Skifahren, aber das Drumherum holt einen immer ein. Es ist hoffnungslos, aber dann und wann auch ok.

***

Möglicherweise bin ich doch betrunken, denn ich bin jetzt eine halbe Stunde im Bushäuschen (weg zurück) gesessen habe fotos gemacht und mindestens einen Bus an mir vorbei fahren zu lassen ,um dnn schließlich festzustellen, daß ich, als der nächste kam, eh auf der falschen Seite gesessen habe.

Manchmal muß es so sein.

***

Jetzt aber bin ich zurück un dhabe doch Sehnsicht nach der Bezugsgruppe. die ist aber nicht erreichbar. es ist so ein schmaler Grat. es ist beinahe alles unter einen Hut zu bringen. einstweilen liege ich auf dem Balkon und starre in die SOnne und auf einen zerfruchten steinig-schneeigen Berg.

3. Februar, Neukeferloh. Die Mutter hat Hörgeräte-termin,  Der Vater wird zu den Nachbarn gebracht, die ihn herzlichst willkommen heißen. Es lief wohl alles gut, aber hinterher wurd eberichtet, daß er gesagt hat: er könne nicht ewig bleiben, weil er einen Termin im Schneideraum habe mit mir. wir arbeiten an einem Film. Er hat es sich gemerkt!!! Ich staune wie vielfältig die Wege im gehirn verlaufen. was haftet, was ist weg. was greift auf andere weise, assoziativ, themenverwandt, verzeichnet in die persönliche Adaption. Wege in den Kopf meines Vaters…

2. Februar, NeukeferlohSpaziergang mit M. Unfassbar großartige EInladung. ein zweiter Skiurlaub! Bin dermaßen gerührt, daß es doch noch eine Bezugsgruppe in Spe gibt, die mich mit in die Berge nimmt. Okay, meinen Solotrip habe ich hinter mir. daß ich immer noch fahren kann, habe ich die Tage erlebt. die Nemesis Gruppenurlaub allerdings… Jajaja! ich will!

1. Februar, Neukeferloh Müde vom Skifahren. Auch der Vater hat sich zurückgezogen in sich selbst. wir könnten nebeneinander sitzen und nihcts tun. oder ich spiele Pipe-Man im Notebook und er hat die Augen geschlossen. aber wenn ich am Computer Filmschnitt mache wacht er auf. Bearbeitung von einem Bild nach dem anderen. Koordinaten eingeben, um die Position der 50 Bilder anzupassen. die y-Koordinate merke ich mir selbst, die Größe gebe ich  per copy/Paste ein, aber die x-Koordinate (20,5) merht er sich. Erstaunlihc lange erinnert er sich an den Wert. nur wenn zwischendruch die Bilder aufplppen ist die Ablenkung zuweilen zu groß. wir animieren den Handzettel zu einer Operette namens „die Kinokönigin“, eine Revue, die Kafka in Berlin sah. das alte Blatt zeigt eine Reihe von Girls und einen Mann im Frack, die den Haupthit der Operette perfromen: „liebliche kleine Dingerchen“. Wir belegen die starre Reihe, und die Mädchen, allesamt blond, beginnen ihre Beine zu schwingen. der Mann steppt etwas hölzern. der Titel, die Schrift ist stärker, als die Mathematik. wenn er „liebliche kleine DIngerchen“ liest und ich dann daraufhinweise, daß ein Musical-Hit heute mit chauvinistischem Marketiung wie diesem nicht durchkäme, dann ist 20,5 vergessen. Ich erkläre dem Vater Final Cut als „meinen Schneideraum.“, „das was Du im Keller hast als Schneidetisch, ist alles in meinem Notebook.“ er nimmt es hin.  er sagt: „Ja.“ und „20,5“. Vielleicht wird irgendwann „20,5“ die Antwort auf alle Fragen sein.

29. Januar. Neukeferloh. hatte befürchtet, daß es zu eng wird. oder zu wenig Raum ist wie an Weihnachten. Stattdessen ist es wie Kraft tanken; das schmale Bett mit der tochter zu teilen  vermittelt vertraute Geborgenheit. nur manchmal schlägt mein Arm in der Nacht, wenn ich mich unmdrehe, an die zu tief hängende große schwarze Lampe und weckt und beide für Bruchteilsekunden mit einem seltsamen Glockenton auf. fast bedauere ich, daß ich mir vorgenommen habe auszufliegen. in den Schnee. Reisefieber. Unabwägbarkeiten. liegt überhaupt Schnee?

Abends den Vater ertappt, wie er kurz vor dem Essen in der Küche nach Süßigkeiten kruscht, kramt, gräbt in den Schränken und den versteckten Vorräten. er findet Karlsbader Waffeln. als er sich zu mir umdreht sagt er strahlend: „Ich räume gerade auf!“

28. Januar. München Wir sind so selten in der Stadt. heute hat die sonst so sparsame Mutter ein Taxi nehmen wollen. alle sind aufgeregt. wir fahren nach Minga. eini. in die Stadt. ein Termin. wecker. werden gestellt. Kinder reisten an. notarielle Beglaubigungen… – von weit entfernt betrachtet ist es seltsam. daß man da in die Brienner Straße fährt, wo sonst nichts ist, außer Anwaltskanzleien und ein Obelisk. wir sind zu früh da.  Es ist eine wahnsinnig reiche Straße. breit und großzügig, ohne Cafes und Läden. weil wir zu früh sind, können wir aber noch nicht hoch und stehen im Hof rum. die Kinder rauchen. warum mußten sie Raucher werden? verdammt! die Mutter beginnt zu frieren. Im Treppenhaus ist es ein bißchen besser. or allem entdekt die Muttre den kleinen Aufzug, den ich für eine Atrappe gehalten hatte. eine lederbespannte Tür öffnet sich und gibt EInblick in ein edles Kabuff, holzgetäfelt mit einer sitzbank. man kann darin sitzen und hat das Gefühl ebenso gut könnte isch rechts die Holztäfelung öffnen und eine herrschaftliche Bar preisgeben, Whiskygläser, Zigarren… zur linken, und rechter Hand: eine bibliothek.   selbst ein Kaminfeuer wäre passend. aber dann wäre der aufzug wohl doch eher eine Art Holodeck. die Mutter und ich sitzen auf der Bank und fahren aufund abwärts. die Kinder rauchen. weil es doch eh kalt ist, weil eben doch kein Kaminfeuer brennt, können wir auch gleich ganz draißen stehen.  dann entdecke ich untern im Treppenhaus   eine Kellertür. sie führt noch nicht in den finsteren Untergrund der herrschaftlichen Häuser der Brienner Straße. es ist eher eine Tür mit wenigen Stufen und einem fenster, das wiederum zum Hof geht. Und: es ist warm. Säcke mit Streugut lagern hier. Diensboten-Abwärts. wärme. irgendwann ist dann doch Fünf-Minuten-vor-Dem-Teuren-termin. wir fahren im FAhrstuhl nach oben in den zweiten Stock und harren der Dinge.  Wunderbare Worte gelernt:

„Grober Undank“, das ist, wenn einem die Eltern etwas schenken und man sie hinterher beschimpft-  „Du oide Hex!“ beispielsweise darf man sagen, in bayerischem Dialekt aber „Du alte Hexe!“ nicht. Generell aber : du sollst nicht beleidigen Vater und Mutter. ich habe nicht das Bedürfnis meiner Mutter als alte Hexe zu bezeichnen. aber es gut zu wissen, daß der Dialekt einen Unterschied macht.

26. Januar, 2022. Saarbrücken – München. Der plötzliche Aufbruch, weil der TGW in Paris hängen geblieben ist und somit ausfällt. Eigentlich Zeit am Bahnhof Saarbrücken, aber . R. will partou einen Starbucks finden. Einkaufszentrum gegenüber soll einen haben, aber es stellt sich heraus das war vor langer Zeit. Verkäuferin bei Only sagt, Saarbrücken habe zwei gehabt und beide seien dicht. R. rennt weiter, ich bin hängen geblieben in einem unterirdischen Bäckereicafe gegenübner von Superdry . Über die Nebentische verteilt sitzen alte Männer die sich Zahlen zurufen.  Dennoch schwer verständlich. es muß sich um Jahreszahlen handeln: wann was mal war. wer wie alt georden ist oder in welchem Alter gestorben. und wann welcher Betrieb dicht gemacht hat. Nicht Starbucks. den einzigen zusammenhängenden Satz denn ich aufschnappe ist: „da gabs aber schon Sexualkunde.“

Zug über Mannheim. Dann München. S Bahnhof  Vaterstetten.  Ein Hauch von Eis überall. die Mutter fährt diesml aber einwandfrei.

25. Januar, Saarbrücken. Im Traum geflogen. seit langem erstmals wieder. erst ging war es wie über dem Boden schwimmen ohne Wasser, dann stieg ich höher. es wurde leichter, selbst wenn ich mich wieder tief fallen ließ und wenig „schwamm“ blieben immer –  ohne viel Mühe – einige 20 Zentimeter zwischen mir und der Erde. ich dachteviel  darüber nach, ob es ein Traum sein könnte. ich erinnertze mich, daß Fliegen im traum manchmal so geht. aber weil es immer leichter ging (als sonst im traum), schien es ganz klar, daß es eben keiner sein konnte. – ich habe das wieder durcheinander gebracht. Wäre ich zu dem Schluß gekommen, daß es ein Traum ist,  hätte ich möglicherweise noch besser fliegen können. Übrigens verzettelte ihc mich dann, weil ich auf Fenstersimsen zu landen begann und auch in Wohnungen geriet und oft den Ausgang nicht fand. immer glückte es dann doch in letzter Minute, aber ich kam mir unhöflich vor . – Aufgewacht in dem fremden engen Hotelzimmer. wieder dampfte der lilane Schornstein.

22.-24. Januar, 2022. Saarbrücken. Das Meran ist viel älter als das frisch renovierte 80er/90erJahre Hotel in St. Ingbert. ich schätze 70er Jahre. Es hat eine Sauna und ein Hallenbad und im Korridor zwischen Rezeption und knallrot-eisener Aufzugstür einen Leuchtkasten, der diese bewirbt. Leute aus ferner Zeit, in  kaum noch Braun und Gelbtönen haben Spaß im Bad. Es riecht nach Chlor. Mann an der Rezeption versteht nicht, daß man überhaupt an Sauna denkt in diesen Zeiten. Als Hausgast könnte ich sie nutzen, müsste aber Bescheid sagen vorher. Weil  er abrät fühle ich mich verpflichtet „ich muss eh erstmal überlegen“ zu sagen. Auch habe ich keine Badelaatschen mit. Ich denke nach beim Badelatschen kaufen, Mainzerstraße hinuter in Richtung Fußgängerzone. Karstadt oder 1-Euro-Shop. als ich die Badelatschen dann gekauft habe, habe ich lange genug nachgedacht um zu entscheiden: ich (5 mal geimpft!) fühle mich der Sauna gewachsen! –  ankommen bin ich einfch nur noch müde. Plan aufgegeben.  Nur die Menschen aus den 70ern unter Veschluß des Kastens gehen baden. später am Abend kommt R. an; was trinken im „Elefanten“. Nachts. das schmale Zimmer, das schmale Bett. das Sims hinter dem Fenster, ein externer Kühlschrank. der blaue Plastik-Vorhang der Dusche. es ist ein bißchen trostlos. früh morgens, in der Dämmerung leuchtet und dampft ein hoher Industrieschornstein in lila, Rauchschwaden auch von der Lüftung in Stockwerk unter mir.  zu müde um ein Bild zu machen.

***

Später Morgen, Halberg in Grau. Gefühlter Nebel-Morgen, es ist aber nur der Januar. Rundfunkhügel. Verabredeung erweist sich als terminliches Mißverständnis, aber das macht nichts. da ich die Planung nicht gemacht habe, da ich nicht die Reiseleitung bin, ist mir alles recht. in Serpentinen wieder bergab gefahren worden. Die steile Treppe wiederentdeckt. Außer-Atem-Abkürzung. bin froh, daß ich die Zeit des Abstrampelns hinter mir habe.Hoffes es wenigstens.

***

Gespräch an der Hotel-Rezeption: zwei Herren,  der eine ist der Mann hinter dem Rezeptionskabuff, aber ein anderer als der Sauna-Warnende. er wirkt noch tadelloser als der andere, selbst sein Dreitagebart sieht nach Konzept aus. Er hat eine tiefe Wohllautstimmt, mit der er einem älteren Mann , einem Gast, sagt: „Übrigens, ich war letzte Woche beim Friseur und da hat man sich nach Ihrer Frau erkundigt.“  – er wirkt nicht geschwätzig, es ist eher, als entledigte er sich wohlwollend eines Auftrags. Der andere bedankt sich, ja, es ginge der Frau gut. aber er sei froh einmal rauszukommen.  Nicht wegen der Frau, aber der Nachbar mache so viel Lärm, Baumaßnahmen. Presslufthämmer…- er scheint Stammgast zu sein. Er besucht das Hallenbad!  Er kan nnicht verstehe, daß der Nachbar nicht in irgend einer Weise kommuniziert, sagt, wie lange der Lärm dauere, daß es leider sein müsse und so weiter.

„da redet man doch…!“

„sollte man annehmen.“ sagt der Tadellose.

Man kann also doch ins Hallenbad! Leute müssen manchmal fliehen vor Lärm, vor der Welt. Wellness. Wohlergehen. Trotz und Wegen Corona und dem anderen Lärm der Welt. –

Heute aber eh keine Zeit. heute zweite Reise mit P. und R.  durch Saarland, Lothringen und Luxemburg. erste verbindende Tour. wie las P. unser Drehbuch, an welche Orte dachte er. Entdecke auch neue Leserten im Drehbuch zwischen R. und mir. Wieviele unterschiedliche  Filme kämen dabei raus, wenn man die jeweiligen Gedankenströme ausspielte. ich sitze heute auf dem Rücksitz und habe nicht so viel zu sagen.  möglicherweise rede ich aber generell zu viel, was mir erst heute auffällt.

Völkingen. die Stadt, die um die Stahlhütte entstanden ist. es raucht und quarzt mittendrin. und auch außerhalb Weltkulturerbe, Feuer speiend.  angeblich häßlichste Stadt Deutschland, finde eher es ist eine Wennschon-Denn-Schon-Stadt. altbackend, Queerbeet ohne Grün. Wutschnaubeln, röchelnd. Ehemals, rankreich, Kein Industrie-Charme. Industrierott. Schein-Intakt. auf dem Vordersitzt entsteht der nächste Film. zwischen Stahlarbeiter-Drama und Bollywood-Spektakel. schöne Atmosphäre im Wagen. Wieso bin ich aber so müde?

Velsen stillgelegtes Bergwerk. Anders als Völkingen, die geballte große „Mittelstadt“. die Grube ist nur noch Hüttenrest. die dazugehörige Stadt sah ich nicht.  Besucherbergwerk. eine alte Kaffeekisch, zuweilen noch in Betrieb – sagt P. es sieht aber  sehr keputt aus. zerbrochenes Fenster mit altem Coffee-To-Go-Becher. In der Scheibe spiegelt man sich selbst und dahinter der alte Förderturm. wirlt nch unwirklicher als er es ist. durch ein Gitter das Handy ans Glas gehalten, die SPiegelwelt verschwindet und die Innere WIrklichkeit schlägt einem entgegen.

Angehalten später in Frankreich. Zwischen Ortschaften, Supermarkt im Niemandsland. R. ist schon  dabei einem vor dem Markt rauchenden Kassierer zu verkünden, daß wir hier vielleicht drehen werden. Der Mann ist unbeeindruckt, wahrscheinlich denkt er, auf so einen Frust-Film, wie ihr ihn vorhabt können wir hier auch verzichten. Gegebüber vom Markt, auf der anderen Seite der Straße ist ein Friedhof. Steinmauer, Steinerne Kreuze und Familiengräber.

Luxemburg. [….] moosüberwachsener Dschungel hinter den alten Verladebahnhöfen. zierlicher Schienenweg behauptet ein Wohin. Attention!-Schilder, die der Rost noch gefährlicher gemalt hat. Herzklopfen. hinter den weißen Wattebüscheln der Waldreben stehen alte Eisenbahnartefakte wie Fremdkörper. vergessenes vorsintflutliches High-tech. Amputierte Sturmtruppler. Rostriesen. Eisenbahn-Schwellen-berge. Wieder Wald. kühl. dunkelgrün. – ich kenne stillgelegte Bahhöfe, tote Gleise, alte Industrieanlagen von Bäumen überwuchert. aber diese berührt mich anders. an einem Schacht steht ein erleuchteter Glaskasten. einziger Lichtblick. Mußte an die Sauna-Werbung aus dem Hotel denken, den Schaukasten im verblichenen Orange-Braun der 70er Jahre. – hinter den Kondenswassertropfen, die die brennende Baulampe kondensieren läßt steht eine sehr coole Maria. wie im Feuchtbiotop eines Terrariums. Schutzpatronin der Bergleute. man kann sie für alle Fälle noch leuchten lassen im DUnkelgrün. Wahrschienlich ist dieser Weg zu weit ab vom Weg. aber der Film beginnt sich neu zu erfinden. ich entdecke Neuland.

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22. Januar, Saarland

Auch das mit den Misteln stimmt nicht. nur jenseits der Grenze dürfen sie geschnitten werden, weil es aber ein geschäft ist, stehen sie aber in Fülle, man sorgt für Vorräte. die größeren Grenzübergänge übersehe ich noch mehr als die winzigen, die nicht auf die grauen Understatement-Sterne Europas setzen, sondern noch ein blaues verbeultes Schild mit „France“ übrig haben. Was ist anders, dahinter? die graubraunen Häuschen könnten überall stehen, auch in Brandenburg, hätten sie die Fenterläden nicht. bunter Mischmasch aus blaugestrichenen Garagenhöfen, noch tieferem Blau der Flaschen-Container in Plastik, den wilden Gärten. Den alten neueren Häuschen, zwischendrin einem neurebnovierten wirklich alten Haus. manchmal Farbkleckse. wo die Siedlung aufhört ist ein Tal, Brücke über einen Bach, da hinter ist wieder Saarland. ah liegt eine verblichene Cola-Dose in weiß , wie lange liegt sie da, daß sie alles rot verloren hat?

21.  Januar 2022 , St. Ingbert. Fahrt ins Saarland. die Landschaft verändert sich. die Spiezeugstädtchen. die bewaldeten Hügel.  […] es ist der erste Schritt hinaus aus der Wohnung. Arbeitsschrittchen.  Leider Hotel gebucht ohne darauf zu achten, wo es sich befindet. St. Ingbert klang so klein, es schien keine Bedeutung zu haben. nun sind die „Schrittchen“ doch sehr viele. 35 minuten zu Fuß. leicht bergan. der Weg durch Parkanlagem doch eher wohl geordnetes Brachland, Sportplatz, viele Treppen hoch zur Hauptstraße, mal ein Bäcker, mal eine Tankstelle, gutbürgerliche kleine Häuser, die Eternitfassaden, vergilbter Schmetterlingsflieder vom Vorjahr ragt über gelbgraues Wellblechvordach. im SOmmer muß es schön aussehen. Autobahnbrücke. Angst, daß das Hotel auf dem Hügel linkerhand liegt, es liegt aber unten.  ALfa-Hotel fast an der A6 gelegen. Man hört aber nichts. es ist ruhig, es ist groß, es ist trotzdem persönlich. 80erJahre oder 90er? Eine Viertelstunde Zeit im Zimmer, dann wieder AUfbruch um den Weg zurückzunehmen ins „Zentrum“, um ins Kino zu gehen. Das  Taxi kommt nicht. Wieso bin ich nicht ggleich in Saarbrücken aufs  [Max Ophüls-]Festival? es wäre nah am Bahnhof gewesen und ich hätte den Film, den ich sehe in einem großen Kino gesehen in Anwesenheit des Teams. warum beharre ich immer auf diesen kleinen Odysseen? Hatte mir in den Kopf gesetzt, es wäre netter den Film in der „Kinowerkstatt St Ingbert“ zu sehen. wenn ich zu fuß gehe,  werde ich mit Sicherheit zu spät kommen.

verwaschen sprechende Taxifahrein, jung, blod, empört darüber, dß sie zu spät kam- das haßt sie. sie haßt noch mehr, oder mag jedenfalls gar nicht: daß sie immer Zwischenschicht fahren muß, daß die Ablöse immer zu spät kommt. daß Freitags auf einmal so viel los ist (die Stadt wirkt gar nicht so). daß WInter ist und sie nachts immer noch ein zwei mal raus in die Kälte muß, weil sie zwei Hunde hat („Isch bin froh daß ich sie han…“), …aber trotzdem. sie kuschelt sich lieber in ihre Wohnung!: Was sie auch nicht mag, daß ihre Freundin  Kathrin dauernd auf dem Handy anruft, obwohl sie weiß, daß sie fährt und sie sie schon zweimal weggdrückt hat. die Empörung über ihr leben ist trotzdem Symathisch. in Berlin wärs nervig. Im Saarland wirkt urgendwie trotzdem alles nett.

verblüffende Kinowerkstatt. Graffiti-Treppenhaus, Edding-Gekritzel, dennoch sauber. Aufkleberübersäät, bunt. eine Frau fotografiert. Toiletten auf halber Treppe, im ersten Stock das Kino. supernette Ticket und Impfpasskontrolle. erstmals, daß ich das Gefühl habe, dieser nervige Vorgang kann auch dazu dienen, sich besser kennenlernen. (Saarland-Effekt?).

22. Januar, Saarland

Die Grenze nach Frankreich ist fließend. es ist ein kleiner Fluß, abe rnicht nur deshalb. es ist kaum zu merken. Vielleicht nur das (wenn man es weiß) diesseits der Grenze sind die Bäume voller Misteln, wie Kletten festgesetz ins Haar der Zweige, ganze Büscheln. hinter der Grenze stehen sie nicht mehr unter Naturschutz.

Das Kino war die langen Wege wert. Warme Oase, ein dunkelroter Raum, hell erleuchtet. in den vorderen Reihen hat es Sofas, ansonsten ein beinahe klassischer Kinosaal, er sah gefüllter aus als ich den Platz hatte buchen wollen im Internet. jetzt nur hier und da ein sehr gemischtes Publikum. die Begeisterung des Kino-Betreibers, der den Max-Ophüls-Festival-Talk empfiehlt und dafür wirbt – leider offebart er er so daß dies eine rein digitale Veranstaltung ist. Desillusionierung obwohl ich es eh wußte. die Gespräche schräg hinter mir in gemütlichem Dialekt, das Zielgruppenpublikum vor mir. eine Monika verkauft Wein und Bier.  Seliges zurücklehnen im Kinosessel.

***

Heimweg wieder zu Fuß, Mann geht Gassi, der Boxer will partou hinter mir her. die stille Nacht. leichte Neigung bergauf. der volle Grieche, die leuchtenden Fenster, der Duft von Knoblauch. 2 G +. ich muß draußen bleiben.  Chips an der Tankstelle. eine Folge Waltons und Badewanne. es gibt eine Badewanne. Traue nich aber nicht das Wasser abzulassen, weil es einen unerhört lauten Ton macht.

***

Die Grenze nach Frankreich ist fließend. Es ist ein kleiner Fluß, aber nicht nur deshalb. Es ist kaum zu merken. Vielleicht nur das (wenn man es weiß) diesseits der Grenze sind die Bäume voller Misteln, wie Kletten festgesetz ins Haar der Zweige, ganze Büscheln. hinter der Grenze stehen sie nicht mehr unter Naturschutz.

 

Zwischen den Jahren 2021/22. Zurück in Berlin. gehe kaum hinaus. Ordnung machen innen. ruhig werden. und wieder aufgebracht, weil der Sohn behauptet Kernenergie sei in jeder Hinsicht die beste Lösung für billige und sichere Energie. Ist alles was ich in meiner Jugend gelernt habe nichts mehr wert? kann ja sein, daß inzwischen alles sicherer ist. Mein Argument: „da arbeiten aber nachwievor Menschen in kernkraftwerken und die machen immer irgendwann Fehler!“, hat er nicht gelten lassen- vielleicht auch weil ich Homer Simpson als Beispiel angeführt  habe.  – Aber was bleibt einem denn überhaupt noch außer Fenrsehen? jede Art der Weitsicht endet mit Brettern vor Köpfen. ich ziehe mich zurück und beginne (aber zunächst nur zu Recherche-Zwecken) die erste Staffel der Waltons zu schauen. (vielleicht hatte es auch indirekt mit den SImpsons zu tun. Assoziazion eines G.W.-Bush-Zitates zu tun: „Wir (die USA) brauchen wieder Familien, die mehr wie die Waltons sind und nicht wie die Simpsons!“ so blöd es klingt (und so wenig ich auch jemand wie Bush hören wollen würde), ich bin überrascht, wie wenig peinlich ich diese Serie heutzutage finde. ja, Serien  die in den 30er Jahren spielen verbreiten in der Regel nicht so viel Harmonie und Hoffnung. Und nie würde heutzuTage eine intakte Familie im Mittelpunkt einer Serie stehen. Kein Serienkiller ist Familienoberhaupt, Niemand geht über Leichen.kein vermeintlich braver Ehemann kocht heimlich Meth.   beginne aber den Schnee von gestern (früher sah ich die Serie als Kind, einmal die Woche, hätte mich aber an keine einzige Folge erinnern können), hat mich doch unbewußt geformt. Finde übrigens, daß es viel einfacher ist, Antihelden und Antiheldinnen, Bösewichte und psychisch gestörte zu spielen, als überzeugend: Gutmenschen. Und so finster und krass, spannend und  ungewphnlich die heutigen  amerikanischen Serien auch sind, letztendlich beruhigen sie dennoch, bestärken immer wieder und wieder die Formel ohne die Amerika nicht funktioniert: Family first. egal wie zerbrochen, egal wie abartig, so lange das Böse geschieht unter EInhaltung der Familienehre, ist der Moralische Kompass nie verloren.

Roman beendet. jedenfalls die erste Rohfassung.  und das Impf-Buch, für das ich ein Stipendium von der VG-Wort erhalten habe. Ansonsten… Briefe, Neujahrswünsche. und die zweite Staffel „Waltons“.

SIlvester mit G. verbracht. ein unspektakulärer angenehm normaler Abend. Zweite Hälfte „DInner von One“ noch erwischt. dann alte SIlvester-Archivs-Funde. Hitparade aus den 70er Jahren. Yes sir I can Boogie eigentlich Nicht der schlechteste Song. als wir später in die nacht gingen, bis zur Bucht, schlug einem die schneelose Kälte und der gelegentliche DOnner der Raketen den Atem. Seltsame Silvesternacht. da Feuerwerk dieses Jahr nicht zu kaufen war, haben die Leute sie auf den Polenmärkten gekauft, teilweise ohne Zertifikat und mit mehr Wumms, jenseits der EU-Norm. wenige Salven, aber lauter, brachialer. nicht das übliche Dauer-Feuerwerk auf einem Level, bei dem man nicht weiß wo zu erst hin gucken, sondern heftiger, weniger. mehr. der Sound erinnerte mich an Gaza. als wir unter der S-Bahnbrücke  hinurch auf die Bucht zukamen dachte ich, daß dies das erste Silvester ist, das ich genau, bis ins letzte Detail erinnern werde. später letztes Bier im JAS.

Weihnachten 2021 Angekommen am 18.12. spät abends. zu Fuß von Vaterstetten gelaufen. Neukeferloh nachts im Winter überrraschend hell Dank Weihnachtsbeleuchtung. Nicht überall. Beethovenring ist ein Lichtermeer. weiter hinten am Wald, wo die Eltern wohnen ist es wieder dunkel.

Der Vater schläft bereits. die Mutter ist erschöpft. Weil sie erkältet ist hat sie auch in der Früh verschlafen. der Vater enstweilen war aus dem Haus gegangen und hatte sich auf den Heimweg gemacht, das heißt nach Offenbach am Main, in Hausschlappen und Schlafanzug und zu Fuß. erst kurz vor A99 wurde er angehalten. Es  ging ihm aber sehr gut dabei. Er wurde der Polizei übergeben und von dieser schließlich nachhause gebracht, war aber wiederum verwundert daß „Nachhause“ schon wieder der Johann Hacklring in Neukeferloh war und nicht das eigentliche zuhause in Hessen. Er nahms aber wie immer wieder hin („Wenn Du wirklich noch eine Nach hierbleiben magst…“), die Mutter war fix und fertig.

der Vater erkennt mich, aber nur so lange ich  „das einzige Kind“ im Haus bin. kurz vor Weihnachten kommen die jüngeren „Kinder“ und er weiß nicht nehr genau wer, wer ist. davei mutiere ich erst jetzt wirklich zum Kind, wenn nicht gar Kleinkind, da kein Platz mehr zu sein scheint. Und wieso hat die Mutter schon einen  Weihnachtsbaum gekauft? dachte wir hatten vereinbart, gar keinen Baum zu machen, damit es kein Aufwand ist. und jetzt kauft und schleppt sie selbts einen. Freude über daß doch Baum allerdings geschmälert, weil es einer im Topf ist. wie soll ich den an die Decke hängen, wie es mein persönlicher Brauch ist und außerdem praktisch und poetisch zugleich. ich soll gar nicht! offensichtlich bin ich erstmal zu Weihnachten nicht Baumschmuck-Beauftragte. Toll! Der Aufgabe, die ich am besten kann, bin ich enthoben und mein Vater hält eher meine Tochter für seine Tochter. was bleibt einem übrig als komplett zum Kleinkind zu mutieren.

M.s  Holzlieferung entgegen genommen. mit ihrem Mitbewohner alles an der Mauer aufgestapelt. er sagte, es sei wie Tetris spielen  nur daß die Klötz von unten kommen. Der fast lebensgroßeWeihnachtsmann, schon sich schon vorher an der Wand abseilte, sieht jetzt aus, als stiege er über das Holz. Leider auch diese Aktion falsch. Holz hätte in den Garten gemußt.

21. 12. Im Garten ein Wintersonnwendsfeuer mit M. gemacht. leider doch sehr kalt.  bedeckter Himmel. Ein bißchen zauberhaft aber doch, weil wir erstmals in Ruhe sitzen. alle meine Freundinnen von früher sind verstreut in die Welt. Eine neue zu finden genau hier, ist seltsam. kostbar. wunderbar. Himmelsgeschenk. Lust wieder Wurzeln zu schlagen.

25. 12. Die Weihnachtsbaumgeschichte der M. ist viel besser als meine Befindlichkeitstragödie wegen des Baumes im Topf. Sie hat ihn früh besorgt und auf dem Dachboden versteckt. dann haben ihre Kinder mmit dem Schlüssel desselban gespielt, der seitdem verschwunden war und nun war der unerreichbare Baum hinter Schloß unf Riegel mit samt dem Weihnachsschmuck und allem anderen Drum und Dran. Schwer zu sagen, ob es ein Drama war, eine Tragödie, Tragikomödie oder Shit happens. ich glaube daß es der schönste aller Christbäume gewesen sein wird. wie das Schaf in der Kiste des kleinen Prinzen. kein Schaf, das der Erzähler ihm zeichnete war schön genug, immer waren die Angebote „Zu alt“, „zu groß“, zu schwächlich“, bis der  Erzähler, ungeduldig geworden,  ihm eine Kiste zeichnete und die Aktion beendete mit „das Schaf, das du willst ist in der kiste!“ Und der kleine Prinz war glücklich und zufrieden, wei les genau das Schaf war, das er sich vorstellte.

3. Dezember, Berlin,

zum Schreiben in die Kneipe. Wärme Duft von Braten, Hauch von Knoblauch. Was ißt die alte E.? Sitzt an ihrm Stammplatz gegenüber vom Fernseher, der ist stumm geschaltet. Dafür knabbert sie unüberhörbar irgendwas Knäckebrotartiges. Vor ihr, bereits leer: ein Limonadenglas. Ein kleiner Rotwein. Ein Dessertglas. Eine winzige Hand unter dem Tisch, in der anderen hält sie das, was sie knabbert. Rätselhafter Vorrat an… Keks? . Der stumme Fernseher. Das unsichbare Gebäck. Wäre heute beinahe nicht her, weil ich keine Lust hatte mich anzuziehen. Aber schreiben imzwischen im Bett, den ganzen Tag lang, ist unproduktiv. Netflix schaltet sich immer dazwischen. Hatte mich auf den Weg gemacht, trotzdem beinahe nicht hineingekommen. Verschlossene Tür, drinnen aber alles erleuchtet. Nase platt gedrückt. Nicht sicher ob geschlossene Gesellschaft oder ob die Tür klemmt. Gefühl von Dreizehnter Fee. Dann sieht der Wirt doch, daß ich rein will, schließ auf, weist auf einen handgeschriebenen Zettel. Aber da steht zu viel, als daß ich es gelesen hätte.

„geschlossene Gesellschaft?“

„nee, kannst reinkommen.“

„Ich bin auch viermal geimpft.“

Hinten auf dem roten Sofa sei noch Platz. Auf dem Berg von Samt sitzt eine Porzellanpuppe. Und jetzt ich. Eigentlich ist die Kneipe immer voll, (selbst im Sommer vor Corona, als kaum eriner kam und alle beim neuen Inder in der Sonne saßen), denn sie ist voller Dinge. Schilder aus allen zeiten. Gigantisches Industrieschild Hier keine brennbaren Substanzen lagern über der Bar. Die vielenMusikinstrumente, Kisten, Kästchen, Krimskrams. Das Sofa steht an der Wand, aber es ist beinahe der klarste Platz – beinahe leer, säße die alte bleiche Puppe nicht da. Sie sitzt immer da. Wie die E.

Zu habe er gemacht, sagt der Wirt, weil zu viel Leute dauernd halb reinkommen und halb nicht. Halb geimpft und dann doch nicht. Neue Form der Exklusivität. Einfach abschließen, wenn man genug hat. Zartester Lockdown einer offenen Kneipe. Die E. hat ihr Gebäck aufgegessen. Ich hab den ersten Wein hinzter mir. Wäre jetzt gegangen, der Wein ist teuer, aber jemand spielt Klavier. Spontan. Unaufdringlich. Keine Fahrstuhlmusik. Paralleluniversum von Musik, man kann hinhören (zum weinen schön), oder nicht. Eva starrt immer noch in den stummen Fernseher. Das Klavierspiel ist so eigen und trotzdem so durchlässig. Gesprächsfetzen dringen an ihre Oberfläche Wir sind eigentlich nicht so ängstlich sagt einer an einem fernen Tisch. …Aber in Maßen Weit weg scheint Corona. Die Musik ist so schön, weil sie für sich ist. Kein Programm, keine bezahlter Gig. Keine Absicht. Weil halt zufällig ein nicht schlimm verstimmtes Klavier dort steht. Es ist nicht perfekt. Es ist mehr als perfekt. Nur daß ich jetz über die Kneipe schreibe und nicht an meinem Stipendiumstext. Egal. Himmel voller Geigen.

Ob irgendwann jemand auch spontan die Instrumente spielen wird, die von der Decke hängen? Ohne Scheiß: das ist der schönste Augenblick. HIER JETZT Ausnahmsweise Musik, ohne Absicht.

Am Ende verbeugt er sich doch. Nur einmal, aber sehr lang. In 90 Grad winkel. Hagere Gestalt, graues Stoppelhaar. Ein Hut geht rum. er selbst geht und sammelt. sehr würdevoll. Es scheint, daß er das doch  hier öfters macht an Freitagen. Als ich gehe sitzt der Musiker vor der Kneipe. Auf einem der Sommerstühle und trinkt einen Wein, ebenfalls ganz allein für sich. Schneeflocken tanzen um ihn herum.

 

21. November

Nirvana-Plakat kurz bevor amn auf die Elsenbrücke fährt, wenn man den Stau der Kynaststraße hinter sich hat, nicht nach Stralau abbiegt, sondern an der nächsten Ampel steht am Eingang des Clubs mit dem schwarzen Holzzaun und dem Glühlampen spiegelnden -Spiegels über derm EIngang, der das Licht bis ins Unendliche bricht. Stehe hier imme rzu lang, weil ich entweder die Malereien anstarre oder die Rückkopplung des Beleuchtung. heute war aber erstmals grün an der Ampel. Im Vorübergehen das Nirvanaplakat. Nevermind- Das Album mit dem schwimmenden Baby und dem Geldschein. ich fand es immer schön. Neulich erzählte mir ein Requisiteur, das Baby sei inzwischen erwachsen und wenn man z.B. im Film das Album im Film zeigt, verlangt das erwachsene Baby Geld für die Bildrechte. Beim genaueren Betrachten (nicht im Vorüberfahren, sondern beim späteren Googeln) festgestellt, daß bereits das Baby eigentlich sehr unsympathisch aussieht. 

20. November, Berlin-Dahlem,Tagung der Kleistgesellschaft

Märtyrertum (nicht aus Liebe, nicht aus Politischen Gründen) sondern für sich selbst.“ „Keine Schwalben kein Pirol im preussischen Winter.“ „Novalis war liebenswürdig, K. war eigensinnig.“Die Grandeza“ des jetzt abdankenden Präsidenten der Gesellschaft, die gerühmt wurde – fand sie immer unangemessen. aber vielleicht bedarf es eines Show-Masters, um den stotternden Kleist im Rampenlicht mitzubestrahlen. gutes Wort von ihm bleibt trotzdem hängen: „Beunruhigungskraft“ 

Berlin-Dahlem, alter Krug,

Erstmnals in ein Lokal mit konsequenter Impfnachweispflicht. habe ihn im Heft und auch im Handy, aber keinen Ausweis. Schließlich tat es die Barmer-Karte. Am Nebentisch sitzen stattliche Menschen. Bluse wie das Design des gewaltigen Adventskranzes, der an der Wand des Kruges hängt. Jemand hat Geburtstag. Alte Dame, sehr fein, sagt. eine der Cousinen habe ihr ein Gedicht geschrieben – jetzt zum geburtstag, aber auch vorher schon öfters. Die anderen Frauen am Tisch kommentieren: „ja, ja. Reim Dich oder ich fress Dich“.

Das ist die Mittagspause vor der Mitgliederversammlung der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft. Natürlich geht man eigentlich in Grüppchen essen, Die Pausen sind ja Events zwischen den anderen Events. Aber die G., mit der ich gerne gegessen hätte, wollte lieber zu dem Restaurant wo der innere Kern reserviert hat. Wäre mir zu viel Sozialstress. Finde selten das gesunde Mittelmaß zwischen zu viel zu sagen haben wollen und verstockt in die Suppe gucken. Bin mit dem Motorrad 2 Straßen weiter gefahren. Vom Tagungstag bisher hängengeblieben ist. Ein chinesischer Vortragender via Zoom der sich für alle Fragen nach seinem Vortrag überschwänglich bedankte. Frage mich ob diese Fragen wirklich als Interssiert rüberkamen waren. Möglicherweise gingen sie lost in translation als das was sie waren, das was sie meistens sind. besserwissenden Kommentare. Nachzuvollziehende Assoziationen. Eine bedankte sich bei dem Chinesen für dessen Erkenntnis, daß ein in China berühmter Schriftsteller Kleist als „eigensinnig“ empfunden habe. K. ist eigensinnig. Prompt erwähnte sie das Grimmsche Märchen vom eigenesinnigen Kind. Ja, und? Es ist tatsächlich ein kurzes Märchen, das ich selbst oft zitiere. Das, wo ein Kind, das nie Schläge bekommen hat, stirbt und sein Ärmchen kommt immer aus dem Grab, weil das Kind keine Ruhe hat. Da mußte die Mutter zum Grabe gehen und mit der Rute das Ärmchen schlagen, erst dann bleibt der Spuk aus.“ Bin ja Fan von Assoziationen. Aber warum sagen die hohen herren und Damen nicht einfach direkt; „Hey, wisst ihr, was mir gerade eingefallen ist? Es hat zwar nix zu tun mit dem Vortrag eben, aber ich mußte gerade an die Story von dem rastlosen toten Arm denken, der geschlagen werden möchte. Kennt ihr die… ?“ Stattdessen wird umständlich irgendwas konstruiert. Ob es nicht seien könnte, daß blablabla. Die Gegenvorträge nach den Vorträgen… – – –

Am Nebentisch spricht man inzwischen von Geld.

„Julia, wir beschwören dich! Nicht verkaufen. Vermieten! Das sind doch Einnahmen! Von dem kannst du leben… auch in schlimmen Zeiten…Miete….Reisen, auf jeden Fall… oder Nasenkorrektur!… “ nicht die alte Dame sagt es, sondern die neben ihr. Die mit den Strohblumen auf der Bluse. Beim Stichwort „Nasenkorrektur“, fasst sich die jüngste erschrocken an die eigene Nase. Erregung.

„So mein ich das nicht…“ sagt… Kathrin? Natascha?. Ich ertappe mich dabei, dass ich die Nase gern sähe.  Die Kellnerin bringt: „einmal der Salat. Essig – Öl bring ich noch…“

„ – Salz und Pfeffer auch, bitte, ja“, sagt die Strohblumige streng.
Es ist ein schönes Lokal. Steinfußnoden, Holzbalken, kalkweiße Wand… – wieso ist hier niemand von der Kleistgesellschaft gelandet? Sind sie denn alle im Dunstkreis des Vorstand abgetaucht. Hey, es ist Kleist! Wieso ist keiner gelandet im Krug?
Der Nebentisch wirkt jetzt eher wie der innere Kern nach einem Leichenschmaus, übriggebliebene Erbengemeinschaft. Julia scheint die jüngste, man geht davon aus, sie erbt das Haus.
„Auch nicht nur leicht…Ich werd ja so beobachtet, wenn ich mich nur dem Kühlschrank nähere.“
„Von wem wirst du beobachtet?“
„Vom Papi!“ – Schweigen. Aha. Hm
„…und ich würde auch als Bedingung machen: daß das Schlafzimmer vom Papi bleibt wie es ist. – Naja oder vielleicht Eiche rustikal ersetzen…“
„Oder was man so macht: Weiß streichen oder grau.“
„Der Abfluß in der Badewanne, da ist alles rausgebrochen!“
„Ich staune, daß Papi, das nicht merkt.“
„Es ist alles kaputt.“
Die eine, die mit der Nase, Julia, muß die sein, die vor Ort ist mit Papi. Und der man nahegelgt hat ,das Haus nicht zu verkaufen, weil sie davon leben kann, beugt sich vor zur der mit der Bluse und sagt: „Kathrin, Papi ist jetzt 89 Jahre alt und versorgt sich selber!“ Natürlich könne da ein Abfluß kaputt gehen und bleiben.
„Ja, schon, aber…“
Die mit der Nase, geht. Wieder seh ich sie nur von hinten.
„Wie ist es denn jetzt mit ihr“, tuschelt der Tisch.
„Es gibt da einen, aber sie ist nicht zusammen mit dem.“
Die alte Dame unterbricht jetzt. Es sei ja nun auch ihr Geburtstag!
„Ich möchte gerne, wenn wir dann jetzt mal zu mir kommen, als Jubilarin… – sie spricht leise, ich höre nicht alles – …in Gedichtsform…
„Ja, haste dir verdient!“
„Ich wünsche mir…Herzlichen Glückwunsch, gesungen…“
„…auf all deinen Wegen, is klar – aber da müssen wir dich leider enttäuschen: das willst du nicht, daß wir singen.“
Anstoßen. Trinken. Nicht singen. Womit hast du das verdeint?
Der Wein… das ist doch Bunter Essig.
„Ich sag ja nur…“
Julia – oder Natascha? kommt wieder von der Toilette.

Edel sei es da, mit Sofa und so. Julia oder Natascha ist stattlich, sie trägt schwarz, edelgruftie. vielleicht hat sie eine große Nase, aber sie ist insgesamt groß. Ihr Haar, schwarz plus Mahagonytöung, ist gesteckt zu zwei Knoten. Da wo Mini – oder Mickymaus ihre Ohren hätten.

Mein Essen ist da. Anderer Fokus. Ich kann nicht mehr mitschreiben. Züricher Geschnetzeltes. Es ist gut. Einzeltisch. Edel-rustikal. Der Nebenraum ist von meinem Raum getrennt durch ein Portal, Holzsäulen. Die gekalkten niedrigen Wände, Dahlem Dorf. So könnte es auch gewesen sein zu Kleists Zeiten.

„…Dein Handy oder mein Handy…?“
„Ausgerechnet jetzt…“

Julia und Natascha verlassen schon wieder den Tisch. Vielleicht aber nicht im Ärger sondern wgen Telefonieren.

Die, die die Nasenkorrektur vorgeschlagen hat, die Geblümte, bleibt jetzt allein zurück mit der alten Dame. Der Kellner bringt mein Wasser und das Essen für den Nebentisch. Alles wirkt jetzt entspannter. Dafür ärgere am Nebentisch ich mich, weil mein Wasser kein Bitzelwasser ist. Eigentlich hatte ich Leitungswasser. gewollt („Das machen wir nicht!“), dann hab ich „dann eben Sprudel“ gesagt. („Kommt sofort!“)

„Ente ist größer als ich gedacht hab. Warte, ich mach mal ein Foto.“
Don’t eat it. Tweet ist. Die anderen kommen wieder.
„Das sind ja große Portionen!“
„Du sagst ja immer: Schnitzel müssen schwimmen…“
„Julia. Wenn die Corona-Geschichte hier noch wieter steigt, dann kommst du aber nicht zu Weihnchten, ja!“
Corona sei Dank! – Die sollten auf keinen Fall Weihnachten feiern zusammen. Reim dich oder ich fress dich. Natascha ist supergenervt. Julia ist eigensinnig. Natascha auch. die servierten Gerichte werden nicht nur archiviert, sondern auch verglichen.
„Laß doch mein Essen, ich laß ja auch dein Essen…!“ Jetzt klingt sie als wäre sie aus Neukölln und nicht aus Zehlendorf. Und Wo ist Papi? Warum hat man ihn nicht dabei?
„…und wo ist das Problem jetzt mit deinem Esssen, Natascha?“
„Es schmeckt nach Weihnachten!“
„Wie… – Weihnachten…? Schmeckt es oder schmeckt es jetzt nicht.“
„Kann ich doch sagen, daß es nicht schmeckt, kann ich zurückgehen lassen.
Beweis dafür, ich hab recht. Weihnachtstraumata.
„Zu süß…“
„weißt du, was du sonst willst?“
„Kathrin übernimmst du das bitte?“
„Wieso, das laß ich zurückgehn!“

 

„Wir sind ja sonst nicht so.“

„Julia, magst du mal von dem Schnitzeln…

„Ne, laß mal…“

„Ich dachte, weils dir nicht schmeckt…“
„Laß doch mal!!!“
„Julia, ich könnte dir…“
„NEIN! I am not gonna die, aber nicht jetzt. Nicht hier!“
„Die Bohnen sind…“
„Es ist aber auch ganz schön viel.“
„Wollen wir uns noch eine Cola teilen.“
Schweigen. Themawechsel.
„Ich find das so gut: 2 G.“
„Meinetwegen, Macht doch 1 G!“
frage mich nur, was ist dann das eine „G“, und welches „G“ kann man weglassen? – der Kellner kommt.
„Können wir das zurückgehen lassen?“
Der Kellner guckt genauso wie eben, als ich gesagt hab „wie machen wir es, ich wollte m i t Sprudel!“

kannmanixmachen.

Im Falle des Nebentisches schreitet die alte Dame ein: „Können wir das einpacken lassen. ICH möchte das dann zuhause essen.“

„Nein… das war mir jetzt wichtig… es schmeckt nicht. Es schmeckt mir nicht.“

Bedauern des Kellners. Aber er sieht aus wie eben bei mir: Teflonbeschichtet. „Was ist denn nicht in Ordnung?“, fragt er.

„Zu süß! Zu viel Weihnachtsgewürz!“

„Packen Sie es einfach ein“, sagt wieder die alte Dame.

„Aber es ist docoh mein Essen!“

„Aber Du willst es doch nicht.“

„Wir packen das gerne ein.“ sagt der Kellner. Weg ist die Ente.

Schweigen.

„Warum läßt du das einpacken? Es war doch mein Essen?“

„Aber du wolltest es nicht.“

„Aber dann hättest du das nicht bezahlen müssen.“

„Das ist doch egal. Das ist jetzt entschieden.“

„Wenn es nicht schmeckt, das ist kein Grund es zurückgehen zu lassen“

„Julia, magst du was anderes?“

Ich kann nicht immer rübersehen. Inzwischen weiß ich nicht mehr genau, wer isst und wer nicht. Ich dachte auch erst Natasche schmeckt es nicht, aber es ist wohl doch wieder Julia. Julia, die auch nicht unbepbachtet zum Kühlschrank darf. Die Menschen am Nebentisch sehen fast alle gleich aus. Bis auf die alte Dame. Sie sieht aus wie die aus Ribbeck, neulich, mit dem Enkel der „In Saudi“ war.

„Jetzt laßt mich doch einfach mal essen!“ Sagt eine der anderen, der jüngeren. Es klingt inzwischen. verzweifelt.

Essen ohne Essen. Grab ohne Arm. Singen ohne drei Schwestern.

Würde gerne mehr Wein trinken, aber ich muß noch mit dem Motorrad zurück zur Mitgliederversammlung. Der Nebentisch verdirbt nicht den Appetit, aber den Hunger. Wort, das von gestern, dem ersten Tagungstag, noch im Hirn stecken blieb: „Beunruhigungskraft“. Vom Nebentisch geht sie aus. Beunruhigungskraft. Gleichzeitig kann man nicht weghören. Der Satz von vorhin ist wieder da. „K. ist eigensinnig“ Kleist war gemeint. Aber Kathrin ist es auch. Alle sind.

 

Berlin-Dahlem, 19. November.

[…]nach zehn Jahren erstmals wieder… Gang zur Tagung der Kleistgesellschaft. Wiedereintritt in Windeseile. weil es eine Anfrage gab, Herr W. wollte ein Lesezeichen in  Handschrift. sollte der preis sein. meinen Tochter versteht es falsch und denkt. meine „Original-Kleist-Fälschungen“ seien der preos dem am 21. im Deutschen Theater an den diesjährigen Kleist-Preisträger verliehen wird. Der ist aber hochdatierter und es gibt Geld. mein Lesezeichen, auf selbt patiniertem Papier geschrieben mit Tinte aus Zwiebelschale, ist der Haupt-Preis beim Kleist-Quiz des Kleistsalons, am ersten tag der Tagung. Sie ist nicht wie sonst am Wannsee, sondern im Campushotel. Realpräsenz. Bin aber auch wiedereingetreten, weil eine neue Ära sich anbahnen könnte. Vorstandswechsel. es gibt neue Wahlen! nach so langer zeit doch geht der alte Vorstand, der es schon für 2012 immer angekündigt, gedroht und vesprochen hatte. will wählen. will wieder dabei sein. wilde Träume, schlaflose Nacht. Der verstorbene Professor N. sagte  die Einladungen seien bereits raus, es sei eh zu spät. Ich sagte, ich hätte aber eine email erhalten. ich sei eingeladen! Ich will sie ausdrucken, aber der Drucker hat keine Tinte. Er sagt, sie sei eh nicht gültig, man habe den Ort geändert. Tatsächlich war der Ort der Veranstaltung die Märchen-Hütte in Mitte und behandlet werde nicht Kleist sondern Dornröschen.

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Zu lange gebraucht am Morgen, obwohl gerade der erste Vortrag mich interessiert hätte. Kohlhaas. es erwies sich aber dann, daß fast alle Vorträge über Kohlhaas waren. wollte pünktlich sein, aber hatte den Impfausweise vergessen. wieder zurück nach Berlin-Lichtenberg – Berlin-Dahlem-Dorf.  20 Kilometer, bzw. jetzt 40. 2 Autobahnen. Kaffee-duft kurz vor der Auffahrt auf die A100. Früher roch man das JAcobs-KAffee-Werk immer erst auf der Autobahn selbst, jetzt seit die Auffahrt Grenzallee nicht mehr gesperrt ist, liegt es schon vorher in der Luft. Nieselregen.  Steglitz. Zehelndorf. andere Häuser. Viellen. Lokale, Imbissbuden sind kleine Palais. Könign-Luise-Straße nicht gefunden, stattdessen rutschiges Kopfsteinpflaster der „Limonadenstraße“  (heißt aber Limonenstraße) Straßen benannt nach Achim von Arnim, Altenstein. Es wird immer Kleistischer. Plötzlich Fremdkörper.  Schrift I love Simone in rot auf zerfallenem Haus, das aussieht wie ein Haus das in Kauls – oder Vogelsdorf hätte stehen können, es ist aber Dahlem. DDR-Graubrauner Putz.  Gläsernes Seminarhotel. es wirkt leer, als habe man Konferenzräume sihc selbst überlassen. der Teppichboden sieht abgetreten und abgewetzt aus, es ist aber das Design. im lichten Raum gut verteilt ca 50 Menschen. der Zauber des Zuhörens. Tee auf Samowar. Kekse. kein Earl  Grey auf dem Cateringtisch. Euro-Paletten-Design mit Rollen. , sonst alles schön. es sind noch vertraute Gesichter… und welche die sich als vertraut erweisen , wenn sie in der Pause an der frischen Luft die Maske abnehmen. Habe, weil zu spät, mich an den Rand gesetzt. außerhalb der SItzordnung am rande schien mir passender, aber in Wirklichkeit ist es auch so der beste Platz, ein weicher Sessel mit Teetischchen. der Triumph der 13. Fee:  von außen ist besser. Und es passt so gut zum Tagungsthema: „um einen KLeist von außen bittend“. ist Kleist nicht meistens außen? oder insgeheim, sprachlos, für sich? ist außer sich sein damit auch gemeint?

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B. hat auch ihren eigenen Teebeutel mit. welche Marke trinkt sie? ich habe meinen vergeudet, weil ich ihn  statt mit heißem Wasser mit Kaffee übergossen habe. der Rest in Stichworten notiert. aber  „Verdrängungszwang.“ „Bürgerlicher Kolonialismus“. „Beleg einer Unterwerfung. „Ur-Allegorie.“ „Ein ferner Vorgang“„Zerbrochene Krüge gehören in die Hände Deflorierter Mädchen“, sagt die aus FFO.. „Maschinenangst“. Fiktive Todesbriefe. – das sagte ein Professor aus Ungarn. Was sind Fiktive Todesbriefe? Er erklärt es mir hinterher: ein in Ungarn bekannter Schriftsteller habe Kleists Abschiedsbriefe herausgegeben, aber auch einen selbsterfundenen daruntergeschummelt. keinen an einen neuen Empfänger, sondern einen weiteren an jemand der eh einen von Kleist erhielt, damals. Marie von Kleist, glaube sich F. zu erinnern. Hätte gerne mehr gewußt. würde den Brief gerne lesen. Ich könnte ihn auch handschriftlich abschreiben. wollte wissen, wei es herauskam, F. sagt, es hätte niemand gemerkt, aber der Autor habe es schließlich selbst gesagt. daraufhin dann doch SKandal.  – – –

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Hatte befürchtet die Rückfahrt würde kalt werden. aber die Nacht war wie eine im Frühling. Feigling im Frühling. bin vorzeitig gegangen. erstens weil der Sohn keinen Schlüsel hatte und zweitens, weil mein erster Preis sich nur aus einer von  vielen erwies.  die Handschrift unter den DIngen, den vielen vielen DIngen, die der Sammler BW zusammengetragen hatm lag da wie ein DIngs vom Dach. Obdach. wohin. nix wie weg. und drittens weil es inzwischen eine Handschriften-Generator gibt unter Kleist-Digital., der kurz vor der finalen vorgestellt wurde. Es nahm kein Ende. der nahm dann doch viel Raum ein. der schlüssellose Sohn kam gerade recht. Und müde… und erst die Fahrt durch die November-Frühlingsnacht hat mich wieder rausgerissen. Es muß eine Nische geben zwischen offiziellem Kleistpreis und digitalem Handschriften-Generator. Kleist von außen. Kleist von Innen. Ich stifte eine Original-Fälschung in Herzbluttinte und am Ende liegt sie zwischen anderen Lesezeichen, gedruckt und digital dahingekrietzeltt. ich hätte als Preisträger auch nach dem Quartettspiel gegriffen. Behalten Sie ihren Hammer. ja, war ein feiger Rückzug, aber der Rahmen stimmte einfach nicht. Wie kann ich eine Handschrift schätzen, wenn vorher digitale Fonts a la  KLeist gehyped werden? Est ein Unterschied, ob man auf Knöpfe drückt, wenn man Worte macht oder ob man sich in etwas hinein versetzt, die Zeichen nachfährt, die Bewegungen en miniatur erlernt, die Bögen, die Winkel der Zeilen und ihre Abstände. den Schwung, das Innehalten. beim Schreibe begreife ich. beim Schrift-Stellen verfertige ich meine Gedanken. und wenn ich einer fremden Hand folge, begreife ich mehr von der Fremde.

Zurück in Lichtenberg festgestellt daß der Kühlschrank leer ist.  Deshalb Kürbissuppe im Jelängerjelieber.

13. November. Frank und Bommel wollen mich in berlin besuchen und mit mir zu zum Weihnachtssingen von Union gehen. Überschwängliches Vielverspreche. Ja das machen wir. Beinahe Tickets bei Ebay gekauft, Gar nicht so teuer. schien einfach. Die waren aber von 2018!! Habe das Projekt outgesourct. daß schon abgelaufene Karten was kosten im Netzt nimmt mir dennoch die Hoffnung.

12. November

Die M. sagt, ohne dass ich es erwähnt hätte, sie liebt die Novembertage an denen man nicht alles sieht auch. Sie trägt eine Brille, aber habe lange keine getragen, weil man manchmal die Welt nicht bis ins letzte Detail sehen mag. Plötzliche Erinnerung, daß ich auch mal eine Brille hatte, ich wollte sie auch, sie machte sich gut im Deutschleistungskurs, aber ich verlor sie sehr schnell. was ich nicht michte war ebenfalls, daß plötzlich alles so tiefenscharf war. Und man will sich in diesem Alter uch nicht bis in die letzte Pore des Gesichtes sehen. Man drückt nur darin herum.

Auch die Welt in  HD mochte ich nicht. Wenn Film nicht Illusion ist,  Licht und Schatten, kann ich auch ins 3-D-Kino gehen. Und das ist sogar noch mehr Illusion.

Neukeferloh, 11. November 2021

es ist sehr viel Zeug in diesem Haus. Das Entsorgen von Stapeln von Schöner-Wohnen-Zeitschriften zum Zweck des schöneren Wohnen. Nachts zum Altpapier-Container am alten Postweg, Kann mir nicht vorstellen woher der Weg seinen Namen hat, denn es war hier nie eine Post. Erst waren die Reihenhaussiedlung dort  mit den Gärten zum Wald hin. und eben demsem winzigen Kiesweg, namens „alter Postweg“. nihct einmal Briefkästen sind hier. Es riecht nach Lagerfeuer, obwohl die Luft förmlich trief vor Nebel und Nässe. vieleicht riecht es nach gelöschtem Feuer. Das schöne Wohnen verschwindet durch den schmalen Spalt  des Containers. wieso kann ich hier Aufräumen und zuhause nicht. Ist Zuhause da wo man keine Stauballergie ha, wenn man alte Zeitungen zur Hand nimmt?

Neukeferloh, 10. November 2021

Durch das schräge Dachfenster sehen alle Sonnenaufgänge schön aus. altrosa Himmel im Süden, im Westen Blutorangenrot mit dem darübergekritzelten Schwarz des dürren Bäume. Wollte die Klopapierbotschaft des Vaters fotografieren und mußte feststellen, daß der Satz ganz anders geht. es heißt nicht „Billig ist die Gegenwart“, sondern „Billig ist DER GegenWERT“ . Vielleicht könnte ein Kompromiss lauten, daß die Gegenwart nichts kostet und die Vergangenheit der Gegenwert ist. aber es ist noch zu früh am Morgen, um so was durch zu denken.

Neukeferloh, 9. November 2021

Sonniger Garten, beinahe Windstill. die Wasserlache vom Gartenstuhl kippen, ein vermeintlicher Rest bleibt und zerschellt wie Glas auf der terrasse. Kein Wasser, ein Hauch von Eis.

[…]Der Vater mag immer im Garten sitzen, aber es sieht draußen schöner aus als es sich anfühlt.  „Es ist kalt!“ im Minutentakt steht er auf und verkündet, daß es kalt ist, geht ins Wohnzimmer zurück, macht fast augenblicklich kehrt, als hätte er etwas vergessen im Garten, setzt sich wieder. Zwei Minuten lang friert er nicht und genießt die Sonne auf dem Gesicht. „Es ist kalt!“, stellt er beinahe empört fest und geht wieder.  Abends schreibt er  – weil es gerade zur Hand war – auf ein Stückchen Klopapier  mit Kugelschreiber „Billig ist die Gegenwart“.

Bahnfahrt, Berlin-München 5. November

Der Zug hält mitten über der Elbe. Zugbrücke. Eisenbahnbrücke „zugbrücke“. die Elbwiesen, nach Osten hin in gedeckteren Farben. der breite windige Fluss, das scheinbar flache Wasser, eienseits grau -andererseits, gen Wesen tiefblau zwischen herbstlichem Schilff,  Blätter Bäume, Auen.WIttenberg. Schloßkirche sieht in diesem Licht aus wie der  dunkle Turm vom Ostkreuz

Berlin, 2. November 2021

Habe das Gedicht nochmal gelesen.Herr von Ribbeck ist ein großzügiger Adeliger, der Kindern Obst schenkt. er hat immer eine Birne in der Tasche und ruft den Kindern hinterher, ob sie eine wollen.

Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste ’ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ’ne Birn.

[…]

Einfach ein  netter Mensch? Einsamer Witwer, der Anschluß an die Jugend sucht? Planmäßger Wohltäter? stelle mir ihn mir heutzutage vor. Ginge da ein ein reicher alter Herr mit Süßigkeiten durch die Stadt und quatschte Kinder an, könnte er gar nicht so schnell gucken wie er eine Anzeige am Hals hätte. Und mit Birnen könnte man wahrscheinlich auch kein Kind über die Straße locken.Vor allem in meinem Kiez nicht, wo eh alle veganen Supereltern ihre Biokisten von Wurzelwerk beziehen und  die Kinder keinen Mangel an Bioobst haben dürften. —  Dabei ist er tatsächlich wohl ein netter Mensch. Und vorausblickend. Am Ende  nimmt er eine Birne mit ins Grab, aus der wächst ein neuer Baum und weil seine Nachfahren kein Gratis-Obst an arme Dorfkinder verteilen, gint es eben den Baum auf dem Friedhof, der Früchte trägt. ohne Auflage, ohne Strings attached. Allerdings ist der Originalbaum in Ribbeck  wie gesagt morsch und marode gewesen und mußte gefällt werden.

***

gestriger Abend  noch sehr schön. Halloween vom Imbiss aus, sehr entspannt. Da ich auch eine potentiell gern gebende Süßigkeiten-Verteilerin bin, jedenfalls an Halloween, war mein einziges Bedauern, abends nicht zuhause zu sein. An der Tanke Saure Kracher von Haribo gekauft. Kind (ENgel? Prinzession? guter Geist?) auf Schultern im vorübergehen, schielte zwar nach meinem gülden verpackten Glückskeks und krähte „Süßes sonst gibts Saures!“, war aber noch erfreuter über die bunten Kaubonbons. sein Bruder wollte auch. hab ihn auch zugreifen lassen, obwohl er höflich fragte, anstatt wie es sich am 31. 10. gehört laut zu krakelen.

Berlin – Ribbeck, 1. November 2021

Ausfahrt allein, aber mit der vagen Verabredung, den ebenfalls im Umland  herumfahrenden G. in einem Cafe in Ribbeck zu treffen.  Nicht klar wann. Und ob. will eigentlich nicht verabredet sein. auch das heimliche Doch-Erwartungen-Haben bei einer Mal-Sehen-Ob-Man-Sich-Sieht-Verabredung, gilt es zu vermeiden um jedne Preis. Hatte ja auch nur so für mich, irgendwo außerhalb der Stadt einen Kaffee trinken wollen und schreiben.. Ribbeck sei nah. Nie dort gewesen. ein paar zeilen aus einem Gedicht hervorgekramt. Ribbeck, war da was mit einem Birnbaum auf dem Friedhof, in dessen Zweigen es wispert? Okay…Warum nicht in Richtung Ribbeck und mal sehen. 85 km über die Autobahn hat mich das Navogationssystem gelenkzt. vielleicht weil sich alles andere so unschärferelativ anfühlt. ich kenne den Ort, aber nicht die Dynamik. deshalb  wenigstens der Frau von Googlemaps blindlings gefolgt. warmer erster NOvembertag, viel zu dünne Jacke, trotzdem warm.  Himmelspanorama. wenige Wolken. Fast vergessen, daß Halloween ist. Obwohl ich von exzessivem Konsum amerikanischer Serien gebrieft hätte sein müssen. Überall spielt sich der Feiertag ab. Und es ist erwähnt worden, daß die Welten – unsere Wirklichkeit und das Jenseits dieser Welt, heute sehr nah beinanderliegen sollen. die Scheidewand sei dünner. Durchlässiger. Fahrt über den Ring und die 10 bestätigen dies – Atemberaubender Horizont. scheint die These zumindest zu  unterstützen. zart gesponnen und trotzdem wie unter einem Brennglas. die letzten Kilometer Landstraße. weite Felder. Windräder überall. Ribbeck… hat mich G. wieder auf Fontanes Spuren gelockt. Cafe Theodeor rechterhand, aber links liegen gelassen.  Cafe zur alten Schule. aber all sitzen im Garten. drinnen – es ist mir jetzt doch etwas kalt von der Fahrt – nur wenige  Tische und alle entweder reserviert oder voller Geschirr und abgestellter Tabletts oder beides. den einzigen freien Tisch hat ene sehr alte Dame. wollt emich dazusetzen aber Ihr Enkel, der gerade für Torte und Kaffee anstand, scheuchte mich höflich weg. ansonsten freundlicher  Raum.. Dorfschulzimmerchen. die Speisekarte ist in ein schwarzes Oktavheft mit  3klässler-Linierung geschrieben. Schulspeisung steht drauf. darf dann doch an einem reservierten Tisch sitzen mit einem Coffee-To-Jeder-Zeit-Go. schräg gegenüber sitzt die Dame mit dem Enkel. Musterschüler. Er ist wahrscheinlich Ende zwanzig oder sogar älter, aber wenn er nicht so um Verständlichkeit bemüht von geschäftsbeziehungen zu den Saudis reden würde, würde ich ihn trotzdem für einen Abiturienten halten. Klassenbester. wohlerzogen. Start-Up-Typ. „Du weißt ja, daß ich in Saudi war…“ erzählt er der Oma. „In Saudi“. es klingt, als hätte er gesagt Ich war grad bei Kaufland oder ich fahr nach Ikea. Ich bleib nicht lang, aber gerade noch rechtzeitig um G. doch noch zu sehen, der gerade mit dem Motorrad ankommt. Punkereignis. Birnbaum angesehen. Es ist ein sehr kleiner Baum, der alte ist wohl morsch gewesen. der aktuelle Baum ist eien Spende einer Baumschule. Was gesucht, wo man essen kann. das Cafe im alten Waschhaus gleich gegenüber der Kirche, keine 150 Meter von der Schule – zu volle Terrasse. Hollywood-Schaukel-Gefühle;  die kleinen Skelette, stoppelhaarig, weiß geschminkt, die Prinzessin in Gummistiefeln und mit riesigem EInkaufsbeutel in Nauen, die versandende Straße hinter dem geschlossenen (nochnicht in Nauen), rechts Göten und links Gärten,  neue Häuser. am Zaun aber an der Straße saß eine FRau auf einem Campingstuhl neben einer Feuerschale. ein schwarzer Hund im Nachbargarten gegenüber kläffte (wegen der Motorräder). am Zaun standen steif und würdevoll ein junges Mädchen mit hochgestecktem Haar, gekleidet wie eine Soon-To-Be-Bride in einem Amish-Prople-Dorf. sehr blass, neben ihr ebenfalls sehr wprdig und stocksteif, ein Junge in Rot. weiß nicht ob er Feuerwehrmann war  oder The Flash. fuhr noch wenige Meter weiter, aber die Straße endete wirklich im Nirgendwo, umgekehrt, imme rnoch kläffte der Hund und das Grüppchen stand still ohne die Mine zu verziehen. Sonnenuntergang. Schönstes Halloween seit langem. Die vielen Windräder . nah und fern leuchten  jetzt rot auf. alles ist tiefblau und  rot.  die Ampel, die Augen der Windräder. Höllenhündchen mit rotem LED-Lechtband und G.s Rücklicht. immer fährt er schneller als ich will.  wenn sich AUtos zwischen uns drängeln ist noch mehr rot. wenn die Windlichter aussetzen, ist die Welt dunkel. obwohl sie dauerblinken ist es jedesmal ein Schock, daß die Landschaft verschluckt wird für den Bruchteil einer Sekunde.

***

Der Rückweg führt durch die Stadt. es sind jetzt nicht einmal 50 Kilometer. Ankommensbier auf Biergartenstühlen vor dem Victoriaimbiss, neben mir wächst Bambus oder Schilf. Auch die Kaskelstraße ist voller kleiner Skelette und Engel. „Was machst Du Morgen?“, fragt G. just in dem Moment, als ich die Botschaft in meinem Glückskeks lese: „Morgen wirst Du für alle Essen kaufen“

Berlin, 27. Oktober 2021

„Phil Collins muß wohl unter Eid über seine Körper-Hygiene sprechen.“ reibt mir mein email-account-Provider unter die Nase, bevor ich meine Mails abrufen kann.   Ohhh…. think twice! Bin  beinahe neugierig wieso und und in welcher Form. lese den Artikel aber nicht. es kann nicht so gut sein, wei ich es mir denke.

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Herrlicher Herbsttag. Vertragsunterlagen für ein Stipendium der VG-Wort zum Potsdamer Platz gebracht. Wollte weiter hinaus fahren Richtung Wannsee und den Tag draußen genießen, aber die Stadt schien heute  zu groß. Rückfahrt. Stattdessen Halt an der Grüner Oase des Friedhofs an der Greifswalder Straße, wo Jan S. begraben ist.

Es ist nicht kalt, aber trotzdem: aufgewärmt in dem kleinen Cafe. Wenn man den Tee draußen trinkt an den kleinen runden Cafetischchen, säße man tatsächlich auf dem Friedhof. Drinnen Neo-50-er Jahre schick. War hier mal ein Blumenladen? Brauchen die Menschen keine Blumen mehr, wem Sie auf Friedhöfen zu Besuch sind? Veganen Kuchen gegessen, Bananenbrot. Es schmeckt – wie Jan S. einmal über veganen Joghurt sagte: Trostlos.

Das Grab kaum wiedererkannt, hatte es steinern in Erinnerung, bzw. Voller Steine, kleiner, bunter, grauer, Ostseesteine, auch Muscheln darunter, Heramikscherben…jetzt beginnt Efeu darüberzuwachsen und zarte grüne Blättchen und Thymian … – und nun  die gelben gefallenen Blätter des Herbstes. Wenn man sie herauspflückt, ist das wie jemand ein Irgendwas aus den Haaren pflücken, vielleicht weil man ein ordentlicher Mensch ist oder das frmde Haar gerne berührt?

Die handverlesenen Blätter in den Motorradhelm gestopft. Ein Mann von Grab nebenan, rät: “Nicht versehentlich aufsetzen!”. Ich glaube ich kenne den Mann, er hat mir vor einem Jahr mal seine Frau vorgestellt, also dem Grab seiner Frau. Ich bin mir aber nicht ganz sicher. Dann etwas höher gelegener Platz am Rande, in der Sonne. Gegenüber ein Hochhaus, in dem danebene hab eich ml gedreht. Ich war die mißhandelte Mutter eines Rappers in einem Musikvideo das in den 70er Jahren spielte. Ein schöner Dreh. Neben dem Hochhaus Leuchten die Bäume in frühlingshaftem Grün, das nahtlos übergeht in gelb und Orange dahinter nicht allzu weit weg aber doch wie entrückt die Glasfassade des Parkinn. Der nicht getäfelte Himmel, in neinahe gleichem Blau und knapp dahinter der Fernsehturm. Er sieht aus wie ein umgedrehter Chupa-Chups-Lolli, der auf einem Schornstein balanciert. Silbrig und bunt scillernd wie Staniolpapier, da wo die Restaurantfensterfront um de Kugel sich legt wie ein Band. Gefühl wie ein Tag kurz vor Frühling. Mit den Farben von September. Wieso fühlt sich die Erderwärmung so gut an? Wieso stimmt sie so milde?  „… just another day for you and me in Paradise…“ Beinahe… tröstend. Eine Mutter schiebt schnaufend ihren Kinderwagen bergan. wieso muß ich an Sisyphos denken? – – –  Ich glaube ich will mehr Menschen von früher wiedersehen. Bevor sie am Ende  plötzlich tot sind.Bei Verlassen des Friedhofes gesehen, daß man vor dem Cafe noch immer Blumen kaufen kann. Aber nicht viele.

Berlin, 26. Oktober

Man findet kaum mehr Büroklammern mehr in der Stadt.  am Boden. Vielleicht war es eh ein Wunder, daß immer so viele auf der Straße herumlagen. Hatte immer überlegt, bei welchen Gelegenheiten die verloren gingen: weil man schnell Papiere, de man kopiert hatte, Unterlagen vom Copyshop nach hause trug, ohne sie in die Tasche zu tun? Oder sie sich in Aktentasche lösten, eine Weile im Bauch des Innenfutter-Bauches der Tasche herumtobten zwischen 5-Cent-Stücken. Sicherheitsnadeln und Pfefferminzbonbons, bis sie versehentlich mitgegriffen wurden, weil jemand nach dem Klimperrest am Boden kramte und die Büroklammer entkommen ließ. Streuten sie Hänsel und Gretel , um den Weg zurück zu finden? brauchte sie jemand um das Simkartenfach des Hanies zu öffnen und warf sie dann weg, weil sie (wenn es sich die mit Lack handelte) als nutzlos erwiesen? Wie auch immer. Man findet kazum mehr welche. Vielleicht eine Begleiterscheinung der Home-Office-Zeit, eine Corona-Nebenwirkung. Auch gibt es kaum Postämter mehr. Es wird nicht mehr viel Papier verschickt.

Manchmal findet man doch noch eine. Eine Büroklammer. Die Ketten der gefundenen und neu verhakten Klammern, selbst in den Trümmern des Checkpointes in Gaza fand ich eine knallrote – hängen über meinem Schreibtisch. Nie kaufe ich neue Klammern, sondern verwende die gefundenen. Früher wurchs die Kette (trotz regem Gebrauch von Büroklammern, seit zwei Jahren aber,  wird sie kurz  und kürzer. Und nur weil offensichtlich auch ich nicht mehr so viel Büroklammern verwende,  exisitiert noch ein trauriger Rest.

 

17. August.

Unglaublich tolles Interview mit Michail Gorbatschow auf ARTE – jedenfalls zu einem dreiviertel Teil war es hinreißend. ich habe selten so eine großartig Kamera in einem Portrait gesehen, man schien ihm nah zu sein und trotzdem war er wie eingesponnen in die Dunkelheit seines Wohun –  oder das Lichtdurchflutete Esszimmer. Er wirkte fremd, er war alt, qualvoll langsam bewegte er sich mit dem Rolator durch ein auf Lebenszeit zugesprochenen Haus irgendwo vor Moskau.es hat mich berührt, denn obwohl man die Qualen des Alters spürte, das Scheitern seiner Reformen, der Verzweiflung über die EInsamkeit,  im Großen und Ganzen zufriedene mit sich und wenn nicht mit der ganzen Welt doch mit seiner Rolle ind er Welt. nicht Selbstzufriedne, nicht eitel, aber bescheiden-selbstbewußt.

 

ich habe mich erinnert an eine frühe reise in die damals noch UDSSR, gleich nach dem Abitur , eine Reise, die ich nicht hätte tun können ohne die Politik Gorbatschows. damals interessierte mich Politik nicht so sehr. Aber Gorbatschow war der positive Held in ihr. ich fand es  cool dorthin zu reisen wo man nicht ohne weiteres hätte gelangen könnnen bisher. eine Busreise durch  Russland, das noch nicht (wieder) so hieß. Leningrad. Moskau. Kiew.  – selten kam man mit echten Menschen dort in Berührung, einmal schimpfte eine alte Frau mit Kopftuch auf mich ein, weil ich durch die Straßen Moskaus Walkman und  Kopfhörern in den Ohren ging. ich wünschte ich hätte ihr sie hingehalten, die Straßen bei Regen und Bachs f-moll konzert, svielleicht wärs okay gewesen. ich eerinnere mich aber auch an Spaziergänge vom Campingplatz hinaus aufs LAnd, durch Birkenwälder  auf kleine Holzhäuser zu. wenn man klopfte gingen Türen auf und Leute waren freundlich und viel höflicher Trubel war. meine Freundin und ich fühlten uns wie wohltäter, weil wir Kugelschreiber und Plastiktüten mit hatten als Gastgeschenk, von denen es geheißen hatte, daß sich die Menschen freuen würden. Möglicherweise war es peinlich, aber meistens macht man eh alles falsch. wie in Kiew, da sprachen wir in einem Lokaleine lautes Prost aus auf Gorbatschow und dachten, das einte uns alle. Wir hatten uns nicht vorstellen können, daß man „Gorbi“ im eigenen Land anders sah. Und Gorbatschow hin oder her,  ich suchte heimlich ja doch eher das Russland Anton Tschechows. und ich kam seltsamerweise auf  meine Kosten. eben in jenen Birkenwäldern außerhalb mit den Datschen die da plötzlich auftauchten, schlicht und ergreifend. die langwierigen Selvies von damals per Selbstauslöser. es gab so viel zu fotogrphieren. Ich habe niemals wieder so berührende Museen gesehen. das Haus Tschaikowskis… war kein Museum, sondern eine WOhnung, in der man das Gefühl hatte, er könnte jeden Augenblick durch die Tür kommen. das Gut Leo Tolstoi’s lag nicht auf der Route, aber der Reiseleiter, ein mürrischer  alter Wiener namens Josef ließ einen Umweg machen. Tolstoi schien nicht durch die Tür zu kommen. es war klar, daß er tot war, aber der herrschaftliche Landsitz wirkte, als habe ihn der Tod des Dichters überrascht. die Tafel mit dem Tischtuch aus Leinen oder wilder Seide, schien gedeckt, um zu trauern. die Holzdielen waren die selben , auf denen er gerade eben noch (vor 111 Jahren) gegangen war. – klingt kitschig, aber ich war niemals wieder so bewegt von historischen Orten. es ist ein Unterschied, ob man rote Absperrbänder vor verschlossene Türen stellt und Acrylglastafeln desingnt mit Lebensdaten oder ob man die heimliche Tür in einen verlorene Zeit öffnet, obwohl sie weit weg ist von den Idealen der politischen agenda. Es hattemich überrascht, daß diese historischen Orte weder kleine Puppenstuben waren, bemührt konserviert, noch überfrachtet waren mit dem Kontext der gegenwart. oder übersah ich die sozialistische Lesart der alten zeit? es öffnete sich einfach ein fenster in die Vergangenheit, nicht mehr nicht weniger. kein Drumherum. 1989 war das. – ich schweife ab. Ich habe die Reise Gorbatschows Perestroika zu verdanken. und meinem Abitur und meiner Freundin Sigrid, die als erstes gebucht hatte und ich neidisch war und mich mehr oder weniger drangehängt hatte.  – – – was hat das mit dem heitigen Interview zu tun???  hatte das Gefühl, ich bekomme ein Mosaikteilchen meiner Kindheit  im nachhinein in die Hände gespielt. heute interessiert mich Politik. der gescheiterte Sozialismus mehr als die Tschechow-Welt; die ist weit weg. nun entdecke ich einen vermeintlich gescheiterten Gorbatschow, aufgedunsen, freundlich, langsam, alt, kaum wiederzuerkennen, wäre das rote Mal an der Stirn nicht, eine Landkarte, ein Vogelschiß. ich sehe ihn essen Gedichte rezitieren, über die Liebe reden und über die Freiheit, die – wenn man zu viel über sie redet eigentlich nur so etwas wie Selbstbefriedigung ist. cooler Spruch?  – Ist das so? vielleicht. aber dann macht man  was falsch beim onanieren. es ist doch so was wie: alles dürfen, weil keiner zuguckt. oder mitmacht. die wahre Freiheit ist, wenn man alles riskiert. die Umarmung, die Schritte über die  Grenze .  Glasnost, ein Liebesakt??? er sprach viel von der Liebe. und er sagte, er sei vielleicht von alle den Staatoperhäupern… Lenin, Stalin und co der einzige wirkliche Sozialist. ich glaubs sofort! das berührende war, daß dieser alte einsame Mann beides vereinte, die verlorene russsiche Seelenwelt, von der ich dachte, sie sei nur bei den Dichtern zu finden, aber wie ich jetzt weiß, es gab sie auch in den 90er Jahren. der realexistierende Sozialismus, wußte zumindest ,daß da was vermißt wurde. auch in Moskau ließen mich die Sicherheitsleute auf den bewachten Friedhof, den ich nicht hätte betreten dürfen; sie standen starr und unnahbar vor dem Tor und als Tourist jenseits der Tour, durfte man nicht rein. Aber dann doch,  weil ich mit viel Seele den  Namen meines dort begrabenen  Lieblingsdichters sagte,  inbrünstig und mit einem pseudo-russischen Slang. „Anton Pawlowitch Tschechow, pertschalustaaan….!“

Und nun sehe ich den alten sentimental werdenenden Mann, der den kalten Krieg beendet hat, wie er selbst inbrünstig alte Gedichte zitiert und die Triebfeder der Welt herunterbricht auf die Liebe zu einer Frau…  erst im zweiten Teil kommt er zur Sache, dann wird es noch spannnender… .und im dritten Teil plötzlich schämt man sich fremd. die andere Seite der Alterseinsamkeit nimmt überhand. er verläßt sein Haus und geht auf eine Silvesterfeier und man will nur, daß er wieder geht und seine qualvolle Würde in den eigenen vier Wänden bewahrt. aber vielleicht ist es doch zu viel. manchmal will man nur einfach ein Bier trinken.

***

Ansonsten: im Garten gearbeitet. er ist fast ganz verwildert.  fand das Grab meines Wellensittichs nicht mehr und dachte, der Stein sei entfernt worden, aber es war unter Efeu verschwunden und abgestorbenen Tujen-Ästen, hinter chinesischem Schilf und Brennnesseln. Erobere ich mir meine Kindheit zurück? trauriger Versuch, aber überglücklich.

16. August. DIe Taliban zurück in Kabul.  dachte lange sie seien nur noch Kindergärtner  für die Nachfahren der IS-Leute. amerikanische Fernseh-Serien belehrten mich bereits letztes Jahr eines besseren. Hat denn niemand in der Regierung die letzte Staffel „Homeland“ geguckt? hätte man nicht ein Gespür haben können, was passieren kann?   „Es ist nicht die Kunst die das Leben kopiert, es ist die Wirklichkeit, die das schlechte Fernsehen zitiert“, sagte mal jemand in einem Woody Allen-Film. – aber das ist eins der vielen bewissenden „Hätte-Hättes“, meins ist nur ein Second-Hand-Hätte.

August 2021

[…]

ich habe die „Aktualität“ aufgegeben zu gunsten meines Romans – und Illustrationen für ein Filmprojekt. hab auch nicht wirklich was „zum Sagen“ in der Wirklichkeit. das erste das mir einfällt ist Wetter. Es regnet viel in den Augustnächten.ein beruhigender Regen fällt. liege am offenen Fenster und jeder Tropfen, jeder Sturzbach tut gut.  Tagsüber ist Sommer. der Irlandurlaub mit G. wird nix. wir fahren vielleicht einfach so los. ich ahne aber, daß viel Logistik bedacht sein wird. ich führe lieber einfach auf und davon. anstrendes Jahr. seltsamerweise ergibt sich, daß ich mehr zu tun habe denn je. der Alltag rutscht dafür weg. nicht mal aufs Stadtfest habe ich es geschafft, daß – kurz vor dem Regen – noch vor dem Fenster tobte. Dachte es wäre lahm und uninteressant, aber tatsächlich rockte eine Beatlesund – Alle- Anderen-Hits-Band ziemlich mitreißend. begleitet von spitzen Groupie-Schreien. wünschte ich wäre hin.

alles wa sin den letzten zwei Monaten war, kann ich nur noch stichwortartig rekunstruieren…. oder man läßt es fallen wie den regen

[…]

14. Juni, Neukeferloh

Es wohnt eine besondere Maus unter der Holzverkelidung des Hauses meiner Eltern. es haben dort schon imemr Mäuse gewohnt, und von dort aus gibt es Wohnprojekte weiter oben im Rolladenkasten. seit Jahrzehnten hört man sie dort, nie wurde man sie länger los als eine Weile, aber nie sah ich die Mäuse. diese eine ist nun wahnsinnig cool, läuft ein und aus am hellichten Tag und dreht lustige Runde um den Esstisch im Garten. sie benimmt sich wie eine Zeichentrickfilmmaus und hat auch tatsächlich überdurchschnittlich große Augen. Tendiere dazu den Kampf gegen die Mäuse aufzugeben. man gewinnt ihn ja eh nie, so kriegt man wenigstens mal was geboten.  ob es eine Strategie der Mäuse ist? eine Vorzeigemaus vorzuschicken, eine wiedererkennbare, man sieht immer nur diese eine und denkt, diese eine einzigartige kann man schon in Ruhe lassen. und man vergisst wie viele in Wahrheit dort Hausen. das insgeheime Knuspern und trappeln hinter dern Wänden, die anonyme Plage hat plötzlich ein Gesicht mit riesigen Augen und zwarten Schnurrbarthäärchen.

13. Juni

Nicht daß es mich interessiert, aber ich blieb dann doch Hängen an der Zeitungsauslage bei Edeka, an den drei in ihrer Natürlichkeit gefrorenen Damen auf der Werbebroschüre :

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„Sofortige Mimik-Glättung mit Deinem „Bio-Botox“ Original.“ Wow. ich dachte Falten sollen weg, aber daß auch die Mimik unerwünscht ist, wußte ich nicht. – ja, okay, auch auf dem Theater ist zu viel Mimik zuweilen schrecklich, jedenfalls wenn sie nicht von Innen kommt (o weh, „von innen kommen“ – klingt auch schon nach Kosmetikbranche). Mußte an ein Vorsprechen beim Max Reinhardt-Seminar denken, vor Urzeiten. Unmengen von Schausüielschülern in spe warteten in der Halle des Instituts darauf aufgerufen zu werden (Ich war Nummer  541). Alle waren aufgeregt und es hatte sich eine unruhige Stille ausgebreitet und eine fast unerträgliche Anspannung. Plötzlich sprang ein Anwärter auf mit einem theatralischen „Oh nein!“ und panischen Schrecksekunden danach, um dann in ehrlicher Verzweiflung zu erklären: „ich habe vergessen Mimik zu üben!“

Ob die Bio-Botex-Frauen, – nachdem sie ihre originale stillgelegt haben – auch Minimk üben müssen, für den Fall, daß sie sie dann doch ausnahmsweise brauchen. An Geburtsatgen um Überraschung zu zeigen. oder  Stirnrunzelnwenn, wenn etwas nicht politisch korrekt ist?

12. Juni, Dreba

Irgendwo hinter dem Haus mit der Schieferdachkruste sitzt ein fröhlicher Mann wahrscheinlich auf einer Hollywoodschaukel und singt etwas lallend, ohne Absicht jemnd dmit zu beeindrucken so vor sich hin. Die Schaukel sieht man nicht, nur seine Füße in Wollsocken, die auf dem Höhepunkt der Schaukelbewegung herausragen und sich strecken. also weiß ich nicht ganz genau ob die Füße auch zu dem gehören der singt. aber Gesang passt auf alle Fälle zum Schaukeln.

 

Berlin, 4. Juni

Es fällt mir schwer zu schreiben. die Rechtschreibung, vielleicht sowieso ein in Kauf genommenes Markenzeichen dieses Blogs, ist so schlimm geworden, daß ich nun doch versuche zu korrigieren. ich habe aber immer bewußt alles weitgehend so belassen wie es in die Tastatur gehackt wurde. wenn man erst anfängt zu korrigieren nimmt das „Gut-Dastehen-Wollen“ kein Ende und die direkte ungefilterte Wucht der Eindrücke ist weg. Aber Stammeln und Stottern ist auch keine Wucht. ich bin daher jetzt langsamer.

Berlin, 3. Juni

Wieder Zuhause. das geöffnete Fenster zur Hoflandschaft. Das Bett das beinahe übergeht in den Sommer vor dem Fenster. einen Steg gebaut der so weit ins Freie ragt, daß man, wenn man darauf liegt HImmel über sich hat. Schwalben zählen. die Türkentauben hören, die nur eine einzige Melodie beherrschen, fünf Töne, eine Terz, nur der Rythmus ist interessant. alle Tauben im Umkreis unterhalten sich mit diesem einen Motiv, manchmal brechen sie vor dem letzten Ton ab oder beginnen mit dem zweiten. es klingt öde und unendlich vertraut, es nervt ein bißchen, aber es beruhigt noch mehr. ob es in Wirklichkeit kompexe Gespräche sind, die ich nur nicht verstehe, ob einem Nuancen entgehen, weil man nicht richtig hinhört? Unten bei den Fahrradstädern steht eins das schon lange unbenutzt ist, Blätterranken haben sich drumgeschlungen, seltsamerweise nur um dieses eine Rad, meines daneben, auch seit Jahren ohne Aufgabe wurde nicht  berührt. Vielleicht aus Respekt weil es das letzte  DDR-Rad weit und breit ist. auf dem Balkon des blauen Hauses telefoniert einer, der heute Geburtstag hat und bedankt sich für einen Gutschein und sagt, daß er sich schon total freut darauf ihn einzulösen.  Es klingt überzeugend aber er telefoniert so schon den ganzen Tag. es ist mehr oder weniger immer das selbe Gespräch. so viel Vorfreude. und immer klingt es wirklich ehrlich. vielllelicht ist es wie bei den Tauben. man weiß einfach nicht wirklich worum es geht.

 

Mai

Es hört nicht auf in Gaza. A. die als Übersetzerin und Assistentin am Theaterprojekt auf Gazaseite mitwirkte, die im Publikumsteil, der mir so wichtig war alle virtuell durch ihre Wohnung führte bis wir etwas darin fanden, das uns für die erste Geschichte inspirierte, wohnt neben einem Haus in Gaza, das bei einem Luftangriff zerstört wurde. Ihre Wohnung wurde von der Druckwelle ebenfalls über mitgenommen. es ist alles noch da, aber die Fenster sind zerbrochen. Die Rahmen aus der Wand gedrückt, die Türen kaputt. Alle fanden ihr Zuhause so schön, so intakt so ordentlich. am ersten Abend fanden die Zuschauer (bei der ersten Auffürhung) einen Strauss Tulpen in ihrer Küche – die ist total verwüstet jetzt. bei der zweiten Aufführung waren es die Leuchtsterne, die Ramadandekoration an den Gardienen. 

12./13. Mai

geträumt, daß ich im Ort meiner Kindheit bin. Johann Hackl Ring. war HImbeeren pflücken am Waldrand. Nachrichten lagen in der Luft, etwas von … (Raketen in Gaza ?, bin mir nicht sicher), es war nur klar, daß eine große Gefahr herrschte. ich sollte nachhause, flüchtete mich aber stattdessen ins Kino – vielmehr in einen Woody Allen Film. der Film lief leer, aber die Figuren in ihm liefen mir über den Weg. Es muß „Verbrechen und andere Kleinigkeiten gewesen sein“, ich sah Alan Alda auf einer Party, wollte in ansprechen, aber er war immer weg, sagte er hätte jetzt frei. im Freien brannte der Himmel. es sah atemberaubend chön aus, war aber gefährlich. War wieder in der Straße meiner Kindheit und sah brennende Bruchstücke vom Himmel fallen. Schlechtes Gewissen, zu lange fort gewesen zu sein. Haus (war es das des HÄnisch?) mit großem Panoramafenster leuchtete auf in der Dämmerung, ein blauer Blitz und zwei menschen verkohlten eine Fernbedienung in der Hand, ihre Silhouette zerbröckelte. Ich rannte nachhause, erleichtert sah ich ,daß das haus meiner Eltern heil war. Angst, weil die Mutter gerade ebenfalls am Fernseher herumwerkelte. ich dachte sie wolle Nachrichten sehen, was los ist. Ich wollte sie abhalten, weil das fernsehen gefährlich schien. sie sagte aber, sie wolle den fernseher nur ausschalten. sie tat dies aber sehr umständlich. ich riss den Stecker aus der Wand – war aber im nächsten Moment wieder in dem Woody Allen Film. kleines Zimmerchen (in dem Film). ich war ünberrascht ein Zimmer zu haben in dem Film. WOody Allen kam herein, er trug einen Mantel dessen Fischgrätenmuster mich faszinierte, es war der selbs Stoff wie der meines Lieblingsmantels. wollte ihn fragen, woher er den Mantel hatte, aber die Frage schien mir unhöflich. aufgewacht.

pflücken am Waldrand

11. Mai

Hunderte, wenn nicht tausende Raketen  in Gaza und Israel. Wer hat angefangen? WIe immer falsche Frage. Wer hört endlich auf?! Und wieder wäre ich jetzt eigentlich dort. hätte das Goethe Institut die Fördergelder überwiesen, würde meine Impfung gelten, und ich könnte reisen, wäre ich vielleicht schon dort. außen vor sein kommt mir nicht heilsamer vor. habe zur zeit immer das Gefühl am falschen Fleck zu sein. wo wird man gesund? wo kommt man davon mit heiler Haut? wo steckt man sich an, wo vertrocknet man in der Keimfreiheit? Türen einrennen, gegen Wände, Kopfzerbrechen, Stillstehen, nichts tun. Decke anstarren.

 

April

Mann an der Fußgängerampel hält die geöffneten Handflächen unter das Gehäuse (da wo man drückt) und wartet auf Desinfektionsmittel, anstatt auf grünes Licht. (ich sah es nicht selbst, bekam es erzählt)

März/April

[In der Zeit der Proben und Aufführungen des letzten Theaterprojektes, ein  Projekt, das davon handelt wie lebenserhaltend Geschichten sind – und wie man ein „fernes Gegenüber“ erreicht.   ruht der Blog. EIn Projekttagebuch wird an anderer Stelle entstehen. Die letzte Vorstellung  unserer Adaption der Rahmenhandlung von „Tausendundeine Nacht“ ist hier zu sehen : “[2]Tausend [20] und eine Nacht“]

Berlin, 11. März

Gestern unglaublicher Regenbogen. Mit Motorrad in den Regen gekommen. bleigrauer Himmel, Fernsehturm wie metalliger Blitzableiter im Sonnenlicht, drumherum Gewitterblaue und grau. angekommen beim Edeka Friedenstraße, schien vom Boden aus aus einer Pfütze zu kommen und  spannte sich plötzlich der bunte Halbkreis über den Friedrichshain hinüber zu den Plattenbauten. Der Regenbogen sah beinahe künstlich aus. wie ein Gemälde (wie sie manchmal sich über eben solche Plattenbauten erstrecken, damit sie freundlicher aussehen.

Berlin/Windsbach, 10. März.

Schwalm. – Ich hatte es schon vor ein paar Tagen gehört, aber nicht gleich gewußt was sagen. Bisher habe ich noch niemand gekannt, der an Corona gestorben ist und auch jetzt wäre „Kennen“ zu viel gesagt. Gerne näher gekannt hätt ich ihn aber , den Schwalm. Erste Begegnung beim Ilios in Windsbach. ich war allein an „meinem“ Tisch gesessen, hatte ihn aber aufgeben müssen gegen 20 Uhr, weil er da reserviert war. wurde hinübergewunken zum Nebentisch, und da war er, der Schwalm. Schnauzbart wie Onkel Otto (der Zeichentrick Seehund des hessischen Rundfunks, der manchmal zwischen den Werbespots kommt), eine ergreifende Stimme, ich war sofort im Bann seiner Geschichten. Seine Stimme war tatsächlich schlicht und ergreifend. kein Geschwätz, kein Profilieren,  nix Zum-Besten-Geben; Meist wurde er aufgefordert „erzähl mal…“ und dann erst legte er los. Und er erzählte immer „auf’s Neue“, es klang, als wäre er selbst ergriffen und erstaunt von dem und über das was er erzählte. ganze Heftchen voll kritzelte ich mit an dem ersten Abend  und es war ein langer Abend. Vielleicht wurde auch zu viel Bier getrunken, denn am nächsten Morgen erwiesen sich die Aufzeichnungen als unleserliche Hiroglyphen. In diesem Blog tauchte der Schwalm nicht so oft auf, vielleicht weil seine Geschichten so aberwitzig und wild waren, daß ich sie am nächsten tag nicht mehr rekonstruierne konnte, oder ganze Bücher gefüllt hätten (un dJanosch hätte sie illustrieren müssen). Eine (die mit dem Fahrkartenautomaten in Heilsbronn, die damit endete, daß die gesamte Strecke lahngelegt war) habe ich dann einfach zum  Traum erklärt.

Der Schwalm lag, bevor er starb im Koma. ich frage mich was er dort wahr (und unwahr) genommen hat. Bestimmt etwas von den Menschen die  ihn besucht haben. Vielleicht war er aber auch in seinem egenen Lebensgeschichtskosmos unterwegs in diesem Zustand. ich hoffe er hat nicht leidne müssen.

Wenn er erzählte war man so sehr „in der Geschichte“, daß man hinterher nicht mehr sagen konnte, wie sie begonnen hatte. Und natürlich gab es Quereinsteiger, Zuhörer, die korrigierten, die die Erzählungen des Schwalm mit anderen Schwalm-geschichten verlinkten. Der Erzähl-Kosmos der Sheherazade aus 1001 Nacht ist nix gegen das Leben des Schwalm! (und mit Sheherazade befasse ich mich gerade viel. allerdings erzählte sie sozusagen „Um ihr Leben“, der Schwalm schien mir aber ganz einfach ein Ausbund von Leben selbst zu sein. freundlich, abenteurlich,  von diesem Leben aber weiß ich nicht viel. und bevor ich rumrede oder dummsch(w)ätze ins Blaue hinein, dachte ich mir: vielleicht liest das hier jemand, der ihn besser kannte, oder der sich an eine Geschichte besser erinnert. Daher: Liebe WindsbacherInnen, wer sich an eine Schwalm-Geschichte erinnert, habt Ihr Lust, sie hier zu teilen? mit Namen oder anonym. wie ihr wollt. Wer keine ganze Geschichte weiß, kann auch gerne einfach was anderes Nettes sagen. Ich hab noch sein „Waggerla“ im Ohr. EIn fränkischer Audruck für „Kindchen, Mädchen“ .  Wußte nie, was es bedeutet, vermutete etwas Antiquiertes, nicht im Sinne der Emanzipation. Fands immer super.

Zusendungen an sachs-film@web.de

Berlin 9. März.

Der Artikel in der FLZ ist erschienen. Mit Schrecken festgestellt: ich rede zu viel über ungelegte Eier! Ich muß das wohl richtigstellen: Ja, die Gottesruhkapelle beschäftigt mich noch sehr ich will auf alle Fälle weitermachen. die „Bilderstümre waren für mich nie nur „events“, das Sammeln von Stimmen, von SICHTWEISE VON MENSCHEN AUF DIE KAPELLE war mir immer wichtig und deshalb war die Vorbereitung (der Events die in Corona-Zeiten natürlich nicht stattfinden können) eigentlich mindestens genauso wichtig wie die Veranstaltung selbst. Ich hatte der Kirche vorgeschlagen, die Recherche weiterzuführen,  Menschen  weiterhin zu berfragen, zu filmen und das material sowohl auf eine eigens eingerichtete Website interaktiv zu stellen, als auch die Möglichkeit in den Raum gestellt, eben dieses Material … na ja, in den raum zu stellen.  warum nicht drei Tage, oder eine Woche lang eine Installation in Dauerschleife einrichten. die BIlder in die Fresken projizieren, sie Interviews laufen lassen ob im Raumklang oder auf verschiedene Kopfhörer verteilt.

EInlass in kleinen Grüppchen. wer kommt, kommt, wer nicht, bleibt halt weg. – jetzt klingts in der zeitung, als wäre das schon beschlossene Sache. dabei war’S ja erstmal „nur so ne Idee“

PS, weil der Artikel leider  nicht wie gehofft das Bild von der Fertigstellung des Frauenpreises abgedruckt hat, hier wenigsrtens online:

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Berlin, 8. März

Frauentag.  –  mit der Frauenpreis-Statue hätte ich mir mehr Zeit lassen können! er wird erst im AUgust verliehen, da es auf alle Fälle eine echte Veranstaltung werden soll. eigentlich gut, aber hätte man das nicht vorher sagen könnenfrüher Morgen  mit G. Radio 1 bringt zum Frauentag ausschließlich Beiträge in denen Frauen Mütter sind oder Opfer. Wieso? Was werden sie am Muttertag bringen. Spaziergang mit G. nach Treptow zum Crepes-Essen, aber mit Umweg über viele geschlossene Läden, in denen man Tabak hätte kaufen können. oder Feuerzeuge. Boxhagener Straße Ecke Bahnhofstraße. Graue Wand mit gelbem Graffiti „Ach“. Die Straßen sind leerer als die Spazierwege an der Spree. Menschenmassen im Park. auf dem schmalen Fußgängerweg längs der großen EIsenbahnbrücke über die Spree, wieder Gedränge. Innehaltren auf der Mitte der Brücke. ins Wasser spucken. das tiefblaue stille Wasser aufmischen. eigentlich voll unhöflich und unhygienisch. Können Fische auch Corona kriegen? (von mir natürlich nicht, ich bin ja geimpft). Dann doch erst Thüringer Bratwürste gegessen auf Bank in der Sonne. dann Crepes mit Zimt und Zucker, lange angestanden im Schatten. weil inzwischen doch kalt, weiter gegangen, bis zum russischen Ehrenmal. war früher so oft hier im Park. die belebte Spaziergänger Seite rechts von der breiten Puschkin Allee mit den doppelten Platanenreihen, also die Seite an der Spree mit den Dampfern un dBüdchen, den Heckenrosen, dem kleinen Theater, das ich nie sehe… und die wildere Seite. den weiten Wiesen, der Sternwarte, dem rissischen Ehremmal unter dahinter dem Teich, dem undurchdringlicheren Dickicht. den BVogelbeerbäumen…  – natürlich ist da nicht wirklich was „Undurchdrunglich“ – mal abgesehen von den Bauzäunen. Erinnerung an eine dunkle Nacht, in der ich mit dem Rad gegen einen Fuhr! ansolut unsichtbar und uneinnehmbar. er war hinterher nicht mal verbeult.   Überraschend schmerzfreier Unfall.

Berlin, 3. März – Daß es auch hier warm ist! Aufatmen.

Windsbach, 2. März,

Gestern. Die Fauenpreisfigur nochmals fertiggestellt. Ihr gebrochener Fuß an sich kein p roblem, sie ist jetzt einfach tiefer verankert in ihrem Sockel und schwebt weniger sondern steht auf ihrem Pflasterstein-Grund-Und-Boden. Feierabendbier in der Garage. das kleine Enkelkind der So. Früher hätte man gefragt, ob man es mal halten darf. Heute wäre schon die Frage unhöflich. No-Go. Nicht-Geh. Auch NIcht Gehen ins Bett des Gasthof Dorschner, der die immer noch offene Anfrage um Unterkunft, die „In Kürze bearbeitet“ wohl übersehen hat. oder eben noch bearbeitet. vielleicht sind die noch so beschäftigt damit , daß sie deshalb auch nicht ans Telefon gehen können. Nacht im Dachkämmerchen. kalt, aber warm. daß noch alles da ist von den Bilderstürmen 2019. das Zelt, die Luftmatratze, sogar die Ikea-Lampe. die vielen fremden DInge, vor allem die Stoffe, das Nähgarn der Tante der So. wirken wie Artefakte im Magazin eines Museums. Zeichnung auf Pergamentpapier, durchgepauste Kostümentürfe. Schöne Dame, blond, schlank, mit etwas hözerner Armhaltung, aber alles andere fließend und anmutig. Tintenschrift „Rheinreise“. die Kartons. die heimliche Ordnung. Liege in meinem alten Schlafsack mit dem klemmenden Reißverschluß und der sehr weichen Fundgrubendecke. Nachts noch eine fremde Decke dazu. Traum von einer unbekannten tante, die in einem Karton am Lorelei-felsen vorbeirudert. Märchen aus uralten zeiten. aufgewacht vom Anruf der Kindergartenfreundin und erschrocken vom eigenen Spiegelbild an der Kante des Spiegelschranks, an dem das Silbernitrat der Oberfläche zu blinden Flecken gerinnt. das Licht der Ikealampe darin.

***

Früh Gottesruhkapelle. Zwischen der schweren Eichentür und dem Steinernen Fußboden sind noch die vertrockneten Marienkäfera des letzten Herbstes. Erinnerung an die unzähligen Schwärme, die um die Kapelle flogen, als wir im September dort Fotos machten. immer hatte ich einen im Gesicht und die weißen Wände der Kapelle waren bedeckt mit roten Punkten mit schwarzen Punkten darauf. die die es nach Innen geschafft hatten, bzw. deren Überreste habe ich in den Frühling hinausgekehrt. Wäre Zeit, die Kapelle auch vom Zeug, das ich selbst noch Innen hab zu befreien. . immer nehme ich Sachen mit, aber immer ist es zu viel für „alles auf einmal“. DInge verstreut lassen, damit man wiedrekommen muß.  wahrscheinlich nervts. Treffen mit Redakteur der FLZ. schöne Gespräche auf Bank vor der Kapelle und im Inneren. dann Aufbruch.

München – Windsbach, 1. März 2021

Neukeferloh. letzter Tag bei den Eltern. erstmals länger geschlafen als sonst. bis sieben. und schon ist die Mutter zur Norma gefahren in aller früh. auf dem Tisch hat sie einen zettel hinterlassen „geh ganz nach oben“ – falls der Vater aufwacht und niemand ist da. ganz oben bin ich unterm Dach. bin aber doch früher auf. als die Mutter wiederkommt hat sie rote Wangen und sagt es sei so wunderbar, wenn sie alleine bei der Norma ist, noch nie habe sie sich so lange zeit lassen können. Sonst muß sie den Vater überallhinnehmen und dann ist der EInkauf stressig. er schiebt den Wagen wie einen leichtfüßigen Panzer durch die Regale und füllt ihn mit Süßigkeiten. wahrscheinlich entlaste ich sie auch hier nicht wirklich, wenn ich ihr den EInkauf abnehmen will. diie größere HIlfe wäre, ihr den Alleingang zu gönnen. Außerdem verstehe ich sie gut. ich gehe auch am liebsten allein EInkaufen. letztes Mal bei der Norma wildfremde Frauen in der Schlange vor mir begannen zu reden, daß der Großeinkauf das einzige Highlight der Woche sei. „Genau, für mich auch!“, hatte die andere gesagt. „ich bin jetzt schon eine Dreiviertel Stunde hier und es ist wie das Paradies!“

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Trudering. Kalter Frühlingstag. aber blauer HImmel und Sonne. Baumarkt. ebenfalls erstmals geöffnet. Steinbohrer. Lupe mit LED-Beleuchtung. M4-Gewindestangen, aber zu kurz. Rasendünger. Ingwer-Gummibärechen von Haribo. Norma empfinde ich nicht als Paradies, aber einen Baumarkt schon.

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Bahnhöfe. Zum Bahnhof Vaterstetten gebracht worden. der Vater fragt (aber eher erstaunt als beunruhigt) „Und hier wollt mir mich einfach aussetzen?“. Dabei werde doch ich ausgesetzt. zu früh. viel zu früh. Fahrt nach München Hbf. Warten auf die Regionalbahn nach Nürnberg. sie fährtvon Gleis 26, das auch zum StarnbergerBahnhof führt. weit nach vorne gelaufen in die SOnne. Schatten wirft der Wartende Zug (nach Hof). Zugführer klettert an seinen Arbeitsplatz. Assoziation er müsste Alex heißen – weil dieser Name auf seiner „Lokomotive“ steht. wahrschienlich heißt er nicht Alex. Mittagssonne. Bluck zurück auf die Bahnhofshalle. kann die spiegelverkehrten riesigen Lettern kaum entziffern: DIDNURG? GIDNURG. bis es mir einfällt, daß es – wie lange schon? – immer Grundig ist. Sackbahnhof. Kopfbahnhof. Fern vom eigentlichen Bahnhofstrubel. Rost. Stein. Spannungsmasten. Duft nach Getriebe. Kaffee mit Milchschaum. Gelehnt an eine gelbe Eisenkonstruktion, Zweck rätselhaft.Maske hinuntergelupft, weil niemand da weit und breit. nur Alex. der grinst, als er mit seinem Zug davonfährt. Der nächste ist meiner.

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Ingolstadt. Entlang der Bahnlinie – Gewerbegebiet, Mauern, Rampen, hat jemand (und ohne Zusammenhang, glaube ich) die Worte „Never“, „Fuck“ und „Film“ gesprüht. Mehremal Never, Fuck nur zweimal und am häfigsten FILM. Denke an alte Idee, die ich als Kind hatte: warum man nicht die Fenster der Züge verdunkle und mit Gucklöchern und spalten versehe und die Wände der Tunnel mit Filmbildern bemale, so daß im Vorüberfahren und hinausblicken ein Film entstünde. Einstweilen „FILM“ auf Wände zu schreiben, sozusagen als platzhalter ist ein Anfang.

Never. Never. Diesmal an der transluzenten Ballustrade über der Brücke. Es werden immer mehr Niemalse. An dem Holzpallisaden der Schrevergärten zwei mal „Virus“ und wieder nie.

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Nürnberg. Bahnhof, Gleis 22. noch mehr Sonne. leider schauallesamt en sie die Bänke in die andere Richtung. Sitze am Fuße eines Strommastes, eigentlich bequem, aber offensichtlich diente er auch als beliebter Ort zum Wasser abschlagen. Aufstehen, woanders sitzen…. oder eh wurscht. Hauptsache Sonne. Der Zug hat vespätung. dennoch: ratenweise  rücke ich der Stadt näher. mit dem Bayernticket dauert es trotzdem länger als mit dem Motorrad. Unklar wo ich unterkomme. Hatte mir  aus verschiedenen Gründen in den Kopf gesetzt, im Landgasthof Dorschner unterzukommen. Seite im Internet informierte zwar darüber, daß  man dort nicht mehr essen kann, aber immerhin essen fassen. Von keine Zimmer vermieten, war nicht die Rede. Bekam automatische email, man werde sich in Kürze melden. aber das ist jetzt auch schon eine Weile her.  ich weiß, ich hätte es mir denken können… Und Montags läuft je eh nie was in WIndsbach. egal ob Lockdown oder nicht. 

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Windsbach, 1. März 2021

Windsbach. Der Lechner erzählte – am Telefon – dies und das. Von der unterschiedlichen Handhabung der Gottesdienste (draußen evangelisch; katholisch drinnen). Von Todesfällen und Beerdigungen. und, daß das schöne Jugendstil-Haus, ehemals Modehaus Beck abgerissen werden soll. Ausgesprochen Schade. es steht so einsam in der Gegend, ein wunderschöner Bau muß das gewesen sein, immer noch Blickfang. Zwar hat es mittlerweile auch was von Bates‘ Motel, aber es ist immerhin eines der Gebäude außerhalb des Stadtkerns, das einem im Gedächtnis bleibt. Las neulich noch in den Zeitungensseiten, mit denen die Schaufenster ausgekleidet sind. so alt waren sie gar nicht […], auch wenn sie vergilbt sind. Auch wenn ihn der Lockdown zu schaffen macht, seinem Blutdruck täte die Tatenlosigkeit und die Ruhe nicht gut!  Die Frau Lechner sagt etwas großartiges. Daß so unangenehm diese Zeiten sind, aber daß man den Mut nicht verlieren soll. Nie, sagt sie, sei es so einfach gewesen Heldentaten zu verbringen – einfach indem man zu Hause auf der Couch sitzen bleibt.  – – – Sie zitierte diesen Satz, hab vergessen woher er stamt. Das Schöne war aber eh, wie sie es gesagt hat.  – – – Und ich? wollte immer Heldin sein. und hab mich im letzten Jahr in der Hyperaktivität verloren.

Angekommen in W.: die Streusandsteinchen auf dem Bahnsteig. das Knirschen der  Rollen des Koffers. Das Fleischrosafarbene Haus, es steht noch Gaststätte dran, aber es steht leer. Der ehemalige Biergarten des Halter ist eingezäunt. Es sieht aus, als hätte jemand angefangen auf die Steinstufen der STiegen zur seitlichen Tür einzuhacken, aber dann die Lust am Abriß verloren.  Die umzäunte Linde sieht aus, als nähme sie die Hände hoch. Vor Dachlawinen wird gewarnt. Zerbrochenes Fensterglas. Wieso gehen die besonderen Orte verloren?

Vom Rathaus heißt es, es sei gechlossen. Zwar werde darin gearbeitet, aber es klingt, als habe man sich darin verbarrikadiert.

Und die Schmuck-Oase gibt es nicht mehr. wußte, daß die Inhaberin schon lange vorhatte, den Laden aufzugeben. War immer froh, wenn er dann doch noch da war. Ob sie nach München zurück ist? Seltsamerweise sofort wieder vergessen, was jetzt darin ist. der Raum wirkte hell, leer und breit. Habe ihn als Oase aber lang,schmal und bunt in Erinnerung. Süßigkeiten. Krimskrams. Kindergeburtstagsausstattung, Bleistiftspitzer in allen Formen. Immer anderes gekauft als ich vorhatte, weil immer Neues entdeckt. Hinten dann die Schreibwaren. Linkerhand, im Schmuck-Raum war ich nie.

Letzte Sonnenstrahlen im Garten der So. Und an ihrem Kühlschrank kleben großartige Wortmagnete.  Nicht „Film, aber „Lichtspielhaus“, „Labsal“, „Augenstern“,“blümerant“, Ratzefummel… –

 

Nicht „niemals“

FEBRUAR  2021 [in sich chronologisch]

Eis – Kaum angekommen, heraugekrochen aus den Schneemassen in Bayern, liegt jetzt Berlin ganz in Weiß. Sohn kämpft sich mit seinem orangen Essensrucksack durch die vereisten Straßen. Lieferando. Frage mich immer, bzw. ihn ob der Computer die Bestellungen an die Fahrer verteilt oder ob da an vorsintflutlichen rechnern die Koordinatoren die Autos, Roller, E-Bikes und echten Fahrräder über Berlin verteilte Pünktchen, im Auge haben. Vielleicht Wetten abschließen, alles auf Angestellten xyz5314. Wie lange hält yzx2804 durch wenn man ihnvon Friedrichshain nach Neukölln die Hasenheide hoch schicken, statt dem Kollegen auf dem Ebile, der da sowieso schon ist. Denkt da überhaupt einer mit oder ist es den unerreichbaren leuten einfach wurscht? Sohn stellte vier Mahlzeiten zu, aber rief dann doch an um zu sagen, daß es unmöglich sei die Straßen zu nehmen. Ob er die BVG nehmen solle oder zu Fuß weitermachen. Die Antwort war dann doch „Ne, laß mal.“

Gaza-Projekt – Immer noch keine Antwort von der letzten Förderhoffnung. Bezirksamt Lichtenberg.

Die Kollegen in Gaza sind schon mitten in den Vorbereitungen. Schwer zu bremsen. Unwohlsein. Weil immer noch nicht sicher, ob ich meinen Teil des Projektes stemmen kann.

Es sind die altbekannten Ungewissheiten. Gilt das was man macht als systemrelevant oder nicht.

Es ist aber jetzt doch anders als sonst, denn wenn ich das Projekt absage, weil die Berliner Seite es einfach nicht leisten kann, verliert die Seite in Gaza ihre beträchtliche Förderung. Zwickmühle. – wer hat sich dieses Wort ausgedacht? Es klingt als hätte man sich in einem Schuafelrad verfangen und würde nun unters Mühlrad geraten. Oder in die Flügel einer Windmühle. War das ganze letzte dreiviertel Jahr zuversichtich, weil ich alles bekommen habe, die kleinen Förderungen Durchhalte Förderungen auf Notgroschenbasis bis hoch zur Bundeskulturstiftung, ich habe sie immer geteilt und auch die letzten

Frauenpreis – Gerade jetzt daß es schneit…

Der Vertrag des Bezirksamtes Lichtenberg kam. Aber das Honorar von letzten Jahr ist eigentlich zu wenig. Damals selbstkostenpreis, jetzt weiß ich nicht mal genau ob die Fabrikationswege noch existieren in der Zeit in der Kopierläden zwar aufhaben dürfen, aber nicht für alle lohnt sich das Öffnen. Schrauben auch unauffindbar. Die von letztem Jahr sind aufgebraucht. Zum Obi gelaufen in der Buchbergerstraße. Securityleute stehen davor, bzw. hängen da rum. „Hier dürfen nur Handwerker rein“, sagt der eine. Der andere ist korrekter, „nur mit Gewerbennachweis, Betriebsnummer und Perso. Hatte das Gefühl, ich amüse die beiden bereits als ich von Theaterbetrieb spreche. Auftrag vom Bürgermeister. Auch nur gegrinst. Ich habe ja eine Betriebsnummer! Aber wer kann die schlon auswendig. Bin schon stolz, daß ich meine IBAN kann (auch wenn ich für ungefährt vier Jahre auf meinen Rechnungen statt IBAN: versehentlich ISBN, stehen hatte. Der Steuerberater wies mich letztes Jahr drauf hin, hatte es aber für eine künstlerische Exaltiertheit gehalten. Fuck Fuck Fuck! Läßt man den Subtext verlauten, bzw. als Geste unter Verwendung des Mittelfingers im Raum stehen, ruft der Korrekte „Immer schön höflich bleiben“ hinterher. Security schwer zu ertragen. Gerade die Korrektness. Warum erklärt man es nicht einfach freundlich. Die weiten Wege. Die Umständlichkeiten. Die Umstände. Die Verausgabung… Schrauben im Internet bestellt, aber das Internet versendet die falschen. Sie passen, aber sie sehen häßlich aus.

Chaos – Lieferando gibt den Radfahrern frei. Die Straßen sind tatsächlich zu glatt. Ich bleibe aber dabei, das ist kein Betrieb. Gestern noch hatte der Sohn von einem Kollegen erzählt, der sein Handy verloren hatte. War verzweifelt und konnte nicht weiterarbeiten, daher bat er meinen Sohn darum, daß er bei der Zentrale anriefe um zu sagen, daß er sich abmelden müsse. Es dauerte ewig, bis die kapierten, daß der Anrufer nicht der war, der das Handy verloren hatte. Schließlich nahm die Zentrale es zur Kenntnis mit „Ja, ja. Wir rufen ihn dann an!“

Gaza-Projekt – Per Facebook fragen jetzt auch die Techniker in G. An wann es endlich losgeht. War verwirrt, denn eigentlich arbeitet das Team im Gazastreifen bereits. Techniktests, Raumsuche, Licht… natürlich eine Frage des Geldes. Aber die Menschen dort zu höflich um nach Geld zu fragen. Nein nein… um Geld ginge es überhaupt nicht! Natürlich tit es das aber. Und ich bin ja selber verzweifelt. Immer wieder schwer zu erklären, daß in diesem Falle nicht ich die vertragspartnerin bin oder gar die Geldgeberin, sondern das Goethe-Institut selbst mit den Künstlern in Gaza den Vertrag abschließt. Es gibt ja Geld, aber eben erst wenn die Vertrags-Maschinerie greift. Wieder Zwickmühle.

Gaza-Projekt / Galerie Neukölln – Eingeladen in das live-stream-Projekt von E. Von unserem technischen Leiter, der in Neukölln in einer Galerie eine Reihe veranstaltet. Künstler dürfen einen Mittwochabend in den Räumen machen, was immer sie wollen. Nur das Thema ist vorgegeben. „Grenzen“ – und daß es auf Englisch sein muß. „Borders“. Bin ich als ich da oder als Gruppe. Hoffe auf Gelegenheit Fundraising für das Projekt. 5000 € fehlen nachwievor. Alleine wäre es die Gelegenheit zur Ruhe zu kommen, vielleicht zu lesen aus dem Projekt-Tagebuch, von Grenzübergängen, von Gaza. Nachdenken, erzählen. Mal sehen was passiert.

Fahrt mit dem Bus. Gratis! Vorn beim Fahrer, wo man sonst das Ticket kauft, ist der Zugang abgesperrt mit weißrotem Baustellen-Band. Man muß keine Fahrkarte kaufen, ich darf hinten einsteigen und muß nicht zahlen. Die kleinen Freuden. Es passt in mein Sparkonzept. Bin fast euphorisch darüber den Bus gewöhlt zu haben. Zwei mal Bus fhrt direkt von mir zur Galerie! Schneller wäre S-Bahn-S-Banh- Fußweg. Aber Busse fahren schöner, ruhiger! Und nun josten sie noch nicht einmal was.

Galerie wunderschön. Raum zwar noch undurchdringbar und voll Gerümpel, aber ich ahne Schönes. Wieso bun ich die einzige hier? Die Kollegen gucken per Zoom! Man könne ja so auch viel besser beurteilen, wie der Raum später dann für das Online Publikum wirke. Ja, klar!

Zoom-Meeting wegen des Projektes. Lief gut und konstruktiv. Kurz danach kam die Nachricht, daß die Ergebnisse der Kulturamts-Förderung aus Lichtenberg vorliegen. Die K. sagte es kurz nach dem treffen und es schien eine gute Nachricht „Wir sind gefördert!“ – leider meinte sie mit „wir“ ein anderes Projekt, eins das sie mit dem Buchladen eingereicht hatte. Herzrasen- Achterbahn fahrt. Dann schlißelich die Absage. Absturz. Projekt nicht stemmbar ohne die an sich nicht hohe Förderung. Dennoch. Irgendwo ist die Grenze. Nicht noch mehr Selbstausbeutung. Wie komm ich da raus?

Herzblut-Tränen, eher Heulen. Frau vom Kulturamt meint, nicht aufgeben. Ich wünschte, einfach nur aufgeben wäre eine Option. Hoffnung weil Bezirlksamt Lichtenberg plötzlich anruft… – es ist aber nicht wegen Gaza, sondern wegen der Frauenpreisstatue.

Frauenpreis – Ein Prinzip der Lichtenbeger Frauenpreisskulptur ist: daß sie auf Lichtenberger Grund und Boden steht, nämlich auf dem Sockel eines kleinen Lichtenberger Pflastersteins

Man findet sie manchmal an Toreinfahrten lose herumliegen, freilich auch auf Baustellen und da wo das Kopfsteinpflaster aufgeborochen ist (aber das war nicht ich, das war schon!).manchmal muß man sie auch wie lose sitzende Zähne herausziehen. Jetzt allerding ist alles zugeschneit, vereist. Kein Stein in Sicht, weit und breit! Ausgeschlossen. Die einzigen, die man sieht, sind die, mit denen die Leute die Tore ihrer Hofeinfahrten offen halten, die aber sind zu klein. Die Fihur besteht aus drei unterschiedlichen Scheiben Acrylglas, eine im Umriss des Bezirks, die anderen beinahe gleich, aber weiblicher. Denn der Bezirk Lichtenberg ist eindeutig weiblich. Er hat große, tendenziell Spitze Brüste, eine punkige Haartolle, wohlgeformte Beine und einen üppigen aber straffenHintern. (und wer denkt, daß das sexistisch ist, dem muß ich sagen: JA, denn es ist halt so, als ich den Umriss meines Stadtbezirks zum ersten mal gesehen habe, war meine erste Assoziation: das ist eine Frau. Sex: female. (der Verband alleinerziehender in Lichtenberg hatte ebenfalls mal ein Logo in Auftrag gegeben, aber aus pc-Gründen und im Sinne der Gender-Diversität (natürlich gibt es auch alleinerziehende Männer!) gefragt, ob man nicht eine geschlechtsneutrale Figur daraus machen könnte. („Ja, wenn man Berlin-Lichtenberg-Fennpful amputiert, bzw. an Berlin-Friedrichshain abtritt!“). Die So. in Windsbach hat der Figur den Namen gegeben, Lilli. Lichtenberger Lilli. Es ist ein eingespieltes Ritual geworden, die Figur in W. fertigzustellen.

Es ist zwar ein kleiner Umweg, aber es ist auch das wonach ich mich am meisten sehne: Dinge nicht allein durchzuziehen oder out-zu-sourcen, sondern in Zusammenarbeit. Man darf reisen, wenn man Geschäftliches zu erledigen hat. Ich brauche diese Reise.

Rummelsburger Bucht / und Frauenpreis –  Berlin, Samstag, 13./14 Februar

mit G. Spaziergang im Schnee. Rummelsburger Bucht sieht aus wie ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Die zugefrorene Bucht im Mittagslicht, Zum Hafencafe gegangen, es hatte aber zu. Natürlich hat es zu. Die Sonne, jetzt bereits Gegenlicht, macht die Ausläufer der Schilfgräser zu zärtlichen Flaumfedern. So hart sie aufs gefrorene Wasser niederscheint, das nur im Schilf angeschmolzen ist zu Wasserlachen in tiefem Blau, so sanft verliert sie sich in den Gräsern. Die Schuhe sind zu groß, sie reiben an den Fersen, sonst könnte ich ewig weitergehen. Nicht zurück.

Will aufs Eis, aber G. Weigert sich. Mann kann argumentieren „Schau wieviel Leute da sind!“ oder „Da sind zu viel Leute auf dem Eis!“ von weitem sieht es eh am schönsten aus. Rückweg über die Schreber-Gärten „Paradies“. Weiß aber daß das Nazis ihre Laube haben. Und Schwaben. Außerdem ist das Paradies bekanntlich verriegelt und der Cherub hinter uns. Und man muß den Gang um die Welt machen um durch ein Hintertürchen hineinzufinden…

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Frauenpreis – …Langer Spaziergang, weil ich auch immer noch keinen Berlin-Lichtenberger-Pflasterstein gefunden habe für die Preissulptur. Wie auch, wenn der Boden bedeckt ist oder die Steine im Eis stecken. Schließlich doch, unweit der Poilzeireviers, zwischen BSR und Max-Taudt-Berufsschule, gegenüber, just da wo Zille mal wohnte, einen vergessenen Haufen Granit entdeckt. Nicht so groß wie sonst, aber sehr schön.

Lichtenberg – Die Bezirksabgeordnete E. will helfen wegen der Bezirksamtsgelder. Habe Sondermittel beantragt. Das würde zwar nur drittel der Summe abdecken, aber dennoch… Hoffnung. Bürgermeister verweist aber eher auf Landesebene. Warum? Der Lichtenberg-Bezug sei nicht ganz klar. Und obwohl die E. Alle Hebel in Bewegung gesetzt und super schnell reagiert hatte, bin ich doch wie vor den Kopf gestoßen. Warum hat mein Projekt nichts mit Lichtenberg zu tun? Es bringt Menschen aus zwei sehr entfernten „Nachbarschaften“ zusammen. Meine und die in Gaza. Auf beiden Seiten sammeln Menschen Fundstücke, etwas, das mit ihnen und ihrer Umgebung zu tun hat, senden es rüber, 4000 km weit, bzw. man legt es vor eine kleine Kamera, die so groß ist wie ein kleiner Punkt, beamt es hoch, wirft es an die Wand, bzw. auf einen hauchdünnen Vorhang und besicht sich gegenseitig in der virtuellen Wohnzimemrecke. Geht spazieren im Basilikum-Kaufland.Topf des fernen Nachbarn und schlägt sich dabei wie auf einer Dschungelexpedition. Man geht zwischen den Zeilen unleserlicher Bücher spazieren, bis man aus ihnen vielleicht doch lieber ein Häuschen baut. Gaza und Lichtenberg hat nichts miteinander zu tun! Stimmt. Aber darum geht es ja in diesem Projekt. Am Ende kennt man sich ein kleines bißchen mehr.

Frauenpreis – Und sogar der Berlin-Lichtenbeger Frauenpreis hat was mit einer entfernten anderen Nachbarschaft zu tun. Heimliche Bande: daß er in Windsbach fertiggestelt wird, freut mich jetzt erst recht nahezu diebisch!

17.2. Galerie-Abend, Neukölln – Tauwetter. Wünschte heimlich doch, als einzelkünstlerin eingeladen zu sein und nicht als Theater. Obwohl ich Solo-Projekte hasse, aber ich habe grad das Gefühl, daß ich eh allein bin und… wo ist denn das Team? Als Theater eingeladen zu sein bedeutet wieder, etwas zu stemmen. Man kann es nicht aus dem Ärmel schütteln an einem halben tag. Allein das Equippement hinschleppen. Taxi? Bus Bus-Bus-Bus?

Bus ist definitiv schöner. Alter Berliner-Neuköllner ist fassungslos über meinen grauen Mantel, den aus der Windsbacher Fundgrube. Weil man per Reißverschluß das untere, also das was den mantel zum Mantel macht abtrennen kann. „Dann ist es eine Jacke!“ Er freut sich. Ich freue mich. Fahrt mit dem 194er ist auch Fahrt in die Zeit, in der ich mit dem Rad immer nach Neukölln fuhr. Meine Neuköllner Opern-Zeit. Rigolette im Ohr. Begeistert, Beglückt. Singend. Okay – super gestresst. An der Ecke ( noch Treptow) stehen immer noch die Power-Ranger-Figuren vor dem Späti. Die Gegen zwischen Treptiw und Neukölln ist imme rnoch ein bißchen unentdecktes Zwischenland. Nicht schön, nicht häßlich […] Immer verpasst man den Anschlußbus der von der Sonnen Allee abfährt. Nicht so schlimm. Langer Tag. Alle wolen nun doch gerne auch D. In Gaza mit einbetten in den Abend. Angst, daß es zu viel wird. Ich hoffe daraif daß er eher wie ein geist erscheint, gegen Ende, aus dem nichts zwischen uns ist, da und doch nicht da. K. Musik? – aber für die probe abends ist einfach kein Zeitfenster zu öffnen. Erschöpft. Mit Emre im Sonnenalleebus. Dann lange auf den 194. gewartet. Hunger Hunger Hunger. Den kleinen schmalen und zwischen die Häuser gedrängelten Späti mit den drei hohen Stufen erst entdeckt, als der Besitzer die Marquise hochkurbelte. Er leuchtete wie der von Innen beleuchtete Süßigkeiten und Likör Tresor in der Wohnzimmer-Kredenz meiner Großeltern. Duft von Aachener Printen und Cognack. Lindtschokolade oder Tobler Orange? Der Schrank hatte einen zauberhaften Schlüssel und wenn die Tür aufsprang leuhctete das verspigelte, dunkelgetönte Innere. Die Bücher daneben in der glasvitrine wirkten düster und trocken. So leuchtete der Spätverkazf und so schmal war er, allerdings bunter. Es duftete nach Pizza. Der Mann lächelte bedauernd. Zu spät. Selbst für Spätis.

Abends aber Sohn: hatte Lieferando-Nacht hinter sich und Pizza mitgebracht. Obwohl müde noch eine Folge Deep Space nine geguckt. Ich brauche Rituale. Obwohl ich Deep space nine nachwievor nicht so toll finde. Ich wußte es immer. Es ist langweilig im All, wenn da nur eine Raumstation ist, die sich nicht bewegt. Es geht nicht voran. Da hilft auch das Wurmloch nichts.eingeschlafen auf dem Sofa zusammengekrümmt und gekuschelt wie eine dicke Katze und erst aufgewacht als die Folge vorüber war. Tief im All. Geusenstraße 8.

17. 2. Neukölln; Psychiatrie Herzberge; Neukölln. – heute ging alles schief. Den Bach runter. I’m Loosing it… es fing ja schon gestern nacht an.

Bin echt ausgebrannt. Das fehlende Geld – 8000 € gebe ich ja schon rein, die habe ich zur Seite gelegt. Aber die weiteren 5000 habe ich nicht. Wollte heute doch Taxi nehmen, weil gestern soch noch zu viel wietere Technik fehlte. Sah aber nicht ein, daß ich ein Taxi alleine zahle wo ich schon drei Tage lang gratis gearbeitet habe. Wenigstens eins Teilen? Ging auch nicht. Also doch der Gratis Bus. Gelernt, daß er doch nicht Gratis ist, als ich kurz vor der Galeriehaltestelle in die Fahrkartenkontrolle geriet. Noch erfüllt von der Gewissheit, ich muss hier nix zahlen. Wieso kontrollieren die hier? Wo der Bus doch… „- man muß immer zahlen, junge Frau! Im leben gibt’s nix geschenkt!“ das wußte ich nicht. Ich hab die ganze Geldbörse voll mit gestempelten Tickets und ungestempelten. Ich fahre schon lange nicht mehr schwarz…

Punkt an dem ich einfach gedacht hab: Das geht nicht. So geht das nicht. Ich gehe jetzt.

ich hab den Fahrkartenkontrolleuren auch sehr ruhig gesagt, daß ich jetzt geh. ging nicht anders.

Fahrkartenkontrolleurin hält mich fest. Das darf sie nicht. Und zur Zeit schon gleich gar nicht. Ich weiß, daß sie mich nicht anfassen darf. Ich reiße mich los. Ich knalle gegen eine Hauswand. Im zweifeldfall ist die Wand das bessere Ende. Ich hab einfach nicht mehr weiter gekonnt. Trotzdem aufstehen. Weiter. Die Galerie ist ja nur zwei Häuser weiter gleich um die Ecke. Wie schnell kam die Polizei. Wie schnell liegt man auf dem Kopfsteinpflaster und jemand verdreht dir den Arm. – es tut weh, man gerät in Panik. Man… naja ich halt. Ich hab immer gedacht, daß leute die von der Polizei in Handschellen zu Boden gedrückt werden doch einfach nur ruhig bleiben müssten. Ruhig werden. Dinge klären. Aber der Körper bäumt sich auf, automatisch, wird noch mehr in den Dreck getreten. M. von der Galerie geht vorbei und denkt eine Obdachlose wird verhaftet. Ich schreie jetzt, weil wenigstens soll man mein Sack und Pack in die Galerie bringen. sagen, daß ich nicht komme. Oder später oder…. Weigerung der Sicherheitskräfte. Sie kommen jetzt erstmal mit. „Ich muß zu einer Aufführung! Ich habe einen Auftritt…“ Ja ja, sicher. Auf dem Boden mir liegt der lange Karton mit dem Stativ, der rest sieht aus wie Müll. Eine ganze Ikeatasche voll mit Requisiten. Wer glaubt einem schon, daß man ein Milchkännchen, 20 cm² Kunstrasen, eine alte Sardinendose (vom Strand in Gaza) und jede Menge Physialis-Plastik-Körbchen braucht, um eine Veranstaltung zum Thema „Grenzen“ zu bestreiten. Wie so streite ich überhaupt?!. Liegenbleiben. E, kommt, offensichtlich hat doch einer von den Polizisten in der Galerie Bescheid gesagt. Sein überraschtes Gesicht. Freundlich. Entsetzt. „I’m so sorry!“ Ich wollte so pünktlich sein, ich wollte so früh sein. Ich wollte Geld sparen. Das wird Unsummen kosten. Hab ich gesagt „Ich will nur daß es vorbei ist!“ Ich hab nicht verstanden… werde ich jetzt im Ambulanzwagen abtransportiert wegen Gefährdung anderer (die Fahrkartenkontrolleurin hat sich den Fingernagel abgebrochen, als sie mich gegen die Wand krachen ließ) oder Selbstmordgefahr. Seltsame Fahrt. Die Ambulanzfrau beschert sich, daß sie wegen mir jetzt nach Herzberge fahren muß. Weil ich aus Berliner-Lichtenberg bin und nicht in ein Neuköllner Klinikum soll. Meinen Kopf sieht sie sich nicht an. Der Polizist der mir den Arm verdreht hat, sitzt mir gegenüber. Jetzt erst werde ich ruhig, weil ich jemand sehe.

Seltsamerweise nettes Gespräch. Aber sie sind immer erstmal nett, wenn sie die Oberhand haben. De-Eskalieren.ich frag ihn warum er Polizist geworden ist. Er sagt, er sei Quereinsteiger. Vorher veranstaltungskaufmann. Ja, selber viel mit Künstlern zu tun gehabt. Er wisse wie die manchmal sind vor einem Auftritt. Ihm sei das irgendwann zu bedeutungslos geworden. Er habe einen Sinn im Leben gesucht. Ich verstehe ihn. Ich habe 2014 aufhören wollen mit Theater. Nur noch schreiben. Nach Gaza gehen uns schreiben. Seltsamerweise dort wieder zum Theater gefunden. Und seitdem habe ich das Gefühl das wa sich mache ist wirklich wichtig. Es bedeutet was…

und sogar die gottverdammte Systremrelevanz ist erwiesen. Goetheinstitut. Bundeskulturstiftung. Gütesiegel. Nur mein eigner Bezirk, dem ich zwar gerne ab und zu zum Selbstkostenpreis was aus dem Ärmel zaubern darf, gibt kein geld.

Der Poliztist nickt ernst, „Ihre Sparte trifftt es am schlimmsten, ich weiß.“ er kann das gut mit der Deeskalation. Und prompt späre ich ja,daß ich mich zu ernst nehme. Allen geht es schlecht. Alle nerven liegen bloß. Ich würde ja gerne zurücktreten von alldem, aber gerade jetzt? Gerade mit dem fast vollfinanzierten Projekt, das für Gaza so wichtig ist… und für uns übrigens verdammt nochmal auch.

Er sagt höflich, daß er jetzt meinen Rucksack durchsiuchen muß, ob gegenstände darin seien, die gefährlich sind. Oh mann, ja, meinetwegen. Der Hin-Und-Her-Rucjsack, den ich nicht nachkomme auszupacken, jetzt noch zum Rand gefüllt mit Dingen für die Kamera: unerklärliche Sachen. Er sagt, er hätte schon schlimmeres gesehen. In eine extra-Tüte packt er Dinge der Selbstgefährung: eine Gabel. Einen Einwegrasierer, eine Chirurgie-Klemme, mit der ich immer die Gegenstände vor der Kamera bewege und erstaunlicherweise einen kleinen ausklappbaren rosa Noppen-Wischmob, ebenfalls aus dem Gazastreifen. Er vertait sie in eine braune Knistertüte von der ich überleg daß sie vor der Kamera auch gut aussehen würde.

17.2. Klinikum Herzberge – die freundlich Schwester („versprechen Sie mir, daß sie nicht weglaufen und niemand angreifen und auch nicht sich selbst?“), die Handschellen, die endlich abgehen. Der blaue Himmel. Das schöne Klinikum mitten in der Stadt und mitten im Grünen. Irgendwo gibt es hier Ziegen. Die Notaufnahme Türen, die Psychiatrieshce station. Das Warten auf den Arzt, der ich wahrscheinlich entlassen wird, neben mir eine große Packung von Covid-19-Schnelltests. Ob ich ein Wasser will, einen Kaffee? Ja ein Wasser. Es geht an sich dann sehr schnell. Ich erkläre es. Es ist nachvollziehbar. Er fragt, ob ich trotzdem bleiben möchte, um mich auszuruhen. Burnout. Einen Moment klingt es tatsächlich verlocken. Aber ich geh dann doch.

17. 2. Neukölln, Galerie. Die vertrödelte Zeit scheint aufholbar, ist es aber eben doch nicht. Licht, Ton, in Gaza tobt ein Sturm… die Umständ ekönnten besser sein. Es wird aber doch ein schöner Abend. Die gefährlichen gegenstände vor der Kamera zu begutachten, das Erzählen von Grenzen, auch den eigenen, den Überschreitungen… mein Anliegen, den Abend auch zum Fundraising und als Spendenaufruf zu nutzen, habe ich vergessen, weil es am Ende eine schöne für sich stehende Sache zum Selbstzweck gemacht hätte. Und weil mein Hirn gerade wie ein Sieb ist. Hinterher sind immer alle begeistert. Und die Begeisterung ist wie eine Droge. Wir müssen unbedingt weitermachen…. blablabla. Aber wie?

18. Februar, Ruhetag – Aufgewacht mit Kopfschmerzen. Rechte seite linke seit wie verrutscht. Fühle mich wie ein Gemälde von Picasso. Morgen fahre ich nach Windsbach, die Frauenfigur fertigstellen. Copyshop. Dachte, die Geschichte von gestern erzähle ich G. Besser nicht. Aber ich erzähle sie natürlich doch.

Im Briefkasten ist die Betriebsnummernbescheinigung. Obi. Diesmal passieren gedurft. Seltsame Stimmung. Es sind so viele Obi-Arbeiter im Markt wie immer, aber keine Kunden. Die Obis tun aber trotzdem geschäftig und wie sonst auch ignorieren sie einen. Schrauben gefunden. die nicht ganz so blanken Hutmuttern M4. An der Kasse ewig gewartet, obwohl nur ein Kunde vor mir war. Imme rmehr Obis kommen und wirbeln, aber keiner darf wohl eine Kasse bedienen. Geht nach hause und unterrichtet Eure Kinder!

Am Abend: email von einer Lichtenberger Förderung. Lichtblicke fördert das Projekt. Es war eine der last-Minute-Förderanträgen, der fast nicht zu bewältigen war, schon das Formular ließ sich kaum ausfüllen, der Finanzplan war nicht ganz wichtig. Ich hatte ihn nachliefern dürfen. Und es hat geklappt! Es fallen tausend Steine vom Herzen. Ich weiß ich müsste jetzt jubeln und ich tus auch. Morgen!

19. Februar, Berlin-Windsbach

Frauenpreis  – der Zug fährt früh. 8:30 bin aber schon seit 6 wach. Kopfweh, benommen. Tee. Viel Zeit. Der Rollkoffer voller Pflastersteine – und mit den beiden Skulpturen. Der Rucksack mit dem Rest. Eigenrtlich reise ich lieber mit nur einem Gepäck. Der gigantische Hauptbahnhof. Zugig und kalt. Die vielen Etagen, zu denen man Rolltreppen nehmen muß, die irrwitzig verteilt sind – ungefähr so wie in Kaufhäusern, wo man will, daß die Kunden möglichst weite Wege zurücklegen müssen, an Waren vorbei, in Versichung geführt… Kaffee! Le-Cro-Bag… ich habe Zeit. Die Züge nach Bayern fahren immer ganz unten ganz weit weg. Der Zug steht bereits da. Obwohl es noch früh ist. In Ruhe eingestiegen, Platz gesucht. Den Rucksack verstaut… – – – und den Rollkoffer?

Hirnlos. Selbst die Frau hinter mir wußte es besser als ich selbst: daß ich gar keinen mithatte. I’m loosing it. Panik. Ausgestiegen. An den Sitzbänken steht auhc keiner. Bereits Geklaut? Oder am Kaffeestand gelassen. Schaffnerin sagt „Sie haben noch zwei Minuten!“ sie steht in der Tür und wirkt wie Trainerin oder Motivationscoach. Zwei Minuten. Rilltreppen auf und ab. Waru mhab ich dne Kaffee immer noch in der hand? Weil ihn abzustellen wieder Sekunden kostet. Er landet im Müll. Ich stüprzte die Rolltreppe empor. Schienbein aufgeschlagen. Wo ist der Stand? In welcher Ebene war er? Ich bin falsch und lande stattdessen bei Fischimbiss. Woooo???? Bitte um Hilfe Security leute in gelben Westen lachen. Andere Seite des Bahnhofs. Was für ein dämlicher Bahnof. Nur der Blick hinaus zur gewölbten Fensterfront hinaus in die Welt, in die weite Stadt ist atemberaubend. Ich hab eh keinen Atem. Kann nicht mehr… da steht der Koffer. Kann doch. Jemand schimpft, dass ich den nicht einfach nehmen darf! Ich renn schneller. Vielleicht denkt man ich bin ein Dieb. Weiter! Ja vu, weil gestern hab ich auch so geschrieben, als ich wollteIch rufe „Bitte Warten! Bitte Bitte!“ es klingt erbärmlich. Ja vu, weil gestern hab ich auch so geschrieben, als ich wollte, daß die Bulle Bitte Bitte Bitte in der Galerie bescheid sagen. Klang genauso erbärmlich. Am Anderen Ende des Zuges steht die Schffnerin und hält die Abteiltür geöffnet. Ich verusch gleich in meiner Höhe eine Tür zu öffnen, aber die ist verrigelt. „Hier!“ Schreit sie. Hier ist so weit.

Tausendmal bedankt. Ruhen sie erstmal auf. Tatsächlcih schnaufe ich noch bis Wittenberg. Ich bin echt in schlechter Kondition. Es muß besser werden. Alles muß besser werden.

Angekommen in Nürnberg im Frühling. Alles wird besser.

Nürnberg-Windsbach – Ein Hase hakt an der Böschung der Eisenbahn entlang undverschwindet im Unterholz.

Mädchen im Zug, im blauen Trainingsjacke der „Prinzengarde“ zupft an ihrer Jacke herum. immer schaut hinten noch ein weißes Schlabber-Tshirt raus. Merke daß ich keine Ahnung habe, ob schon Fasching war. Doch es war schon. Natürlich war schon Fasching, aber in berlin interessiert das eh niemand und vielleicht ist es auch sonst so in der Corona Zeit. Obwohl ich mich an Fernsehprogramme erinnere, auf der Couch des G., voller schunkelnder Menschen (Im Fernsehen, nicht auf der Couch). Ich verstünde es, wenn sie wirklich das Leben feierten, aber eingepfercht in ein fernsehstudie? Gepresst in bunte Nylonkostoffe?

Hinter Neuendettelsau. Großer Baum querliegend über einem der kleinen Teiche. Sieht aus wie ein unverhältismäßiger Schlagbaum. Gedacht an Fahrradausflüge mit den Hubers. Flischstäbchen-Teich. Wurstwald.

Die Stadt sieht aus wie immer, aber einiges ist doch neu. Stadtcafe hat neuen Betreiber. Der F. Sagt, die Speisekarte wimmle von Rechtschreibfehlern. Ich sag: kann passieren! Hauptsache es schmeckt. Irgendwie war aber keiner bisher da. Dr. Braun ist in Rente gegangen. Aber ansonsten wirkt es wie beim Alten. Der Schäferhund im Schaufenster von Radio Weinl – es ist zu, aber der Schäferhund ist da. Die Clowns in der auslage vom Fries. Der dunke Blumendschungel der Blumenhexe. – warum dürfen Blumenläden nicht geöffnet sein? Wenigstens so lange sie ihre Vorräte verbraucht haben…?

Gottesruhkapelle – sie ist natürlich gechlossen, aber auf der Bank sitzen in der Sonne ebenso Segen. Tee trinken mit der Sa, die gerade im Kantorenhof war, im Garten gearbeitet hatte und auf dem Weg in die Stadt war. Innehalten. die Bänke zusammengeschoben. Earl Grey und Kurkuma. Wilde Worte über die Welt,  weil  der W. auch an ihrer Seite war. Daß man so schnell wieder ins Reden kommt, in die Rage, weil so viel los ist und „los“ eben bedeutet, daß die Gedanken schwirren wie wilde Bienen. Die Impfsache, das Schubladendenken der Menschheit,  Tee hilft. Wäre die Kapelle offen gewesen, wäre ich drinnen gesessen und hätte die Gedankenfluten verpasst. Die Sa. hatte noch gesagt, an Weihnachten sei es trostlos gewesen, weil nichts stattgefunden hat. Vielleicht hätte ich es da schneien lassen dürfen. heimlich still und leise. Später zur So. und ihrem Mann. Den Frauenpreis fertigstellen. es ist – wegen Corona – jetzt mehr Arbeitsprozess als am Tisch sitzen und basteln; die neue Garagen-Studio-Werkstatt ist der idealere Arbeitsplatz. Die So hat mehr Überblick über die Reihenfolge der Acryl-Scheiben als ich. Merke müde. Matsch-Hirn. wünschte anzukommen und zu sitzen. schöne Minuten am Gartentisch auf der Terrasse, Blick über die Wiesen. HOffnung auf Frühlung. Hoffnung auf ein Ende der Pandemie. Dir Lichtenbergerfrauen sind diesmal besonders schön. und die Steine vom Steinhaufen vor Zilles Haustür? Verworfen! Zwar in  der Größe gut, in der Form weitgehend auch, aber die Unterseite war wackelig. jetzt steht sie besser. nahezu perfekt, auf WIndsbacher Grund und Boden.

Seenland – Weiterreise nach München, aber über das fränkisches Seenland. Vogelinsel Altmühlsee. Hatte nicht gewußt, daß er auch ein angelegter See ist. klarer Tag. starke Sonne. Spaziergang über Parkähnliche HÜgellandschaft. Fahrradwege. Sonntagsleute. Familien. Brücke aus der Langeweile zur Vogelinsel. Mehr Dickicht, zauberhafterer Blick, aber es schleichen ja doch die selben Spaziergänger wie rund um den See auch im vermeintlichen Abgeschiedenheit des Inselchens. Aussichtsbau. schon schön. Die Vögel sind  anderswo.

Pizza to go in Gunzenhausen. gegessen: Burg Spielberg erst Burgmauer dann doch Rastplatzbank etwas ferner auf atemberaubendem kleinen Berg. Auf.Und-Ab-Hügelland. ferne Berge. Hesselberg. Frühlingsband-Himmel. Etwas weiter weg sitzen Geschwister oder Cousins/Cousinen und reden darüber wer Schuld war am Suizid der Oma.

Treuchtlingen. Modernen Kirchenbau für Bahnhof gehalten; der echte scheint unauffindbar, trotz der vielen Gleise. Der schwere Rucksack mit den Windsbacher und Lichtenberger Pflastersteinen. Die Bahnhofstoilette, die noch aus alter Zeit zu stammen scheint. mechanische 50-Cent-Verriegelung. Erinnerung an die Waschräume der Schulzeit. Keine Seife. Kein Desinfektionsmittel. 

[…]

***

27. Januar 2021, Fahrt nach Berlin

S Bahn zum Münchenr Hauptbahnhof. Coffee-To-Go in Haar gekauft, aber dann nicht gewußt wie ihn trinken. die neue FFP3-Maske riecht nach Uhu und Desinfektionsmittel.  Ob Capucchino-Pappbecher als Nasen und Mundschutz ausnahmsweis edurchgehen kann. riecht auch besser. Werbe und Info Monitore in der S-Bahn, ähnlich wie Berliner Fenster in der U-Bahn. „Mein Herz schlägt 1000 km/h für Deutschland“ läßt Die Bahn einen Zugführer werben. Der Virologe Drosten spricht eindringlich, aber stumm. Mutmaßlich rät er von Lockdown-Lockerungen ab. seltsamer STummfilm. er ist so sehr Experte auf seinem Gebiet, daß die Unterschritszeile „Drosten warnt vor Lockerungen“ ausreicht, als Beleg, läßt man ihn  reden. Ohne Worte.  Man könnte ihn ja auch wörtlich zitieren, aber der leibhaftige Drosten ist halt doch eindrucksvoll genug. – Shaun das Schaf balanciert einen Löffel auf seiner Nase. 

15. Januar, Neukeferloh. Eisschichten vor dem Haus. scheint nicht zu bewältigen zu sein. dann seltsamer Rausch. Aggressionsabbau. Funken stieben. Äußerst wohltuende Arbeit. Warum hat man mit einem Arm mehr Wucht als wenn man mit beiden Armen aufs Eis einhackt.

DIe Mutter sagt „Hörst Du denn nicht, was ich grade gesagt hab?“ der Vater schweigt, dann sagt er: „Ich höre es schon, aber ich verstehe es nicht!“

14. Januar, Vaterstetten. Spaziergang mit den Eltern an der S-Bahn Vaterstetten-Haar entlang. Die Angst des Vaters, sich zu verirren, dabei geht es nicht gradliniger. Wieder will er nicht bis zur Autobahn. („Ich weiß, wie die Autobahn aussieht!“ – „aber von oben sieht sie viel schöner aus!“). er will ins Auto. am Bahnhof Vaterstetten neues Graffiti „Die Fotzen sind wieder da“. Rewe am Bahnofsplatz hat keinen Earl Grey von Teekanne. Das Ultra-Schall-reinigungsgerät von Aldi ist nur für Wasserfestes. Rückgabe. Desinfektionswahn.Wenn man es waschen kann, kann ich es auch selber waschen ohne Ultraschall. (Die Mutter wollte es für ihr Hörgerät.)

13. Januar, Neukeferloh. Spaziergang mit M. und ihrem Hund im verschneiten Wald. Beinahe bis Möschenfeld und Grasbrunn. weiß nicht wie lange ich nicht mehr mit jemand in N. so viel gesprochen habe. Die alten Freundinnen von früher sind längst weggezogen. die Eltern der alten Freundinnen sind noch älter.  (Oder man könnte mit dem Blockwart-Nachbar streiten, gegenüber vom Privatweg, den man nicht betreten darf. Fast alle wiedererkennbar, auch neuentdeckbar, man schippt zusammen Schnee. man lächelt sich an, aber ich habe so lange hier niemand gehabt, mit dem ich wirklich reden kann. Zweige und Silberdisteln fotografiert, sie sahen so schön aus. später festgestellt daß die erste Assoziation „Corona on ice“ ist.

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12. Januar,  Neukeferloh. Aufwecken des Vaters. wollte, daß wir malen. er wird immer vorsichtiger mit dem Zeichnen von Autos, Angst etwas falsch zu machen. schlug vor, er solle blind malen, ohne an das Ergebnis zu denken. Hielt ihm die Augn zu, aber er wurde noch zaghafter. Unter meinen HÄnden blinzelten seine Auge. Gedanke an kleine Vögel in einem Nest.

11. Januar, Fahrt nach München. Unerwartetes Wunder ab Thüringen, erst hauchdünnes Weiß von Schnee auf den Zweigen. Eisadern, Laubwälderweit. dann immer mehr. Es ist wirklich WInter. man nennt es inzwischen „Winter-Wonderland“. hasse die Bezeichnung, weiß keine bessere. Vielleicht eventuell „Winter-Wunderland.“ Falsche Schuhe dabei. Schlittenberg der Kindheit, der sogenannte „Große Berg“ Nähe des Rathauses ist ausgelatschter Hügel. harmlos. es ist keine Abfahrt. man gleitet langsam und immer langsamer dahin.

9. Januar, Aufführung, Schaubude-Berlin.  weitgehend glücklich. vorallem daß Weitergehen möglich ist.

5. – 8. Januar, 2021, Schaubude-Berlin

Der vertraute Theaterduft. Manchmal Verdacht, es könnte auch ein Hauch Schimmel  mit bei sein. Aber wenn juckt heutzutage Allergie! zu vernachlässigen. Freude überhaupt Theaterluft zu schnuppern. Maskenpflicht. verwechsele die beiden neuen Techniker, weil ich sie nie ohne Maske gesehen habe. Und weil es dunkel ist. Peinlich. Wie erreicht man das ferne gegenüber? Bei der letzten Veranstaltung (mit weit weniger technischen Möglichkeiten, in der Kantine der BLO-Ateliers) hatte das Gegenüber schmerzlich gefehlt. wen erreicht man? wie erreicht man wen? was ich höre, hört die Online-Welt anders. ich sehe was, was du nicht siehst. Stille Post. Vielleicht sollte man sich eher an Kinderspiele erinnern, die davon handeln, daß wir unterschiedlich wahrnehmen. daß Blödsinn herauskommt, wenn wir uns Geschichten zu flüstern. Daß der Blödsinn und die Dinge, die wir übersehen und mißverstehen äußerst unterhaltsam sind. Clemens Brentano sagte mal über Kleists Stücke, daß in ihnen Figuren aneinander geraten, die einen taub, die anderen blind, einige blöd und irgendwie ringen alle um Verständigung. „Häh? was sagtest du?“- „wer, ich?“ „Ja, du!“ „Ich?“ (welches Ich!) „Ja, bei den Göttern! DU!“ – „Ich sagte nichts.“ – – – Großartig. In unserem aktuellen Projekt, erzählt eine frau um ihr Leben und versucht  ihr Todesurteil aufzuschieben indem sie Geschichten erzählt und einen traumatisierten, frauenhassenden Sultan bei Laune zu halten. vielleicht auch, um sein Herz zu erreichen, Tausendundeine Nacht lang. Wir machen dies „Über Bande“. Sheherazade erzählt in Berlin, der Herrscher sitzt in Gaza. wir sprechen nicht die selbe Sprache. wir erzählen mit Händen und Füßen, in Phantasiesprache, in Bildern….[…]

die Begeisterung der Übersetzerin Fidaa…! Ihre starke Ausstrahlung. leider sagte ihr jemand in Gaza, sie störe das BIld, das lenkt ab. Nicht wiedergutzumachende Informationskeule. verpasste Gelegenheit ihr die Bühne, in die sie bereits gerutscht war wie in eine warme Wanne, nach und nach zur Spielwiese zu machen. verdammte Hast. Auch mit solchen Mißverständnissen muß man leben.

Erkenntnis auch: der Zauber der Improvisation im Wechsel mit den Inseln von Inszenierten Knotenpunkten ist so schwer zu begreifen. die totale Freiheit  und das atemberaubende Korsett das gar nicht nicht stören soll.

Geben wir der Musik nicht genug Raum? wie erschließt sich Raum im Format von Zoom und YOutube? ist es ein gevierteilter? sieht man die Musikerin oder hört man sie., wohnt si ein einer Ecke links oben? Oder sieht man das Große und Ganze und sie am Rande. ich denke immer, was im Bild ist,  hat Raum, vor allem wenn es vorkommt, Teil ist, die Räume der kleinen Objekte, der großen Projektionen, der Menschen zwischen den Traumfetzen und vor und hinter dem Vorhang zu verknüpfen. Und immer seh ich die Instrumente als Requsiten, als Waffen mit Ton-Munition oder als Zauberstäbe, die man schwenkt und Musik kommt heraus geschüttelt. Aber manchmal mag die K. eben auch eine echte Musik spielen.

Wie würde ich ohne den Macdonalds Greifswalder Straße überleben?

Zoom-Intro im Foyer macht unsagbar viel Spaß. drei Frauen in unterschiedlichen Abständen zur grünpunktenen Kamera, mal die eine vorne, mal die andere. Drei-Engel-Für-Charly-Gefühl.

Januar, 2021

Spaziergänge zwischendurch durch den Kiez mit M. aus der Spittastraße. vielleicht eine der schöneren Begleiterscheinungen. man geht drei mal um den Block, dann ochmal den schwarzen Weg entlang. man hat eine Thermoskanne mit. Reden im Gehen immer dynamischer als am Tisch. (auch eines der Erfolgsrezepte der Serie „Westwing“!) Gedankengänge. man sieht sich.

1. Januar, 2021

Die Worte des letzten Jahres könnten notfalls Capturing Device, Lichtgeschwindigkeit, Abstands-Regeln, Fundgrube und Zytokinsturm gewesen sein.

31. Dezember, 2020

Essen mit G. Aber Dinner for one verpasst.  wenigstens einmal sehen! es lief aber nach acht nochmal   auf Kika – entpuppte sich aber als eine Adaption mit Bernd, das Brot als Butler und Briegel, der Busch als Miss Sophie. Teilweise lustig. Draußen Glühwein war geplant, aber ich habe die letzte blaue Camping-Kartusche, von der ich behauptete sie zu haben, wohl in Windsbach gelassen. Kalte Rummelsburger Bucht. Feuerwerk in Maßen, aber schöner als sonst, weil man mehr sieht, wenn weniger in die Luft geht. Unkitschige Geborgenheit.

30. Dezember,

Zwischen den Jahren, die 12 Nächte die vom Jahr übrig bleiben. Die Zeit verrinnt. Gehe wenig in mich. könnte nicht einmal das Wort des Jahres 2020 nennen. Generell fehlen mir die Worte. Und wenn ich schreibe, z.B. diesen Blog, speichert WordPress nicht. Worte greifen nicht – und das Autosave ist auch nur ein blinder Fleck.  der Mond ist zu klein und zu hell. er leuchtet im LED-Modus. Fern und grell. Selbst die Lichterketten am weihnachtsbaum haben mehr Atmosphere. Echte Kerzen sind schon gleich gar nicht aufzutreiben.

25. Dezember, Müggelberge 2020

an einen der Zweige, die aus dem Stamm der gefällten Rubinien vor meinem Fenster treiben, hat jemand einen Zuckerkringel gesteckt. Bahn nach Grünau. durch reiche Gegenden.  November-Segelclub-Flair, Dezember ohne Schnee. schwarz-weiß-grau. Straßenbahngelb. blitzende Schienen. Regattastraße. Bessere Tage.  BVG-Fähre genommen über die Dahme. Idiotischer aber inbrünstiger Gedanke, die BVG würde viel Geld einnehmen, wenn sie einen Glühweinstand auf dem Boot hätte. der Gedanke ist nur idiotisch, weil zur zeit kein Glühwein ausgeschenkt werden darf in der Öffentlichkeit. die Büberfahrt im Bogen, sehr kurz, wäre zu kurz fürs Trinken. Stadtwaldlandschaft. Wasser. Spaziergänger.  will Bank, weil Aussicht. Warte, sagt G. dann doch vor dem von ihn geplanten Rastplatz auf Baumstammbank mit BLick auf Baumstamm und Wasser. Halt. winziges Rotkelchen. blutroter Glühwein auf Campingkocher. Dinge in der Natur, die plötzlich Sinn machen. weil  verboten. Weil Weihnachten. Weil kalt. Spaziergang. raus aus der Stadt, aber die Müggelberge dennoch Stadt. Schritte auf Treppenstufen. zu viel Wander-Menschen unterwegs, als daß es sich anfühlt wie Draußen in der Natur. Blicke über Wälder, runter auf See und das Land und die Menschen die darin herumlaufen.  höchste natürliche Erhebung Berlins. der Fernsehturm hätte hier stehen sollen. angefangen hatte man, dann anders überlegt. Weil er sich in der Mitte der Stadt doch besser machte und die Flugzeuge von Schönefeld gestört hätten. Fehlplanungen rund um das Thema Flughafen.  ob der neue hier gebaut worden wäre, wenn der damals neue Schönefelder nicht gebaut worden wäre, weil der Fernsehturm hier gebaut worden wäre.  Teufelssumpf freundlicher als die tristen Herbstwälder, die unfertigen DDR-Projekte. Silberne Birken. Heimische-Tierwelt-Tafeln, Flora und Fauna. Besuchen-Sie-Uns-In-Der-Waldschule-Schild. jemand hat in rot AfD drunter geschrieben. […] Zuletzt der See. die Sonne ist weg.  es ist so kalt, kaum ist sie verschwunden. Schritte in die falsche Richtung um einen schönen Baumstamm zu finden. nochmal Glühwein. Wetrennen zwischen der Kälte, dem wärmer werdenden Wein und dem Restgast in der blauen Kartusche. Friedrichshagen. auf der Straße steht in weißerm Schablonen Graffiti, daß man in der Bölschestraße eine Maske zu tragen hat. die Böschestraße ist ausgestorben. Gedanke an Sommer-Abend-Sonne 2012 Kino Union. dachte: schönste Straße Berlins. Flanier-Straße. Bobdenständig bis edel. weitläufig, breit, belebt aber eher wie in gut besuchtem Ferienort. Lichterketten. Biergarten im Innenhof. Anfänge. Nie wirklich in einem gesessen, weil meistens mit dem Motorrad hier. oder im Premierenstress. oder an verregnetem Geburtstag im Mai. immer ist die Bölschestraße so schön, aber nur Durchgangsverkehr. heute leer und dunkel. das weiß der Maskenpflicht-Schrift ist verwischt und nur erahnbar. noch im Ohr oder im Hirn die Musik des Straßenmusikers der im Spreetunnel Geige spielte. atemberaubend schön. mag am Hall gelegen haben auch, aber dennoch. nichts sentimentales, pulsierende Passacaglia. sie war schon lange zu hören bevor die Unterführung in Sicht kam. Untergrundmusik wie Sog. musste das Handy zücken, G. den Geldbeutel und warf Münze hinein. Plötzliche Farbe Dank des Graffitis des Tunnels. wild bunt und trotz der Kälte echt herzerwärmender Tag.

23. Dezember, Berlin

der Baum an der Decke. die zu wenigen Kerzen. Gibt es keine aus Wachs mehr? die zu kalte Lichterkette, dann doch welche gefunden, andere zusammengelötet. wilde Mischung aus wenigen roten aus Wachs, weißen Geburtstagskerzen mit Glücksschweinen darauf und Kleeblättern, die batteriebetriebenen gelblichen Lichtpunkte und die Kette von Ikea. ansonsten ist es der perfekteste Baum, den wir je hatten. der Sohn kaufte ihn. daß er schon vor dem 24.  geschmückt werden darf, habe ich in Windsbach gelernt.

22. Dezember, Berlin

Nun doch Lebkuchen ergattert und obwohl der Sohn sie nicht einmal besonders mag („Wenn die Leute sie wirklich wollten würde es sie nicht nur zu Weihnchten geben!“), wurde er durch die scheinbare Mangelerscheinung angespornt und fand noch zusätzliche bei real. Ich wiederum hatte im Eisladen eine Tüte gemischte Plätzchen gekauft. Kaufe selten dort ein, da immer Schlangen vor dem winzigen Laden stehen. nicht nur zur Coronazeit. Ganze Familien lungern im Sommer dort herum. es ist hoffnungslos. Im WInter hängt die Fassade voller Lichterketten. Schatzkästchen. Adventkalendertürchen. es war ein wundersamer Ausnahmemoment, da wirklich niemand da war. Obwohl ich nie da bin – Vertrautheit. Pfefferkuchen mit Pflaumen gefüllt. BratapfelButtergebäck, Vanillekipferln. Nun haben wir mehr denn je – die ganze Küche ist voll 15 Pakete Nürnberger Lebkuchen, Dominosteine und Vanilleplatzchen und die Tüte vom Eissteffen – und ich gehöre nun wohl auch zu den Menschen die gehortet haben.  Dummerweise verlieren die real-käufe jeglichen Reiz neben dem Gebäck des Eisladens. Plätzcheninflation.

Unglaubliche Nachricht am Abend: wir sind gefördert vom Goethe-Institut! es kann doch weitergehen mit Gaza. es ist eine Förderung, die mich besonders freut, denn bisher hatte es wirklich nie geklappt. hatte schon vermutet, es läge an meiner Liebe zu Heinrich von  Kleist, der Goethe einst zum Duell gefördert hatte, weil der dessen STück bis zur Unkenntlichkeit und zum totalen reinfall inszeniert hatte. lernen: DInge nicht persönlich nehmen!

20. Dezember, Berlin

keine Lebkuchen mehr im Kaufland. kein Plätzchenteig. nur noch Schokoladennikoläuse. irrte eine Stunde zwischen den Regalen und imme rgab ein Kaufland-Verkäufer Hoffnung, doch doch es gäbe noch was. und immer sagte dann ein anderer: „Nein schon seit Tagen nichts mehr!“ Fassungslos. seit dem Sommer stapelten sie hier den Weihnachtskram! gefühlt gleich nach Ostern! und ausgerechnet in der letzten Adventswoche gibt es nichts mehr?! – es liegt aber an Corona. Überall horten die Menschen jetzt meine Aachener Printen und ich die ich im Sommer schon Lust hatte, welche zu essen und stolz war, sie mir aufzusparen, gehe leer aus. ob es bei den Weihnachtsbäumen auch so ist? Horten die Menschen sie auch, neben dem Klopapier und den Zimtsternen? jeder nur einen Baum! Aber der Flohmarkt nicht. ENttäuschung des SOhnes, weil kaum Hofnfung auf Geschenkekauf. seltsamer Dezember. aufgeschnappte Sätze im Vorübergehen und fahren: sich krümmendes Kind in der Seumestraße „Ich muß dringend, aber ich will nicht hier!“ Mann in der Jungstraße „Ich dachte schlimmer als Söder wir’d nicht.“ Bettler im Sprakassen-Vorraum bei den Automaten strahlt lachelnd auch wenn man nichts gibt. im Rechteck des Betonbrunnens auf dem Spielplatz Boxhagenerstraße spielt (neben den bronzenen Piguinen, deren Schnäbel glänzen, weil die Kinder sie immer streicheln) eine südamerikanische Band. sehr lebendig und mitreißend. dennoch trotslos. die Pinguine drängeln sich zusammen, als wolten sie nichts zu tun haben mit der Musik. Mutter mit Kindern schaut und hört demonstrativ und lange zu. Maskenträger im Freeine. Kind mit Mundschutz neben Luft-Raus-Ball, der die Musiker anstarrt und man weiß nicht ob er lächelt.

19. Dezember, Berlin

Vom Corona-Test geträumt. es war aber kein Rachenabstrich, sondern ein Multiple-Choice-Test, den ich in einem großen Hörsaal zu bewältigen hatte. steil emporragend. altes Amphietheater. kratzende Füller auf Papier. der Test war auf den ersten Blick simpel und ich hatte sogar jemand neben mir, der mir half. allerdings war dessen EInflüstern extrem verwirrend und ablenkend, konnte mich auf  kaum eine Frage konzentrieren. glaube aber es ging auch um die Abfrage von Corona-Abstandsregeln. der EInflüsterer war sehr nah. ich brach den test ab und sagt „So kann ich nicht arbeiten!“ er sagte: daß das genau der Test gewesen sei und ich hätte bestanden.

erster freier Tag. wahrscheinlich überhaupt: ab jetzt hab eich frei. der echte Lockdown kann beginnen. bin doch draußen gewesen. Kopierläden haben auf!

18. Dezember, Berlin.

Das das „Nicht ich“ bin in dem Artikel, ist vielleicht egal. Es ist eine mir fremder Blick, aber so ist Wahrnehmung nun mal das muß man hinnehmen, jeder sieht was er sieht.  – (Ja okay, ich glaube nicht daß ich ein Gutmensch mit Helfersyndrom bin, ich sehe mich eher als getrieben, etwas „zum Sagen zu haben“, Erzählnot ist größer als die Angst vorm Krankwerden und die Hoffnung, selbst vielleicht wieder Reisen zu können ist stärker als der Wunsch der Menschehit zum Impfstoff zu verhelfen.Idealismus, Altruismus…. und Ego-Interessen können ja auch manchmal im Gesamtpaket daherkommen…

Was ich aber so erschreckend finde ist, daß alle Medien immer nur an der klaren Botschaft „Ja!!! Impfen“ interessiert sind oder alernativ eventuell an einem „Nein!“ dann müsste man aber einen Skandal zu bieten haben mit Hand und Fuß oder genetisch mutiertem Erbgut. Ich habe keinen Skandal zu bieten, nur ein paar Kleine Teufel im Detail und Haare in der Suppe. ist es nicht möglich mahnend kritisch zu sein und trotzdem FÜR eine Sache tätig zu sein?

Es hagelt jetzt Anfragen. Deutschlandfunk. heute ORF. ZDF Spezial. alle wgen des Artikels und prompt denken alle ich bin die mutige Probandin vom Dienst. Die Anfrage des ZDF habe ich mehr oder wneiger selbst abgesagt, weil es wieder nur was im Zwei-Minuten-Format gewesen wäre. Ich kann hier nur ausführlich! Un dich kann nur „Ja, aber“ die Redakteurin bedauerte dies, nettes Gespräch. ob ich wirklich nichts in einem Satz zu sagen hätte??? „Zu Ja oder Nein ? – nein!“ Ich konnte ihr nur in einem Satz erklären warum nicht:

„0k, wahrscheinlich wirkt diese Inpfung jetzt erstmal. wahrscheinlich hat man auch erstmal keine Nebenwirkungen und es ist wahrscheinlich gut, das Ziel „Herdenimmunität“ in Angriff zu nehmen, ABER ES IST TOTAL WICHTIG, DASS DIE SICH DIE HERDE DARÜBER BEWUSST IST, DASS HIER NUR ULTRAKURZZEIT GEFORSCHT WURDE; daß klinische Studien wie diese sonst 10 Jahre dauern und  aus drei verschiedenen Phasen bestehen – hier aber wurde alles auf einmal durchgejagt und die Aufsichtsbehörden waren eher Kooperationspartner. Man weiß nichts über die langfristigen Auswirkungen und auch wenn das sehr sehr neue verfahren jetzt  erstmal hilft (wie lange man geschützt ist, das ist eine andere Frage), sondern auch die Wissenschaft einen riesigen Schritt weiterbringt  soll sich die Herde klar sein, daß noch keine Langzeitwirkungen vorliegen. deshalb kann ich niemand dafür oder dagegen raten.

– So, das sind schon wieder drei Sätze gewesen. und nachwievor bin ich ich empört, daß die Erfolgsmeldungen herausgebracht wurden, bevor ich als Erfolgsindikator noch nicht einmal meine letzte Untersuchung hatte. Die Not und Dringlichkeit darf nicht auf Kosten der Sorgfalt gehen, gerade WEIL es so wichtig ist. Bei Curevac, hörte ich, begann man mit einer Phase I Studie, wie es üblich ist. Diese ist erst im Februar abgeschlossen. und dann erst  kommen die Hauptstudien. Das dauert nun mal länger. es hat einen Sinn, es gibt medizinethische Richtlinien… Heiligt der Notstand, der Zweck alle Mittel?

Und wieso kann das nicht die Botschaft der Zeitungen sein und der Sender? Als ich der Redakteurin dieses „Statement“ zum Thema „Kein Statement“, gesagt hatte, herrschte kurz Stille, dann sagte sie „Meinen sie nicht, daß das eigentlich schon ein Statement ist?“ Ja… dann… ja! dann gerne ZDF-Speziel. Das wäre eine Botschaft, die würde ich schon gerne sagen. Sie sagte  „warten Sie kurz, ich bespreche es mit meinem Boss“ und rief dann zurück mit einem sehr höflichen und (glaube ich ) persönlichem bedauernem „Nein Danke.“

17. Dezember, Berlin […]

16. Dezember, Berlin

Heute Seite 3 in der SZ erschienen. große Ehre. Aber das bin doch nicht ich???!

12. Dezember, Berlin, Stoffhaus

Wolle gesucht für Mütze, die sich die Mutter gewünscht hat. Stoffhaus in der Frankfurter Allee, Ecke Colbestraße oder Mainzer? das Stoffhaus kam mir immer altbacken vor. Vielleicht weil es mich an den bayrischen Lehrplan der Grundschulzeit in den 70ern, 80ern erinnerte. die Jungs durften Werken, wire Mädchen Handarbeiten. ich war nie gut. Maschen-Zählen. schwitzige Hände von denen das Strickzeug nass wirde und zu schrumpfen begann. zu fest, zu bemüht. Erinnerung an Die Mitschülerin, die Linkshänderin war – Karin Hinkelmann mußte vorne Sitzen damit die Lehrerin sehen konnte, ob sie wieder die böse Hand benutze, anstatt die rechte. ich war immer schlecht in Handarbeiten. Handarbeit bestand aus jeweils einer Masche mal 100 000. in Mathematik war ich auch nicht gut. Nie ein Großes und Ganzes aus dem ärmel geschüttelt. seltsamerweise Häkle ich aber seit letztem Jahr. ins Blaue. nur so ohne Plan ohne Muster. Wenn die Wolle besonders schön ist trenne ich es manchmal wieder auf, aber überraschenderweise wird sogar manchmal etwas daraus. das Garn ist meistens grau oder türkis. Trotzdem eine Art roter Faden ins Innere. kein Ariadnefaden, der hinaus aus dem Labyrinth führt, aber einer hinein. Ruhe haben. Weil Rihe hin. Gretchen am Spinnrad. Penelope, die die Freier hinhält. Totenhemden Stricken und wieder aufdröseln. Alt werden in einem Zimmerchen sein und nichts tun. Nirvana und eine Zauberstab mit einem Haken daran, der weiterbohrt, knüpft. Mein Zauberstab ist schillernd-blau und lang (aber ich habe auch einen kleineren, metallug wie man es kennt. nahm in versehentlich mit, als ich im Haus der Oma vom Bommel in Bertoldsdorf wohnen durfte. nur geliehen, aber nie zurückgegeben, weil das Haus verkauft worden war, eh ich zurückkam. nicht vergessen…).  DIe Hand bewegt die Hirnwindungen in eine andere Richtung führt. Eine Alternative zu den Fingern auf der Tastatur. Noch ein Gedanke an WIndsbach: Mußte an die Mutter des Baumeisters denken, die wegen ihrer Augen klagte, sie könne die Maschen nicht mehr sehen. – wie auch immer. Die Wollte für die intutiv gehäkelte Mütze war früher zu Ende, als die Mütze. Also Stoffhaus, Frankfurter Allee. letztes mal hier gewesen, als ich BLieband kaufen wollte für den Theatervorhang. oder weißes Synthetikfell für eine Ausstellung. oder 20 Jahre früher Fake-Schlangenleder für das Dinosaurierkostüm für den Sohn. immer fühle ich mich hier fehl am Platz und trotzdem froh, weil sich das Stoffhaus nie ändert. der Schriftzug über dem Laden mit dem rosanen „o“, das einen Knopf darstellt. Leuchtet es Nachts? ich glaube nicht. Schon oft gedacht, wie hält sich so ein große Räumlichkeit in begehrter Lage. Und ohne sich groß zu verändern: es wirkt wie immer, die Schaufensterpuppen, um die  Stoffe drappiert sind, als käme gleich jemand und es würden gleich echte Kleider daraus. Saisonalbedingt kommen manchmal extra bunte Stoffe dazu in schreiend guter Laue, zu Fasching. Viel Zuckerwattiger Flausch, aus dem sich eine einzelne Spinne abseilt, wenn Halloween ist. HInter dem  EIngang, gleich links der Drehständer mimt den Restposten, fast immer häßlich. Geschmackssache.  … Alleswirkt noch wie immer. – Okay, damals gab es noch nicht so viel Filz-Garn. Und Neu sind  die Maskenstoffe, oder beireits selbsgenähten Masken.

Versuchte in diesem Jahr mehrmals gute Kundin zu werden, aber immer nahmen sie die Wolle mit der ich meine Fäden zu spinnen begann wieder aus dem Sortiment. Unfinished Business. einmal bestellten sie nach, aber die Wolle kam nie an. ich glaube, sie haben Kundinnen wie mich nicht nötig, erst zu Lockdownzeiten gemerkt, wie viele Frauen (ja es sind schon fast immer Frauen), Handarbeiten – das Wort klingt immer noch altbacken für mich, es sei denn man übersetzt es ins Englische, dann wird es regelrecht zwilichtig. – Bis weit die Straße hinunter stehen die Kund:innen an. auch wenn der Verkaufsraum eine riesige Fläche ist, es dürfen nur vier Personen hinein. Korbpflicht. Rückzug. Fädenknüpfen- ins Innere. Mutter mit Kind im Vorübergehen erklärte der Tochter, die sich wunderte wegen der Warteschlange, die tatsächlich gewaltiger ist als alle anderen: „Das ist so wie früher, die leute  müssen anstehen! – Wie in der Zeit in der Mutti groß geowrden ist.“

11. Dezember, Berlin

Feuerschale bei Obi kaufen. aber jetzt fehlen immer noch die menschen. Viele sind in der Lockdownzeit verschollen. Immer noch kenne ich niemand der an Covid gestorben ist, aber der genommene Abstand… schmerzlich.  verkrieche mich ja selbst ins Internet. und da ploppt dauernd mein Ex auf, der offensichtlich das neue  Werbegesicht der Huk-Coburg geworden ist. eine Art neuer Kaiser.  Aber „Hallo-Herr-Kaiser!“, der vertrauenserweckende Über-Fünfziger einer anderen Versicherung, war einer dem die Klienten auf der Straße hinterherriefen (im Werbeblock), der Ex ploppt von alleine auf und hat eher etwas höhnisches, wie er da mi mit dem Zeigefinger (oder rückwärts gewandten Daumen) auf die Angebote hinweist, die der mensch auf der anderen Seite des Bildschirms (der gerade Freecell-Solitaire spielen wollte), gerade verpasst. Selber Schuld. ich spiele zu viel Freecell. es ist das SPiel wo die Karten alle unordentlich offen da liegen und man kaum Platz hat sie in Ordnung zu bringen.   es entspricht dem Zustand meiner Wohnung. Freecell-Spielen ist das andere Feng-Shui. Verzweiflung. Feuerschale kaufen. Lied von der Erde hören.

10. Dezember, Berlin

Ich habe TÜV! Endlich! und ich habe entdeckt, daß man ihn nicht so schreibt: Tüff.

Jemand hat die Feuerschale aus meinem Innenhof geklaut. hatte sie verleihen wollen und fand sie zu rostig, sie lag seit dem Frühling ungenutzt im Hof.  und just einen tag später nach der langen Zeit, jetzt da ich sie putzen wollte, ist sie nicht mehr da. wäre sie irgendwann im Lauf des Jahres verschwunden, ich hätte es hingenommen. Ungenutzte Dinge gehen verloren. andere Menschen brauchen sie dringender. aber genau jetzt, wo ich mich ihr widmen wollte. sie sogar säubern wollte. – vielleicht war das der Fehler. Nun ist die Sehnsucht nach einem Lagerfeuer größer denn je. Momentan hätte ich nicht einmal menschen , die mit mir um ein solches stehen wollen würden. Oder ein Rudel. das letzte Mal, als sie zum Einsatz kam, saßen meine Theaterkollegen und ich auf der Bank, die Feuerschale stand im Sandkasten und wir feierten die Förderung der BUndeskulturstiftung. aber auch da hatte ich nicht alle zusammenbekommen und es scheint so lange Zeit her. Ich finde es ist eine zeit, in der man im Freien mit Menschen zusammen um ein Feuer sitzen könnte. vielleicht die einzige Möglichkeit. Feuertonnen. campingtische und weißwein  trinkende menschen an der Havel oder Spree bei Potsdam. die Clique des Freundes, die sich im Wald trifft zum Adventsfeiern. irgendwo ankommen. hingehören. ich brauche eine neue Feuerschale.

7. Dezember, Berlin

letzte Aufnahmen für Podcast. Ausdruck der letzten Seiten Text bei Copy Clara. Motorrad vor Laden geparkt. Polizist, der eines der vielen wichtigen Gebäude rund um den Block (wahrscheinlich ist es wieder was vom Gesundheitsministerium) bewacht, fragt ob ich hier auch wirklich kopieren gehe? ich sage ja. und „Nur ganz kurz!“ er weist auf offizielllere Parkmöglichkeiten hin, sagt, es sei aber okay. er scheint nett zu sein. wahrscheinlich war ihm einfach langweilig.  Handy liegen gelassen, erst spät gemerkt. zurückgefahren. war noch da. ich habe zur zeit mehr Glück als verstand.

6. Dezember, Berlin-Friedrichshain

Die schlaflosen Nächte, manchmal produktiv, manchmal nur nervig. Die zu volle Wohnung. Die Die zu vielen Dinge. Kopieren fahren gewollt, aber den USB-Stick in die Hosentasche gesteckt, deren Futter ein Loch hat. Wege hin und zurück in der Hoffnung das kleine Teil zu finden, fand aber stattdessen nur eine bunte schmale 1,5Volt Batterie in den Strßaenbahnschienen. Ein milder Dezembertag, hätte auch Schon Februar sein können. Die Überraschung am Sonntag, daß der Boxhagener Flohmarkt noch existiert. Kam eher zufällig daran vorbei, weil ich vergessen hatte einzukaufen und zum Ostbahnhof musste. Auf dem Rückweg halt gemacht. Es ist nicht so viel leerer als sonst. Die Menschen tragen Masken oder Schals vor dem Gesicht oder nichts. Ein bißchen mehr behutsamkeit im drängelnden Tanz um die Stände. In den Straßen um den Platz leuchten bunter Lichterketten, es dämmert bereits ein bißchen. Manche Stände haben Baustrahler oder andere Lichtquellen. Kerzen. . Die Bude an der ich gerne eine Maske kaufen wollte für 3 Euro, eine mit Blumenmuster, hat schon abgeräumt, als ich zuürckkomme mit Kleingeld. Es wirkt weniger hektisch. Es fühlt sich nach Advent an, aber nicht dem lauten kommerziellen, der zu bunten Vorweihnachtszeit. Ich könnte mir vorstellen mich in den Winterschlaf zu begeben. Schreiben im Bett. Schlafen. Schreiben. Und sonntags einen Spaziergang über den Flohmarkt zu machen.

Der Stick fand sich dann doch, zu hause als ich die Schuhe auszog. doch als ich na es war dann durchgerutscht in den Stifel hinein. – und erst jetzt, da ich das schreibe und mit einem DAtum versehe festgestellt, daß Nikolaustag ist. der erste an dem ich nicht irgendwelche Süßigkeiten, Äpfel und Nüsse in fremde Schuhe stopfe.

Berlin. 4. Dezemberg

Fotos vor dem Gebäude der klinischen Studie. Zu früh am Treffpunkt gewesen, befürchtet, daß ich mit roter Nase ankomme und verfroren aussehen werde auf den Bildern von der Fahrt auf dem Motorrad. aufgewärmt in der  Sparkasse gegenüber, was sich komisch anfühlt, da es doch sonst in der Kälte das Obdach von anderen verfronenen ist. kurz vor der verabredeten, dann einen Kaffee gekauft, der innerlich wärmte, aber zwecks Trinken Schal-Abnehmen macht wieder rote Nase. Die Fotografin beeindruckend. Schnell und bestimmt. stehe an meinem Motorrad und das Motorrad auf dem Mittelstreifen, quasi an der U-Bahnstation , weiß gar nicht ob ich hier stehen darf. also das Motorrad. fühle mich stärker. mußte an den Tierarzt aus Windsbach denken, der mir einmal sagte, ich säße noch unsicher auf meiner „Ente“, ich solle mir vorstellen, eins mit ihr zu sein. Centauer werden. wollte es damals nicht so gerne hören, er hatte aber recht. lieber rotnasig auf einem Ross sitzen unter dem Arm ein Helm auf dem „Held“ steht, als verfroren und verloren vor dem Pharma-Gebäde stehen ohne Grund und Boden.

dann mit ihr im Auto zu mir gefahren.  das Motorrad zurückgelassen auf dem  Mittelstreifen aus Zeitgründen. hinterher, als ich es wieder holte zur Stoßzeit lange vor Ampeln gestanden. erstmals gesehen, daß in der Höhe WöhlertStraße, da wo damals „sder Oststeil der Stadt auszulaufen schien in NIemandsland, Todesstreifen, Mauer und der Westen begann. ein Stück Mauer aus enem Haus ragt. es sieht aus wie empor gehisste versteinerte   Fahne, gewaltigt ragt sie aus der Wand. oder war sie genau eben da, nur der Wall darunter fehlt. Wie kommt es daß ich das nicht weiß. und jetzt erst sehe.

Berlin, 30. November

Treffen mit Redakteur der SZ. Gespräch über die Impfstudie, die Beweggründe… Interview in meiner Küche, die schöneren Gespräche waren vorab und danach. Beim Spaziergang durch den Kiez. Kaffee geholt bei Nadja und Kosta, weil ich keinen mehr da hatte. überhaupt eigentlich kein guter Zeitpunkt. Nacht nach der gestrigen Vorstellung wieder schlaflos. Sie war wohl erfolgreich, aber fühlt sich dennoch einsam an ohne wirkliches Publikum. die live-Perfromance mit Gaza war großartig – aber es ist nicht sicher ob alle den Umzug von Zoom auf Twitch (weiß nichtml ob ich es richtig schreibe. oder heißt es Twitsch?) mitgemacht haben. gutes Feedback allerseits. aber was hilft es wenn die Seiten so ungreifbar sind. bei der DIskussion so viel Höfllichkeit. wenn man das nur weglassen könnte: das Dankbar sein, das Loben, die „Credits“. direkt sprechen. ehrlich sagen. über eine Sache reden, nicht Menschen Tribut zollen. aber um dies zu schaffen bräuchte man mehr zeit.  – war lange wach gelegen und schließlich um 6 Uhr früh zu Kaufland gegangen, um Croissants zu kaufen und Donuts und Milch für den Kaffee, weil besich von der SZ. großartiger Frühstückstisch. Vorab-Frühstück mit Sohn. Eruptionsartiges Niesen des Sohnes in den Croissont-Und-Brötchen-Korb. – Hätte ich in der Vor-Corona-zeit, den Inhalt für „Noch genießbar“ gelassen wie er ist und nur das oberste Blätterteigteil verschwinden lassen, bzw. dem Sohn zugeteilt, der es ja bereits „markiert hat“? zeit für erneute Einreise ins Kaufland zu knapp. Bäcker. neue Ware. dann festgestellt daß nun zwar Milcih aber ein Kaffee mehr. daher schließlich Runde um den Block gedreht mit dem ehemaligen Israel-Korrspndenten der SZ. bestellte Kaffee mit Hafermilch. die hätte ich auch auch nicht gehabt. schöne gespräche über Kinder, visionäre Musiker, Isreal und das NAchwende-Berlin im Park ggenüber vom STadtteilmuseum. ich wünschte Interviews könnten gespräche sein jenseits von Themen. habe gemerkt wie lange ich keine neuen Begegnungen hatte. schöner Tag. nachher totmüde geschlafen ab 18 uhr bis 2 Uhr früh. in der Nacht alle Croissants gegessen

 

Berlin, 28. November.

weil das Internet in den BLO-Ateliers für eine öffentliche Zoom-Konferenz plus live-streaming-Extra doch zu unsicher ist, ist unser anderer Ort die Schaubude. Es ist unser Gastgeber-Theater, es liegt am S-Bahnhof Greifswalder Straße und vom Innenhof Dach über den Garagen blickt man auf einen Streifen Garten nach unten, in augenhöhe steht man beinahe direkt gegenüber den Wartenden am Bahnsteig. das gründe runde „S“ des S-Bahnschilds leuchtet wie ein giftiger Lollipopp. ma steht wie auf einem vergessenen Bahnsteig, auf den sonst keiner kommt. eine Gleis 3/4-Situation. Das Theater bedeutet mir viel, es ist nicht zu groß, es ist nicht zu klein. es teilt sich den Innenhof mit Wohnhäusern, ehemals mit STrauss-Innovation, jetzt einer virtuellen Galerie namens „The WOw“. Die Schaubude hat hervorragend schnelles Internet. eine Zoom-Konferenz wäre somit ein leichtes SPiel. Viele Theater stremaen jetzt oder machen irgendwas auf Zoom. ich kann das nicht, ohne „das leichte Spiel“ als solches zu nehmen. Es ist ein Spielort, wie zeige ich das im Zoomfensterchen. alle raten ab. Das sähe man eh später nicht. bestand gestern dennoch darauf, daß U. die von ihrem Computer aus das ZoomMeeting leitet, mit dem Notebook durch das Theater geht. ihr Blick in den Rechner macht das Notbuch   zur Kamera. Was sie sieht, sieht die Außenwelt. wenn sie im Foyer sitzt zu beginn, sitzt sie vor dem Fenster, das die Schaubude oft als Schaufenster für unglaubliche Ausstellungen nutzt. Mechanisches, sich bewegendes, zusammengesponnenens, Lichtinstallationen. noch ehe ich in diesem Theater als Zuschauer war, stand ich oft vor der Scheibe und drückte mir die Nase platt, als blinzelte man durch ein Schlüsselloch in eine andere Welt. Von hier aus, also von diesem  theater aus streamen kann ich nicht ohne wenigstens zu versuchen, den Ort selbst auch greifbar zu machen. das Schaufenster ist zur zeit eher kahl, unheimliche Aluminiumfolienwesen zucken im Rahmen des Fensters. nicht wahrnehmbar. aber auch im Foyer, also Innen zu sitzen und im hintergrund die Außenwelt zu haben, Passanten die vorbeigehen mit aufgeschlagenen Mantelkrägen oder kurz stehenbleiben sind eine Verbindung zur Welt. U. sitzt in der Theaterwelt, im Lockdown ohne Zuschauer, aber es gibt ein Draußen. vielleicht interessant für die zugeschalteten in Gaza. wir waren immer fasziniert, wenn wir verbunden waren mit der Wohnung des Hauptdarstellers, von dessen WOhnzimmer aus wir vor einem Jahr den Kampf des alten Mannes mit dem Meer und dem zu großen Fisch, wir beobachteten, uns dazu „beamten“ oder ihn zu uns beamten.  es war eine Notlösung gewesen, denn das echte Theater in Gaza war bei einem Luftangriff restlos zerstört worden. aber es erwies sich als die interessantere Bühne, zwar sah man das echte Gaza nicht, die Fenster waren verhangen, aber das Hupen der ampellosen Stadt (denn Strom hat man nur selten und nie zuverlässig) war zuweilen  zu hören, die SPieluhrklänge der Wasserverkäuferwägen (denn das Leitungswasser ist nicht trinkbar), die Lautsprecherstimmen der Tomatenverkäufer, der Hochzeitsautos oder der Hamas-Trainings-Trupps. ich möchte die Wirklichkeit erahnbar machen, auch wenn man sie nicht im Detail sehen wird. auch wenn unser sonst immer lebensgroßes beinahe echtes Fenster nach Gaza stärker ist, auch die kleinen Fensterchen via zoom sind  es wert genutzt zu werden.  Gang vom Foyer durch den leeren Zuschauerraum, die Notausgangsschilder, die schwarzen Türen, die weinroten Wände, die Bühne mit dem traumhaften durchsichtigen Vorhangstoff. eine leere Tüte Kuskus aus Gaza, gekauft im Supermarkt „Meat-City“ sah aus wie ein leuchtender Marktplatz aus einem 1001-Nacht-Bilderbuch. ich möchte eigentlich meine Theaterarbeit beenden. das Bilderbuch zuschlagen. ich  bin erschöpft und ausgebrannt, ihc kann mich zur zeit kaum auf den beinen halten, weil ich nur 2 Stunden pro Nacht schlafen kann, aber wenn ich die CHance habe, die Orte, an denen ich nicht in echt sein kann, wenigstens erahnbar zu machen, kann ich nicht aufhören. ich möchte dieses Fenster behalten, es nicht schließen und  die Medien Theater, Film und meinetwegen auch dieses verdammte Internet als das nutzen was es per se nicht ist, aber sein kann. Wenn man sich um sich selbst dreht mit dem Computer ist man für einen Moment der Mittelpunkt der Viele-Welten-Welt und was man selber sieht, ist das was man selber den anderen zeigt.

Ich bin sicher daß „The wow“ das nicht kann. jedenfalls nicht soooo.

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Berlin, 27.  November, Schaubude, Berlin Gaza- Projekt. das Prinzip des Stadtschreibens war einmal: Orte entdecken, mit eigenen Augen sehen und EIndrücke notieren; das ist in letzter Zeit auf der Strecke geblieben. Die Retrospektive „Blick zurück nach Gaza“ hätte eigentlich in den BLO-Atelliers stattfinden sollen, ebenfalls einem Ort, der mich beeindruckt. Noch gibt es ihn, ein Dschungel hinter Bahneigentum, neben den Fernbahngliesen und dem S-Bahnhof Nöldnerplatz, es kann kein großes Areal sein, aber man vergisst die Stadt in der man ist; ein Freund nennt es „die grüne Hölle“, der Kopsteinpflasterweg wird holpriger, erdiger. die alten Bahnhäuschen sind verstreut, wie viele Ateliers es geworden sind, weiß ich nie oder vergesse es. sie offensichtlichen stehen am Weg, die restlichen im Dickicht der hohen BÄume. Im Herbst sieht man, daß es eigentlich kein Dschungel ist, es ist dennoch ein Ort, den ich nie ganz begreife; manchmal lande ich fast automatisch auf dem großen runden Platz, der irgendetwas zu tun gehabt haben muß mir dem Rangieren von Zügen. unbegreiflich. jetzt wirkt er eher wie eine rituelle Stätte.  der Lo. hat hier irgendwo eien Container stehen gehabt, auf dem gepackt wart ein altes Boot und darin Schätze. sein vermieter hatte ihn im zur Verfügung gestellt, da er in der Wohnung sanieret werden mußte, aber auch diese so voller Schätze war, daß  Auslagerung der einzige Weg schien. auch ein undurchdringbarer Dschungel. Er muß den Container verloren haben. jedenfalls das, wa snicht mehr hineinpasste. Die  eigentlichen Ateliers aber machen etwas her. eins ist das Hexenhaus. eins ist die Kantine, in der wir proben, in der ein altes verstimmtes Klavier steht, in der sich ein Bühnenpodest in die Ecke verzogen hat, das mal in der Mitte zwischen den schwarzen Säulen stand und wie ein Boxring wirkte, tolle KOnzerte fanden hier statt vor einigen Jahren. die  Kantine ist ein erweitertes WOhnzimmer mit Sofas und  durchlebten Biedermaier-Sesseln, deren Beinchen beinahe brechen, mit DIscokugel und  unglaublichen DIaprojektoren, die man immer versehentlich anmacht, da alles Licht, jede Stromquelle nur über den bekritzelten Sicherungskasten steuerbar ist. immer riecht es nach kalteem Rauch, aber man vergisst es nach einer Weile. hier haben wir in den letzten Monaten jeweils für ein paar Tage trainiert, mehrmals mit Schaltung nach Gaza, un dhätten auch hier gerne unsere Werkschau gehabt, aber der Förderer, die Rosa Luxemburg  entschied sich doch für ein online-Event. also ist der Ort Kein Ort. Das Internet. und der andere Ort, Gaza ist weit weg. wir wird man ihn wenn nicht greifbar doch erahnbar machen?

München – Berlin, 26. November

Aufbruch einen Tag früher als geplant, weil der Aufbau für ein Theater-Event, das am Sonntag nochmal unsere Arbeit mit Gaza zeigt, oder zumindest ein Einblick geben soll doch schon am Freitag ist. die Woche ist somit auf drei Tage zusammengeschmolzen. das zu hastig geschnittene Haar der Mutter am Morgen vor der Abfahrt. das zurückgelassene Fahrrad. das Bedauern, keinen Racheplan ausgeheckt zu haben gegen den Gegenüber-Nachbarn der Eltern, der mich wegen 5 Minuten langen Falschparkens 5cm zu we jenseits des Feuerwehr-Ausfahrtsschildes angezeigt hat.-

Fahrt durch Novembernebel, erstmals echtes Novembergefühl. ZDF-Anfrage so gut wie abgesagt, dann doch am Telefon, als der Rückruf kam, wieder so gut wie zugesagt. Ich habe lange nicht mehr ein so interessantes und differenziertes Gespräch über das Impfen geführt wie mit der Koordinatorin K., die so glaubhaft vermittelte, daß die Redaktion so lange gehadert hatte, ob es überhaupt etwas zum Thema „Impfen“ bringen sollte, so viele Mediziner hatten dringend abgeraten, es sei nun mal der Konsens und die Botschaft an die Gesellschaft, daß Land in Sicht, Rettung unterwegs sei. wie könne man jetzt Impfen ja oder nein!? zum Thema machen? sie schien ehrlich verzweifelt darüber, eben daß nur die Hardcore-Meinenden sich auf Diskussionen einlassen wollten. Es müsse doch Argumentationsweisen jeseits der Gesundheitsministeriums-Linie/Pharma/Biotechnology-Industrie einerseits und den Verschwörungstheoretikern andererseits geben. Es müsse erlaubt sein, genauer nachzufragen und Gedanken in den Raum zu stellen. Dachte wieder an den Mittelwegs-Taxifahrer.  Und ja, da beschäftige ich mich seit APril mit dem Thema, probiere, teste, notiere, nehme wahr, recherchiere und habe „zu sagen“ gehabt..  War zuweilen entsetzt wie schnell angesichts des Medien-Hypes und des Erwartungsdruckes, angesichts der Nachfrage-Angebots-Relation, jeglicher Blick ins Detail als „irrelavant“ abgetan wird, von Leuten, die nicht einmal die Zeit aufbringen einen 9000-Zeichen Artikel zu Ende zu lesen, aber doch um ihre Meinung zum Halbgelesenen zu verkünden „Halt uns nicht auf mit Nebensächlichem, Hauptsache es geht los“… wieso also nicht JA sagen, und im öffentlich-rechtlichen Rahmen sagen was dennoch ich wichtig finde? (ich lasse mal die Eitelkeiten weg, z.B. das die Aufnahmen schon am Dienstag sind, ich aber immer noch krank bin, die nächsten Tage mit dem Gazaprojekt zu tun habe und seit zwei Monaten keine Zeit hatte meinen Ansatz nachzufärben) Ich lasse die Äußerlichkeiten weg und stelle fest ich kann das nicht! wie kann ich etwas so komplexes auf ein Ja oder nein reduzieren? so tun als ob ich jetzt in der einen oder anderen Ecke stehe.  Klar, Es geht ja in dem Gesprächsformat um Annäherung: man denkt nach, Feld für Feld sucht weiter, revidiert sein Pro oder Contra, sucht neue Positionen, überdenkt sie. – dennoch: man muß wenigstens für den Beginn eine klare Botschaft haben, die in einen Satz zusammenfassbar ist. ich kann halt nur 9000-Zeichen! ich bin keine Aktivistin, ich würde nie sagen laßt Euch nicht impfen. oder laßt Euch auf alle Fälle impfen. Meine einzig klare Botschaft ist: schaut genau hin!  – Wenn Herdenimmunität das ist, was angestrebt ist, dann werde gerade ich, die ich bereits geimpft bin, nicht sagen ich bin dagegen. Aber ich will, daß die Herde eine kluge Herde ist und nicht aus einem Haufen Rindviechern besteht. Nicht eine, die man antreibt und die drauf los prescht, weil alle anderen auch losrennen. Ich will kluge aufgeklärte Kühe, Kuh für Kuh. EIne Herde, die nicht immun ist gegen Gedanken oder blind für die Teufel im Detail. Und ich bin dagegen, daß diese Entscheidung in Massenhysterie und Lichtgeschwindigkeit abläuft und ohne das Bewußtsein, daß Abläufe deren Parameter  aus gutem Grund von Medizinethikern und natürlich auch praktischen Ärzten anders gesetzt wurden, die der Sorgfalt und der Zeit bedürfen, und Objektivität und Transparenz verlangen, auf den Kopf gestellt wurden. Haben alle kapiert, daß hier nur sehr vorläufige Daten vorliegen und nur eine minimale Effektivität (90 % für nur eine Woche nach der  2. Impfspritze!).  Wenn wirklich alle das verstanden haben und dennoch sagen: es ist dennoch der Strohalm den wir wollen und das Geld wert, das anderswo fehlt. dann bin ich dafür. ich bin dafür, weil ich  auch Angst habe, andere Anzustecken, auch wenn ich selbst vielleicht geschützt bin (obwohl die eine Woche ja schon lange rum ist), weil ich mir Sorgen mache um meine Eltern. Ich will mich freuen über den Erfolg der Studie und hoffen daß er ein langfristiger ist, aber ich hoffe, daß die Menschen das Risioko sehen, daß der Wunsch nach Herdenimmunität nicht nur ein medizinischer ist, sondern etwas mit Herdentrieb an sich zu tun hat und mit der Unfähigkeit der Tatsache ins Auge zu sehen, daß wir nie alle Erreger unter Kontrolle haben werden. daß wir irgendwann doch sterben. daß das Leben lebensgefährlich ist. ich wünsche allen daß sie ein gutes Leben haben, und Impfen hilft da wahrscheinlich manchmal. Ich hoffe es wird nicht der letzte Rest Kritisches Denken hinweg gespritzt.

– aber das ist keine Pro oder Contra Haltung. das ist eine Fußnote. oder Kopfnote. wie immer stehe ich am Straßenrand, während die Demo vorüberzieht. immer warte ich daß ein Pappschild oder eine Parole kommt, hinter der ich stehen will oder gehen möchte, aber nie kommt das eine Schild mit dem einen Satz, hinter dem ich mich am rechten Platz fühle. daher ziehe ich mich jetzt in meine Roman zurück.

25. November, Neukeferloh

Spaziergang an der S Bahn entlang zwischen Vaterstetten und Haar. Mittagssonne verfängt sich im Haar der Gräser. fühlt sich an wie weit weg. nur wenn Züge vorbeidonnern, weiß man wieder wo man ist. Familie mit kleinem Kind, das uns entgegenkaman bleibt stehen und erzählt meinem Vater das Wort „Güterzug“. An einem Zweig schaukelt im Wind eine blauer Mund-Nasenschutz. bis zur Autobahnbrücke gegangen. hatte gedacht es könnte schön sein in der Mitte zu stehen und auf die Autos herabzusehen. aber wir blieben am Rand. Ich seh auch von hier daß es Autos sind“, sagte der Vater.

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Anfrage des ZDF, ob ich an einer Pro und Contra DIskussion über die Corona-Impfung teilnehmen will; es ist ein neues Format, spielerisch. man stellt seine Argumente in den Raum und sich selbst auch. es gefällt mir. ich glaube ich kann aber nicht mit machen. schon zu beginnen mit  einer Positionierung für oder wider fühlt sich falsch an. Egal wie subtil man dann nachlegen kann.

24. November, Neukeferloh

der November-Garten, in dem man obwohl die Sonne schien, doch nicht wirklich sitzen mag. die Kälte, die Heizung deren Wasserstand zu niedrig ist. Meine schlechte Laune, weil ich da was machen soll mit einem  Schlauch, aber Angst habe, daß ich nicht weiß wie. Die näherrückende Veranstaltung am Sonntag in der Schaubude…  wie hab ich denken können hier ein bißchen der Welt abhanden zu kommen. In erster Linie aber fehlt das draußen sein.  als mein Sohn drei Jahre alte war und sich freute, daß seine Großeltern zu Besuch kommen würden nach Berlin, war die größte Enttäuschung, daß sie den Garten nicht mitgebracht hatten. konnte damals nicht fassen, daß er tatsächlich gedacht hatte, sie kämen in die Stadt mit Garten im Gepäck. – was hab ich jetzt gedacht? daß ich hier in der zweiten  Novemberhälfte in der Sonne sitze und Zeit habe zu schreiben?merke daß ich obwohl ich auch hier bin um zu helfen, gerade das Bedürfnis habe Kind im Garten zu sein.

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Ab Dezember wird geimpft. Krass. Wann wohl meine Vorstudie ihre Ergebnisse bekannt gibt. Zeigte dem Vater meinen Artikel, der ihn freilich nicht lesen konnte, aber ich hatte ihm zeigen wollen, daß sein Enkel als Fotograf genannt ist neben dem Bild, so klein,  daß es kaum zu lesen ist, aber die Glaffay-Lupe ließ es ihne doch entziffern. Mich auf dem Bild erkannte er nicht. „Aber, das ist doch eine Frau!“ naja, wie gesagt, fühle mich ja tatsächlich hier wie ein Kind.

23. November, Neukeferloh

gestrige Fahrt hierher (sie eine „Odyssee“ zu nennen wäre übertrieben, aber eine im „Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Modus“ wars schon) endete spät, aber erstmals in Bett gefallen und sofort ein und ausgeschlafen. Bis 8 Uhr. Die Mutter wahrschienlich schon außer Haus (Angebot der Woche bei Norma: Matratzenschoner), der Vater liegt (hoffentlich) noch im Bett (ohne Matratzenschoner), aus seinem Zimmer tönt Gesang. Sopran auf Klassikradio. bin diesmal nur wenige Tage hier. hatte dringendes Bedürfnins, Berlin hinter mir zu lassen.  – und gehofft, die Veröffentlichung meines Artikels zur Biontech-Impfstudie wäre ein Schlußpunkt zu diesem Thema. Das das Thema aber eben nicht „Das Ende der Studie“ war, sondern eher „vorzeitiger Pressemitteilungserguss“, stellt sich auch beim Schrieben darüber irgendwie nicht das Gefühl ein, ein Kapitel beendet zu haben. Daß das Ergebnisse  bereits gefeiert wird, für die Teilnehmer der Vorstudie aber, also die allerersten, die den neuen Stoff getetstet haben, die Studie aber weder beendet noch ausgewertet wurde, noch die Gelegenheit war, vor der Erfolgsmeldung und seit August zu sagen wie es ihnen geht, erschien mir wichtig zu sagen. Selbst wenn keine Katastropehn passsiert sind, Es ist  wichtig, ich bleibe dabei: nicht weil man irgendein Haar in einer Suppe gefunden zu haben glaubt, sondern weil es bedenklich ist, wenn Prozesse, die sonst innerhalb von Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten stattfinden, und Schritt für Schritt, nur weil die Not und der Bedarf schlagartig groß sind, in einem Dreiviertel Jahr und gleichzeitig über die Bühne gehen. stolpern. ich finde es bedarf sehr wohl des Blickes ins Detail. ich schriebe als Autorin und als Probandin. das ist nicht unproblematisch, aber eben auch die Chance der die persönlichen Perspektive.  ein Perspektivenwechsel. Aber immer wenn was Persönliches mit drin ist, hauts auhc persönlcih rein, wenn dann einer daherkommt und sagt: irrelevant. Tagesüber gedacht, der KOmmentar eines Lesers, sei kaum einer Antwort wert, in der Nacht verfolgte der hingerotzte Senf mich dann doch. er hatte den Artikel nicht einmal zu Ende gelsen, weil er wie gesagt schon in der Mitte gemerkt habe, daß er irrelavant sei. in Russland würde schon geimpft, weshalb hier etwas verzögern.   Er nimmt sich nicht die Zeit eine Seite drei zu ende zu lesen, aber die Zeit mir das mitzuteilen? eben auch einer, dem es nicht schnell genug geht. sidn denn alle verrückt?! Ich bin als Autorin in eine STudie gegangen. Selbst nicht gerade der größte Impf-Fan aber auch kein erklärter Gegner, aber ich dachte, es muß sein und es muß eben JETZT sein. ich habe das nicht aus reinem altruismus getan, aber doch auch weil ich dachte, es sei wichtig eine Schnittstelle zu sein, zu berichten. Und nicht nur Persönliches, nicht  nur Medizinisches, sondern eben das was mir auffiel.  – Egal wie groß die Leistung der Impfstoffentwicklung, wie enorm der Bedarf eines Impfstoffes zu sein scheint, man muß sich doch die Zeit nehmen für den Blick in die Details, die Teufel stecken dort und selbst wenn sie sich als kleine harmlose Beelzebuben entpuppen sollten, man kann sich schon mal die zeit nehmen, sie zu begutachten. mein Artikel hatte eigentlich den Titel „Immunantworten in Lichtgeschiwndigkeit“ heißen sollen, denn „Projekt Lightspeed“ ist der Artrbeitstitel der Impfstoff-Entwicklung. schon kapiert, es muß schnell gehen. Aber muß man deshalb gleich den Raum krümmen? oder die Gesetzte von Ursache udn Wirkung, Vorher und nachher außer Kraft setzen? daß die Daten wie es den ersten Probanden mittlerweile geht, nicht relevant sein sollen, geht über meien „Ereignishorizont“.

– Mist. habe mich schon wieder hineingeschraubt in den Ärger.  dabei wollte ich ins Haus meiner Kindheit unter anderem gerade weil auch hier die Gesetze der Zeit andere sind.  Es wird zeit endlich das mit dem Abstand zu lernen. ich habe eine Sache am eigenen Leib verspürt und nachvollzogen, habe mir die Finger wund geschrieben im wahrsten Sinne des Wortes und jetzt ist Abstand halten angesagt. vielleicht gar nicht so schlecht…

 

22. November, Berlin

Auf der Nachbarschaftsplattform meines Kiezes fragte man sich ob in einer der letzten Nächten ein  Erdbeben stattgefunden hat. „Hat jemand anders auch die Erde gestern so 21:30 beben gefühlt? Ging ziemlich lange (ca 30sek) aber ich finde nichts dazu im Internet. Was könnte das gewesen sein?“ – Die Frage stand da so einsam zwischen den sonst üblichen Meldungen wie „tausche Kinderschuhe gegen Bio-Schokolade“, daß ich die späteren Antworten eher ernüchternd als beruhigend fand: „eine These wäre eine Untergrundmessung für eine Baumaßnahme Mithilfe einer Erregerfrequenz.
Das dient der Feststellung von Erschütterungsemissionen nach DIN 4150-2, die durch Baumaßnahmen entstehen können.
“ Mir hätte ein Beben, das nur ein einziger mensch auf der Welt wahrnimmt besser gefallen, unheimlich, ein bißchen traurig. alles ruht, einsam wacht… – das Wort Erregerfrequenz wiederum ist großartig! Und gänzlich ohne Viren-Kontext!

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Ausfahrt mit G. nach Potsdam über Wannsee. Kleistgrab. am Kleinen Wannsee. seit 2011 erstmals wieder hier und erstmals seit hier alles gepflegter ist. der bewaldete Hügel, an dem er erst sie, dann sich erschoß, wirkt freundlicher, lichter. Die Wege, bis 2010 noch erdig und nahtlos übergehend ins Efeugewächs, das über den Boden kroch, über die EIchenstämme sich ziehend in Zweigen selbst Riesenschlagendick und kaum Blättertreibend. Mit wenigen Worten gesagt: mehr Bäume, mehr Efeu, matschiger, wilder und düster. jetzt ist es fast wie eine Anlage, ein zierlicher Rundweg: Grab, hin und zurück, ein Kreisverkehr! Hätten Kleist und Henriette diese Infrastruktur schon gehabt damals, wer weiß, sie wären zurückspaziert unverrichteter Dinge.  Man kann den Kreisverkehr auch verlassen in Richtung See. Es ist wirklich schön geworden. natürlich (denn ich befinde mich offensichtlich in diesem Früher-War-Alles-Besser-Alter) war es trotzdem interessanter, als es undurchsichtigeres Dickicht war. Dafür saß jetzt ein winziges Rotkelchen auf dem Grabstein.

Anschließend über die Brück zur Königstraße. das Haus gesicht in dem H und H damalas abgestiegen waren. „Stimmings Krug“ gibt es schon lange nicht mehr, weiß es von den Touren des Dr.  S.  glaubte mich zu erinnern, daß dort nun ein leerstehender Jugendclub, oder ein GRaffitibesprühtes Heim steht, aber wir sahen nur Villen, ein pompöses Lokal und… verlassenes Brachland wo sonst nur Yachclubs und stattliche Häuser sind. ein paar Hundermeter wildes Gras mit verriegelten Eisengattern. Vielleicht war es hier? die Königstraße heußt Königstraße weil der König hier lang fuhr wenn er von Berlin nach Potsdam fuhr. es soll ein geheimer Grund gewesen sein für die Wahl den Tatort „erweiterter Suizid“. Vielleicht hatte Kleist gedacht, der KÖnig würde nun immer ein schlechtes Gewissen haben, wenn er am Wannsee vorüber fuhr. GLaube nicht daß der Plan aufging. und ich glaube auch, daß das eigentlkich keiner genau wissen kann.

[…]

weiter nach Potsdam. Areal um das Hans Otto Theater. Sonne kommt raus. Bauwagen verkauft Glühwein, Kuchen und selbstgenähte Masken. Leute sitzen am Wasser.  trinken Weißwein aus schönen Gläsern. Turm in der Ferne.  Schilf. Schöner HImmel. BLicke auf die Uhr.

die Idee war gewesen, G. bringt mich anschließend zum Zug, wie neulich auf den Weg. Damals war es Wittenberg gewesen. Potsdam erweist sich als nicht so gute Wahl. Zug den ich gebucht habe fährt über Wannsee zurück nach Berlin. Umsteigen Hauptbahnhof dann nach München. Ich bin die Streckle so oft gefahren in der letzten Zeit!!! und imme rnoch denke ich, wenn ich von berlin nach München, von München nach Berlin fahre an die Zeit in der die Züge über Potsdam fuhren. ich muss definitiv mehr in der Gegenwart unterwegs sein.

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Ankunft etwas verspätet, aber dennoch früher als die Eltern mich erwartet hatten. immer steige in am falschen Ende der S-Bahn ein. langer Weg in der Nacht, den Bahnsteig hinunter zur Treppe. das wartende Auto zwischen Rewe und Bäckerei Aumüller. der wartende Tee zuhause. Der Vater sagt alle halbe MInute: „Bist du froh, daß eir dich abgeholt haben?“  weil ich fast zu müde bin für angemessene Ankufts-Gespräche und auch damit er es nicht immer wieder sagen muß, komme ich ihm zuvor und sage, ebenfalls alle halbe Minute „Ich bin so froh, daß ihr mich abgehilt habt.“ Lachen der Mutter „Jetzt fängst du auch schon an….“

21. November, Berlin

„Kein ort. Nirgends“ gehört, gesprochen von Christa WOlf. Die AMiga-Schallplatte war mir in die Hand gefallen und passte zum heutigen tag. Kleists Todestag. Keine Zeit. niemals. Vielleicht aber Morgen hingehen.

19. November, Berlin

Die Gegend um die Friedrichstraße ist gerade so präsent, weil hier zur Zeit die Aufnahmen zu unserem Podcast stattfinden. Nehme jetzt oft den besagten Weg von der S-Bahn, über die Albrechtstraße. War das „Brecht’s“ schon immer ein Steakhaus? Erst wenns dunkel ist, sieht man, daß das „R“ ausgefallen ist. Nur „Becht’s“ leuchtet rot.

zu viel heute, zu lange. bis 3 Uhr früh gings. bloß liegende Nerven. Weg bleibende Spucke. wollte zum Hackeschen Markt laufen und den Nachtbus nehmen, aber mein Bein ist seit dem Motorrad-Ausrutscher noch nicht so gut. wollte mir dann doch taxi gönnen und nahm den Weg über die Friedrichstraße, weil ich dachte da kriegt man zu jeder Zeit eins. Aber Berlin-Mitte ist wie ausgestorben.  Ich weiß es ja, die Taxifahrer verdienen kaum etwas mehr, weil die Leute nicht ausgehen können. EIgentlich deshalb nur wollte ich mir  überhaupt eins erlauben. Tut beiden Seiten gut, dem humpelnden Ich und dem Fahrgastarmen Taxifahrer. Hattenicht bedacht, daß diese aber ebengfalls auch auf die geringe Nachfrage mit weniger Angebot reagieren. Fand erst weiter, unter den Linden einen. Freundlicher alter Grieche. wohltuendes ruhiges Gespräch. Fragte ihn was er von den neuen Gesetzen hielte und ob er den Lockdown übertrieben fände. er sagte, er sei immer ein Mann der Mitte gewesen. – nicht gepgraphischen Sinn, nicht weil er in Berlin-Mitte unterwegs war, sondern ein Mann des Mittelweges. er hielte nichts von Verschwörungstheorien und zöge es vor den Politikern zu vertrauen. nicht blindlings, bestimmt würden Dinge übertrieben und ausschließen wollte er nicht daß die Pandemie mißbraucht würde um Eigeninteressen durchzudrücken; aber er vermisse den klaren Mittelweg. das Dazwischen. Warum muß sich die Welt in zwei Lager spalten? Warum gibt es nur die einen, die  an die Gefahr glauben und an die anderen, die sie leugnen? “ – ja, geht mir auch auf den Keks. die Frankfurter allee hinter den „Leuchttürmen“ ind er Höhe Warschauer Straße schwiegen wir dann. ein angenehmes Schweigen; natürlich, gäbe es mehr dazu zu sagen; aber ich habe in der letzten Zeit so viel von mir gegeben. manchmal kann man auch ruhig sein.  Kraft tanken. Mittelmäßig sein. ich kam an gegen vier Uhr früh, eingeschlafen erst am 20. 11. Abends. ich habenoch viel zu sagen, aber ich glaube ein bißchen Rückzug ist jetzt auch gut. Abstand. An meinem Roman arbeiten. wegen  dessen bin ich eigentlich im Mai in die Impfstudie gegangen (deren Teilnahme als 13. Probandin ich in diesem Strang des Blogs weitgehend außen vor gelassen habe, unter anderem dessen, weil es ja ein Stadtschreiber-Blog sein soll. Um Orte geht es. Orte an denen ich bin, also auch ein bißchen über mich an diesen Orten. Und der Ort an dem  die Studie stattfand war ein durchaus beeindruckender, nur daß die Studie selbst fast ausschließlich ambulant ablief. in diesem Sinne war es kein Ort…

18. November, Berlin,

S-Bahnhof Friedrichstraße. Auch die Bahnsteige sind leerer. dennochkeinen Platz gefunden warum hat es so weing Bänke. erreiche Kollegen nicht. unklar wann wir verabredet sind. Handy vergessen hilft auch nicht zur Koordinantion. Und ND-Artikel-Abnahme unklar. Choas. Einzige sinnvolle Aktion: warten am Bahnsteig in BVG-Internet-Reichweite auf Nachricht. Sitze jett, weil keine Bank vorhanden zwischen BIstrostand und hinterem Gitter der Treppen auf einem schmalen stählernen Kästchen. Frage mich, was darinnen ist. ein Sicherungskasten? verlorenen gegenstände? Arbeitshandschuhe, eine Taschenlampe? Servietten-Vorräte des Bistrostandes?. Ich sitze da als säße ich auf dem Klo. Mann kommt und spuckt neben mir aus. seine Aule klatscht auf den Boden, Gefühl als spritze es bis in mein gesicht. alte Frai und fragt, ob ich mich hier auskenne. sie sucht ein echtes Klo.

***

Wieso wußte ich nicht, daß das Gesundheitsministerium überall rund um die Friedrichstraße ihren Sitz hat? sah nur auf die Tafel des Gebäudes, weil so viel Polizei davor stand. ein Teil ist Baustelle, wirkt wie KOnstrukt aus Baugerüsten, eine Installationsrahmen in dem Bauarbeiter  klettern wie auf einer gigantischen Fensterrahmen-Traverse, die auch eine Bühne des benachbarten Friedrichstadtpalastes stehen könnte – wenn der Friedruchstadtpalast „Metropolis“ aufführte“. Sah noch nie eine Baustelle, die so tief ins dunkle Innere eines Gebäudekomplexes reichte. Assoziation, „die Häuserzeile ist ein Gebiss“, in dem ein Zahn einer  Brücke bedarf.“ Weitere Assozisation: ich müsste wieder zum  Zahnarzt.“  und Erinnerung an verlorengegangene Ruinen. schmerzlich vermisstes Tacheles. Lichtblick in mitten der Wucht der Berlin-Mitte-Straße als vorbei am Ministerium vertrauteres in Sicht kam. die winzige Kalkscheune. Copy Clara. – der allererste Kopierladen im Osten nach der Maueröffnung weit und breit. Am Schiffbauer Damm sitzt immer noch Brecht in Bronze. früher sah er größer aus, jetzt wirkt er winzig hinter dem modernen Bau-Block. Tetris meets Lego. der Rückweg zum Bahnhof Friedrichsstraße über die gewölbte kleine Stahlbrücke dann fast Trost. wirkte wie unverändert bis hin zur Straßenmusikantin am Treppenaufsatz. auf dem Boden hatte jemand in weiß das Wort „Quantensprung“ gesprüht.

***

Vergessen zu erwähnen: die vielen Polizeisirenen! Erst gedacht, es sei wegen der Charité-Nähe, vielleicht wegen der vielen neuen Infektionsfälle? – dann begriffen, daß es wegen der Demonstrationen gegen das Demonstrationsverbot ist. Indirekt lande ich hiermit wieder beim Gesundheitsministerium. Notstandsgesetze. Ermächtigungen. als ich sehr spät nach hause irre, ist die Welt wie ausgestorben. wenn man nicht weiß warum, ist es beruhigend. wenn doch nahezu unheimlich. wieder Gedanke an Gang zu  Zahn – und anderen Ärzten, obwohl keine Schmerzen nur Unbehagen.

11.  November

Selbst bei Grey’s Anatomy tragen sie jetzt Masken. Vorbildlich. Aber man erkent gar nicht mehr wer wer ist. Fernsehen in Zeiten von Corona ist seltsam. vor allem wenn die Serien auf einmal vorbildlich daherkommen. die Lage ernst nehmen. Ich will aber, daß die Fernsehgesetze gelten im fernsehen und nicht die politische Correctness. Grey konnte früher mehr, ich erinnere mich, daß sie es schon schaffte Impfistoffe zu finden innerhalb von 40 Minuten! jetzt stirbt sie mal wieder beinahe. weil Covid19 eben doch alles außer Kraft setzt, was bisher galt.

[…]

ich weiß grad nicht warum ich über Fernsehsendungen schreibe. Frnsehen, Internetsehen ist eine der Konstanten meines Lebens.  ALle anderen KOnstanten schafe ich selbst. deshalb ist Fernsehen wohl etwas geworden, das einzige, was eine Art externe Gutdnachgeschichte geblieben ist. ein Märchen, egal wie idiotisch.

[…]

26. Oktober. früh aufgewacht aus Traum, in dem ich ein Fahrrad klauen wollte. (vielleicht wegen der in echt verlorenen Motorradpapiere?)

25. Oktober

Blöder Tag. Der immer noch abgebrochene Wasserhahn. Der Mann vom Eisenwarenladen, der solche Dienste anbietet, aber fand, der Sohn könne das auch richten. Bei Obi gabs 10 % auf alles, wenn man eine App installiert, aber mein Telefon war zu voll für eine weitere App. Ich hab nicht mal die Corona-App wegen Platzmangel, wie also die HeyObi-App?! Fernweh. Doch noch Mecklenburg? Nur so ganz ohne Beerdigung. Oder Sachsen-Anhalt. Oder Weiter weg. Hatte mit kleiner Reise am Wochenende gerechnet aber den M. wohl falsch verstanden (Wann wird das Beamen erfunden?). Die Rosa Luxemburg stiftung fördert unsere letzte veranstaltung in diesem Jahr, aber nur online darf sie stattfinden. Ich hasse online-Theaterveruche um jeden Preis. Aber preis ist eben doch auch wichtig. Nicht systemrelevant, aber auch wichtig zum Überleben. Es wird kälter. Polen macht wieder dicht? Die ganze Zeit spukt mir die nicht mehr besuchte Oma Gerda im Kopf herum. Im Bett bleiben. Flucht in unendliche Weiten. Proben-Beamer und neue PA benutzt zum Star_trek discovery Staffel 3 gucken. Das Raumschiff landet und bringt Bett zum wackeln. Erinnerung an ähnliche Landesequenz in erstem Star-Trek-Next-Generation-Film in den 90ern. Zeitreisen. Der Vater meines Sohnes, stolz über Neukauf eines Dolbysurround-Technik von Bang und Olafsen und führte diese allen Besuchern bei jeder Gelegenheit vor. Die Notlandung der Enterprise diente als Paradebeispiel. Tonangebend. – – – Seit der verpassten Beerdigung denke ich jetzt dauernd an diese Zeit.

Herrlicher Herbsttag.

Raus. So lange Zeitreisen nicht möglich sind… – Brandenburg? Nach Brandenburg wird man wohl dürfen.

Motorradpapiere, Führerschein  Beide EC-Karten verloren.

24. Oktober,

gestern seltsamer Tag ohne viel gemacht zu haben. der Sohn ging in der Früh aus dem Haus und fuhr mit dem Zug nach Mecklenburg zur Beerdigung, im gepäck ein paar anständige Schuhe,die er sonst nie trägt und die ihm sein vater mal überlassen hatte ,weil e r sie ebenfalls nicht mehr trägt, außerdem einen neu gekauften schwarzen H&M-Pullover und eine schwarze Windjacke. Hätte ich jetzt mit gewollt? werde es wohl nie genau wissen, denn die Corona-Bestimmungen des Landes Mecklenburg haben das Land Berlin zum Risikogebiet erklärt; nun dürfen nur engste Verwandte zu Beerdigungen. Er kam bereits am Abend zurück, denn übernachten ist auch nicht erlaubt. ich erschrak fast als er wieder da war. So schnell war der Tag rum. Ich  glaube ich fahr ein andermal hin mit dem Motorrad. 

IMG_20201022_22214323. Oktober, 2020

Die Mutter des Vaters meines Sohnes ist gestorben. Gerda K. Er, der Sohn, hatte es mir ein paar Tage nicht sagen wollen, vielleicht um mich nicht zu stören in den so wichtigen Ausnahmsweise-Proben in den BLO-Ateliers. keine Tränen. die Zeit ist zu weit weg. Der Bauernhof. der Hühner hinter dem Stall, die verstreuten Kühe. die große Küche, der Geruch nach süßer warmer Milch und Stall. die Bunten Nylonschürzenkittel-Kleider. die wehen Füße, die roten Wangen. das krause Haar, von dem ich nie wußte ob es dauergewellt war. die weiche Stimme mit dem harten Schlag.  Ihre Entrüstung, wenn der Vater des Vaters meines Sohnes sie ärgerte, was ihm aber doch zu sehr Spaß machte. Erinnere ich es recht, daß er ihr einmal beim Frühstück die detailierte Handlung eines sehr späch nachts auf RTL gesehenen „Erwachsenen-Films“ wiedergegeben hatte? Höchstwahrscheinlicher war es eine Hörensagen-Geschichte . ausgeschüttetes Herz. Rosenwangen. Die steile ausgetretene Holztreppe, Fremde Verbundenheit. der Duft von Gulasch, Kartoffeln und Möhren – der selbe DUft vebinde ich mit dem, was „Zuhause“ der Vater meines Sohnes, also ihr Sohn kochte. Hausmannskost. beinhe mal ausgebüchst. dann aber doch nicht.  –  Hatte sie mir nicht damals einen Brief geschrieben, kurz vor der Geburt meines Sohnes? einen innigen, einen mahnenden (der Ernst des Lebens begänne jetzt, oder so…), aber doch wunderschönen. Schrieb sie nicht auch nochmal nach der Trennung? einen ebenso warmherzigen? alles zerfließt.   Ich lernte dass in Wasser gelegte Dörrpflaumen gut sind für die Verdauung. Der Bauch tat ihr oft weh. die Beine. viele Wehleiden, viel Seufzen, aber es klang immer eher, als seufzte sie über sich. daß das nicht so recht mehr ging. muß aber doch… Aus Ostpreussen war sie. Geflohen nach dem Krieg, sehr jung. Angst vor den Russen. die Hast des Aufbruchs. die zurückgelassenen Geschwister. Mecklenburg. Heirat. Bauernhof. Dann selber später so viele bekommen und großgezogen. Fünf! ich weiß nicht mehr viel, es ist zu sehr das Leben von früher, in dem ich mich nicht gut zurecht gefunden hatte. Bewährt zwar beim Kartoffelsäcke schleppen,  beim Tanzen anläßlich einer Hochzeit, die im Dorfschulhaus stattfand. Wo war Gerda da? warum hab ich nur eine entfernt Verwandt alte Großtante vor AUgen, üppig und stattlich, selig betrunkenmit Reibeisen-Stimme, sich immer wieder nach einer „Marie? MArie??“ erkundigte. Eigentlich waren alle betrunken. zwischendurch schnappte ich Luft und ging um den Dorfteich. Wo war Gerda da? Ich traue ihr maximal einen Schwipps zu. wieder keine Erinnerung.  irgendwie hielt ich mich wacker, hoffte man, weil ich aus Bayern käme ich könnte mich mit Bäuerin werden anfreunden? (wenn man es hoffte, dann lag es bestimmt daran, daß ich in verzweifelter Panik des Sohnes nicht würdig zu sein, so tat, als wäre das denkbar. Hyperaktivität. Hineinpassen. sich abfinden. Gute Mine.   Das Kapitel ist längst geschlossen. die vergessene Zeit schlug mir dann doch aus der Fotokiste entgegen und traf mich mit voller Wucht. weil ich die Fotos von damals fand. doch noch geweint. Endgültig aus.  was wird aus dem Haus? Kann ich nun wieder hin im vorüberfahren nochmal Luft schnappen?  – Waren wir oft da? oder nur so oft wie es Fotos gibt. EInige fielen mir gleich in die Hand (sie etwas unscharf, neben dem Sohn, der meinen Sohn auf dem Arm hat; er mit ihr und seinem Vater. sie, wie sie über den Hügel geht in Richtung Weide… –  aber ich habe lange nach dem schönen Bild gesucht. eine ganze Kiste durchwühlt bis spät in die Nacht. mein eigenes Leben im Fornat eines durcheinander geratenen  zerfledderten Daumenkinos,. Sie  war nicht auffindbar . Als ich schon aufgegeben hatte, fand ich es in der winzigen Schublade des Schreibpultes unter den 10 Lieblingsfotos. Hätte sie gerne nochmal gesehen in echt – aber das hab ich mal wieder zu spät gerafft.

Gerda und Bruno

4. Oktober 2020, Neukeferloh

Schaffe wenig, schreibe wenig. ordnen von kleinen DIngen. z.B. im Badezimmer der Eltern. draußen windig. der Garten wird finstrer. Blätter auf sammeln im Moos. unter dem Moos kriecht heimlich der Efeu. die Ranken sind beinahe unsichtbar, weil ohne Blätter, erst wenn man an ihnen zieht, sieht man wie lang seine Finger sich schon ausstrecken. Senat/Literatur-Frist verpaßt. Antrag bei GOethe stellen sscheint sinnlos. ich spiele zu viel Freecell-Solitaire. nach jedem Spiel kommt 1 x Werbung. manchmal für Ökoschuhe, manchmal für Baumarkt-Sachen, einmal seltsamerweise auch für die Körperwelten-Ausstellung und seit geraumer Zeit plötzlich nur noch Werbung für einen Eiskratzer. eigentlich kommt nur noch dieser eine Spot. normale Leute schaben Schnee und EIs von ihren Autos. Erst mit einer  weit ausholenden Bewegung entlang der oberen Kante, in einer Kurve anwärts, dann schnellen kleinen senkrechten Auf-Und-Ab-Stölßen, dann ein Mann mit Hut (eher kreisend). Vom Eis befreit sind die Wägen immer mehr Leute. es gibt auch Negativbeispiele von Leuten die nicht mimt dem neuen Tool arbeiten. die kratzen sich die Seele aus dem Leib. – der Spot wird zur fixen idee. eigentlich spiele ich längst nur noch Karten, weil ich sehen will, ob immer noch der selbe Spot für mich bestimmt ist. Bereits ziehe ich in erwägung einen zu kaufen, allerdings habe  ich gar kein Auto. Und das was ich bereits einmal bestellte (bei der Firma, die auch den EIskratzer vertreibt) kam nie an. NIe erhielt ich das supergenilae transparente Klebeband, mit dem man alles auf alle Flächen kleben kann, egal wie rau sie sind oder wie glatt und das sowohl ewig hält un dfest, als auch leicht wieder abziehbar, waschbar und wiederverwertbar ist. – nie wieder will ich mein Kaufverhalten vom Spiel mit  Karten abhängig machen. aber so wie ich von den unglaublichen Klebestreifen träume (denn auch mit jenem hätte ich die kleinen DInge, die ich im Haus der Eltern von Platz zu Platz schiebe, bewältigen können – vom ersparten Ärger mit falsch gewählten Aufführungsorten, an denen man keineHaken in bereits vorhandene Löcher stecken darf, weil sonst Asbest herausrieselt), verfolgt mich der Eiskratzer in den Traum. Leichtigkeit. Freiheit. Durchblick.

3. Oktober 2020, Tag der EInheit.

Erinnerung an 3. 10. 1990. vielleicht bringe ich es aber auhc durcheinander. Schon in Berlin, aber noch nicht mit beiden Beinen. wohnte ich in Kaulsdorf bei der B.? wann kam ich mit roten Backen in Wilmersdorf an mit dem uralten Leder-Koffer, von dem mir heute die Mutter erzählte daß bereits sie in den 60er Jahren, noch Schauspielschülerin, stolz verwendete, weil er so „uralt“ aussah, so weitgereist daherkam und dafür von ihren Mitschülern naserümpfend gemeiden wurde beim Ausflug (Wohin reiste sie mit dem Koffer, es war ja ein Reisekoffer, mit den anderen Schauspielschülern; irgendwie stelle ich sie mir in Italien vor, aber ich mag mich täuschen.) den selben Koffer hatte ich mir geschnappt als ich von München nach Berlin zog nach dem Abitur. einmal gaben wir ihn auf per Frachtgut, mit der Bahn. ich wollte daß er zum Ostberliner Hauptbahnhof  gesendet würde, dem jetzigen Ostbahnhof, aber wußte die Postleitzahl nicht. der Bahnbeamte in München-Haar behauptete „1000 Berlin“, aber ich wußte, daß es falsch war. 1000 war immer West-Berlin. einen Hauptbahnhof im Westen der Stadt gab es noch nicht. immer wieder sagte ich „Ost-Berlin!“, aber der Beamte wollte es nicht glauben. Natürlich landete der Koffer am Zoo.

ich holte ihn also am Bahnhof Zoo ab und fuhr dann weiter in den Westen, obwohl  ich im Osten wohnte. Zwischen Weißensee und Prenzlauer Berg. es muß daher der 3. oktober gewesen sein, denn da war ich eingeladen bei einem Mädchen, das ich bei einem Vorsprechen für eine Schauspielschule kennengelernt hatte. ihre Eltern waren reich und wohnten in Zahlendorf. ich hatte mich in den Entfernungen verschätzt und keine Zeit mehr den Koffer in die mir noch unbekannte Wohnung zu bringen. ich fuhr also wieder gen Westen, stieg in Wilmersdorf aus oder Zehlendorf, und das erste was ich sah, als ich die Rolltreppen herauf rollte, war eine alte dicke Berlinerin die sofort auf mich einzuschimpfen begann. „Na janz toll! det hat uns jrade noch jefehlt, so eine! du kannst hier glei mal wieder verschwinden!“ – ich war so überrascht, daß ich nicht einmal böse wurde. höflich fragend, wieso den bloß?! und es sei wohl ein mißverständnis… sie sah mich böse an und sagte so überzeugend, dass ich fast selbst glaubte: „Det weßte janz genau!“

ich dachte den ganzen ersten Wiedervereinigungstag an die Frau und wußte nicht was sie gemeint hatte. bin mir inzwischen fast sicher, ich wurde für Ossi gehalten.dabei war ich nur eine aus einem Künstler-Haushalt aus einem Vorort von München.

zum Abendessen in die Zehlendorfer Villa kam ich zu spät. es gab Ente orange, aber alle hatten schon gegessen und ich traute mich nicht zu sagen, daß ich gerne noch was gegessen hätte. zu spät zu sein war mir peinlich, der Koffer nie. weil ich aber die Reste der ENte höflich-unhöflich ablehnte, brachen wir auch sofort dann auf, denn die Familie wollte in die Innenstadt. Brandenburger Tor. Feuerwerk. wieder zurück in der Bahn. Erstmals die DDR-Hymne gehört. Auferstanden aus Ruinen gefiel mir sehr. seltsame Wehmut, obwohl so positiv. zart, behutsam – und dann war sie auch noch von Hanns Eisler. vergessen ob ich den Koffer wieder mitgenommen hatte  in das Gewühle

17. 9. 2020, Saarland

Die Bahnsteige gehen in Streifen von Wiese über.

 

Mann der nach Merzig will, versteht die Welt nicht mehr, weil der Zug von Gleich 16 statt 14 abfahren wird. Verzweiflung, weil die Welt immer anders ist. Nicht auszuschließen, daß er auch deshalb „nach Merzig muß“.

In meiner Heimat (in Bayern) war der entsprechende Ort das „Kreiskrankenhaus Haar“ (an dem witzigerweise immer der Bus hielt mit dem ich zur Schule fuhr. Immer stiegen dort die interessantesten Menschen ein und aus.) Du kommst aus Haar? Da gehörst Du auch hin!

Zug von Saarbrücken nach Friedrichstal.

Mann mit abgelaufenener Fahrkarte strapaziert Freundlichkeit des Schaffners („Jetzt sind sie ja doch nicht ausgestiegen!?“).

In Dudweiler dann doch. Vielleicht wollte er eh nur bis hier und hat das ganz gut getimt.

Städte voll mit g’scheiten Häusern. Stadthäuser-Häuse. Drumherum Wälder. Laubwälder. Wälder und Wälder.

Sulzbach. Campingwagen vor alter Fabrik. Güterzüge mit weiß gepinseltem Graffiti. In blau steht in Abständen damn! – damn! – damn! Und Jahreszahlen. Eine ist 1973.

Sulzbach-Altenwald.

„Im Saarland gibt es nur Felder“, hör ich den Schaffner sagen, weiter hinten im Zug. Aber ich habe mich glaube ich verhört. Hier gibt’s nur Wälder! Und nette Städte.

„Es ist sehr interessant für mich, hier zu fahren…“ antwortet ein anderer. Er spricht gutes Deutsch, aber der Akzent klingt nach „von weit“.

„Es gefällt mir sehr…“ junger Mann, dunkles Haar. Er ist es mit dem der Schaffner redet und das mit den Feldern gesagt hat, als sei er nebenher auch ein wehmütiger Fremdenführer. Er ist sehr blond, sehr klein, sehr rund und sehr freundlich. Auch seine Brille ist rund.

Es gefiele ihm wirklich sehr, diese Fahrt mit dem Zug, wiederholt der andere.

„Des hat net nur positive Seiten, des kann ich dir sagen…“, sagt der Schaffner

Der andere spricht vorsichtig, er bemüht sich, er spricht respektvoll. In erster Linie will er dem Schaffner sagen, daß er – so sehr er sonst die Bahnfahrt hier zu schätzen wisse, ihn aber bedrücke, daß der Mann ohne Ticket, erst in Dudweiler aus dem Zug gestiegen sei. Er wolle dem Schaffner dringend ans Herz legen, mit Leuten die keine Fahrkarte kaufen, härter durchzugreifen. Er sagt es nicht wie eine blöde Petze, er klingt nicht nach „hart durchgreifen“, er meine ja nur…

 

Mann, Es ist das Saarland! Hier sind alle nett! Selbst zu Schwarzfahrern!

 

Der höfliche Bürger, fremder Herkunft. lädt den Schaffner ein, sich zu ihm zu setzen in die vierer Sitzgruppe, der winkt ab, nicht nötig, er sei ja noch im Dienst, aber freue sich bereits darauf, in 0 Minuten habe er nämlich Feierabend… – der andere insistiert (aber immer noch sehr behutsam): nächstens Schwarzfahrer gleich aus dem Zug werfen (also nicht wörtlich, aber darauf bestehen, dass der Schwarzfahrer gleich beim nächsten Halt den Zug verläßt). Und Polizei rufen. Ich ahne, daß der rund um nette Schaffner sich mehr denn je auf den Feierabend freut. Schwarzfahrer und besorgte Bürger. Kann man es denn niemand recht machen.

Mir wäre es recht gewesen weiter im Zug zu sitzen, aber neun Minuten vor Feierabend des Schaffners, erreicht der Zug den Bahnhof Friedrichstal.

Wie ging die Unterhaltung weiter?

 

Friedrichsthal. Habe den Ort gewählt relativ blind. Ehemalige Bergbaugrube ist ganz nah. (Grube Maybach). Möglicher Ort der Handlung meines Drehbuchs ? zukünftiger Rechercheort? Das Skript ist eigentlich fertig, aber der erkennbare Ort fehlt irgendwie noch. Verlasse den Zug und will die Treppen hinunter…

 

Und wie Paula, das Mädchen, von dem das Drehbuch „Echtzeit“ handelt, stehe ich erstmal dumm auf dem Bahnsteig und weiß nicht wohin. Treppe zur Unterführung ist gesperrt. Die andere Seite auch. Kurzer Moment der orientierungslosigkeit auf dem verlassenen Quader des Bahnsteigs, der wie eine Insel zwischen den Schienen liegt und nur eine Art Gitterkäfig zu bieten hat.

 

Überführung doch gefunden. Welche Richtung? Seltsamer Bahnhofsvorplatz. Und wie alle Bahnhofe in dieser Zeit, ist er zu groß für die wenigen Reisenden. Geschlossenes, Vernageltes. Das imposante Gebäude steht nur noch so da. Vor dem Platz abfallender Rasenplatz penibel gemäht, nur in der Mitte ist eine Bank, um die herum wuchert Unkraut und wilde Wiese, als wäre sie nur für die Leute bestimmt, die auf der Bank sitzen wollen, als Umpuschelung sozusagen. Der erste Laden ist ein Häuschen mit dem Schild „Waffen-Heinz“.

Das Hotel, das ich nach langem In-Mich-Gehen gebucht hatte, denn es hatte fast nur horrorartige Bewertungen auf der Website ist ein hellblaues Haus mit darauf gemaltem Regenbogen. Von außen wirkt es schön. Es ist gleich unterhalb es Bahnhofs und der Grünsfläche. Natürlich ist es (wie es in allen Bewertungen vorausgesagt wurde) geschlossen. Eine von vielen Türen, die mit den einladensten breitesten Treppenstufen davor, ist gar vermauert. Brennend Sonne. Schweißnasses Haar. Und ich hatte (auch wegen der vielen Beschwerden, dass da nie jemand sei in dem Hotel, extra geschrieben: ich weiß nich genau wann ich komm, ca. gegen 16:30 – ist das ein Problem.“ Per whatsapp hatte sich ein Christian gemeldet mit Profilbild Tätowierter Ober – und Unterarm: „nein das ist kein problem“. Vielleicht meinte er ja; dasß es kein Problem sei für ihn.

– ich hatte halt gedach: ich frag mal lieber nach, weil so viele schrieben: man müsse ewig warten bis die Zimmer dann fertig seien. Und der Typ der im Hotel ist (wenn er da ist) sei total verpeilt. Einer hatte sogar geschrieben, dass sei wohl eigentlich ein Studenhotel… – aber das glaub ich (ohne es bisher von Innen gesehen zu haben) nicht, denn schließlich müsste ja dann wohl erst recht jemand da sein. Oder es ist ein Stundenhotel für unspontane, langfristig planende Menschen. Im Regenbogenhotel steckt der Briefkasten voller Post. Werbung für Versicherung. Lidl-Angeote. Post in Plastik. Über dem Zugang, über dem Vordach ist ein großer bunt-bemalter Gipspfeil. Als müsse man hier irgendetwas tun. Es tut sich aber nichts. Sitze immer noch in der brütenden Sonne. Habe Christian nochmal gewhatsappt, dass ich da bin. Er sagte, „ach schon?“ Er schicke jemand los. Kommt aber keiner. Wie gut, daß das okay für mich ist. Paula wird auch nicht abgeholt von ihrem Vater, auf den sie wartet am Bahnhofsplatz. Bestellt und nicht abgeholt. Habe nun doch das Gefühl ich verpasse etwas. Die Sonne ist so heiß, wenn nun einer kommt und ich krieg es nicht mit, weil ich schon dämlich im Kopf bin?

Ich whatsappe dem Arm nochmal: „wann kommt denn nun einer – ich kann auch erstmal was essen gehen…?“ Hab nämlich Hunger. Hier soll ein Italiener sein in der Nähe (von dem einer der Bewertungen sagte: Da könne man auch ein Zimmer nehmen und besser! – Christian schreibt: „ich hab gerade jemand losgeschickt. 4 Minuten. Nach zehn fährt ein Auto vor. Ein beinahe zahnloser älterer Mann im Jogginganzug und ohne Tatoos steigt vor, stellt eine Plastiktasche ab, sagt eher in Körpersprache „Gleich, warte…“ geht um die Ecke, öffnet eine der nicht zugemauerten Türen, nimmt die Tüte, winkt mir zu „Komm“.

Die Rezeption ist ein runder Steh-Tisch. Ich fülle die Anmeldung aus. ich bezahle 30 € in bar. Vergesse, dass ich eine Quittung wollte. Er lotst mich durch Gänge, die ich vergessen haben werde, wenn ich wiederkomme allein…

Das Zimmer ist eigentlich echt schön. Nichtraucherzimmer. Rauchen verboten, 50 € Strafe wenn man es doch tut. Merkwürdigerweise sagt er aber: ich solle ruhig rauchen! „Rauchen Sie!“ Deshalb hätte er mir das Balkonzimmer gegeben. „Rauchen! Rauchen!“ – ich denke es ist ein Trick. Wenn ich dann rauche. (und ich rauche bekanntlich nie!) kommt wahrscheinlich sofort einer und will 50 € kassieren. Er geht. Er spricht kaum deutsch. „Frühstück…?“ nein gäb es nicht. Meinetwegen. Egal. Schlüsselübergabe. Ciao. Ich bin ich alleine in dem „Wieviele Stunden-Hotel?“

 

Gang durch den Ort. Sogar eine stillgelegte Tankstelle gibt es. Schneider. Sie muss noch aus den 50ern sein. Geht in einen (ebenfalls geschlossenen) Asis-Imbiss über. Wahnsinn. Alles, was in unserem Drehbuch vorkommt, gibt es hier. Nur nicht so weitläufig wie gedacht. Sogar ein Sperrmüllsofa, an einer Hauswand.

 

[Grube Maybach]

[…]

[WEITER SAARLAND 16. 9. – 17. 9. IST IN ARBEIT UND WIRD NACHGEREICHT]

Aufbruch ins Saarland in der Früh. Der vater will noch nicht aufstehen. Wir schleichen uns aus dem Haus. Riesiges Gepäck. Fahrt nach Saarbrücken daher mit Motorrad nicht möglich. Grad jetzt wo es endlich mal keinen Schaden hat.

Reise mit Licht-Equippmenet der Eltern. Es hatte eigentlich nur ein Scheinwerfer sein sollen, aber die Mutter hatte in einer ihrer Ruhepausen gleich noch einen  aus dem ehemaligen Schneide und Vorführraum im Keller demontiert.

Ein Lichtstativ kam dann auch noch hinzu, weil ein Ebaykauf mal wieder nicht geklappt hatte. Der bevorstehende Workshop entwickelt sich langsam zu den Ausmaßen einer Welttournee, nur dass sie eben zwischen Lichtenberg, Marzahn und Hellersdorf stattfindet. Daß ich aber über Saarbrücken fahre… ist zum Teil wieder so ein geographischens Mißverständnis. Hatte irgendwie gedacht es sei näher, oder läge so halbwegs auf dem halben Weg. In Saarbrücken Dinge auf andere Wege bringen.

S-Bahnhof Vaterstatten. Man in neongelbtem zu großen Sport-T-shirt sieht aus wie Sicherheits oder Straßenbaudienst, sitzt aufrecht auf Bank und liest mit ernstem Blick „Man in Black Teil 2“. Zu früh. Selten so ruhige Abfahrt, Zeit für alles. Aber Fahrkartenentwerter funktioniert nicht richtig. Geisterhafte halber Zahlencode auf den alten Streifenkarten, die ich seit Monaten aufhebe, um sie zu zu benutzen. Prompt Fahrkartenkontrolle. Man sähe nichts, absolut nichts auf dem „angeblich“ entwerteten Streifen.  Am Ende sieht der Kontrolleur es doch, dennoch muß er „einen Vorgang draus machen“. Handy-Fotos werden gemacht. Auf den Fotos sieht man das „gestempelte“ beinahe eher als auf der Fahrkarte selbst.

Die unterirdischen S-Bahnhofe sind immer noch nicht renoviert. Die Kacheln meiner Kindheit (gelb für Rosenheimer Platz, grün – Isartor, orange und dunkelblau für Marienplatz) sind alle abgeschlagen worden, unten drunter die rohe Wand sieht schroff und nach Ausnahmezustand aus. wenige Kabel ziehen sich ebenso ausnahmsweise aus dem Beton und sehen aus wie Krampfadern oder vernarbte Schmisse.

 

In der S-Bahn die Displays bedauern, daß zur Zeit kein „Infotainment“ möglich sei. Denke über das Wort nach und weiß nicht ob ich es doof finde.

Infotainment wieder am Hauptbahnhof (dessen Kacheln waren ehemals rot), man soll raten wie viel Fruchtsaft die Deutschen im Jahr trinken. – es stellt ich heraus: 30,5 Liter pro Jahr.

Earl-Grey-Tee aus Camping-Thermoskanne schmeckt zitronig erfrischend, ich ahne aber, dass es vom Reinigungsmittel kommt.

Stimme aus dem Lautsprecher. „In wenigen Minuten ist Augsburg“.

15. September, Neukeferloh

Geburtstag des Vaters. Schokoladenkuchen. Tarte, deren Kruste unglaubliche Falten wirft. Mit Abstand bester Kuchen. Schöner Gabentisch, vielleicht zu viel? In Ermangelung des idealen Geschenks, sind es viele kleine geworden, von denen man nicht ganz sicher war ob sie gut sein würden.

2 Postkarten aus der Paul und  Paula Buchhandlung, eine die wie Kinoeintrittskarte aussieht, die andere wie Gummitasche, gefüllt mit roter und blauer Emulsion, 2dimensionaler-Lavalampen-Effekt. Der Vater bewundert und betastet die Farbenpracht, hängen bleibt er aber immer wieder aufs Neue an der kleinen Schift „Bizarr-productions“. Auf der Eintritts-Karte entdeckt er die Kartennummer, die  – zufällig! – sein Geburtstagsdatum beinhalten. Andere Geschenke eher nicht so der Hit. Sie selbstgenähnte Atemmaske (muß auch ich sowas jetzt tragen?“) , das kleine Radio  („legs mal weg, aber nicht löschen!“), Plexiglas-Spielauto mit roter Götterspeise gefüllt. („Ja.“) Am meisten freut er sich über die Bücher, die wir probeweise aus seiner eigenen Film-Bibliothek „geliehen“ haben und schön verpackt. („Das freut mich wirklich sehr!“

Viel im Garten gesessen. Die Nachbarn kommen und bringen Sekt. Abends Lachs und Baguette. Oktoberfest 1900geguckt. Das Fernseh-München der Vergangenheit sieht zauberhaft schön aus.

8. September, Neukeferloh 

Stempel gesichtet. Weil er sie früher gesammelt hat, gibt es sehr viele. Ich habe auf dem Flohmarkt am Boxhagener Platz oft welche gekauft, schon wenn die Adressen schön klangen, schienen sie kaufenswert. Einige nun doch müssen „zu den Zwergen“, sprich zur BSR.

Behalten: ZWEITSCHRIFT. zur PRÜFUNG. DRITTSCHRIFT.  Rechnungseingang. FOTO-PRINT. Inklusive Mehrwertsteuer [in Schreibschrift]. Kakao-Zusatz. Innenfutter darf mitgewaschen werden. WARE FREIGEGEBEN – und einen alten medizinischen zur Untersuchung vom „Urinstatus“ mit vielen Spezifikationen zum Ankreuzen.

Alte Stempelkissen aus den 50er Jahren wie neu, sind tintiger als die neueren Datums von Pelikan.   

 

7. September, Fahrt Windsbach – Neukeferloh

Extrem schöne Landstraßen-Fahrt mit Motorrad von Windsbach nach Greding. Dank mißverstandener Umleitungsschilder auf einem hohen Hügel gelandet. Durch Dörfer, zwar  Autobahn nah aber so entlegen, dass ich sie mir unbedingt merken wollte. Walting war der letze Ort den ich erinnere. Nachträgliche Rekonstruktionen via Google  Maps ergaben nicht viel, aber ich sah, daß eine Schule für Zauberkunst“ ganz in der Nähe gewesen wäre. Möglicherweise bin ich auf einer Route Neun ¾ gelandet ohne es zu merken.

[…]

7. September, Windsbach.

der Garten der So. in der Früh ist noch zauberhafter als sonst. STufen  zur Terrasse, Blumen wachsen neben Teetassen, die ebenso aus der Erde zu sprießen scheinen, wie Traumfänger und echte Pflanzen. eine Stufe weiter unten beginnt die Zweckmäßigkeit, aber eine freie, weitläufige, Pflastersteinhaufen, Bauwägen. wieso ist es trotzdem so idyllisch. Dahinter die Felder, wäre die Retzat nicht, man könnte querfeldein zur Kapelle. Man sieht  sie  von hier aus nicht, Im Morgennebel leuchtet aber die Schrift des Helu-Kabelwerks.  Aufgewacht mit dem Blick auf die Reklameschrift und ziemlich desorientiert. vertraut, heimelig und doch wie im falschen Film. ich glaube mein Hirn ist immer noch nicht da. Daß dem nicht so ist und ich einen Kopf haben muss, belegt das „spezifischeKopfweh“. Gefühl hier her getaumelt zu sein. Dinge hin und herschleppen. sichten. Umschichten.

Die struppige tote Kirchenmaus auf dem Boden der Gottesruhkapele. mit spitzen Händen und Handschuhen, nach draußen gebracht und begraben. von der unterseite war sie seltsam platt. die Sachen die ich hier noch gelagert hatte auf das Motorrad gepackt, aber wieder nicht alle. Dinge, die ich hier vermutet hatte, waren anderswo, sie, die ich fand waren wie Weihnachtsüberraschungen.  das schönste war: die alte Türklinke runterdrücken, der Moment, wenn noch nicht klar ist, ob offen ist oder nicht, und dann mit leisem Quietschen öffnet sie sich. Fortführung des hellen Tons in einen schöneren. jemand singt. steht am Altar mit Kopfhörern und singt sehr schön.. Die eine Hand hat sie am Ohr, damit der Headphone.Stöppsel nicht rausrutscht, in der anderen hält sie ihr handy und nimmt sich auf. Selviemodus, aber ein höchst anmutiger, vielleicht weil sie es für sich macht und mich nicht sieht. Später nettes Gespräch. schon 100 Mal sei sie hier vorbegefahren, von Schwabach kommend, ihre Tochter in WOlframseschenbach besuchend. grad heute hatte sie gedacht: Schau mal rein in die Kapelle. Sie sagt: „es ist ja schon fast keine Kapelle mehr, eher eine Kirche, so groß wie sie ist.“ freute sich sehr, das sie geöffnet war. das sei nicht oft so, dass man in die Kirchen hinein könne.  – wieder so ein Moment in dem ich  bedauere, dass die evangelische Kirche, die mir neulich die Fortsetzung des Projektes „Bilderstürme“ mitteilte. Natürlich  zu Unrecht, denn geplant war ja ein Event mit Publikum. Ich glaube aber nach wie vor, daß die eigentliche Arbeit die der Recherche ist, der Sammeln von Mosikstückchen, das Sprechen mit Menschen. Eigentlich genau das was man jetzt machen könnte. was dann und wann  und ob überhaupt wirklich an die Öffentlichkeit kommt, das ist eine andere Frage.  Kopflos wie ich bin, prompt wieder nicht alles eingepackt. ich brauche einen ort wo ich alles unter einem Dach habe. mein Dachstübchen jedenfalls ist gerade höchst unzuverlässig.

6. September, Windsbach

Von Rheinsberg direkter Aufbruch nach WIndsbach, Frühstück verpasst, aber wollte schnell los. die zu dünne Jacke, die egal wie bemüht ich sie flicke, das Kunstleder mit echtem ersetze nach und nach: es wird nie eine gute Jacke werden. seltsame Eitelkeit, dass ich lieber in Lumpen fahre und friere, als die vernünftige 80er Jahre Leder-Kombi-anziehe, die der Oma des Vorbesitzers meines vorherigen Motorrads gehörte – und die fuhr Rennen!

Seltsame Irrfahrt zwischen  Rheinsberg und Autobahn, weil ich dachte, es ginge gerade aus (weil die Frau im Navi nichts sagte – in Wahrheit hatte sie sich einfach ausgeklinkt.) furch den ort Wulkow. Jusitzvollzugsanstalt, die überall zu sein scheint egal um wie oft mich die wieder zugeschaltete  Googlemaps-Frau links abbiegen – dann links abbiegen – links abbiegen läßt. steriler KLotz, geometrische Unendlichkeit. So oder so kommt man immer am selben Ort an, ob man nun immer geradeaus fährt oder  immer links abbiegt. Letzteters geht halt schneller.

Landstraße bis NImegk. dann Autobahn. Landstraße durchs Land der Tausend Teiche, in Dreba Suppe und Kuchenplatte. weiter bis Schleiz, dann Rest Autobahn. Ich werde schneller. der Abstand scheint sihc zu verringern. kam an, da pflanzte die So, gerade einen Baum für ihre Enkelin. Einen chinesischen Blauglockenbaum. hätte gerne mitgemacht, aber saß apathisch am Gartentisch und entschleunigte noch. Zwischen-Den-Welten-Gefühl. ich glaube mein Hirn muß auf dem Weg hierher auf der Strecke geblieben sein. Schwindelig. Und immer denken ich weil ich mögicherweise immun bin, dass man mir das an der Nasenspitze ansehen muß. Habe erklärt, dass ich geimpft bin und daher auch möglicherweise keine Viren übertrage, aber schon wenn ich es sage, merke ich, dass es trotzdem unverschämt ist, Leute zu besuchen. Und sicher is eh nix.

5. September, Rheinsberg

Geburtstafsfest. mein ältester, langjährigster Freund. Festlichkeit. der Pavillion am See. Ankommensbier. Aperol SPritz, orange Stürme im Wasserglas. Nein, eher sanfte wogen. es waren sehr viele Menschen. Im Nebenzelt in einer Ecke saßt stumm die Belegschaft. hielt mich an wenige.

4. September, Berlin-Mahlsdorf

Mir waren immer Orte wichtig. Fremde Orte sehen. über sie schreiben. von ihnen berichten. Im falle des Schreibens nähere ich mich ihnen so an,  begreife sie. Manchmal falsch, manchmal richtig, Handgreiflichkeiten sind nicht ausgeschlossen. Im Fall des Theater-Machens ist letzters tatsächlich manchmal nicht zu umgehen. Immer versuche ich den Ort zu entdecken und dann etwas in ihn einzupassen, das „Sinn macht“. oder passt.

So lange die Theater nicht geöffnet sind, und so lange ich nicht reisen kann, um meine Theaterarbeit in Gaza fortzusetzen, suchen wir die kleinen Orte, die anderen Orte. .  wir nehmen in Kauf, ein im wahrsten SInne des WOrtes handverlesenes Publikum zu erreichen, dafür aber alles zu geben.  habe kaum für ein Theatergastspiel je so viel geackert wie für das Einpassen unseres Formates in die Familienzentren Mahlsdorf, Marzahn und das Kunsthaus Flora. die Umständlichkeit des Berufes… die Umstände, die so sehr ins Gewicht fallen, die Mails die im Spam landen. die Räume die wegbrechen. die 10 Zentimenter, die fehlen, um dem Beamer den richtigen Abstand zu geben zur Projektionsfläche. Ich war immer stolz gewesen, Inszenierungen an fremden Orten zu machen. jedem Raum, egal wie untheatral, ob zu dunkel oder zu hell ob ohne STrom oder  ohne Platz, ob im Ausnahmezustand der einschlagenden Raketen in Gaza oder im Kleinkriegsgebiet Windsbach,  einen Zauber abzuringen. oder andersherum: den Zauber zu entdecken, den eben jeder Ort bietet. Es ging immer. Die Frage ist, warum? Die  Begeisterung der Frau vom Humanistischen Verband, die mich fragte, ob ich das, was wir in und mit Gaza machen nicht auch zwischen Mahlsdorf und Marzahn veruchen wollen, schien genug. Ein Impuls, eine Herausforderung. Nun sind aus dem einen Ort drei geworden und wäre das Stipendium der Bundeskulturstiftung (das ich aber eigentlich für die Arbeit mit Gaza erhalten habe) nicht, es wäre die Selbstausbeutung schlechthin.  Zugesagt hatte ich letendlich, weil  die Leute vorschlugen alles zu dokumentieren und aufzunehmen. was aber nun doch nicht klappt. Je schlimemr es wird, desto mehr will ich über mich hinauswachsen. es wird schon.  jetzt erst recht. ich dachte immer ich müsste lernen zu deligieren, aber immer wenn ich loslasse, fällt es unter den Tisch. Trotzdem noch Kamerafrau gefunden. trotzdem trotzdem und obwohl noch nicht einmal klar ist ob wir  von einem der orte bezahlt werden, werde ich mein bestes geben. den Rest aber gab mir der dritte Ort. er ist der schönste, eindeutig ein Kunstraum. Altes großes Haus in schönem Park, das auch in WOrpswede stehen könnte. EIn herrlicher Raum, das richtige Licht, ein Flügel steht in der Ecke,  an den WÄnden schöne Graphiken und Bilder. trotzdem Raum für eigenes… die Leiterin des Hauses ist freundlich, wuselt in grüner Schürze trepp auf trepp ab, nru um mir einen Zollstock zu bringen, damit ich messen kann – obwohl ich schon sehe, dass die Maße sich ausgehen, daß von allem genug da ist. ich messe und skizziere trotzdem, während sie wieder in ihre Keramikwerkstatt geht.

Später als ich sie einladen will und erzählen möchte, was wir machen während der langen Macht der Familien, winkt sie bereits ab. das spiele für sie eh keine Rolle. sie sei an dem abend eh nicht vor Ort. ich will ihr wenigstens Fotos zeigen von dem was wir machen, damit sie es weiß, damit man vielleicht ein andermal etwas zusammen macht. wieder winkt sie ab. sie seinen nicht mehr lange die Träger dieses Ortes, er würde nächstes Jahr von der Bildung übernommen. Sie klang trotz ihrer Gastfreundlichkeit müde und hatte bereits dicht gemacht. „was immer Sie da vorhaben, für uns ist das nicht mehr relevant“. Ich war so erschrocken, dass ich prompt um so freundlicher wurde, obwohl ich mir echt dämlich vorkam. was mach ich denn dann hier? in diesen Deinen schönen Räumen?  Und das schlimmste: ich kann sie versetehen. leider verstehe ich sie sehr sehr gut. Sie hat wahrschienlich selbst  Jahre lang tolle projekte gemacht in dem fernab-Gebäude. irgendwann kann man nicht mehr. Bildung ist saystemrelevant. Kunst, Kultur passt da irgendwie auch immer ein bißchen rein, wenn sie sich unterordnet, hinten anstellt.  Tragen kann sie nicht. sich tragen meistens auch nicht. manchmal darf sie das Sahnehäubchen sein, wenn es passt. am besten Sprühsahne, die man nicht vorher schlagen muß, sondern eine die gleich fertig ist und auf die Schnelle viel dekorarativer ist, auch wenn sie dann bald in sich zusammenfällt. wenn KÜnstler sich nicht einmal mehr für andere Künstler interessieren oder für das was an den besonderen Orten stattfindet und diese verändert, dann bin ich am Ende meiner Kunst. ich weiß nicht mehr wohin noch. Mein Lieblingsort, die Theaterlapelle wurde abgewickelt, das Theater Al Mishal in Gaza restlos zerstört bei einem Luftangriff, die Gottesruhkapelle in WIndsbach, die ich als Kulturort gerne etabliert hätte,  sagte mir ab wegen Corona, ohne auch nunr in Erwägung zu ziehen, was alles gerade wegen Corona noch möglich gewesen wäre an oder mit diesem ort… –   die kleinen anderen Orte wissen nicht zu schätzen, dass man sie sich auf die Fahne zu schreiben versucht. Ich will nicht glauben, dass nur noch der Rückzug in die virtuelle Welt bleibt. Oder die in den eigenen Kopf.  und vielleicht, weil es auch um Output gehen muß: das Papier. die Zeit des Theaters um jeden Preis ist vorbei.

 

29. August, Berlin – Frankfurt Oder – Küstrin, Schloß Tamsel

[…]

Hatte eigentlich nur zu MacDonalds gewollt an der B1. ZU spät die Spur gewechselt und irgendwie hatte ich auch eh nicht halten wollen. Irgendwann auf ,Die „Autobahn der Freiheit“ entlang gerast Richtung Frankfurt Oder. Wer hat sich diesen Namen ausgedacht? Es ist nicht so, dass es hier keine Geschwindigkeitsvorgaben gibt. und man fährt richtung Grenze. Bei Frankfurt dann runter. schöne Orts und Stadtteilnamen. Müllrose. Alt-Beresinchen. Letzteres klingt nach einer zierlichen sehr alten, sehr lieben Tante mit einer unvorteilhaften Kopfbedeckung.

Wieder beinahe in Polen gelandet. (letztes mal war ich hier mit A. der mir, kaum waren wir im Stadtverkehr in den Lenker Griff, fragte, warum ich an der Ampel nicht den Leerlauf reinnehme und mal eben, zwischen Orange-Rot und Grün meine Kupplung neu einstellte. Ich schnauzte ihn an und verwendete das Wort übergriffig, offensichtlich ein Schlüsselwort, das ihn dazu bewog geradeaus nach Polen zum Zigarettenkaufen zu fahren, während ich zum Kleistmuseum fuhr. Vom Zigarettenholen kam er nicht wieder und das wars dann erstmal gewesen. ich bin nicht gut im Zusammen-Ausfahren. Nie halte ich mit. will ich auch gar nicht. ich fahre seltsame Umwege, meistens fahre ich zu langsam, in letzter zeit manchmal zu schnell. Und mein treuster Reisebegleiter ist der ADAC.

Kann nicht fassen, dass ich prompt wieder die Seitenstraße verpasst habe, die die zu Kleist führt, und  bereits fast auf der Brücke lande, die auf der polnischen Seite endet.  Abenteuerlich querfeldein über Gehsteige und Parkplätze und Fußgängerzone / Promenade an der Oder. in Richtung Museum. Der Mann an der Kasse kommt mir so bekannt vor. Traue mich aber nicht nach seinem Namen zu fragen. 

Im Garten des Kleistmuseums liegt  Konfetti. Eine Trauung hat stattgefunden.

Offensichtlich passiert das häufig.

Ich sage „bei aller Liebe zu Kleist“, hier zu heiraten würde ich niemand empfehlen. Irgendwie nicht die beste Schirmherrschaft für eine Ehe.

Er sagt: in diesem Falle müsse man Kleist eben mal vergessen.

Bevor ich gehe, zeigt er mir wo das ehemalige Haus der Zenges und der Kleists gestanden hat. Ich wußte , daß es in der Nähe der Marienkirche war, aber nicht, wo genau. Und auch nicht wie nah die beiden wohnten. Die beiden HÄuse waren getrennt durch einen Torbogen.

Das Gefühl: nie halte ich mit… – dürfte Wilhelmine von Zenge, Kleists Verlobte auch gekannt haben. sie hat es echt versucht. Denkübungen absolviert, ihn ziehen lassen, , akzeptiert, dass er „kein Amt“ nehmen will und studieren auch nicht. Kant gelesen – erst bei „Bauer werden! „Warum nicht Bauer werden?!“ hat sie Einspruch eingelegt. Obwohl man es eigentlich nicht genau wissen kann. von ihren Briefen ist kaum einer erhalten. nur ihr letzter, denn der ging zurück. da saß er in Schweiz, auf einer Insel im Thuner See und hat ihn wahrscheinlich zurückgehen lassen. Oder war bereits anderswounterwegs. oder die Schweizer Post hatte nicht gewußt, wer der Herr von Kleist auf der Insel im see war. Empfänger unbekannt. Ich war mal auf dieser Insel, obwohl  betreten verboten ist und kein Weg hin führt. ich schwamm rüber, ein Handy zum Fotografieren unter meiner Mütze. Vielleicht war dem Postboten das zu kompliziert gewesen. – wie auch immer. keine Briefe von WIlhelmine, nur eben der eine und es ist ein ziemlich kluger und berührender Brief.  sie weiß durchaus, dass es vorbei ist, aber macht sich dennoch Sorgen um ihn. man kann in und zwischen den Zeilen lesen, daß sie viel aufgegeben hat für ihn, Vorwürfe macht sie ihm nicht.

Witzigerweise hat sie später einen professor geheiratet namens Krug, der der Nachfolger von Immanuel Kant wurde an der Universität von KÖnigsberg, also des Mannes den Kleist so verschlungen hatte und wegen dem er an der Wissenschaft zu zweifeln begann (oder sich zumindest darauf berief) und lieber Bauer werden wollte in der Schweiz (aber nur ganz kurz!).

Stehe aber jetzt da, wo früher die beiden Familien gewohnt haben. Wilhelmine war also das girl next door. Die naheliegende Wahl? Inzwischen ist da Baustelle. Fast wie ein Stadtgraben wirkt das längliche Loch.  1945  war es eingerissen worden, in den 50er bebaut. Vor zehn Jahren war dieser Häuseblock ebenfalls abgerissen worden und jetzt weiß man nicht so recht weiter. Gräser wachsen im Loch. Klatschmohn. Seltsam. Wäre der Lo.  hier, er würde sich hineinbeißen in die Tiefe und wahrscheinlich noch Ungeheueres an Land ziehen.

In der „Frankfurter Kartoffel“ gesessen, Blick über die Oder. Rinderfilet und Ofenkartoffel. ENtschluß weiter nach Polen zu fahren.

Noch nicht lange verlobt hatte Kleist eine geheimnisvolle Reise unternommen, um deren geheimes Ziel er so viel Aufhebens machte, daß man kaum glauben kann, dass er wirklich eins hatte. die Literaturwissenschaft rätselt bis heute (Industriespionage? EIne Phimose-Operation? Kontakte zu Freimaurern? Glücksspiel?), ich glaube er wollte einfach Abstand haben. auf der Autobahn der Freiheit fahren. Als er losfuhr war sie aber selbst aufgebrochen, nicht weit von Frankfurt auf ein Gut, das jetzt in Polen liegt. Schloß Tamsel hieß es damals. stand sie nicht bereit, um zu winken, als er abfuhr?

Polen.Die Grenzen sind kleine Brücken,  Die Natur ist echter – und die Märkte protzender.  Aber  die Häuser in den Straßen haben noch ihre alten Gesichter. Der bunte Mix der Reklameschilder: die Eleganz der 50erHJahre schriften und der Zahn der Zeit die LED-Ramschichkeit der Angebote. Zigaretten und Alkohole. .Dahinter ist es ausgestorben. Verlassene Häuser, aufgegebene Bürokratien. Graffiti. Warum verändert sich die Landschaft schlagartig hinter der Oder. Die struppigeren Felder, die Feuer auf den Äckern oder der auf den Spitzen der Industrieanlagen. Abfackeln vor  gerade noch blauen HImmel. DieDörfer die sich um die STraße ästeln. Die Die Eichenalleen.Fuhr lange in die falsche Richtung, wissend, dass es die falsche war. Aber die Straße war großartig und bitter und kaum hatte ich die Stadt hinter mir gelassen, war alles zur-Schau-gestellte der Verkaufsstützpunkte verschwunden. Irgendwann ragte an einer alten Bahnlinie eine BAcksteinBurg aus dem Sumpfgebiet. Wie ein kariöser Backenzahn, der aber nach außen hin noch hält, bombenfest, ein Turm ein Stellwerk, ein Bollwerk im nichts., was weiß ich. Irgendwann dann doch umgekehrt,  durch Küstrin hindurch, 7 Kilometer weiter liegt Dabroszyn. Das ehemlige Tamsel. Hier ist sie hin.

Motorrad parken gewollte in einer Schneise, einem Seitenweg so holprig und gewölbt von Kopfsteinpflaster glatt übersehen, dass es eine Straße war. Strafender fassungsloser Blick einer Frau im Auto hinter mir. Ich war dauernd im Weg.

Man ist schon durch den Ort beinahe durch da ragt eine Kirchturmspitze hervor und das Schloß wie ein aus dem Himmel gefallener Kasten, ein altes Gut, das auf den ersten Blick aber wie ein sozialistischer Wohnblock wirkt, nur das terracottagelb leuchtet zwischen den hohen Bäumen. Vielleicht sind alle feudalistischen Zierereien abgeschlagen worden. Entweder als es vom Himmel fiel oder weil der Sozialaismus es sich zurechtmeißelte. Irgendwo weiter hinten soll ein Dinosaurierpark sein.

Hier war sie und trank wahrscheinlich Tee und hat den Abstand den er brauchte vorab gerade noch in letzter Minute für sich vergrößert. Ich verstehe sie. Und ihn hats ja wohl auch ein bißchen gejuckt. Apropos. Hier gibt es echt viele  Mücken.

17. – 28. August

[Zeit voller Kopfzerbrechen. Paracetamol hilft eher nicht, Schreiben im Gegenteil. Nervenscheidwand-Verletzung der Hand macht Bewegungen der Finger zum gefühlten Ameisen-Rennen-Event. wenn ich das Notebook nur berühre ist es als ob Strom fließt oder kriecht. Offensichtlich stirbt die Nervenwand ab und es ist, und der Nerv liegt bloß, also wäre er ein Kabel, dess Isolierung durch ist und deshalb mit den anderen Leitungen interagiert. Was hilft ist mittelmäßige Fenrseh-Serien gucken…]

16. August, Berlin

Geträumt, daß Lo. hätte beim Graben in der Baustelle zwischen „Nadja und Kosta“ und der S Bahn Linie das Schwert Excalibur gefunden. ich habs dann an mich genommen, aber nur weil ich fürchtete, er könne sich daran verletzen. Bin dann zum Zelten gefahren und versteckte es in meinem Schlafsack, in den es der Länge nach genau hineinpasste.

11. August, Berlin

Bilde ich es mir nur ein oder gibt es zur zeit extrem viele FernsehSerien über starke Frauen, ob FBI-Agentinnen,  Soldatinnen oder andere Powerfrauen, die nach einem Trauma oder warum auch immer einen Hau weg haben , unter Gedächtnisverlust leiden und ihre eigene Geschichte rekonstruierne müssen? Beinahe unbesiegbar, stark, aber meschugge. Die Serien haben so schöne Namen wie „Blind Spot“ oder „Absentia“, so daß ich sie anfange zu gucken, dann aber doch blöd finde und vergesse, daß ich sie je gesehen habe. nach einer Weile stolpere ich wieder über Namen und glotze, falle möglilcherweise dabei sogar in den Schlaf. ein  Teufelskreis von Filmrissen und Lebensabwesenheit. Ganze Staffel „Absentia“ geguckt und erst im Finale erinnert, daß ich  a l l e s  schon kannte. Bedenklich.

10. August, Berlin

Die Baustelle haben die Bauarbeiter übernomme. Zu den Tiefen hat der  Lo. keinen Zugang mehr. Morgen danach. sitzt auf der Bürgersteinkante Kaskelstraße gegenüber von seiner eigentlichen WOhnung, die unbetretbar geworden ist und weint. er sei gestern noch  friedlich eingeschlafen auf dem Ausgrabungsfeld. die letzten Fundstücke seien so kostbar, so einzigartig gewesen, dass er sich glücklich schlafen gelegt hatte. die ARbeit getan. abschließen. es muss sich um kleine Löffel gehandelt haben, eine riesige Kachel aus dem 18. Jahrhundert, in der Breite so groß wie eine Tür.  Geformt, als sei sie über einem Torbogen angebracht gewesen, mit zierlichener Musterung. Das Schönste und Ungewöhnlichste was er je gefunden hat. aufgwacht vom Klang, zerbrechender Keramik und dem dumpf-tönenden Klirren von Keramik, wenn etwas in tausend Teile zerbricht.EIner von den Bauarbeitern war darufgetreten und hatte die gesprungenen Hälften dannzum restlichen Bauschutt geworfen.

Immer geht alles kaputt. auch wenn es Jahrhunderte verschont geblieben ist. Mißlungener Versuch Lo. zu trösten mit dem 3. Satz der Thermodynamik einem Knoppers, und dem Gedanken ,, die Kachel habe einen letzten großen Auftritt gehabt, sei geborgen worden und war vielleicht nur ihn bestimmt, für einen Moment. Er hat sie noch gesehen, er hat sie im Kopf, blind zeichnen könne er sie, sagt er.

Momenaufnahmen. Aufgreifen von DIngen, die man nicht zu Bares für Rares tragen kann, aber im Herzen: ebenfalls verloren, der rußige Backstein in den vor wie viel Jahren auch immer ein Kind die Buchstaben gemalt hat: „MAX IST DOOF“. Lag im Untergrund, wurde ausgegraben, nicht nur der Stein war heil geblieben, auch der zeitgenössische Ruß, ohne daß Sand, Erde, oder neue Geschichts-Schichten den Fingerzeig hätten verwischen können . die Botschaft, daß Max doof ist, kam an, im 21. Jahrhundert, dann durfte sie gelöscht werden. ich wollte aber zumindest erwähnt haben.

27. Juli. Berlin – Wittenberg.

G. brachte mich auf den Weg nach M.  nostalgische Gefühle; wenn ich hinter ihm sitze auf seinem Motorrad und nicht selber fahre, ist die FAhrt eine hingebungsvollere. schön. Fähre bei Mauken. der Fährmann zog in Erwägung  uns den Betrieb zu hinterlassen. aber das ist ein alter Trick. in den Märchen geht sich das nicht gut aus, für die die die Fähre übernehmen. WIttenberg. Bahnhof. Abschied. schönster AUsflug seit langem, vielleicht weil man eine Weile eine RIchtung hatte und nicht der Frust des „Hin und Zurücks“ die Fahrt verdarb. lange Weiter-Fahrt im Zug, Frau hinter mir telefonierte so laut. Mann am anderen Ende des Abteils stand auf und bat um mehr Ruhe, da ihn das Gespräch in keinsterweise interessiere. Mich leider interessierte UND nervte es zugleich. die Frau kannte wen aus der Öffentlichkeitsarbeitsabteilung des Friedrichstadtpalastes. Offensichtlich haben große Theater mehr Sorgen  als kleine in Zeiten von Corona.

23. Juli, Berlin

Der Platzregen. das kleine Porzellanpuppengesicht das er auf den Steinhaufen drappiert hat. hinter den Gittern der Bauzäune entstehen auch provisorische Ausstellungen.  die Schuhe die er ausgezogen hat liegen vor dem Brg, es sieht aus, als sei einer  in den Steinen verlorengegangen und nur seine Sohlen seien verblieben. Der Regenborgen, kaum geboegen, aber weitreichend, erst blaß dann in starken Farben, der sich über der S-Bahn Nöldner Platz bis weit in Richtung Friedrichshain spannt. die Traufe. die üppig rinnenden Wassermassen von der der Café-Marquise von „Nadja und Kosta“ unter der Lo. duscht. wenn man eh nass ist, kann man nicht nass genug werden. die Trockenzeiten der Ausgrabungen verliert sichim Rinnstein.

 

23. Juli, Berlin

der Platzregen. das kleine Porzellanpuppengesicht das er auf den Steinhaufen drappiert hat. hinter den Gittern der Bauzäune entstehen auch provisorische Ausstellungen.  die Schuhe die er ausgezogen hat liegen vor dem Brg, es sieht aus, als sei einer  in den Steinen verlorengegangen und nur seine Sohlen seien verblieben. Der Regenborgen, kaum geboegen, aber weitreichend, erst blaß dann in starken Farben, der sich über der S-Bahn Nöldner Platz bis weit in Richtung Friedrichshain spannt. die Traufe. die üppig rinnenden Wassermassen von der der Café-Marquise von „Nadja und Kosta“ unter der Lo. duscht. wenn man eh nass ist, kann man nicht nass genug werden. die Trockenzeiten der Ausgrabungen spült der Rinnstein hinweg.

22. Juli, Berlin

Der Baum bleibt verschwunden. habe den Tatort aber immer noch nicht gesehen, weil mein Schreibzimmer zum Hof geht und mein anderes Zimmer so durcheinander, dass ich es eh kaum betreten kann. Und im Flur liegen immer noch die Relikte. der Sohn hatte beeindruckendere Fundstücke geborgen. einen Lampenschirm aus Glas auf dem die seltsamsten Kristalle wachsen (dem Impuls darüber zu wischen, soll man widerstehen, sagt Lo., weil auch diese Krusten udn Schichten und Ornamente etwas zu erzählen haben), einen massiven EIsenwinkel mit schlichter Verzierung…

ich werde nicht mehr hingehen, der Sog ist zu groß. Es ist letzendlich eine Art Treibsand, in dem man sich selbst verlieren kann. Geburtstagsfeiern entgleiten einem, Schuhe, das Maß…

Daß der Sohn aber gräbt, gefällt mir, er kann das auch maßvoller als ich. er bleibt bei sich. erinnerung an die zeit in der der Palast der Republik abgeissen wurde. er war damals vielleicht zwölf. damals fand man auch Spuren anderer Zeiten: den Friedhof eines alten Klosters. Archäologen waren mit Ausgrabungen beschäftigt. die andere baustelle musste warten. der Sohn hüpfte in den liegengebliebenen Schuttbergen des ehemaligen „Palastes“ herum und  fand Scherben von Fallrohren, Kacheln und Sonstiges. Er zeigte sie den „Kollegen“ der anderen Ausgrabungsstätte, die ihn aber nur auslachten. das sei ja nichts historisches. der Kosterfund sei viel Älter. die Frage: „aber die Zeit schreitet doch voran? irgendwann sind auch die Relikte des Palastes der Republik historisch – wenn sie es nicht soweiso sind. eine zeit ist zu Ende gegangen. eina neue beginnt… die erstmal die noch ältere zeit heraufkramt und ein Stadtschloß alt auf neu entstehen läßt. ist das nicht der beste Beweis wie schnell DInge aus der Mode kommen, wieder in sind, ob Möchsgebein oder Fallrohrbrüchstückhaftes der DDR.  wieso haben Historiker so wenig Phantasie?

der Sohn erinnert sich nicht an die Geschichte. vielleicht weil die Archäologen damals so wenig motovierend waren.

21.  Juli, Berlin

Offensichtlich hat jemand die Akazie vor unserem Haus abgesägt. Der Sohn fragt, ob ich gemerkt hätte, daß sie weg ist. Laut solls gewesen sein. heimlich in aller Früh. Habs weder gehört noch gesehen. trau mich kaum hinzusehen und habe das Haus heute nicht verlassen.

22. Juli, Berlin

Der Baum bleibt verschwunden. habe den Tatort aber immer noch nicht gesehen, weil mein Schreibzimmer zum Hof geht und mein anderes Zimmer so durcheinander, dass ich es eh kaum betreten kann. Und im Flur liegen immer noch die Relikte. der Sohn hatte beeindruckendere Fundstücke geborgen. einen Lampenschirm aus Glas auf dem die seltsamsten Kristalle wachsen (dem Impuls darüber zu wischen, soll man widerstehen, sagt Lo., weil auch diese Krusten udn Schichten und Ornamente etwas zu erzählen haben), einen massiven EIsenwinkel mit schlichter Verzierung…

ich werde nicht mehr hingehen, der Sog ist zu groß. Es ist letzendlich eine Art Treibsand, in dem man sich selbst verlieren kann. Geburtstagsfeiern entgleiten einem, Schuhe, das Maß…

Daß der Sohn aber gräbt, gefällt mir, er kann das auch maßvoller als ich. er bleibt bei sich. erinnerung an die zeit in der der Palast der Republik abgeissen wurde. er war damals vielleicht zwölf. damals fand man auch Spuren anderer Zeiten: den Friedhof eines alten Klosters. Archäologen waren mit Ausgrabungen beschäftigt. die andere baustelle musste warten. der Sohn hüpfte in den liegengebliebenen Schuttbergen des ehemaligen „Palastes“ herum und  fand Scherben von Fallrohren, Kacheln und Sonstiges. Er zeigte sie den „Kollegen“ der anderen Ausgrabungsstätte, die ihn aber nur auslachten. das sei ja nichts historisches. der Kosterfund sei viel Älter. die Frage: „aber die Zeit schreitet doch voran? irgendwann sind auch die Relikte des Palastes der Republik historisch – wenn sie es nicht soweiso sind. eine zeit ist zu Ende gegangen. eina neue beginnt… die erstmal die noch ältere zeit heraufkramt und ein Stadtschloß alt auf neu entstehen läßt. ist das nicht der beste Beweis wie schnell DInge aus der Mode kommen, wieder in sind, ob Möchsgebein oder Fallrohrbrüchstückhaftes der DDR.  wieso haben Historiker so wenig Phantasie?

der Sohn erinnert sich nicht an die Geschichte. vielleicht weil die Archäologen damals so wenig motovierend waren.

21.  Juli, Berlin

Offensichtlich hat jemand die Akazie vor unserem Haus abgesägt. Der Sohn fragt, ob ich gemerkt hätte, daß sie weg ist. Laut solls gewesen sein. heimlich in aller Früh. Habs weder gehört noch gesehen. trau mich kaum hinzusehen und habe das Haus heute nicht verlassen.

20. Juli, Berlin

…aber dann doch hängengeblieben. Zunächst schien Essen dringend von Nöten zu sein. aber dann sollte ich vor allem einen Lötkolben holen. drei Lötkolben besitze ich, aber der, den ich brachte war wohl kaputt. er hatte eine Lampe reparieren wollen, aber am Ende taten es doch die Handies. erst im schönen Sommerkleid (wegen der Geburtstagsfeier) am rande, dann doch den Absprung gewagt. egal… die Schnürespandrillos noch ausgezogen, dann in die Tiefe. das schöne Sommerkleid – egal. wenn man am Rande steht, wo Lo. der den Stromkasten anzapfen darf,  auch Tee kocht oder  auf dem herausgehobenen Pflastersteinplatte sitzt wie auf einer Miniaturterrasse und in die Grube blickt, wirkt es wie ein abgründiger Sandkasten. keine Ebene, kein eindeutiges Loch. Drinnen ist es eine ganze Welt ohne oben und unten. begonnen zu graben ohne zu wissen was ich tue, er hatte gesagt, es sei jetzt keine Zeit zu erklären! EInfach den Sand hinter mich schaufeln mit einem verbogenen Blech. „Schau, so!“ er zeigt es und eine Ladung  landet in  Gesicht und  Kleid.  – schnell ist es egal. es ist Sand-Taufe. Plötzlich ist es so leicht. Geht von der Hand wie nichts. schaufeln, graben. zwischen den Händen tausend zerbrochene Dinge. Lehmklumpen. GLasscheiben. eine, runder Flschengrund, hat ein T eingravivert, es sieht aus wie das Logo von tengelmann. GIbt es Tengelmann überhaupt noch. oder ist er auch schon Geschichte? weiter. ich grabe mich frei. ich schleudere hinter mich. ich höhle aus. irgendwann stellt sch heraus, dass das Loch dass ich grabe keine Schätze birgt, dass weiß Lo bereits.  sollte dem Zweck dienen, dass ich darin Knien kann und unterhalb des Kellerbodens dort Schichten abklopfen kann, die vielversprechender sind. „ICH KANN DAS JETZT NICHT ERKLÄREN. MACH ES EINFACH“. – „BRÜLL MICH NICHT AN!“ „JETZT SIEHST DU MAL WIE DAS IST!“ – „WAS IST DENN?“ immer wenn wir unter Druck stehen, schreien wir uns an. Immer wenn der eine bestimmt, und der andere wissen will… mal ist er das, mal ich…. kaum ist ar aber in seiner Nische verschwunden, ist es wieder egal. Lo. ist so weit  entfernt… er ist eigentlich sofort vergessen, denn es ist dunkel… – daß das was nicht direkt vor AUgen oder in Händen liegt, eigentlich nicht existent ist.  Lo. mag die Zeit im Genick sitzen – morgen kommen die Bauarbeiter und die Ausgrabungsstätte wird enteignet – aber eigentlich ist eh keine Zeit. Zeit existiert schlichtweg nicht. alle Zeiten liegen in schichten in der grube. ich, unerhalb des Kellerbodens krabbele dann doch höher. hier hatten Menschen ihre Regläsern. der Schuster seine Werkstatt?, hier lagen später russische Soldaten verschanzt. hier klopf man mit dem Hammer und schält Zeug aus der Wand. wieso ist keine Wand? wieso ist alles weich und ich schwimme in einem trockenen Meer, auf Wellen aus Sand. Ich suche nichts. ich finde Weniges. egal. EIn EInweckglas. ein Türscharnier, eine keramikplatte in die sich ein längs liegender Nagel gepresst hat, wie ein Fossil in eine Sollenhofener Platte. EInen Ring aus porzellan in der Größe eines Haribolakritzstückens mit Kokos drumherum- Ehrlichgesagt ist es mir beinahe schon gleichgültig, was da ist. ich wühle mich durch den Grund und denke der Grund ist einfach hier und jetzt da zu sein. Oben und unten gibt es nicht mehr. die NAcht wird kühler, egal. das Kleid ist grau un dfeucht. die nackten Füße graben ebenso wie die Hände. aber die stecken jetzt in Handschuhen, das geht besser, sie werden zu  Schaufelrädern eines RAddampfers. Das schwache Licht… ich kann mir jetzt vorstellen, dass man an einen Punkt kommt, an dem man einfach nur in den Eimer pinkelt und seine Schätze darin wäscht… – bevor das passiert….  die Kurve gekriegt. jetzt zurück oder nie.  die Schuhe, die Jacke vergesse ich. ich merke nicht einmal dass ich barfuß bin. beeile mich, da ist  ja noch das  Fest, zwei Ecken weiter. als ich zurück will in den Hof,  auf die Party, ist schon längst alles vorüber. wie lange ich weg war habe ich vergessen.

19. Juli, Berlin

Gestern Abend dann doch noch zur ehemaligen Garage. In Richtung S-Bahn türmt sich der märkische Sand, dann abfallend geht es in die Tiefe. hin zur Seitenmauer des Cafes wieder steil hinaus. schwindelerregend. man sieht es nicht gleich, nur fern hinten der warme Schimmer der Baulampe. rief seinen Namen und Lo. tauchte auf wie aus einer anderen Zeit, einem anderen Film. ich hätte ihn nicht erkannt. dünn ist er eh geworden, das selbst geschnittene Haar grauer –  finsterer Kumpel seine Augen leuchtenden unter dem Hut hervor.  hätte ich nicht gewußt, daß er es ist, ich hätte mich ein bißchen gefürchtet. wollte gerade Feierabend machen, er wirkte zittrig. wer weiß wie lange er zu Gange war. zu Grabe war. es sei ein Endspurt. denn in zwei TAgen würden die Bauarbeiter kommen. Tee, den ich mitgebracht hatte getrunken. Orangen geholt. er schält sie mit erdigen Händen, Trauerränder-Kante der Nägel. zeigt seine Schätze. holt sie aus einem schwarzen EImer voller Wasser, neun doch nicht Wasser: nicht wundern über den Geruch, schwefel-sauer seien einige Fundstücke, undr Phosphor der Bombensplitter… außerdem habe er reingepisst in den EImer. von seinen HÄnden tropft es, als er mir etwas entgegenhält.  ich nehme es dann doch. Er war schon immer ein elementarer Mensch. sein Barfuß-Gehen in der Sommer-Stadt finde ich zuweilen idiotisch, aber hat seine Gründe. Er hat seine Abgründe. Er ist kein BLender, kein Pseudo-Archaiker. er hat sich in den vielmehr in den Abgrund verbissen und es ist inzwischen egal. „Leute“, sagt er, „kommen und gehen.“ die meisten finden es gut. wer ihm unterstellt, er bereichere sich hier, dem bricht sich Bahn die ehrliche Entrüstung und das ebenso ehrliche Angebot: „Nimm die Sachen, nimm sie selber, aber dann mach auch weiter, dann schaffe das Werkzeug hier her und wierder zurück, dann archiviere, kathalogisiere, schreibe auf… jeder kann sehen, wie ernst er die Arbeit nimmt. DIe Leute vom Stadtteilmuseum, das gleich eine Ecke weiter auf seiner Fassade die Schrift trägt RAUM FÜR FREIRAUM, hätten auch mal vorbei gesehen. höflicher Mensch der Direktor (leider nimmt er mich nie ernst).  Auch Lo.’s archäologische Ausgrabungen sind für Museen wie diese nicht wirklich von Interesse. es müsse schon passen. Fände Lo. hier ein ganzes Schuster-Sortiment, hier wo das Haus des Schusters in Dutt gegangen ist, sei es was anderes. aber die vielen „DIngse von Dächern…“ Am ENde zu müde gewesen um weiter zu bleiben. Ahnung, dass der Feierabend nicht wirklich gekommen war. ich ging heim. Sehnsucht, nach DIngen zu graben. ob von Dächern oder vom Krieg. ob nach Kinderhänden oder SPiralwindungen, Pisspötten oder keltischen Messern. stattdessen nachts Kuchen gebacken für den Freund…

                                                                               ***

…Der hat heute Geburtstag. Kuchen, die ich ihm backe sind fast immer ungenießbar. das weiß er und isst darum meistens kein Stück. die die er nicht isst, sind aber genau immer die die richtig gut werden. man weiß es freilich nicht immer vorher (denn gut aussehen tun sie meistens schon). Es ist wie mit Schrödingers Katze. am besten läßt man die Kiste zu.

                                                                               ***

Kuchen tatsächlich entsetzlich. Zuckerschock. wenn man schon Backmischungen nimmt, sollte man sich an die Gebrauchsanweisung halten. Immer zu viel des Guten. ich werde ein andermal darüber nachdenken, was das bedeutet. Die Feier war schön. Irgendwann kam dann der Anruf, ich solle doch schnell zur Baustelle kommen… (der Sohn war diesmal vor Ort und grub mit). Hatte nur kurz nach dem rechten sehen gewollt, aber dann… […]

18. Juli, Berlin

Vergessen gehabt, dass viel WIchtigere DInge sich abspielen. die Funde die  der Lo. im Schutt des abgerissenen Garagenhofes geborgen hat (die Hand in der Hand, die Embleme, Orden, die Helme)… – nun ist die Baubstelle sein EIgenreich gewordne und Ausgrabungsstätte. Ich weiß es von A. der ganz aufgeregt einen köchrigen Pisspott anschleppte, den er ausgebuddelt hatte mit Lo. un steht der Pott im Flur. welche Hinterteile besaßen ihn früher? der des Schusters? es ist kein großer Pott, vielleicht war es der Topf der Kinder.  sage A. dass es WG-praktisch ist, wenn einer zu lang im Bad braucht, kann der andere den Pott benutzen. natürilch dennoch unpraktisch, da löchrig. ANflug von Neid. Hätte ich doch nur Zeit! wollte auch gehen in den Erwachsenen-Sandkasten, aber traute mich nicht vor den Augen der Cafe-Sitzer. nicht wegen der Absperrungen, sondern weil es klar ist, dass es das Hoheitsgebiet des Lo.  ist. Er grabe dort von früh bis spät. in der Mittagshitze aber wohl doch nicht.

Stattdessen zu Fuß Dinge erledigt. Blasen an den Füßen. Hatte vergessen wie es ist ohne Räder.

17. Juli, Ingolstadt

Rückreise mit Flixbus. Wut, weil die automatische Ansage sagt, dass  keine Snacks angeboten werden können (wegen der aktuellen Lage), aber „andererseits“ man sich freue, die Waschräume zur Verfügung stellen zu können. die andere Seite der Nahrungsaufnahme. glatte Lüge. wurde in Ingolstadt vertröstet, dass man in einer halben Stunde in Münchberg halten würde. diese weitere Lüge aber durchschaute ich dann doch. von Ingolstadt bis Hof in 30 Minuten! Fahrer dann doch nett. Kann nihct aufhören diese Geschichte zu erzählen, obwohl sie banal und im Grunde langweilig ist. Toiletten-Lockdown. Ja. gibt Schlimmeres.

Juli, Neukeferloh

Das leckende Dach, dessen Riss ich nicht finde. die Versuchung, die magische Klebebandrolle aus dem Internet zu kaufen. sie klebt sogar Wasserrohrbrüche während sie geschehen.Die Mutter ist skeptisch, aber was weiß sie schon vom Internet! Nachdenken über Sackgassen und falsch gewählte Namen. wer hätte gedacht, dass Eternit nicht für die Ewigkeit ist. Und Bitumen… es klingt nach Nomadenstämmen in Finnland. Wo nur verlaifen die Risse. eine AMsel trippelt über das Blech zwischen Garten mauer und Terassendach. sie muss sich ducken und läuft wie ein Aufziehvogel. das Geräusch der Füße auf dem Aluminium klingt, als käme es von einem inneren Mechanismus des Vogels. er läuft gerade und schnell und verschwindet dann in den Blutpflaumen.

Juli, Neukeferloh

Der Vater ist schweigsam. er sieht wach aus verfolgt die Gespräche und wirkt beeindruckend wissend. vielleicht weil er schweigt. Sein Bart ist üppiger geowrden und insgesamt wenn er von der Seite mir runzelnder STirn (seines sonst so überraschend glatten, braun gebrannten Gesichts) das Gespräch verfolgt, wirkt er wie Mandy Patinkin in Homeland. Die Mutter un dich besprechen was zu tun ist. ALltägliches. Bei den Zwergen vorbeifahren… zum Beispiel. er sagt nichts, aber ich sehe ihn angestrengt nachdenken. was bedeutet „Zu den Zweregn fahren“. vielleicht klingt es genauso unnachvollziehbar wie alles was wir besprechen.

„Zu welchen Zwergen wollt ihr denn jetzt… schin wieder…?!“ sehe ich ihn denken. Behutsame „WIe-DU-Weiß-Information“ Dabei hatte er das Wort selbst geprägt vor Jahren, als sie das Areal am Wald, zum Wertstoffhof machten. Wie Du weißt, hast Du damals ja die Arbeiter so genannt, weil sie hochmotiviert mit Schubkarren zu Gange waren, da hin das Holz, dahin die Pappe. die Lampe… kann man noch reparieren! vielleicht hatte auch einer einen Bart getragen, und incht zu vergessen, die Nähe zum Wald. gleich hinter den Zwergen stehen die Tannen dicht. ich erinnere mich sogar, dass an diesem Waldrand zum ersten Mal Glühwürmchen tanzten  – die ersten jedenfalls , die ich je sah. Jetzt ist dort die Neukeferloher BSR. ihre BÄrte haben sie inzwischen versteckt unter blauen Einmal-Schutz-Masken.

[ein Datenverlust! der sich erstreckt vom 10. Juli bis 18. Juli.  und ich bemerke ihn erst jetzt. das „umsonst Geschriebene“ wurmt mich dermaßen, dass sich prompt eine Schreibblockade einzustellen beginnt. ich durchbreche sie hiermit hiermit hiermit hiermit. hier mist mist hit hindemith hinter dem horizont honda hoch habe nun ach ach ach hut ab allerleirauh hau rein rauf und runter ruhe sanft ras nicht rüber rigel rot rachenabstrich rübezahl radieschen rapunzel rarara rattenfänger rufe… – nun is gut!]

9. Juli, Erzgebirge

Diesmal doch vorbereitet. Das wohl gute Wetter. die Route durch Tschechien. Oberwiesenthal. Neuendorf – den Ort wollte ich mir merken, aber ich habe vergessen warum. der Bach , der sich durch die Schierlingssterne windet. höher. doch leichter Nieselregen. höher. Nebel. die Frau im Navigationssystem nicht mehr beachtet, die partou hier halten will,  mich im Kreis schicken würde nach Oberwiesenthal Zentrum, keine Ruhe gibt. dann doch gehalten und sie abgestellt. Kehre hinter der Stadt, Fichtelberg. es müsste eine tolle Aussicht sein, aber der Nebel ist jetzt so dicht… doch ein Märchenland! Höher. Tschechische Grenze. denke, ich muß Vigniette kaufen, weiß nicht genau. Hätte eh nicht gemußt. Tankstelle im Niemandland. sehe sie aber nur auf dem Schild.  schnurgerade Straße wie Radweg.  steil abwärtsweiter durch eine Geisterstadt, Ort hinter der Grenze wie ausgestorben . alt und vergangen und vergessen. Die 50er Jahre. die Häuser-Häuser. ich bin in Tschechien… Zug des Gashebel reißt. ADAC. wie immer. wohin und zurück.

***

Der Nebel hat sich verzogen. Sehe nun: So leer ist der Ort nicht. das nächstbeste Lokal, nicht schön, aber dennoch warum auch immer gemütlich. SOlide. Hätte gerne Knödel mit Semmelbrösel und Sauerkraut gegessen, aber fürchtete, nicht fertig zu sein, wenn der ADAC kommt. herrliches Bier, klein aber in ordentlichem Glas. Der ADAC kommt aber nicht. hätte viele Knödel essen können.Es dauerte schon ewig, bis daß ich den ADAC erreicht hatte. kein Netz. nur draußen vor dem Haus, dann die falsche der ADAC-Nummern gewählt. ein Besserwisser-Mann am anderen Ende wiederholt demonstrativ immer wieder, „hier ist der a m b u l a n t e   Dienst  des ADAC!“ – „ja, schön! ambulante Hilfe für mein Motorrad. Ist doch richtig. nicht stationäre EInlieferung, sondern erstmal Hilfe vor Ort…“ Das Gespräch dreht sich im Kreis.  Der A M B U L A N T E  Dienst sei hier! – NIx ix hier. Und die Leitung ist mies.  es ist ein Ort an dem man aber dennoch bleiben könnte. für immer. und auf ambulante Hilfe vergebens hoffen. Knödel essen. An der Grenze. für immer.

8. Juli,

die unvorhergesehene Route, die seltsame Art Entscheidungen zu treffen.  via Potsdam? via Dresden? durch Tschechien? über Hof? Ich kann die Entscheidung immer erst auf dre Autobahn greffen, 200 m vor der Abzweigung Schönefelder Kreuz. die A9 wäre schneller gewesen. das Entziffern der Wetterprognosen im Handy bereits in Luckau. lang in der Raststätte, weil der Regen so dicht fällt. dann doch weiter, die ausgebesserte Straße – waren hier nicht mal Fahrbahnstreifen aus der Bahn geraten, als wäre der, der sie auf die Straße fuhr betrunken gewesen… – inzwischen alles wieder gerade.

warum zieht es mich ins Erzgebirge? Die weit und breite Stadt Chemnitz endloser Stau, wär so gerne in dem alten Schulhaus übernachtet, in der Pension in der ich versehentlich den Schlüssel mitnahm. NAmen des Ortes vergessen. kurz vor Oberwisenthal. Erzgebirge. schon das Wort.Es klingt so steil und gefährlich.  und dann sieht alles aus wie Hügellandschaften, weich und bauchig, mit schmalen Bächen in den Tälern. die schrohen Häuser. Bleich und düster. dabei so schön gelegen. Märchenlandschaften, aber die Häuser nicht niedlich. wieder Unentschlossenheit, daher nicht Oberwiesenthat, Auch nicht das schöne HOtel versteckt am Waldhang mit Blick ins weite land, dachte an das Prachthotel auf der Straße nach Triest. an den Klippen. der Fahrstuhl zum Meer…. hielt sogar 2 Kilometer später an und fragte nach einem Zimmer. es hätte eins gegeben. WIeso bin ich dann doch weiter. weil geärgert, dass ich für das Doppelzimmer  5 € mehr hätte zahlen müssen, als für das Einzelzimmer, das gerade weg gegangen ist. dummer Geiz. es sah so schön aus. watum fällt es mir so schwer, zurückzufahren.  immer will man weiter wenn man fährt. schon das Halten tut weh.  Egal. einen Fahrstuhl zum Meer hätte es eh nicht gegeben. Weiter. Früher als ich noch hinten drauf saß auf dem Motorrad, also  Beifahrer war, wollte ichimmer anhalten und alles „In echt“ sehen, was rechts und links an mir vorbeiflog; jedes Kopfdrehen und genauer Hinsehen hätte NAckenschmerzen bereitet. Wenn man selber fährt, stürmt es auf einen zu, die Welt fällt einem frontal ins Auge und trotzdem hat man sie hinter sich gelassen, bevor man nur denken kann „schön!“. dann ist man süchtig nach mehr. weiter. Dachte Aue müsse schön sein. aber nein. Flöha… auch nix. müde in Bad sowieso. untergekommen. wieder zu Teuer. eigentlich nicht wirklich teuer, aber der Wirt nennt Preis, den er im selben Atemzug um 5 EUro teurer macht, wegen Last-Minute-Buchung. wieso das? Frühbucher-Rabbat ist ja okay, aber Spontanitäts-Straf-Tarif? Er hat doch gespart?! hat nichts notieren mmüssen, musste nicht zum Telefon rennen, nicht im Gästebuch blättern. ZIehe in Erwägung zurück über Flöha, und Aue zu fahren zu dem Hotel am Meer. aber doch zu müde. Wieso reiben die einem hier immer die besseren Preise unter die Nase, die man nicht haben kann? hätte er ihn gleich teurer genannt, wäre ich gut gelaunt in das  stickige Teppich-Rankenbemusterte Zimmer gegangen. Flucht in das beheizte riesige Badezimmer. hockte eine halbe Stunde in der Dusche. dann doch irgendwann warm. Thüringer Klöße und ich dachte ich bin in Sachsen.

3. Juli

Lo. hat die Hand aus Porzellan gefunden, die einer Puppe gehörte, die einem Kind gehörte. dessen Hand verschmolz mit der Puppe.Bomebentreffer von 1944. vielleicht eins von  den acht Kindern des Schusters. die in dem Haus wohnten, das nach dem krieg zum Garagenhof wurde. immer sahen die Garagen aus wie aus alter zeit. ich hätte gerne eine gehabt, aber si ewaren schwer zu kriegen. Er fand noch mehr unter den Garagenhöfen, die nun ebenfalls Geschichte sind. hat man nie danach gesucht? einfach die GAragen darüber gebaut, sie wieder abgerissen 76 Jahre damach… so viel Schutt, so viel verlorenes… und nie guckt einer genau hin? nur Lo. gräbt sich durch die Welt und sammelt die Scherben…

***

langsamer Tag, erst zum Ende hin wirklich zum Schreiben gekommen. aber der Lo. kam vorbei. längst sind wir wieder versöhnt. aber lange nicht gesehen auch. er müsse mir etwas sagen.  ob ich runter komme, ob wir an der Wasserpumpe sitzen wollen. immer sitzt er lieber auf dem Aphalt. seine Zehen sind lang und zierlich, braun gebrannt , das Haar hat er kürzer, mit welcher Gras schere hat er es geschnitten. Tinte wie gebrandtmarkt, zieht einen  Kreis in die Haut. er trägt einen schwarzen Glitzerpulli und schabt an einer Kachel herum. sonst ist alle an ihm erdig und tief verwurzelt mit diesem Leben. Tiefe Verzweiflung. schnell wieder Lachen. irgendeiner kommt. sitzt ebenfalls auf dem Sphalt im Schneidersitz. geht wieder. Die Männer haben geraucht und mir nichts angeboten, dabei hatte ich schon überlebt wie ich ablehnen würde. Leute kommen und begutachten den Linienverzweiger gegenüber der Pumpe und fragen sich was das ist ein Linienverzweiger. Ich erkläre es. Lo. erzählt von den Füchsen im Kiez. Natürlich weiß ich, dass es die gibt, aber weil nie darüber nachgedacht, war ich immer davon ausgegangen, dass es nur einen gibt. Klar, ich sah ja auhc immer nur einen. er sagt, er sähe genau von welcher der drei Nester die Füchse seien, wenn er sie trifft. Natürlich trifft er sie. möglicherweise kennen sie ihn auch heraus unter allen Menschen die hier leben und die allesamt gleich aussehen in den Augen der Füchse. Lo. erzählt viel. sprunghaft und ohne Ende. von den Menschen die nicht mehr hier leben. die alten, die seltsamen, die Armen, dem jungen Autisten, der seinen Eltern zu anstrengend war, vom rotgesichtigen Wille, der längst nicht mehr ins Stadtbild passen würde, immer freundlich durch die Straßen getorkelt, manchmal geschmeidig, manchmal beinahe in zeitlupe. von der Alten, die die katzen gefüttert hat, die irgendwann weg war, aber nimmer noch kam, manchmal sogar in der nacht, um die Katze zu füttern an der alten Apotheke. Ein Hund kommt., trinkt Wasser aus der Vertoefung unter der Pumpe. natürlich kommt er auch zu Lo. ich sitze in meinem neugehäkelten Kleid, das lange Zeit wie eine gehäutete Katze aussah, aber am Ende doch noch form angenommen hat auf meiner Lederjacke.  ich will eigentlich heim. aber ich werde diesen Moment vermissen. ich bleibe. jetzt wo der Hund weg ist, zieht Lo. seltsamerweise noch ein Beil aus dem Wasser. ich vergesse zu fragen warum er dort ein Beil deponiert hat. Dann erzählt er dass jemand ihm ein Haus geschenkt hat in einem steinigen Landstrich in Tunesien, voller Olivenbäume. ein kleiner Streifen Meer. es muss stimmen. es muss stimmen. es muss wirklich stimmer, denn er hat es geträunur wenige Tage vorher. der bluae Himmel, die weißen Wolken, ein Haus aus Lehm. Olivenbäume, so weit das Auge reicht. ob es weit reicht das Auge? Lo. findet immer DInge. er findet und sammelt; er verstreut. er bewahrt.

2. Juli

zu spät zur Blutabnahme erschienen. einen ganzen Tag. ich habe es vergessen über den Theateranträgen. der BioTech-Konzern, der hinter der Impfstudie steht, verkündet Erfolge. Seltsamerweise behaupten die Ärzte/Pfleger/Schwestern im gläsernen Palast, das seien nur die Ergebnisse aus Amerika. In allen Zeitungen wird aber die deutsche FIrma zitiert. was denn nun?! naja, dann weiß man wie immer halt wieder nichts. fhle mich dennoch super-immunrede-und-antowert-stark.

Fahrt zurück heute sehr langsam, weil immer ein Polizeiauto vor oder hinter mir war. Am Brechthaus immer noch kein neues Graffiti, aber jemand hatte Plakate hingeklebt, die zwar abgerissen wurden, aber man kann noch lesen… –  allerdings dann sofort vergessen.  am Platz der Nationen steht immer ein Zitat von Hanna Arendt, das ich mir inzwischen gemerkt habe: „Niemand hat das Recht auf Gehorsam“ der Quatsch Comedy Club verkündet: „je weniger es zu Lachen gibt, desto mehr sollte man es tun.“

1. Juli.

Habe ich Superkräfte? bin ich jetzt immun?

29. Juni

Aufgewacht auf einer Tafel Milka Schokolade Dark Karamell. Aus süßen Träumen und völlig verschmiert.   Eingeschlafen über einer Folge The last Kingdom

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Frau auf Bank vor dem Kinderhaus Felix in Marzahn sieht mich fragend an und sagt schließlich:

„Ein Uhr?“

„Nein, nein, es ist erst kurz vor zehn!“

Sieht enttäuscht aus. Das war weil sie nicht nach der Urzeit gefragt hatte, sondern die Frage war.

„Ein Euro?“

für Brot fügt sie hinzu.

***

[…]

25. Juni

Korrekturen: der Acheron hat gar keine „Unterstömungen“ des Vergessens und des Erinnernd. die Flußlandschaft um die Unterwelt herum ist viel klarer umrissen.  es sind fünf verschiedene Flüsse, einer windet sich sogar 5 mal um das Jenseits herum. DIe Lethe ist ein Fluß für sich. der des Vergessens, ja richtig. was aber falsch ist: es gibt keinen Fluß Mneme. Mneme ist eine Muse und ja, sie ist für Erinnerung zuständig.  aber anderswo. Und der  Alt-Bundespräsident hieß Scheel und nicht Schehl. (ich weiß, mit den Korrekturen, insbesondere der Rechtschreibung ist es so eine Sache es nähme kein Ende, wenn ich damit beginnen würde. ich kann nur so Blog-Schreiben)

24. Juni, Berlin

Der Rechner ist so voll und so langsam geworden, dass die ersten tag in berlin nahtlos zu einem einzigen Tag-Und-Nacht-Brei zusammengeschmolzen sind. Filmschnitt. der nicht enden will. Datenmengen, die das Volumen sprengen und sogar zu, Auslagern zu groß sind, weil der Transfer zu viel Platz braucht. die Hand zuckt und klickt. Nerven liegen bloß im wahrsten SInne des Wortes. wo die Nadel des Arztes neben die Vene getroffen hatte (schon okay, kann passieren, aber wie geht das jett weiter?) ist der Nerv verletzt und Ameisen laufen bei jedem Klicken. seltsamerweise laufen sie auch immer höher. der Studienarzt sagte, die Nervenwand sei defekt. und es dauere bis sie wieder neu gewachsen sei. stelle es mir vor wie eine meiner schlampig gelöteten Konstruktionen, wenn die Stellen wo die Drähte bloß liegen aneinandergeraten gibt es Kurzschlüsse. Wirklich genervt bin ich aber in erster Linie von dem zu langsamen Rechner.

[…]

23. Juni, Harthausen – Greding – Wiepersdorf.

Früh ADAC mit gewaltigstem aller ADAC-Fahrzeuge. HInabschweben auf der Tragefläche in die Nippon-Power-Werkstatt Harthausen. beinahe wie EIngeflogen werden. warum fühle ich mich königlich, wenn doch immer nur alles kaputt ist? in der Werkstatt aber erweist sich das Motorrad als völlig in Ordnung. Beim Hans springt sie sofort an. Sein Kollege meint, die jungen Mädchen wollen ja nur von ADAC abgeschleppt werden. Ich wirke also jung und nicht königlich. auch okay. Beim Losfahren wollen dann doch wieder nix. Die Delitscher Büroklammer wird entfernt. endgültigere Überbrückung. Gespräche über Grundstückspreise und dass, wer lieber in Harthausen eine Werkstatt aufmachen will, stattdessen nach Jüterbog ziehen muß, um erschwingliches zu kaufen oder mieten. Hans findet, ich hätte damals das Bahnwärterhäuschen in O. in jedem Fall kaufen sollen. Ich weiß. Und dran denken, den Seitenständer hochzuklappen vor dem Losfahren. Auch das weiß ich. Abfahrt.

Raststätte Greding. hier bin ich  als Kind oft übergeben worden, wenn ich zu den Offenbacher Großeltern sollte. wollte. An der Tankstelle lange festgesessen weil Anruf von Redaktion des populärwissenschaftlichen Fernsehmagazines G, die meine Stellungnahmen zum Thema Impfstudien bis zur Unkenntoichkeit verkürzt und verharmlost haben. Ziehe meine EInwilligung zurück. dann doch wieder zugesagt, weil Gegenvorschlag. es sind nur zwei Sätze geblieben. und ich habe keine zeit das Materuial an sich zum Sichten zu verlangen. ich bin unterwegs. unentwegt. Ärger. Leberkässemmel im Hinterhof der Tankstelle. Frustrierendste Ausblicke. Weitergewollt. wieder die blöde Sendung. warum hab ich mich überhaupt überreden  lassen. weil ich was zu sagen habe. immer denke ich ich hätte was zu sagen. man kann es auch in dem Satz zusammenfassen, der einer meiner Lieblingssätze in Horvaths Stück Kasimir und Karoline ist: „Ich weiß ja nicht, ich mein ja nur…!“

ich hätt halt schon viel zum meinen gehabt. Der Artikel in der TAZ hatte mir viel Raum gegeben und dann doch nicht genug, weil Fotos. Platzerschwendung. Und dabei hatte das Filmteam  beim Drehen kein Ende finden  können. Am Ende sogar noch „Heroe-Shot“ gedreht; der Kameramann mußte extra die Steady-Cam aus dem Auto holen. Ein Heldenschuß.  Das ist, wenn die Kamera von untem auf einen Zurast und man steht stark positioniert da. zum beispiel mit verschränkten Armen und sieht super selbstbewußt in die Kamera. Das alles hatte so viel Zeit gekostet. Raum gegriffen. Und am Ende bleibt beinahe nichts? Warum ist nie genug Raum? Selbst wenn man in Harthausen sein will, muss man nach Jüterbog?

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Wiepersdorf, Nähe Jüterbog. Ich war hier lange nicht. es ist der letzte Halt auf der Reise. ich bin seit Leipzig nur Landstraße gefahren. ich bin Fähre gefahren. der bärtige Fährmann rauchte und strahlte eine Gelassenheit aus… so müsste der Fährmann sein, der einem über den Acheron fährt. Selvies und echte Fotos. die breite ELbe. die unendlichen vielen Wölkchen. die unmerkliche Fahrt. noch schöneres dahingleiten als das hiinabschweben Dank ADAC. ich bin unterwegs. fand schon immer, die ELbe einen magischen Fluß. der zwischen Diesseits und Jenseits besteht aus zwei Strömungen, Lethe und Mneme, eine zum Vergessen und eine zum Erinnern. zum Vergessen der Welt und zur Erinnerung an das Wesentliche.

ich erinnere mich nicht wann ich das letzte Mal in Wiepersdorf war, aber ich war sehr jung. es ist das Landschloß derer von Arnim. und mitgenommen hatte mich damals meine Mentorin B. die ich kurz nach der Wende in M. kennenlernte, beteichnenderweise bei einer Leung von Texten von Bettina von Arnim. der Bettine! nach der bin ich benannt mit zweitem Namen. das wilde Mädchen der Romantik, für den alten Goethe geschwärmt, geschrieben, gelebt, Freundin der unglücklichen Günderrode, die sich erdolcht hat am Ufer des Rheins. Ich glaube sie hatte in den Fluß fallen wollen und noch ein wenig dahintreiben wollen, aber fiel hinten über statt hinab in den Fluß. Die Bettine aber war lebensfroh und sprang herum in der literarischen Welt wie ein anmutiger Kobold. Später dann leider lange eher Ehefrau Achim von Arnims – ich erinnere mich noch an einen Satz aus der lesung von damals, er hätte ihr „mal wieder ein Kind gegriffen“. Wiepersdorf ist ein kleines Dorf. lange gefahren bis ich es erreichte. viele Kiefernwälder durchquert, viele verlassene Nester. Hohen-Kuhnsdorf erinnerte ich noch, es muss die Endhaltestelle des Busses sein, den man von Jüterbog (oder Luckenwalde?) nimmt, wenn man nach Wiepersdorf will. das Schloßgut liegt in einem Park, der für alle offen steht, die sich erholen wollen, lesen wollen, Kultur lieben. man kann sich auch als Stipendiatin bewerben, was ich mit 19 tat mit einem Schreibmaschinengeschriebenen Text, ich hätte ihn beinahe nicht abgeschickt, weil das kleine „w“ nicht funktionierte und ich alle ws mit einem schwarzen Fineliner hineinmalen musste. es gab diesen text nur einmal. denn ich hatte keine Zeit gehabt ihn zu kopiernen. wehwehweh. ich kam aber nicht nach Wiepersdorf als Stipendiatin, sondern im Schlepptau der B. Immer denke ich mir die Bettine jung, dabei schrieb sie das meiste in den späteren Jahren. vielleicht stilisierte sie selbst das Bild des jungen Mädchens zurecht.? immer denke ich an die B. die andere B.  wenn ich an die Bettine denke. sie wirkt ebenfalls immer wie ein junges Mädchen. selbst jetzt wo sie alt ist. ihr zu Ehren müsste man eine weitere Figur zu den Gestalten hinter dem Schloß stellen,  oder irgendwo  zwischen die Bäume des Parks, ein Rotkäppchen. – das war die erste Rolle der B. in demem DEFA- Kult-Film.

sitze unter einer alten Eiche, von der ich glaube, dass ich damals auf ihrem untersten Ast gesessen bin. Die B. also nicht die Bettine, sondern die Mentorin, die mich mitnahm, hatte in W: eine Residenz und ich, die ich in der ersten Zeit in Berlin bei ihr in Kaulsdorf untergekommen war, wurde mit genommen. Herzklopfen. die schattigen WInkel des Parks. der algige Entengrütze Teich, der von weiten aussieht wie eine hellgrüne kurzgemähte WIese. die Sonnenterrasse und der breite Weg. Spalierstehende Götter aus Stein. sehr kesser Kriegsgott oder Soldat, der sich auf sein Schwert stützt und darauf zu warten scheint, dass der wind das spärliche Stückchen Stoff um den Lendenbereich wegweht. Vielleicht wurde er just in diesem Moment versteinert.  weiter hinten, an nicht so prominenter Stelle, steht ein spannenderes Grüppchen, seltsame Gestalten, wie Küchenpersonal, das  Rauchpause macht  hinter dem Schloß. Schloss. Menschen, Karikaturen, Elben? einer sieht aus wie rechts die Orangerie…. ich glaube hier durfte ich bei einer Lesung der B. mitmachen. sie hatte mehrere Studenten um sich versammelt und wir lasen Texte mit berlin-Bezug. ich hatte einen kurzen Text zu lesen der mit dem  Satz endete „Endlich… – wir sind in Charlottenburg!“. – worum ging es da? wer will schon nach Charlottenberg!

Erschöpfung von der Fahrt. der Park strahlt eine Ruhe aus… obwohl ein Mensch auf einem winzigen Rasenmäher-Fahrzeug seine Runden zieht, die EIche unter der ich liege umkreist, dann aber doch anderswo weitermäht. vielleicht mäht er den Rasen des Entengrützeweihers. Und uaf dem Dach der der Orangerie klettern Arbeiter herum. an jedem anderen Ort würde nich das stören, oder ich hätte Angst, dass ich störe. aber hier beruhig mich so ziemlich alles. eingeschlafen, aber nur kurz. Gedanke zwischen Wachen und Traum: dass alle Fotos, die wir von Menschen machen, möglicherweise auch Selvies, in einem anderen Universum als Statuen exitieren. Vielleicht gab es nie Bildhauer. oder nur ganz wenige. Vielleicht gab es auch nie Götter. (oder nur ganz wenige) und es sind mehr oder weniger gute, schöne oder verunglückte, verrenkte oder gelungene Momentaufnahmen, die zu Stein erstarrt sind. In eine weiteren Parallelwelt-Szenario landen dann die Seelen der menschen aus Stein.

Wäre gerne länger geblieben. Musikalische Assoziation (ebenfalls in der Hitze des Schattens) eines Volksliedes, das ein ehemaliger Bundepräsident mal sang. das mit dem Wagen, der rollt. Walter Schehl! weil ich im Alter von drei Jahren noch nicht wußte was ein Bundespräsident ist, erklärte man mir, dass sei sozusagen der König. lange hielt ich unser Land für eine Monarchie.

Seitenständer nicht vergessen. Wagen rollen lassen. weiter. es war die schönste Reise von M.  nach B. Stress erst kurz vor Schönefelder Kreuz, weil idiotische LKW-Fahrer mich dauernd von der Mittelspur treiben. Endlich… –  wir sind in Lichtenberg!

21. Juni, Neukeferloh

Ein Facebook-Freund fragt, Miriam geht es Dir gut momentan. Ich kenn ihn kaum, aber die Frageklingt persönlich. Er wiederum schreibt, es ginge ihm okay, aber er sei unterwegs. Schon beneide ich ihn und denke er hielte sich anderswo auf, reiste. Aber er antwortet „Ausländerbehörde und Schule und so“
Unterwegs. Warum heißt es unterwegs? Es klingt, als bewege man sich unterirdisch. Es bedeutet freilich auch einfach, man ist weder da noch dort. In einem geheimen Strom. Unter allen Umständen. Unterhalb der Wege. Stolpert man dahin. Landunter, der Regen fällt und wieder startet die Honda nicht. Ich schiebe mich durch die Welt. Das ist der preis des „Unterwegs sein“.

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Die Mutter hatte den alten Drucker nur entsorgen sollen, und wollte partou einen neuen Drucker kaufen da wo sie den alten her hatte. Mißverständnis darüber, ob dohc noch Hoffnung bestünde, daß er doch irgendwie noch zum drucken zu bringen sei. Im Laden ließ man sie einen ganzen Satz Tinte kaufen für 50 €, machte testdrucke, und sagte dann, dass da nichts mehr zu machen sei. Sie bestand abwr darauf, dass die Leute dort sich richtig viel Mühe gegeben hätten und sie nicht über den Tisch gezogen hätten. Naja, es erinnert mich an die Werkstatt in Delitzsch. auch sehr nett und ungeheuer kreative Handhabung im Zurechtschnitzen eines Kupplungshebel, aber am Ende gings doch nicht und ich fuhr weg mit einer barock wirkenden Kupplung, die kaum zu bedienen war und einem Büroklammer-Überbrückungs-Konstrukt für den Seitenständer. 130 €. aber sehr nett.

Ich mache mich auf den Weg.

21. Juni, Neukeferloh

Verregnete Mittsommernacht. Dunkel. Der Garten tropft. es ist lange hell, aber hell ist dunkel.

20. Juni, Neukeferloh

Sie kann sich nicht erinnern, einen Rock mit jemem Blumen-Muster getragen zu haben. ich könnte aber schwören. ich sehe sie noch an der Nähmschine und ihn nähen. und ich sehe den Stoff in Augenhöhe um mich flattern. Später erinnern wir uns, dass es vielleicht eine selbstgenähte Sommer-Badetasche gewesen sein mag. Ankerpunkte. wenn man sich austauscht, wenn man Leute von Früher wieder trifft, bekommt man Versatzstücke geschenkt. Mosaikstein für die Erinnerungslücken.

Es stellt sich heraus, dass die Mutter Fieber hat. sie hat ein sehr cooles Thermometer. es erinnert ebenfalls an einen Raumschiff-Enterprise-Phaser, aber einen vom Typ II (Next-generation), nicht einen vom Typ I – die sehen immer aus wie Plastik-Wasseropistolen und in der Impfstoff-Studie benutzen sie sie und  halten sie einem gegen die Schläfe bevor man auf die Station darf, wobei die Temperatur fast immer erstmal 34,5 ist, worauf der Vorgang wiederholt wird und sich dann langsam auf 36, nochwas steigert. seltsame überraschende Unwissenschaftlichkeit. auch mit dem Thermometer der Mutter komme ich nicht klar, aber sie zeigt mir wie er funktioniert, indem sie sich selber misst. dabei stellt sich dann heraus, dass „kein Fieber“ bei ihr 38,5 heißt. bin erschrocken über ihre bescheidene Heldenhaftigkeit.

19. Juni, Neukeferloh

Geburtstag der Mutter. die Kuchenform nicht gefunden, dann eine alte Gugelhupfform, die ich für Wandschmuck aus grauer Vorzeit gehalten hatte genommen für die Schokoladen-Tarte. ging überraschend gut. den Vater in den  Regen gescheucht, er solle Blumen pflücken im Garten. erschrocken war er und sagte, dazu sei er nicht vorbereitet. dann aber doch gut. dennoch bin ich hier ein Störfaktor. auch morgens Kuchen essen nicht so gut für den Magen der Mutter wie sich später herausstellt. Bei aller Liebe... fühle mich wie damals als ich mit Sieben Jahren einen schönen Muttertag initiieren wollte mit einer gedeckten Festtafel. Süßigkeiten und Weißwein schienen ein guter Kompromiss. weil um 5:00 früh noch niemand aufstehen wollte und ich nicht länger warten, schenkte ich die Teetasse schon mal voll und setzte mich ans Bett, bis die Mutter wach wurde und streckte ihr den Alk entgegen. Und alle Liebe – viele Jahre lang  – bis ich auf ähnliche weise von meiner Tochter zu eben jenem Anlass geweckt wurde (nur dass eine Zahnbürste bereitgehalten wurde, mit der man mir die Zähne putzte – kein gutes Gefühl! Bei aller Liebe) – dachte ich es sei eine übergriffige und unschöne Muttertags-Geste gewesen, aber inzwischen glaube ich, es war der intuitive Versuch, jemand ein Mittel zu reichen um allem zu entkommen. Und Liebe. gestern bei Aldi eine Flasche Cremont gekauft. die sich auf dem Geburtstagstisch besser macht, dennoch blöd ist, weil sie zur Zeit Antibiotika nehmen muss. ansonsten: Hörbuch, Ingwerkonfekt und SIlber-Shampoo von Tochter und Sohn, Fotos, eine selbstgehäkelte Mütze, Georg-heymgedichte. und eine Sodastream-Glasflasche. die sah ich auch gestern bei Aldi, aber sie passte nicht. das schönste ist das magnetische Klemmbrett, das ich bei K. gekauft hatte, weil es ein rotes Blumen-Muster hatte, von dem ich schwören könnte, dass ich es kenne von einem Rock, den die Mutter trug als ich klein war. der Vater sparte sich einen Schokoladen-Keks vom Munde ab und wir klemmten ihn auf das Brett. eingepackt in Umschlag, auf den er ein Auto malte. den Keks ass er leider später dann doch selbst. trotz aller Liebe.

18. Juni, Neukeferloh

Traum. Ich arbeitete beim Demissionsdient einer Klinik. ich erinnere mich aber nicht an eine Tätigkeit. Nur an ein Papier, das dies belegte. Auf dem Papier war auch ein Krankenwagen gezeichnet, eher eine schmale Pferdekutsche, nicht einmal das – ein Holzkasten, länglicher der an einen Sarg erinnerte. Auf dem Gebrauchsanweisungspapier war er mit einem Pferd davor gezeichnet in bräunlicher Tinte, in echt (also im Traum) war er aber wohl an mein Motorrad gebaut. Der Demissionsdienst war zuständig für Krankenwagen-Fahrten für Leute die bereits wieder gesund waren, also entlassen waren aus dem Krankenhaus und nachhause gebracht wurden. Ich arbeitete aber nicht, ich hatte Pause. Umständliche Entscheidung wo ich das Gefährt parken sollte. Ich hielt vor einem Kino. Das Kino war geschlossen, so dachte ich , der Wagen würde nicht im Weg sein. Dann ging ich eh andere Wege: Neben dem Kino war ein Friedhof. Ich befand mich auf der Höhe einer Stadt, der Friedhof erstreckte sich bergab, es war ein großes Gelände auch eine Friedhofskapelle zog sich schräg nach unten, gotisch, groß, eher ein Dom als eine Kapelle. Den Demissionswagen hatte ich bereits zurückgelassen und sah mich nun doch auf den Friedhof um, denn viele Leute heilten sich um die Kapelle herum auf. jemand sagte es seien die WIndsbacher Knaben. Ich schlenderte hinüber. Niemand sang. Gemurmel, beieinanderstehen, eher wie in einer pause in der Oper. Mnche hockten rauchend zwischen den Gräbern. Kam ins Gespräch mit jemand, einem Mann von dem ich üble Dinge gehört hatte, der aber freundlich wirkte und nicht ahnen konnte, was man über ihn sagte. wir gingen zwischen den Gräbern und es Bestand kein Zweifel, dass dieser Mann unschuldig war, was mir sehr leid tat. (also nich seine Unschuld tat mir leid, sondern die Verleumdung). Ich wollte ihn auf seine Rehabilitation ansprechen, aber traute mich nicht, weil ich nicht wusste, ob er überhaupt wußte, daß man so Schlimmes über ihn sprach. Die Szenerie änderte sich. Der Friedhof war inzwischen übergegangen zu einer ländlichen Sommerwiese, einem Hof, ein Steg mit Wasser. Der Mann war weg. Das Wasser stieg bis über die Wiese, was nicht schlimm war, eher angenehm. Kneippkur-artiges Spazieren. Die J. ehemals Patentante meiner Tochter war dort und redete über dies und das. Auch kam die Sprache auf den Mann mit dem zu Unrecht schlechten Ruf, sie tratschte, aber eher harmloses Smalltalk. Ich versuchte sie taktvoll aufzuklären, dass das, was man sich über den Mann erzählte möglicherweise erlogen war. Dies ging aber nach hinten los, weil die J. gar nichts von den Gerüchten gewußt hatte. Ich schämte mich und sah zu Boden und sah im Wasser einige meiner SD-Karten schwimmen. Ich fischte sie heraus. Nun war auch der A. aus Eckersmühlen da und sagte, die Mini-Mini-SD Karten in der Adapterkarte könne man noch retten, die normalen nicht. Der gotische Dom läutete und die Chorknaben sangen, aber eher wie zum Einsingen. Sie waren immer noch verstreut und außerhalb des Doms. Ich versuchte mich zu erinnern wo ich mein Demissions-Motorrad geparkt hatte, wachte aber auf.

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Der Esstisch, der immer zu einem Viertel voll ist mit Tuppedosen und Pappschachteln voller Medikamenthe. Und Brillen! der Vater hat eine Brille, die Mutter an die zwanzig. jeden Tag scheinen es mehr zu werden. Vermehren sie sich über Nacht? Beide suchen oft nach Brillen. die Mutter kann nicht anders als ihre eigenen finden, denn es sind so viele. überall. der Vater fand seine heute lange nicht. hatte auch vergessen, dass er sie suchte. aber ein bedrückende Unzufriedenheit mit sich verfinsterte ihn. er ist fast immer freundlich, aber heute brach es aus ihm heraus, die Mutter habe ihm die Brille weggenommen. immer habe sie etwas dagegen, dass er sie trüge. Kurz war sie verletzt. dann sah sie auf den berg der eigenen Brillen un dmusste lachen. sagte, man könne es denken, wenn man die vielen auf ihrer Seite des Tisches sähe. es wirke, als horte sie sie.
Was die Mutter immer vergisst: ihre Ohren. Warum grolle ich, wenn sie sie nicht findet, also das Hörgerät oder nicht sagt, dass sie es nicht drin hat und mich reden läßt, unerhört. vielleicht weil ich versuche, die Zustand des Vaters liebend zu tolerieren, als Krankheit eben. aber die Schwächen der Mutter stellen mich vor Abgründe. Es können doch nicht beide gleichzeitig unerreichbar sein?!

17. Juni, Neukeferloh

Geträumt, dass die Israelis ein Atomkraftwerk neben dem Gazastreifen bauen. Und dass ich durch undeutliche Aussprache, in einem Bürobedarfsladen statt Aktien statt Aktenordnern  erworben habe. AUfgewacht mit dem Gefühl, Dinge zu überstürzen. EIne Amsel singt im Garten. Auch mein Smartphone will mich dauern dazu überreden an die Börse zu gehen. weil ich den Pharmakonzern, der hinter der Impfstudie steht, gegoogelt hatte, denkt es voreilig, ich würde Anteile kaufen wollen. Es behauptet die Aktie sei kurz dem explodieren. DInge die einem um die Ohren fliegen.  –  was mich wieder zum anderen Fetzen des Traums zurückbringt…

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Der sehr stumme Vater. wie wichtig ihm die Fahrten nach Glonn sind, hat er über Corona vergessen. natürlich haftet auch das mit der seltsamen Bedrohung durch eine abstrakte Krankheit nicht, es wirkt als verfolge er die Fernsehberichte intensiv, aber meistens schläft er dann doch. wieso trägt man manchmal Masken und manchmal nicht? Er fragt aber nicht. er spricht nicht mehr viel. langsam und in Zeitlupe bewegt er sich. bis nach Glonn hat er nicht mehr das Bedürfnis sich zu bewegen. Nun fehlt selbst der Mutter das oft verfluchte anstrengende Fahren zum Ausblick. es regnet aber eh viel und man will nicht raus. wenn die Sonne durchkommt ist es schwül und glühend. Sitzen im Garten. der Garten ist eine üppige urwaldlandschaft von der einen Seite, von der anderen ein Miniatur-Blumenmeer. Spaghetti gekocht. nichts finde ich in der Küche. nicht einmal italienische Kräutermischung, dann fiel mir ein dass alles im Garten ist. Alles im Garten

16. Juni, Neukeferloh

Stipendium der Bundeskulturstiftung! es ist wie ein Wunder, denn wir hatten damals fast bis zu letzt nicht alle zur Bewerbung nötigen Nachweise. Nur durch das ungeheuere Timing der KSK (nein, nicht die böse Spezialeinheit der Bundeswehr, sondern die Künstlersozialkasse), die just am selben Tag unseren Techniker aufnahm und die Mitgliedschaftsbestätigung rechtzeitig zur Hand war, konnte ich den Antrag überhaupt stellen. es ist ein doppelt tolles Wunder. 

14. Juni, Neukeferloh

Motorradfahren verheerende Folgen fürs Haar. ich seh aus wie Boris Johnson!

13. Juni, Abenberg.

immer ist es wie ein Wunder, wenn man immer höher hinauf fahren kann durch die schmalen Gassen und dann die Burg neben einem emporragt. die letzten Schritte an der kleinen Bugkapelle vorbei, über den grünen Hügel… Mittagshitze. wie seltsam, dass B. und D. direkt an der Kapelle wohnen, beinahe darin. oder in einem Teil. nahtlose NAchbarschaft. es wirkt als hätten sie die buntere Hälfte eines Doppelhauses erwischt. Höre vom Vorhaben der Kirche, die Kapelle zu renovieren, Holzwürme müssen vernichtet werden und aus mehreren Verfahren wurde das Tod durch Vergasen gewählt. Klingt barbarisch und und ungute Assoziationen ploppen im Hirn auf, aber es soll die bessere Wahl sein als Tod durch Überhitzung oder durch Gift. Auch die andere Doppelhaushälfte ist davon betroffen, das ganze Haus wird eingepackt in  Plastikplanen, kein Löchlien darf vergessen sein, keine Naht darf reißen. die Kapelle im Ausnahmezustand, verpackt wie von Christo. stelle mir vor eine Hand käme aus den Wolken und stülpe eine große Glasglocke über den Bau, wie man sie manchmal über Spinnen stellt. Fängt man die langbeinigen dünnen Weberknechte damit und läßt sie zu lange im Glas vergiften sie sich selbst. sie dünsten ein Gift aus, an dem sie selbst sterben. Zu Tode pupsen sie sich. Wie lange mag die Prozedur dauern. wieviel Kirchenmäuse gehen drauf? wie viele Überlenbende wird es dennoch geben?  Wahrschienlich ist es eine völlig gängiges Maßnahme. Daß es eine Kapelle ist, fasziniert mich dennoch. EInmal eingepackt, liegt der Gedanke nah, man könne das Ganze ebensogut in die Tasche stecken und nach Japan verkaufen.

Höre vom Pfarrer B. der in Coronazeiten einen Ein-Manngottesdienst praktizierte indem er im Innenhof des ALtenheims predigte und Trompete blies. Ohne den Ort zu kennen, sehe es vor mir und komme nicht umhin an ein altes KLoster in Montepulciano zu denken, dessen Innenhof mit Kreuzgängen uns beim Cantiere-Festival angeboten worden war als Location für eine Aufführung. Und wieder denke ich das WOrt „Inbrünstig“ mit großem Respekt. die Alten hingen am fenster und vielleicht auch Balkonen. Es ist bestimmt besser als die online-Varianten.

Hitze. Erschöpfung. Grillgut. Tofuwurst. die müde Katze, das fenster im Zaun. die schöne zu kurze Zeit.

wäre gerne über Nacht geblieben in Abenberg oder WIndsbach, irgendwo in W: ist noch mein Zelt. Aber für die Nacht sind Unwetter angesagt. Aufbruch rechtzeitig.

Anstrengend, die Fahrt mit dem verschnörkelten Kupplungshebel. Auf der Autobahn müde. hypnoseartige Trance vo Starren auf die Hinterteile von Lastwägen. beinahe eingenickt. Raststätte über Raststätte über Raststätte.

12. Juni

Immer komme ich nur bis Dreba. Zu später Aufbruch. Beim Bäcker kein USB-Stick, vielleicht auch zu früher Aufbruch. Hin-und-her-Reißen der Wege. An der Ostseestraße entlang, Seestraße in stundenlangem Stau. Immer denkt man die Autobahn kommt näher, aber sie scheint unerreichbar. Spät gen Süden, aber immer noch reichliche zeit. Vibrierende Fahrt, bis in die Fingerspitzen kribbelt die Autobahn. Abstecher nach Delitztsch in weiterer Unentschlossenheit. Darf man Exschwiegereltern zum Geburtstag überraschen? Sehnsucht nach Vergangenem. Blumen auf die Schwelle legen? Tochter rät ab. Haltloser Halt, weil Seitenständer des Motorrads offensichtlich lockere Schraube verloren, knickt weg in Zeitlupe. Hilfreiche Menschen. Horror des Deplatziertfühlens. Überraschung! Freundliche Werkstatt, aber langsam. Billig aber doch teuer. Hinterhof einer Häuserzeilen-KleinstadtIdylle. Die obligatorisch nackte Kalender-Frau, allerdings außergewöhnlich schön und geschmackvoll. Der, der die Honda repariert, heißt Marcel. Feilte neuen Kupplungshebel zurecht und überbrückte den Schalter mit einer Büroklammer. Der original Hebel ist zu einem Schnörkel verbogen. Immer brauche ich Kupplungs-Hebel, immer brechen die Seitenständer, als hielten sie nicht das große Versprechen, dass ich weit weit weg will. Dieser also brach nicht sondern bog sich – vor Lachen? Wenn es sich biegt, ist es komisch, wenn es bricht, nicht. Sagt jemand in einem Woody Allen Film. Weg wollen. Weit hinaus wollen. Eigentlich fliegen. Hätte ich doch den Zug nehmen sollen, der nur bis Nürnberg kommt. Was für ein bescheuerter Unfall. Umfall. Hätte mir in Windsbach auch passieren können. 120 €. Und am Ende läßt Marcel doch den Schnörkel-Hebel, statt dem ausgefeilten neuen. Auf dem Rückweg bekomme ich den neuen, einstweilen muss es so gehen.

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Weiterfahrt erst über Autobahn. Abendsonne. Bin schon müde. Abfahrt in Weißenfels, auf der Landstraße ist der Schnörkelhebel, dann doch ziemlich unpraktisch. Auf Umwegen Richtung Dreba. Die Frau im Navigationssystem, im zwischen Helm und Ohr geklemmtem Handy, beginnt plötzlich tschechisch zu reden und als ihr wieder deutsch einfällt, beginnt mein Handy ein Werbe-Demo für „hey Google“ in Englischer Sprache. Ich soll „Hey Google“ sagen, es sei praktisch, zum Beispiel, wenn ich wissen will wie das Wetter in Pittsburgh ist, worauf ich mich restlos im Randgebiet von Gera verfahre. Dennoch schöner Umweg über winzige Straßen, die, als die Plattenbauten hinter mir liegen in einen Höhenweg zwischen Feldertälen münden. Die Sonne blendet ein bißchen, taucht die zarten Weizenähren in ein Lichtmeer. Der rote Mohn, die blauen Wegwarten. Am anderen Ende Hügel mit Baumreihen. Ein Raubvogel stürzt über den Weg. Ich hoffe auf ein Ankommensbier in einem Licht wie diesem. Aber die Sonne steht schon sehr tief.

***

Dreba. Linde. Endlich, geradenoch Abendsonne bei bier. Alle sitzen im schattigen innenhof, ich bestehe auf dem Abendsonnen-Biergarten in der Laube. Als einzige. Jetzt doch nichzt mehr allein. Eine Braut kommt. Bin ich in eine lokale Hochzeit geraten? Wie gut das Dachzimmerchen bekommen zu haben. wie gut rechtzeitig eingetroffen zu sein. Die Braut ist etwas aus der Form geraten. Nicht gerade derangiert, sitzt mit der Brautjungfer und noch wem in der Laube und es scheint ein kurzer Moment Ruhe zu sein. Sie schleppt das Kleid wie eine Bürde. Ich wollte nie heiraten… – einziger Grund, es doch zu tun, wäre freilich ein schönes Fest zu haben, vorzugsweise unter Apfelbäumen in einem schönen Garten irgendwo an einem Ort, den ich wohl noch nicht kenne – und ein schönes Kleid. Der Anblick der Braut in dem zu weißen Synthetik-Kleid, das sie über die Treppenstufen der Linde rafft, ernüchtert, dass auch dies es nicht wert wäre. Natürlich hätte ich ein anderes Kleid. Deftigeres Leinen. Möglicherweisen etwas von jenem Stoff, den wir in der Schaubude als Projektionsleinwand ausprobiert haben und der zu dicht war und in dem ich im Zelt die kalten Nächte überstand… ja, so was… etwas mit einer Geschichte…. – was wollte ich sagen? Dass ich nicht heiraten will. Und ich schwöre, das ist auch so. es geht so selten gut aus. Projektionen gehören an Wände nicht in Köpfe. Erwartungen (ob gewebte oder andere) gehen immer schief. Arme Braut, ich hoffe ich irre mich

9. Juni

doch nicht so viel selbst gerudert. das meiste rudert G. aber er wollte es ja auch so.

wieso schreibt Fontane von Neu-Ruppin, als beträte er die Stadt zum ersten mal? dabei ist er dort aufgewachsen! wollte er besonders professionell sein? Und dann schreibt er es sei öde. so öde finde ich es gar nicht. er hätte es ja füllen können mit Geschichten seiner Kindheit.

8. Juni.

Es sind drei Tage. Drei Tage raus aus Berlin mit dem Motorrad. Hohenbruch. Verlorenort. Sommerfeld. Beetz. Wall. Papstthum. Überraschenderweise begeben wir uns auf die Spuren Theodor Fontanes, dessen Wanderungen durch die Mark Brandenburg G. entdeckt hatte. Oder anders: er, G. hatte einen spannenden Ort entdeckt, ein altes verlassenes und verfallendes Gutshaus und es hatte sich herausgestellt, dass es ein Fontane Ort gewesen war. Wie es dazu gekommen war, weiß ich nicht, ich war nicht dabei. Aber die Hoffnung, die den G. dazu trieb, sich erstsens das Buch herunterzuladen und zweitens, es auch im Copyshop auszudrucken (erst da merkte er, dass es 2000 Seiten umfasste), war natürlich, weitere geheime Orte zu entdecken. Aber es ist nicht so leicht. Wustrau. Neurupppin… alles bereits ausgiebigst fontanisiert , wie aus dem Ei gepellt, saniert, alles wie es sein soll. Fontane Tafeln. Fontane Restaurants mit Seeblick. Ein Seniorenheim in einem alten Gut. Dachte erst, es sei neu gebaut und auf alt gemacht. Verendende Nacktschnecke im Park, ihren letzten Wege in Agonie möglicherweisem aber wer weiß, sinnlos. hohe Eichen-Allee in der vor dem Prozessionsspinner gewarnt wird. neues altes Brandenburg.

Auch sind es wohl weniger Wanderungen, von denen Theodor berichtet. meistens saß er wohl in der Kutsche. und wenn er über den Neuruppiner See rudert, rudert er nicht selbst, sondern läßt rudern.

Kanu-Camp. weil wir nämlich selbst rudern! Die Besitzerin bietet auch Thai-Massage an. Das Camp hat keinen Zugang zum See, Campingstühle wie von früher. Und Eisdielen Tisch und Stuhl wie aus den 70er Jahren. MetallBögen und Kreise. Die Hütten sehen aus wie früher das Schrebergartenhäuschen meiner Großeletern in Offenbach. Sitze unter einem Kirschenbaum, kein hoher Baum, aber mit großzügig ausgebreiteten Zweigen, seine Kirschen sind noch gelb. G. Schläft noch.

Heftig winkendes winziges Kleinkind winkt aus dem seitlichen Fenster der Hütte zur Nebenhütte hinüber. Man sieht nur ein Näschen und eine blonde Stirn und die wild zappelnden Arme in der Morgensonne. Jetzt ist G. auch wach. Das Fenster klappt auf, er winkt nicht wie das Kind in der Nachbarhütte, aber er sieht nach gutem Morgen aus. Ich bin unter den Apfelbaum gewechselt, er läßt mehr Sonne zu.  wir sind verteilt auf diesem Camp-Areal, wir auf dem Hügel mit den Obstbäumen, andere Menschen in anderen Zusammenhängen. die größte Hütte hat ein Hirchgeweih und bekommt bals ein extra Klo.  weiter hinten hat einer einen Camping-Anhänger mit vielen Schichten Vorzelten darum und einer LED-Lichterkette.  Eine herrische Madame bewohnt das Rückgebäude der Duschen. hat einen Garten aus Kräutertöpfen, den die hegt un dpflegt. WOhnt dort, weil ihr eigenes Haus angebrannt ist. Spannungen mit ihrer Mitbewohnerin, die alles immer falsch zu machen scheint. Spannungen auch zwischen der polnischen jungen Familie. die Frau spricht deutsch, wenn sie den Mann rügt für etwas. Wieso weiß ich diese DInge schon nach einem Tag? Man hat mehr Raum als auf einem richtigen Campingplatz, aber dafür ist man fast weniger unter sich, weil es alles übersichtlicher ist.

Berlin, 5, Juni

Seit langer Zeit erstmals einen luziden Traum gehabt. dieser Träume, in denen man weiß, dass man träumt und plötzlich alle Freiheit der Welt hat. man kan tun was man will, vor allem man kann alles was man will. Fliegen, das Meer teilen. Häuser aus der Erde wachsen lassen. der Sohn hatte ine Zeit, in der er das luzide Träumen trainierte und tatsächlich guten Zugriff auf die Fähigkeit, den Traum zu bestimmen entwickelte. später stellte sich heraus, dass er längst nicht so elemenare Dinge träumte wie ich, die ich dafür alle 1o Jahre mal so einen Traum(hin)kriege. hatte gedacht er fliegt hoch hinaus jede Nacht, aber er meinte, er träume bescheidener, z.B. dass er in ein Bekleidungsgeschäft geht und sofort eine perfekt sitzende jeans findet. Offensichtlich will ich auch nicht mehr so hoch hinaus in meinen Träumen. ich war in der Stadt Berlin, die allerdings eine kleinere Version ihrer selbst war, auch völlig anders aussah und im Erzgebierge zu liegen schien. ich stand in einer kleinen Straße in Kreuzberg, vieelicht war es die Dresdener Straße in der das Kino Babylon steht, einige zwilichtige Gebäude befanden sich in der Nähe, aber auch eine Bahnlinie. ich merkte dass es ein traum war, wußte aber nicht, was ich nun tun sollte, ich flog einige Meter hoch in die Luft, aber es war ziemlich mühsam. ich beschloss stattdessen DInge herzuwünschen, es fiel mir aber nichts ein. ich wollte eine Fähigkeit haben, die ich noch nie im traum hatte und so verschmolz ich mit dem Haus, meine Hand glitt ins Mauerwerl und ich schlüpfte ins Innere. leider war es kein schönes Haus. zwar durchaus illuster und reizvoll, eine Art Opiumhöhle, aber ich spazierte durch das Etablissement hindurch ohne den Wunsch zu verspüren zu bleiben. wieder verschmolz ich mit der Wand und stand im Freien. beinahe vergessenm dass es ein traum war, dann fiel mir tatsächlich nichts anderes ein, nach Windsbach zu fliegen aber weil es schon dunkel wurde entschied ich mich für die Bahn, ich machte eine gewaltige Zaubergeste und stampfte tatsächlich einen Bahnsteig aus dem Boden, ein Zug der zunächst alt und langsam aussah, eine Art Dampflok, erwies sich als schnell und im Nu war ich Nürnberg, hier vergass ich dass ich die Bestimmerin war und saß in Nürnberg fest, studierte Fahrpläne, es wurde entsetzlich umständlich; ich kam nicht einmal bis Wickleskreuth.

Berlin, 28. Mai

Anstrengende Probe. habe Angst mich in den uferlosen Technik-Möglichkeiten zu verlieren. nachher Bier und Hähnchen im Lorenz-Eck mit K. sie erzählte wahre Schauergeschichten von Morden, die um die Ecke in der Naugadter Straße stattfanden. Rentner in Tiefkühltruhen, ein Mann der deren Rente abgreifen wollte und es Jahre lang tat, während der Rentner schon längst im Eis lag. die Truhe (der Mörder hatte dem Rentner mit dem er sich angefreundet hatte, die Truhe selbst kaufen lassen und ihn an Silvester, als es eh überall knallte dann erschossen. lange lag er auf Eis. niemand merkte es. nur ein Mieter im Haus, der alle damit nervte, aus der WOhnung des alten Herrn X, käme seltsamer Gestank. niemand roch etwas. die Polizei kam lange zeit nicht oder fand nichts auffälliges. der Mieter bestand darauf. irgendwann sah man doch nach und fand die Leiche. und später eine weitere.

Seltsam, dass die Rentenanstalt zuläßt, dass Renten einfach so auf andere Konten überwiesen werden dürfen. erst seit neuestem erlauben sie das. Idiotisch.

Berlin, 26. Mai

Einkauf bei McGeiz. Alte zierliche Frau, die Klopapier mit Blümchen hatte kaufen wollen („Ick kof immer die mit bunt“), aber dann erwiesen die Blumen sich als nur Deko auf der Verpackung, war dennoch freundlich, als die Verkäuferin die Rückgabe verweigerte. sie war lange im Laden. Ihre Meinung zu Corona: „Hör uff! Det is doch alles Larifari!“ Ich war bei McGeiz weil ich Sachen kaufen wollte, die vor der Kamera, im SPiel in der Projektion aussehen wie Corona. harter rosaner Hunde-Gummiball mit Noppen. weichrer rosaner Kinder-Gummiball mit Noppen, runder aufklappbare Unterwegs-Haarkamm, rosa. Haribo Him-und Brombeeren/Fruchtgummi, Spülbürsten-Aufsatz. wildgemusterte Unterhose mit Seeigeln. – Die HOffnung war, heute, als der TAZ-Fotograf unsere Probe besuchte, (aber nicht wegen unserer Bühnenaktivität, sondern weil wegen eines Fotos für einen Corona-Artikel von mir, ein Foto unseres Spielformats in der Zeitung unterzubringen. hat nicht geklappt. Möglicherweise andere gute Fotos. aber der Kampf mit dem Himbeer-Virus war doch zu speziell. Wahrscheinlich kann ich den Krimskram ebenfalls nicht zurückgeben bei McGeiz. Habe nur Verwendung für Fruchtgummi und Kamm. der Kamm ist wirklich schön. seine Spikes wachsen aus dem Inneren und wölben sich langsam nach oben wie die Stachelne eines Seeigels. Notfalls auch zum Kämmen geeignet.

Berlin, 25. Mai

[…]

Berlin 24. Mai.

ab morgen dürfen wir in der Schaubude proben für eine Woche, durchgehend. ein Geschenk! Ohne Ergebnisdruck. nur Recherche. ohne zwischendurch aufzubauen, abzubauen. Klausurwoche. Tag und Nacht. seltsame Rückkehr. Abtauchen (oder auf?) in der anderen Welt.

Berlin, 22. Mai

Ich bin manchmal komisch. Dann geh ich an die Luft. Nachert bin ich dann noch komischer. L. Tee vor Marias Laden . Streit. woandershin.

Tuchollaplatz. Der geschlossene Kiosk, Vor „der kleinen Kneipe“ sitzt einer und trinkt Bier. Junge pumpt ununterbrochen Wasser aus der alten grünen Pumpe. Dachte erst „nur so“, das Hinunterdrücken des Pumpschwengels verlangt nach mehr und immer mehr Wasser in der Hitze. Ein Gott hat einen See erschaffen. Gerade will er aufhören, aber andere Kinder kommen mit Eimern, der Gott wird weiterhin gebraucht! Ernste Gesichter. Sehr beschäftigt. Gießen Bäume. Winziges noch zu kleines rothaariges Mädchen in feinen Kniestrümpfen und knallrotem Röckchen umkreist die Pumpe, darf schließlich auch mal, das ganze Gewicht wirft sie der Pumpe entgegen. Nicht viel Wasser kommt. Sie läßt es gut sein und trippelt stattdessen zu einem der Bäume, klettert über die ebenfalls schmiede-eisern-grüne Einfassung Bäume, und puschert ins hohe Gras. Überall wässert man. Vielleicht denken die Kinder später zurück an diesen Sommer, dass er ein außerordentlich schöner gewesen ist. Nebenbeigemerkt ist erst Mai. Die Akazien blühen noch ein bißchen, die anderen Bäume auf dem Platz hängen voll dunkelrosaner Blüten-Puschel, ich kenne ihren Namen nicht. Leute tragen Dinge hin und her. Eine Taube badet im See unterhalb der Pumpe.

 

Mit L. gestritten. Wegen Urheberechtskram. Bereue es jetzt, aber manchmal habe ich diese Angst, dass die Dinge, die ich mache, die Saat die nie aufzugehen scheint (weil eben nicht überall gewässert wird zur Zeit) von anderen plötzlich, Dank eines Sturzbaches von Geld oder besseren Bedingungen, von anderen geerntet werden, denen die Samen oder Sprößlinge sozuagen in den Schoß fallen, ohne dass sie geackert haben wie ich. –Nicht von L.! der ist im Grunde seines Herzens ein selbstloser Mensch. Eine der sich begeistern läßt. Und in trunken vor Begeisterung, meine Projektideen an Werner Herzog nach LA schickt! Wieso? Jetzt da ich es aufschreibe, sehe ich wie absurd meine Angst ist. Als ob es überhaupt jemand juckt zur Zeit. Was in Gaza los ist. Nein, die Chance bestehet kaum, dass Werner Herzog einen Film über den Kulturminister im Gazastreifen macht, einen Film für den ich seit zwei Förderung beantrage, eine Produktionsfirma gefunden habe und auf den ich hingearbeitet habe. Irrwitzige Angst die Butter vom Brot genommen zu bekommen bei gleichzeitiger Verzweiflung, dass keiner am Frühstückstisch sitzt. Vielleicht sollte ich einfach milde lächeln und alles gut sein lassen. Manchmal klappt es auch schon mit der Gelassenheit, aber nicht wenn plötzlich andere in wildem Aktionismus loslegen. Vielleicht bin ich nur neidisch, weil ich selbst wie gelähmt bin. Den Lilien auf dem Feld beim Wachsen zu sehen. Und den Kindern, die die Bäume anpinkeln in aller Unschuld, Ist es ein Akt des Gießens oder markiert jemand ein Territorium?

Berlin 21. Mai

Im Traum in einem ferneren Land gewesen. eine belebte Wüste. ich fuhr in einem offenen Geländewagen durch eine Art Piste. alte Frau in großen Badelatschen mit einen Korb am Arm, schlitterte auf den Sohlen ihrer Flippflopps auf dem heißen Sand. als es Begab ging glitt sie wie ein Skispringer in der Luft weiter. stellte ihre Füße schräg und hielt sich sehr lange. es war atemberaubend. wollte es fotografieren, aber fand mein Handy nicht. versuchte den Moment zu wiederholen, wissend, daß es ein Traum war, und das Szenario mir gehorchen müsse. Hatte aber nicht bedacht, dass das Speichermedium es nicht in die Wirklichket schaffen würde. warum ist das immer noch nicht erfunden?

[…]

Berlin 20. Mai

in der Nacht eine Ansammlung von Raben oder Krähen in den Bäumen am Tucholla Platz, die laut und aufgeregt krächzten. verpasste es leider, aber der SOhn, der es als Gelegenheit nahm eine Zigarette zu rauchen war hingegangen und es muss wohl sehr eindrucksvoll gewesen sein. Hatte gegoogelt, dass sie sich wohl treffen und beratschlagen, wenn es eine Gefahr zu disskutieren gäbe. es sollen auch spezielle Krächzlaute exisitieren für verschiedene Feinde. dchte an die Fake-Raben auf dem Dach der Prüfstelle, die so still und im Kreis saßen rund um das Dach herum. hatte sie erst für unecht gehalten, dann, als sie  hin und her zu wipppen schienen und mit in Köpfen nickten für echt, aber unangenehm konspirativ. Dann doch erkannt, dass es Attrappen waren, sie hingen an einer Galgenähnlichen Halterung an dünnen Ketten. Wer entschied, dass das der rechte  Schmuck sein könnte für ein klinische Prüfstelle?

Um bei Übersinnlichen Skurrilitäten zu bleiben: Auf dem Windsbacher Friedhof hat man den „schwarzen Jesus“ der in der Mitte am Kreuz hängt mit einem Baugerüst eingekleidet. seit Wochen hätte er Gelegenheit hinunter zu steigen, sogar eine Art Himmelsleiter hat das Gerüst. Die S. wies mich darauf hin, sie hätte es nun schon länger beoachtet, er wolle einfach nicht hinunter! Es ist ja auch sein Job da zu bleiben. um wessen Verbleib ich mir aber Sorgen mache, sind die wilden Bienen, die in seiner Achselhöhle schwärmen. was immer Windsbach vorhat, sollten es Renovierungsarbeiten, vielleicht ein Lack-Anstrich? sein, so würden sie sicher vertrieben. Windsbach hätte für immer die Gelegenheit verpasst Pilgerstätte zu werden, und Ort eines kleinen Wunders.

Berlin, 4. Mai 2020

ich habe in der letzten Zeit nicht so viel geschrieben wie sonst. DIe Welt dreht sich um Corona. Nur noch, und ich finde das Thema lähmend. Es lähmt mich in jeder Hinsicht. es steht meinem Grund-Lebensgefühl entgegen, dass es Wichtigeres gibt imLeben gibt als die Angst, sich anzustecken. Leben ist Interaktion. und möglicherweise entstand das Leben genau dadurch dass sich das Universum irgendwo was eingefangen hat. vielleicht hat jemand sehr weit weg gehustet und sich nicht die Hand vor den Mund gehalten und ein Tröpfchen ist hier gelandet. Ich bin keine Zynikerin. Und auch ich möchte möglichst lange leben und auch nicht einen quallvollen Atemnot-Tod sterben. aber – Spoiler-Alarm – wir werden alle irgendwann sterben und höchstwahrscheinlich nicht an Husten. Da ich einen solchen allerdings auch nicht verursachen will, halte mich natürlich dennoch möglichst fern. – die Frage ist: wovon? vom Leben? von der Arbeit? von anderen? Von der Arbeit? von der Arbeit mit anderen? Meine Arbeit fing gerade (oder so ungefähr seit 3 Jahren)  mich wirklich zufrieden zu machen, auszufüllen. Sie ist mir wichtig. ich meine damit nicht unbedingt, dass mir „Theater“ prinzipiell über alle Maßen wichtig ist, aber speziell unsere Arbeit im Zusammenspiel, im Über-Bande-live-stream-Zusammenspiel mit Künstlern im Gazastreifen war es. ich wäre jetzt eigentlich in Gaza und ich hätte das unglaubliche Angebot angenommen, unser SPielformat dort an vielen Schulen zu unterrichten und einzuführen. Das Zeitfenster das dies mögich gemacht hätte, scheint sich zu schließen.  meine Mission beginnt sich in Luft aufzulösen. Ich brauche aber mehr denn je das Gefühl etwas wichtiges zu tun. Ja, die Was-Wird-Werden-Panik hat mich erreicht, nicht vor der Ansteckung, sondern vor dem Um-Sich-Schlagen, weil man sich von der Angst tyrannisieren lassen. die Existenzangst (ich hatte das Solo-Selbstständigen-Geld verpasst, weil ich ernst nahm was da stand (nämlich, der Anspruch verfiel enicht und es sei genug da für alle) erstmal meine eigentlichen Anträge fertigstellen wollen) hat sich gelegt, es gibt Notprogramme und das ist auch ein bißchen der Grund, warum ich wieder regelmäßiger schreiben werde: der Fonds darstellende Künste hat uns eine kleine Förderung, die der Recherche dient, zukommen lassen.Das Programm heißt TAKE-CARE und ist eine extra wegen Corona eingerichtete Förderung zur Überbrückung. In der Zeit, in der Theater nicht stattfinden kann, darf man sich die Zeit nehmen, es zu überdenken, an der Form zu feilen, Neues auszuloten. Da das was wir sowieos machen: Livestream-Theater mit Leuten die nicht raus dürfen, ist dies eine tolle Motivation. Nun sind wir also, die im Wohnzimmer sitzen und Theater vom Sofa aus probieren werden und nicht unsere Kollegen in Gaza. (dummerweise haben die aber auch probleme mit Corona-Auflagen in so fern wird unsere Arbeit in erster Linie sein: wie kriegt man doch noch eine Echte Theatersituation in das Projekt. denn irgendwo muß Theater auch die echte AUgenblicklichkeit bieten. dazu bedarf es wenigstens eines echten Zuschauers, der im Raum ist. und eines echten Spielers in einem echten theater, egal wie groß und leer oder klein und … ebenfalls beinahe leer. Das ist sozusagen die Einstweilen-Mission. Ich fürchte, sie reicht nicht aus. Denn ohne das klare Ziel vor Augen, echtes Theater in und mit Gaza zu machen (und ich fürchte, dass die normalen Fördertöpfe in Zukunft sehr leer sein werden), ist es erstmal Essig mit der „Mission“. Dieser spezielle Abschnitt (ab 3.Mai 2020…) des Stadtschreiben-Blogs heißt deshalb TAKING-CARE. er wird sich aber nicht nur um Theater-Tests drehen, sondern auch um jede andere Form des CARE-TAKINGS.

3. Mai 2020

Mit L an die Bucht. um die Bucht. wie alle anderen gehen wir und sprechen über das einzige Thema weit und breit. dass dieser Gesprächsstoff nie ausgeht. und dabei ist man ja meistens weitgehend einer Meinung. Aber man kocht es dennoch wieder hoch. Auch darüber dass dieses Thema viel zu viel Aufmerksam einnimmt, sind wir uns einig. und reden weiter. und nun sitze ich hier und schreibe es auch noch auf. dabei war es der erste tag DRAUSSEN, nach so viel Papierkram, Zahlenmist, Abrechnungen und und und… Es hätte ein großer Spaziergang sein müssen, RAUS! Aber es ging nur bis Stralau und wieder zurück. die Bucht hat sich verändert. das Jugendclub-Schiff ist schon lange verschwunden. dafür ist das Wasser übersäät mit Hausbooten in allen Größen. und: Zu viele andere Spaziergänger. Nur wenige Masken. Picknick an der Spitze. L sagt, es sei zu viel Zucker in Capri-Sonne! Na und? Dennoch schöner Tag. zu kurz. zu wenig weit.

Donnerstag, 30. April, Berlin Weißensee

Die Bremsbelege müssen neu gemacht werden. nur noch eine Milimeterhauchdünne Schicht bis zur Bremsscheibe. Nur ein kleiner Eingriff. es sollte schnell gehen. Motormänner Weißensee. Fahre immer gerne nach Weißensee, es ist meine alte Gegend, die erste WG, kurz nach der Maueröffnung. Im Prenzlauer Berg sei sie, hatte B. gesagt, die mir die WOhnung vermittelte und meine Mitbewohnerin, ebenfalls von der B. dort untergebracht, sei dort nur für eine Weile (das selbe hatte sie der anderen, der A. gesagt über mich. Dabei hatten wir beide fest vorgehabt diese Wohnung für uns zu haben in OST-BERLIN und die jeweils ander nur in Kauf genommen. Blind-Date. Double-Blind-Date. denn auch die Wohnung sahen wir erst, als alles schon vollendete Tatsache war, und ja sie lag im Prenzlauer Berg, aber im gefühlten Weißensee. SPitze. einer von mehrern DDR-braunen Wohnblock, die sich an der Ostseestraße entlangziehen, unsere Addresse aber, der Eingang lag in der winzigen Parallelstraße auf dre Rückseite des Blocks. Paul-Grasse-Straße.  50er-Jahren-Bau. Später, da lebte ich schon in Friedrichshain, wurde er neonfarben gestrichen. Inzwischen ist das zum himmelschreiende Grün verrußt zum matten grünlich Grau. eine Parallelstraße weiter verläuft die Lederstraße, hier lieg das Weißensee, das ich liebe, das mit den alten Hinterhof-Fabriken, den Schornsteinen, den Backsteinbauten, den flachen Häusern. den Klinker-Remisen. Wäre auch später beinahe wieder dorthin gezogen, mit dem Blick auf einen solchen Hof, über Mauern und Garagen-Höfe und noch mehr Höfe. in meinem hätte ein Pfirsichbaum gestanden.

Die Werkstatt der Motormänner ist eine von vielen, die in diesen Höfen ihren Sitz hat. Autowerkstätten, Motorradwerkstatt, noch was cooles, was ich immer vergesse. neben den Mülltonnen liegen archaisch-wirkende Holzbretter mit rostigen Nägeln darin. soll sie nicht nehmen, weil sie wahrscheinlich DDT-verseucht seinen – das ganzen Gelände, die halbe Straße sei es.  er hatte mir mal die Baulücke gezeigt, von der das ausging. es dauert doch länger als gedacht. er flucht, weil die Kappe der Schraube, die er lösen muss so festgezurrt ist. es ist eher was zur Zierde, als eine wichtige Schraube. aber ohne sie abzumachen kommt man nicht an die Bremsscheiben. ein anderer sagt „Wer bremst, hat Angst“. Ich bremse fiel. sitze am Baum und schau dem Motormann zu und dem, der noch zuschaut und weitere Kommentare macht. man rätselt, was für ein Geist hinter derzu festen  Schraube sitzt. wer hat so ein verdammtes SIcherheitsbedürfnis? Und keine Ahnung! Griff zum Bohrer. nichts zu machen. das Aufbohren erinnert mich daran, dass ich lange nicht beim Zahnarzt war. es erinnert mich an eine Wurzelbehandlung. zu tief. 

Warten im Büro. weil ein neuer Bremssattel muß her. Motormann googelt, welche für meine Hoda in frage kommen. der Computer ist das bläuliche Blitzdings in mitten einer fremden Zeit aus vergilbten Plakaten: Motorradrennen für die leichtbekleidete Frauen aus den 60er Jahren werben. oder 50ern. es riecht nach Tinte und motoröl. es riecht nach Vergangenem und driesch aufgebrühtem Kaffe. ich schwöre, es riecht nach Leder, aber das its vielleicht eine Assozation, weil die STraße so heißt. ich liebe das Büro, weil es trotz aller Relikte ein Arbeitsplatz ist. alle Relikte sehen aus, als hätte sie jemand in diesem Augenblick zur Seite gelegt, um siie sehr bald wieder zur Hand zu nehmen. alles wirkt „gebraucht“. es wird gebraucht. ich brauche Orte wie dieses Büro. Vielleicht bin eher ich aus der Zeit gefallen und ein gestrandetes Objekt. – im blauen Computer fand der Motormann, dass das zu tief gebohrte Organ ersetzt werden kann durch das Organ eines anderen gestrandeten Versetzstücks. eine alte Maschine, die weit hinten im Hof steht zu Bastelzwecken. ich fuhr los, zu spät für meine verabredung, aber gerade recht um in den ersten Regen nach langer zeit zu geraten. klatschnass. ich glaube, wenn ich krank werde, dann jetzt.

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Schnitzeltag  (im Jelängerjelieber) Schnitzeln und  Brtakartoffeln to go. 

27. April

Dass man jetzt nirgend einfach mal Pinkeln gehen kann, wenn man unterwegs ist! Kein Café um zu gehen. nur Coffe-To-Go.

26. April

Maskenpflicht in Supermärkten und Läden. anderer Blick auf Unbekannte. Wer trägt die professionellen, die mit dem Atemstöppsel drauf, die ich  gruselig finde, weil ich immer denke, der „Stöppsel“ ist die Schnittstelle zu irgendeinem Schlauch. auch sitzen sie so straff, das Wort hermetisch kommt in den Sinn, wer trägt die Krankenhaus-DInger? (ich neulich!, weil man sie mir gab, weil meine selbstgebastetlte aus Raufasertapete nicht professionell genug aussah. Und prompt setzte ich siefalsch herum auf!), wer die lebensfrohen geblümten? Wer wickelt nur seinen Schal ums Gesicht.) werWer trägt die Masken auch im Freien? ein neuer Industriezweig. Maria in ihrem Nähstudio näht den ganzen Tag lang Masken, schlicht in der Form aber prächtigem SToff. wunderschöne Muster. sie sind nicht billig, aber das ist ja wohl auch okay. Im Buchladen kann man sie kaufen. Böse Zungen sagen, sie bereichere sich an Corona. Wer sich sein Maul zerreißt, braucht aber erst recht was zum drüberziehen. Die Leute sind Idioten. Neid. Existenzangst. Die sich sonst nie über die freie Marktwirtschaft beklagen, aber wenn  jemand der die ganze Zeit über hilfsbereit und bescheiden ist, sich auf Angebot und Nachfrage einzureichten versucht,  hätte man doch lieber, dass er seinen Laden gleich ganz dicht macht? Unglaublich! Und vor ein paar WOchen noch jammerte man, dass es überhaupt keine Masken gibt. Man kanns den Leuten einfach nicht recht machen. DAS ist die wahre Krankheit. geht mir langsam auf den Senkel, das ganze drumherum.

 

25. April 2020, Berlin

Der Magnolien Busch am Platz vor der Sparkasse / Boxhagener Straße, der vor dem der blaue Zauberer sitzt ist bereits verblüht, die weißen Blütenblätter, liegen nicht einmal mehr auf dem Kopfsteinpflaster. Der stinerne Zauberer sitzt jetzt unter grünem Blätterwerk. es ist der schönste Ort weit und breit, um geküsst zu werden. wieder ein Frühling verpasst. das Jahr ist schon weit. die zeit vergeht wie im Flug. Mist.

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ich bin zu viel drinnen. Jetzt erst gesehen, dass der alte garagenhof neben dem Cafe Nadja und Kosta verschwunden ist. nun ist das hohe schmale Haus in dem das Cafe ist, nicht mehr das letzte in der Reihe, oder das erste das man von den S-Bahn aus sieht. Mehr Raum für Freiraum stand an der seitlichen Fassade, man sah es von der Bahn aus, man las es wie die Überschrift über dem geheimen Kapitel „Kaskel-Kiez“. Ob die Schrift bleibt? Unlesbar zwar aber noch als Relikt, eingemauert von einem neuen Bau?

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Jetzt ist wieder ein tragischer Unfall passiert. Pling. aber jetzt ist es Helene Fischer, die alles verloren hat.

24. April, 2020, Berlin

die Welt ändert sich. oder viel mehr ihre Wahrnehmung. die einzigen DInge die konstant bleiben sind die Nachrichten, die rechts oben in der Bildeschirmecke meines Computers aufploppen. angeblich kommen sie vom Stern und von der Bild. warum sie kommen – jeweils mit einem „Pling“, weiß ich nicht. fast  immer verkünden sie, „Tragischer Unfall!“ und dass Lena Mayer-Landrut „Aller verloren!“ hat. Diese Nachrichten (und die neulich vom Kulturverein Windsbach e.V., der einen Knigge-Kurs im Landgasthof Dorschenr ankündigte) waren die einzigen, die Corona  ignorierten. beinahe geben sie einen Rest Sicherheit.

23. April 2020 Berlin, nicht Gaza. (virtuelle Reise Israel, Gaza II)

Der zweite Teil der Reise wäre der interssantere gewesen, Palästina. Ganz kurz virtuell in Gaza gewesen. vor einem Krankenhaus, stand ein Arzt von Ärzte ohne Grenzen mit seinem Handy, im HIntergrund sah man die Wand eines Gebäudes und einen Baum, er sprach über die Blockade. In eben dem Krankenhaus war ich mal. Oder war es doch ein anderes. es hätte jedes sein können. der ARzt hieß Mohamed. so hieß der Arzt den ich kannt auch. jeder dritte heißt so. Und das mit dem „ich war hier schon mal,  ich wäre jetzt hier“, das brannte mir natürlich doch zu sehr auf der Zunge, als dass ich es nicht hätte sagen können (zumal die Verbindung bald abbrach – der Arzt musste wieder zur Arbeit) und dann eher Theoretisches von Berlin aus gesprochen wurde. Ich wollte ja die Klappe haben aber hatte die zu wenig sinnliche performance des Moderators nicht ertragen. nicht den Senf dazu geben, unmöglich. wenigstens ein kleines bißchen auf dei Tube drücken. – viel kam aber eh nicht dabei raus, ich muss wohl sehr schlecht verstanden gewesne sein. Scheiß Internet. vielleicht war der Arzt auch gar nicht eingefroren, vielleicht war ich es nur. die auf Eis gelegte WIrklichkeit. das ist es ja eben. ich will meine Arbeit machen. Ich will wirklich DA SEIN. DASEIN DASEIN DASEIN. Existenzielles DASEIN. EInstweilen  soll jemand sein Auge leihen. es soll jemand sein Mikrophon in den Himmel halten, den  Geräuschen entgegen, die in der Luft liegen. statt dessen wird man voll geredet und man sitzt in seinem WOhnzimmer, vor der Insight-Kamera. andere Leute, die mir Dir auf dieser Reise sind, kleben in ihren Briefmarkengroßen Bildausschnitten. Der meine – er war sorgfältig gewählt gewesen – war am ENde der Sessel in meiner Ecke, aus dem die Holzwolle quillt, denn ich hatte umziehen müssen vom Schreibtisch weg in die andere Ecke, in Routernähe in Kabelreichweite. Nicht daß das relevant wäre, aber ich habe gemerkt, dass mich die „Mitreisenden“ und ihre Hintergründe visuell weit mehr interessiert haben, als die Referenten, die sonst wo waren. ich will echt!

 

22. April 2020 Berlin – Jerusalem?

Es sind meine ersten Schritte auf Zoom. In der Online-Welt Reisen. Reise nach Jerusalem gebucht! und eine Nach Gaza. wie wird es sein, das zu sein wo ich jetzt wohl wäre, wenn es nicht so gute Ausreden gäbe wie Corona. NUn lasse ich reisen. hänge mich an die Augen anderer. dummerweise schlaflose NAcht. es ist ein seltsames Reisefieber, das ich sonst nur habe, wenn ich wirklich aufbreche. die Angst, ob der Pass doch  vielleicht abgelaufen ist. das Handy nicht klingelt, die S-Bahn zum Flufhafen verpasst wird. hier aber könnte man ruhig sein. man schaltet sich dazu. kann doch nicht so schwer sein? – aber was, wenn das Internet mies ist? was wenn ich nicht auf die Plattform komme. Was wenn ich zu viel reinquatsche…?

Blick vom Balkon des Willy-Brandt-Zentrums. Schmiede-eiserne Pracht weit ins Land. goldene Kuppel der Al-Aksa-Moschee.  Gelernt, daß es bedeutet „der fernste Ort“.  Generell lernt man mehr in einer digitalen Reisegesellschaft. aber man ist eben nicht da. Es ist nirgendwo ein Auge für die Zufälligkeiten, das was im Augenblick  in der Fremde passiert. Es ist nichts fürs Stadtschreiben, denn das lebt für mich vom Sammeln von eigenartigen EIndrücken. hier  bekomme ich präsentiert. Eine Frau von der Uni in Haifa stand mit ihrem Handy oberhalb der Gärten der Bahai und erzählte. es war interessant was so sprach. von der weltoffensten Stadt Israels, in der Palistinänser und Israelis relativ gut zusammenleben – aber daß es im Grunde doch auch eher eine „nebeneinander“ sei. vermischen täte da sich nicht viel; Zufällig gingen Leute im Hintergrund durchs Bild. Kein berauschender Anblick. aber immerhin: etwas passiert an dem entfernten Ort hier und jetzt und nicht hier aber fast jetzt „in echt“.

[…]

 

Berlin, 18. April, 2020

Ausflug. Räucherfischsemmel in Klein Wall. sonst hätte man am Forellenzuchtteich gesessen. jetzt auf einer Bank am Parkplatz. weiter. G. vertraut der Frau im Navigationssystem und landet auf der B1. ich in Altlandsberg. irgendwo an der Dorfhauptstraße wirbt einer mit einem selbstgemalten Schild „DDR-Kotlett“. leider vergessen, wie der Ort hieß.

Berlin, 17. April 2020

Es ist Freitag, aber ich dachte es sei Mittwoch. es sollte Schnitzel-To-Go-Tag sein im JAS, aber der war vorgestern. es ist beinahe WOchenende und ich habe drei Tage „verschlafen“ im Wachzustand und im After-Math der Antragsstellung. immer wenn ich schlafen will, ruft jemand an. oder will jemand was. 

per email kam Angebot einer Arzneimittel-Studie. Man könnte sich bewerben, um einen noch nicht zugelassenen Corona-Impfstoff zu testen. hatte vor Jahren mal eine Artikel über solche Pharma-Zulassungs-Prozesse geschrieben und bin noch in den entsprechenden verteilern. Frage mich, ob viele Leute sich melden. oder – weil es Neuland ist und noch nie an Menschen getestet wurde – eher keine.

16. April, Berlin.

in Gaza endete die Antragsfrist des Goethe-Instituts um 23:59. die Antragsmaske, die nicht zu bewältigen ist  – und nur jeweils von einer Seite der Welt zu bearbeiten ist, nicht gleichzeitig von beiden. man hakt bereits bei FOrmularseite drei, wenn man die IBAN des ANtragsstellers eingeben soll und das Formular von den Zahlen und Buchstaben behauptet, sie ergäben keine gültige Bankverbindung. Erinnerung an moneygram-Odyssen. vielleicht ist es das Geld das sinnlos ist. ohne die richtige zahl eingegeben zu haben scheint man aber nicht weiter zu kommen. dann doch. dann verschwinden ganze Seiten. dann sind sie wieder da. die falsch eingegebenen Namen. was ist der Postal Code der GAza Association for Culture and arts? richtig, es gibt ja keinen (das hat Gaza mit Irland gemeinsam). um 00:01 heulte und brüllte ich vor verzweiflung, weil die Elektrizität in Gaza wieder abbrach. Um 00:04 fiel mir ein ,dass die Zeitverschiebung möglicherweise die Rettung sein könnte. leider nichts gespeichert. nochmal von vorne. – ich bin zu alt für das… was wird werden? warum ist alles so haarscharf. damit wir die  Hürden nehmen lernen, immer immer wieder. rechtzeitiger beginnen mit allem? ist sowieso alles zu spät? kommen wir durch? mit dem Antrag, mit unseren Ideen? schlängeln wir uns durchs leben? stehen wir noch gut da?

es ist ein schöner Tag, mal wieder.

15. April, Berlin

Der Stichtag für drei wichtige Kulturförderantrage. Seltsames Wort „Stichtag“. Assozation einer langen Schlange von Menschen, die wartet darauf, gestochen zu werden. einer nach dem anderen. nur zwei Anträge sind überhaupt zu schaffen. arbeit an beiden schon seit langem, das war auch der Grund, warum die einfachen Anträge liegen geblieben sind, vor allem der mit dem Hilfsgeld für Soloselbstständige in drei Klicks. der von dem es hieß jeder kriegt das Geld, es habe keine Eile – und dann doch, bzw. doch nicht. (Wollte aufhören darüber zu jammern, ich stehe doch jetzt drüber!). es ist nicht mehr viel zu tun an dn Anträgen. den einen stellt Deeb von Gaza aus, den anderen ich.

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Der Sohn hat einen Magenkrampf. seltsamerweise liegt er angezogen in der leeren Badewanne und krümmt sich. Panischer Abbruch. alles stehen und liegen… lassen. gut sein lassen. Kamillentee gesucht. Paracetamol. Apotheke. dann schlagartig scheinbar alles gut. doch nicht Apotheke? die Deadline rückt näher.  Auch ein seltsames Wort. Oberflächlich wieder Wohlbefinden.

14. April, Berlin

die Menschen werden krank. Sie bekommen noch lange keinen Husten, aber beginnen durchzudrehen. Gestern schrie sich jemand die Seele aus dem Leib. Innenhof. schräg gegenüber. saß an der Fensterbrüstung und hasste die Welt. Versuch mit ihm zu reden war mäßig erfolgreich. zwar sprang er nicht, wäre es aber vielleicht auch soweiso nicht. ich dachte immer es ist einfach die richtigen Worte zu finden. in den Filmen klappt es immer. meine waren lächerlich. und dienten nur jemand anderem im Haus, die Polizei zu rufen. zweifelhafte Maßnahme. heute ist wieder alles ruhig. die Episode der Nacht vergessen. wäre jetzt Zeit von der anderen Seite zu kommen. nicht auf der MAuer zum nebenhaus über den Mülltonnen zu stehen und hinüber zu rufen, sondern von der Straße aus an der Tür zu klingeln. aber ich glaube der Menscht wohnte im Haus das keine Tür hat.

12. April, Ostersonntag.

„Sonnenuntergang kaufen – Preise für Sonnenuntergang“

Das Internet verkommt zur Verkaufsveranstaltung. weil heute Mororradausflug, und mein Mitfahrer ausdrücklich nicht im Dunkeln wieder zurück sein will in Berlin, gegoogelt, wann heute Sonnenuntergang ist. was Google zum dem Stichwort als erstes eingefallen ist, dass man ihn kaufen könne. 17608 Angebote. 20 % für Neukunden. Auch wenn man genauere Angaben macht (SOnnenuntergang Berlin wann?) bekommt man als erstes Fototapeten angeboten. das beantwortet die Frage indirekt. „Immer!“ immer ist Sonnenuntergang. In der Wohnung. Im Homeoffice. 50 000 zufriedene Kunden.

[…]

11. April, Ostersamstag

Es soll aber nicht der EIndruck entstehen, ich hielte meinen Sohn für einem stumpfen Klotz. Er hat Physik studiertu und Mathematik! er analysiert die Welt halt lieber und isst lieber Fleisch als Fisch. Die Corona-Zeiten verbringt er mit der Arbeit an Statistiken, die die Realität vorhersagen können, Formeln in denen Todes -und Genusungsfällen rein mathematisch eine Größe sind. (klingt jetzt wieder nicht so positiv, aber das ist der Mathematik geschuldet nicht dem Sohn.)

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die lange, luftige  Schlange vor Rewe an der Warschauerstraße, so weit verteilt standen die Leute, dass ich sie nicht sah und vom Türstehen nach abgewiesen wurde. er sprach nicht, wiest ab , zeigte zum ende der Schlange. er wirkte wie ein Verkehrspolizist aus einem arabischen Land. sein schwarzer Bart wirkte sehr eindrucksvoll. Vor dm nebenan stand ein dünner, windiger mit dunkelblondem Haar, der es gelassener nahm.

vor dem Rewe saß ein Mann, der sich die Schuhe ausgezogen hatte und barfuß und unendlich erschöpft, die Sneakers aber noch in den zittrigen Händen auf den breiten Stufen ausruhte.

eine Frau griff tief in einen Mülleimer und holte eine Flasche vom orangen Grund. sie musste sich serh strecken, sah dabei aber nicht in Richtung Mülleimerloch – das war auch bis zu ihrer Schulter ganz mit ihrem Arm gefüllt. sie sah dabei gespant in die Welt, als verkünde ihr gespannter Blick den aktuellen Stand des Unternehmens. sie sah stark aus.

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Geträumt, ich würde im Meer schwimmen, zunächst badete ich eher im seichten Wasser, schwamm dann weiter hinaus und hatte plötzlihc die EIngebung, dies sei ein guter Weg gesund weiterhin durch die Welt zu reisen. es war auch leicht. ich kam in Dubai an, wo ich den AUftrag an Land ziehen könnte Models zu fotografieren. es war ein sehr gut bezahlter Job. die Models waren extrem dünn in sehr luftigen kleidern aus Tüll, was sie aber eigentlich präsentierten waren Atemmasken, sehr stylish. ich fands doof, aber betrachtet durch die Kameralinse sah es tatsächlich unglaublich schön aus. ich konnte aber nicht fotografieren, der Auslöser war blockiert oder funktionierte wenn überhaupt nur sehr langsam. immer musste ich sagen „Halt stop bleib so!“ oder „Bitte nochmal“, da es aber eine Modenschau war, waren alle genervt. ich hielt alles auf und wurde gefeuert.

10. April, Karfreitag

Herrliches Osterwetter. Der Sohne weigert sich Eier anzumalen. Aus Prinzip nicht, weil er keine Beziehung zu Ostern hat. Ostern! Es ist mein Lieblingsfest!

Er sagt, das seien komische Feiertage, weil alles hat zu und dann doch offen und dann doch nicht. Und die Feiertage hätten ihn schon in der Schulzeit geärgert, weil man gar nichts von ihnen gehabt hätte.

„Aber du hattest schulfrei!“

„Ja.“ Sagt er, aber es seien ja eh Ferien also wären die freien Tage frei vertan. Er hätte sie lieber später gehabt zwischen zwei Ferienblöcken.

„Es sind osterferien. Was erwartest Du?“ Ich weiß nicht was ihn stört.

„dass die Läden zu sind. Und dass Macdonalds eine Osteraktion hat, die über einen Monat vor Ostern begonnen hat, aber zu Ostern ist sie dann schon vorbei.

„Toll. Wenn Jesus das hört, muss er echt frustriert sein. Der wird sich auch denken, wozu habe ich mich ans Kreuz schlagen lassen, wenn unterm Strich hängen bliebt: Ostern. Die Tage wo die Läden zu haben und Mcdonalds keine Sonderangebote hat.

„Ich verstehe eh nicht, warum sich keiner wundert darüber, dass der Weltretter einfach so stirbt… – es klingt als würde man die Flucht nach vorne antreten: gar nicht erst den Gedanken zulassen: hat nicht geklappt mit dem Erlösen, sondern es verkaufen als damit wir erlöst werden, musste es ertsmal schief gehen.“

Ja, ich weiß. Ich habe selber meine Probleme damit. Sie Sünden der Welt auf sich nehmen, damit die anderen später doch in den Himmel können werden. Warum muss ein Kind sterben, um den Vater zu versöhnen mit denen, die es verursacht haben. Was bedeutet es, wenn das die Bedingung ist in dieser ganzen Versuchsanordnung Welt. Wieso? – andererseits wieso nicht?

der Sohn findet „damit man sich schlecht fühlt! Schlechtes Gewissen machen. Passiv aggressives Verhalten!“

Okay, auch Jesus war Sohn einer jüdischen Mutter, aber  „Schuldzuweisung“ und „passiv aggressiv“ ist jetzt nicht meine Assoziation dazu wenn einer sich ans Kreuz schlagen läßt. – – – Aktiv-massochistisch? Inbrünstig-pazisfistisch? es ist ja immer viel von Liebe die Rede. Aus Liebe will mein Heiland sterben. Ein Gesang aus der Matthäuspassion der mir mal lange im Ohr herumspukte. (da stand aber auch mal der CD-Player versehentlich auf Dauerloop. Eingeschlafen mit „Aus Liiiehibeee…“ und aufgewacht und es hat sich mir eingegraben auf Lebenszeit. –

„Ich hätte dich früher öfter mit ins Konzert nehmen müssen!“

„Als ich mich noch nicht wehren konnte?“

 

Ich bereue das wirklich. Vor allem weil ich ihn tatsächlich früh einmal mit genommen hatte. Es war ein Konzert gewesen, nachmittags, in der Kirche an der Immanuelkirchstraße. Er war noch klein und ich hatte ihn auf dem Arm. Es war bereits voll und es hatte schon begonnen. Wir standen in der hintersten Reihe und er fing an lauthals zu lachen. Ein jauchendes fassungsloses Lachen. Und wirklich laut. Niemand sagte etwas, aber ich ging, weil ich dachte, es würde stören. In der Kirche in der NÖldnerstraße hat der Kantor einmal beim Weihnachsoratorium so lange inne geahalten bis die Eltern mit einem schreienden Kind die Kirche verließen. Der Sohn kennt die Geschichte. Er lächelt müde, als wüsste er es besser, aber er weiß es natürlich nicht. Mütter wissen immer alles besser. Maria wahrscheinlich auch. Würde er jetzt klassische Musik hören – und in Kirchen gehen, statt eine extrem langweilige Form von Hip Hop dargeboten mit 80% robotic voice Filter – und zu MacDonalds, wenn ich ihn damals öfter mitgenommen hätte?

Sitze am Tuchollaplatz. Wieder ist Sonne. Ein Kind wird geschimpft, weil es die Hände in den Mund gesteckt hat. Verzweifelte Versicherung „Ich habe den Popel nicht gegessen!“ Popel essen oder auch nur in der Nase bohren und den Finger in Richtung Mund bewegen in den Zeiten von Corona, ist ein Grund den Karfreitags-Spaziergang abzubrechen. – aus einem Fenster über dem geschlossenen Weinladen hört jemand Element of Crime. Daher an G. gedacht. Fast Sekunden später fuhr er mit dem Rad vor. Akausale Synchronizität ebenfalls in den Zeiten von Corona.

9. April.

Aufarbeitung und Schnitt; das kam dabei raus:
 
 

8. April, Berlin [wo sonst?]

Eigentlich habe ich gar kein Astma. jedenfal sin den letzten Jahren fast nie. es muss mit der panik zu tun. Beschließe über der Panik zu stehen. Sonne brennt. Überall Leben auf dem Tucholla Platz. fuhr daran vorbei auf der weiteren Suche nach dem Medikament, das überall vergriffen ist. schließlich in einer Apotheke in Moabit entdeckt. fuhr aber nicht hin, es sollte geliefert werden. war aber dann nicht da, als ich es abholen wollte. zurück zum Platz, der liegt immer noch in der Sonne. Kinder spielen mit der Wasserpumpe. und spielen Ball. und alles wirkt normal, wenn auch wohldosiert. Sonne vielleicht besser als Medizin.

7. April. Berlin

wieder ein herrlicher Tag. Blauer Himmel. von Rosinenkuchen geträumt. der Duft war unglaublich real, was mich erst nach dem Erwachen wunderte. Der herrliche Himmel ist schwer zu ertragen – dachte ich. aber ich liege am Finster. und das Fenster ist wie eien Tür so hoch. immer hatte ich vorgehabt eine Art Notbalkon zu konstruieren, der das Bett hinaus in den Frühling verschiebt. Stattdessen habe ich seit langem das Fenster nicht einmal mehr geöffnet. Anstatt an der Schwellensituation zu kratzen, immer das Entweder-Oder gelebt. Drinnen oder draußen sein. Der Tag begann gut, denn ich blieb an Gedanken von Alexander Kluge hängen, den der blaue Frühlingshimmel an den Himmel von 1945 erinnerte.  „Aber im exzessiven Frühling des März 1945 zeigten die Bombengeschwader ihre Kondensstreifen auf einem strahlend blauen Himmel. Der unsichtbare Gegner, mit dem wir es jetzt zu tun haben, ist nicht so sehr davon ver-schieden. Die Viren koexistieren in diesen Tagen mit einem ähnlich blauen Frühlingshimmel, wie er für den Frühling 1945 charakteristisch war.“

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Asthma-Rezept in der Apotheke einlösen gewollt. aber das Medikament ist vergriffen und nicht lieferbar. bleibt einem sofort die Luft weg. außerdem habe ich sie kaum verstanden hinter der Plexiglasscheibe. und unter meinem Motorradhelm. als ich näher rankam hat sie mit den Händen gefuchtelt. ich hab doch nur Asthma!!! und einen Motorradhelm auf!

6. April.

Okay Schluss mit Jammern. lustig ist: das ich mich heute beim Gang zum Kaufland gekleidet habe wie in Gaza.  verschleiert ist doch besser als  diese gruselige Masken. eventuell könnte man auch aus alten BHs zerschneiden und zu je zwei Masken unfunktionieren. so was basteln.  fand auch ein Bayern München Halstuch. Im Internet ploppen jetzt coole models auf überall. In schicken looks mit dazupassendem Mundschutz. morbides chick. Und da ist auch noch die alte Darth Vader Maske des SOhns. nicht die Luxux-Variante, die wirklich originale. die ging verlroen, weil ich sie meiner Mutter mal für eine Demonstration zum Ostermarsch geliehen hatte. aber die halbMaske. Den schönen Tag verpasst. Selber Färben ist Scheiße für die Haare.  Nun jammere ich doch.  Pulmologe schickte Asthmaspray-Rezept.

5. April.

immernoch wütend über das Geld, das nun gestrichen wurde.

Ich weiß, man soll nicht Motorrad fahren im Zustand „aufgewühlt-heulendes Elend“, weil man denkt man ist die einzige, die das Solo-Selbstständigen-Notgeld nicht bekommen hat. Vielleicht sollte man ja jetzt eh nicht fahren ohne ein konkretes Ziel. Darf man sinnlos durch den Oderbruch bis zur polnischen Grenze rasen? Oder Kraftrad und Gedanken kreisen lassen? Benzin ist jetzt billig. Strafen eventuell hoch. Wer dachte sich die treffende Redewendung „ die Decke fällt einem auf den Kopf“? aus – es klingt nach Gehirnerschütterungen, einstürzende Häuser und Ruin. Muß man nicht sogar raus, um zu überleben? das Weite zu suchen. (auch ein schönes Wort!) Das Weite suchen. Nicht finden. Nur den Oderbruch. Weite Steppe. Hochsitz,  auf freiem Feld, seltsamerweise war ein ausgedünntes Armeenetz darüber geworfen, aber ohne jegliche Tarnvorrichtug. Es verheddern sich nur die Füßen darin, ansonsten ist es nur ein lächerliches Fadenscheiniges Gewebe. Ist ja auch eh keiner da. Vielleicht der gesündeste Ort weit und breit? Die Sonne glüht selbst noch am sehr späten Nachmittag. Sie lässt das Notebook-Display in matschigem Technikblau erblinden.

Ruhiger geworden. Schokoladenkuchen. Caprisonne. Nachgedacht, warum mich das mit dem verpassten Notgeld so sehr aufwühlt. – klar, 5000 € haben oder nicht haben kann bedeuten berufliches Sein-Oder-Nicht-Sein. Aber warum haut es so persönlich rein, dass ich beinahe nach Polen durchgebrochen wäre (wo es solcherlei Hilfen wahrscheinlich schon gleich gar nicht gibt).

Folgendes habe ich ausgeschlossen: es kann nicht nur Existenzangst sein. Tatsächlich haben mir bereits drei Kollegen angeboten mit Geld auszuhelfen. Unfassbarerweise sogar mein Techniker der im Gazastreifen ist, der damals – wir machten ein Theaterprojekt, das gleichzeitig in Gaza und in Berlin stattfand – so lange geduldig auf sein Moneygramhonorar hatte warten müssen. Ich habe gerührt abgewehrt. Nein, nein, es geht mir nicht sooo schlecht. Das ist es nicht. und ich habe ja auch noch ein bißchen. und ich bin daran gewöhnt, mit wenig auszukommen. ICH brauche kein Geld. Ich brauche nur Geld, um es in meine Arbeit zu stecken. Meine Arbeit ist mir wichtig. Ich habe bewußt dieses Geld, das sich jeder Solo-Selbständige (ob Künstler oder Handwerker oder Steuerberater) mit drei Klicks hätte holen können, erst mal nicht in Anspruch genommen, weil ich gerade an drei Projekt-Anträgen schreibe, mit denen ich auch anderen Menschen für ein paar Monate hätte Arbeit verschaffen können werde. Oder eventuell könnte. Haben Gekonnt hätte. ich habe bewußt entschieden, ich spare mir diese Option auf, denn der Landesverband der freien Theaerschaffenden bat darum, dass erst mal die dran kommen sollten, die es wirklich dringend nötig haben. Es sei für alle genug da. Auch auf der Seite der Investitionsbank Berlin steht dies so.

Ich bin sauer, weil ich inzwischen weiß, dass viele, die ein dickes Bankkonto haben, nicht so geduldig waren wie ich – oder so blöd. Bin ich missgünstig? Glaub nicht. Ich gönne es ausschließlich allen. Alle, die es beantragt haben waren ja die Zielgruppe. Wieder schnieft es unter dem Helm. Ich aber doch auch! Dass eine Bank behauptet, für alle sei genug da, dann aber die Hilfeleistung vorzeitig einstellt, entsetzt mich, denn es lässt ahnen, dass das, was ich bis gestern als Husten und Schnupfen, der sich nicht noch mehr ausbreiten sollte, bezeichnet habe, ganz andere Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringt. Stampfe ich gerade auf mit dem Fuß, aufs Gaspedal, weil ich denk nur ich habe das Zeitfenster verpasst, oder steckt mehr dahinter. Blickt man in einen Abgrund? Nicht genug Schwimmwesten auf der Titanic? Befinde ich mich mit anderen Herzblut-Künstlern im Zwischendeck? Hat sich ein Bankangestellter um eine Kommastelle verrechnet, oder ist das bereits der Notfallplan: es kann ja gar nicht für alle reichen? Sollte man lieber Verschwörungstheoretische Horror-Romane schreiben, als zum Wutbürger zu werden? Das mit der Kommastelle wäre mir lieber. Menschliche Schwächen kann ich akzeptieren, nicht aber die Ignoranz. Oder um mal wegzukommen von der finsteren Realität: Ich war immer eher auf der Seite der dreizehnten Fee, die nicht zur Taufe eingeladen wurde, weil Dornröschens Eltern nur zwölf Gedecke hatten – und nicht auf der Seite des Königspaares. Was sind das für Schlossherren und Damen, die nur zwölf Teller und Tassen im Schrank haben? waren sie arm? glaube ich nicht. vielleicht überfordert. Neugeborenes Kind, großes Social Event veranstalten… –  Und muss das Kind unbedingt aller Welt vorgeführt werden, wenn man nicht Platz hat am Tisch für alle Welt? Kaffee. Kuchen. Das gute Rosendahl-Porzellan… – meine Güte, dann hätten sie halt noch ein Campinggeschirr dazu getan. aber dass nicht alle eingeladen werden… – nicht okay!

Erinnert mich an die Kindergarten-Tage Geburtstage. Bayern in den 70er Jahren. Das Geburtstagskind durfte sich zwei Freunde und Freundinnen aussuchen, die durften mit dem Kind an einem kleinen Tisch in der Mitte sitzen und Süßes essen und alle anderen saßen drumherum und mussten singen Happy birthday für die in der Mitte. Ich erinnere mich nicht daran, dass „Nicht-ausgewählt-Werden“ Saß ich jemals am VIP-Tisch? oder zu oft? – ich weiß es nicht mehr. Aber ich erinnere mich noch genau, dass ich darauf bestand, dass an meinem Geburtstag ALLE am Tisch sitzen sollten. Es war mir peinlich dass andere zugucken, während ich und zwei andere Kinder in eine Partytröte blasen. Konfetti. Kuchen. – – – Ich sah die Berge an Süßigkeiten, die meine Eltern in einem großen Korb dafür einkauften. Es war ein sehr sehr großer Korb. Randvoll mit Schätzen. Kaugummis und Zuckerschnecken und Caprisonnen – So macht man das! Oder nehmt Euch ein Beispiel an Pipi Langstrumpf im Süßwaren-laden. Es muss für alle reichen. Oder man feiert gar nicht!

Okay. Der Vergleich hinkt. Vielleicht ist halt wirklich nicht genug da. Das mit dem Sozialismus hat leider auch nicht geklappt. Was bleibt: ich war also ein nettes Kind und jetzt… – bin eigentlich ich die, die anderen versorgen will. Aber stattdessen sitze Und ich sitze allein im Oderbruch, trinke immer noch oder schon wieder Caprisonne und esse Geburtstagskuchen allen. Ich versuche relativ selbstlos zu sein in meiner Selbstständigkeit. Wahrscheinlich ist das der Fehler. Wer ist man denn, ohne Selbst? Und bin ich selbst zu blöd dreimal auf ein Geld-Abruf-Formular zu klicken??? wo doch alle mir gesagt haben: hol Dir dieses Geld! Vielleicht bin ich sauer auf mich, aber ich halte es nachwievor für wichtig, dass man Rücksicht nimmt. Dass man keine leeren Versprechungen macht. Dass man reinen Wein einschenkt. hätten die Dornröschen-Eltern auch machen sollen: liebe dreizehnte Fee, es ist uns sehr peinlich, denn wir wollten ja ein perfektes Event ausrichten, aber haben nun nicht genug Stühle. Wäre es okay, wenn Du deinen eigenen mitbringst? und auch dein eigenes Besteck? oder magst DU stattdessen zur After-Party kommen? oder zum Resteessen? wir sind einfach überfordert. Wir wollten ja noch Teller dazukaufen aber die Kleine hat die ganze Nacht über gebrüllt wie am Spieß und wir sind fix und fertig und Du…. Du bist doch eine Fee, Du verstehst das.

Auf dem Hochsitz glüht die Sonne, aber es weht ein kalter Wind; außerdem ist die Schutz-Tastatur meines Notebooks davon geflogen. Eigentlich habe ich sie eh nur, weil bei meinem Theater-Format zuweilen mit Wasser vor der Insight-Kamera herumhantiert wird und ich es schon zweimal überflutet habe. Aber zur Zeit ist es ebenfalls sehr praktisch, weil man es so leicht desinfizieren kann. Leider ist es jetzt weg. Vom Winde verweht. Eigentlich ist mein Notebook mein gewerberaum. Notbuch. Zeit aufzubrechen. Ich habe gemerkt, dass ich das Geld gar nicht einmal mehr will. aber ich will nicht dass das so selbstverständlich ist. es sollte gewürdigt werden, dass man leer ausgeht. 

Ganz gestrichen sind die Gelder ja nicht. Das Hilfsprogramm der Berliner Investitionsbank wurde zusammengelegt mit einem anderen aus Bundesmitteln. Es ist aber ein Soforthilfeprogramm, das nur bei Selbstständigen greift, die Gewerberäume angemietet haben oder andere laufende Ausgaben zu zahlen haben. Damit fallen Künstler, die nicht den Luxus haben, einen Probenraum zu besitzen oder gar ein eigenes Theater betreiben, unter den Tisch. – Auch eine schöne Redewendung! Kann man unter einem Tisch Theater machen? Wahrscheinlich ja. Vielleicht kann man auch die dreizehnte Fee einladen und darunter eine geheime Miniatur-Tee-Party veranstalten. Eine Gegen-Geburtstagsfeier sozusagen.

Nein, man muss irgendwann runter von den getarnten Hochsitzen und unter den Tischen hervor und die Frage stellen: Sind nur die Künstler relevant, die etwas Greifbares produzieren? Einen sichtbaren Betrieb vorweisen können? Etwas schaffen, was man am Ende in der Hand hat? ich mache Theater. Etwas das vom Augenblick lebt. Meistens bin ich nur Gast an Theatern. Zur Zeit mache ich virtuell-analoges Theater zwischen Gaza und Berlin. kann es etwas schwereloseres geben, jenseits aller Räume?

Der letzte Hieb ist ein Trostpflaster: auf der Seite, die eben noch verkündete, es sei genug für alle da, rät jetzt: man könne ja auch Sozialhilfe beantragen. Arbeitslosengeld II, Harz IV. Da würden jetzt erst mal auch recht unbürokratisch Mittel vergeben. Toll. Das bedeutet: die einen sind anerkannte Werktätige, die anderen können Betteln gehen? Sozialfall werden, weil man sich sozial verhalten hat?

Eine Woge von Selbsmitleid abwähren in dem man sich den Motorradhelm aufsetzt. eh eine guter Look in den Zeiten von Corona. Visir runter. Rotz und Wasser hochziehen. Weiter. Weiter das Weite suchen. Oder warten auf das bedingungslose Grundeinkommen! Ahnt man nicht inzwischen, dass es „von der Sache her machbar wäre? Ein Lichtblick am Horizont. Genug gejammert.

Das Weite war nicht so weit. kurz vor Strausberg. der Ort heißt Jenseits des Sees. es ist eigentlich also auch kein Ort. Eben ein Jenseits. Strauberg. der Ort heißt Jenseit vom See: ich fihr hier bvorhin schon mal durch und hatte sofort den alten Song „Beyond the sea“ im Ohr gehabt. zu erschöpft den perfekten Platz zu finden. das Motorrad an der Straße stehen gelassen. da sind Bänke. Leider besetzt. Alter Mann starrt in sein Handy. früher hätte ich mich dazu gesetzt. Es gibt noch eine Bank, die ist leer, aber da starrt man genau auf zwei die etwas unterhalb am See liegen. der eine streckt seinen nackten Arsch in den Frühling. der andere raucht Schischa. is okay.  Die Picknickdecke doch nicht umsonst mitgenommen. sie stammt noch aus dem Diak. Schwestzernwohnheim Schwäbisch-Hall. Es ist ja nicht nur so, das ich Rechmäßiges nicht bekomme, manchmal habe ich auch unrechmäßig Dinge mitgehen lassen. Eben die Decke. Ausbreiten der Unrechtmäigkeit – schon sehr alt ist sie, abe rmit neuen Flicken – Jenseits der Zeit. ist das erlaubt? Das lichte Schilf. Das Glitzern der Sonne auf dem kalten Wasser hinter den Schischaschwaden und dem nackten Hintern (sehe jetzt das er doch einer Frau gehört). Das parasitäre Grün der Misteln in den Bäumen. Komm nir nicht zu Nahe. Bleib. Geh weg. Die Natur macht weiter. Was geschieht wirklich in der Welt? Der Husten war mir wurscht. Ich habe mich an die Regeln gehalten. Ich habe den anderen Fortritt gelassen. Habe die Eltern gezwungen nicht so oft einkaufen zu gehen. Ich habe Handschuhe getragen, in die Armbeuge gehustet, wenn es denn sein mußte. Ich habe kaum Klopapier gekauft. Ich habe keine Angst gehabt. Jetzt aber fühle ich mich höchst unwohl. Weil ich die Mapßnahmen nicht verstehe. Ich will nicht mehr hingehalten werden und am ausgestreckten Arm verhungern. Ich will das Leben jetzt.  – ein Vogel singt inbrünstig. Es ist ein Star. Perlend überschwänglich und berstend, hast du noch Töne.  –

***

Die Tochter hatte heute Geburtstag – von dem Kuchen stammen auch die Picknickstücke – und hatte sich einen Staubsauger gewünscht. Modell Airforce one. Es schien mir erst ein profanes Geschenk, inzwischen beneide ich sie. Ich will dieses Gerät auch. Vielleicht wird alles gut, wenn aller Staub hinweggerafft ist aus den vier Wänden. Ich brauche eine Mission. Kampf dem Staub. Eine Zeile aus einem Heinz Rühmann Film.

 

4. April.

Ein Paket Earl Grey Tee bekommen! einfach nur so.

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es war nicht ganz wahr was sie sagten:

dass das Geld für die Selbstständigen ausreiche. man solle nicht drängeln, man solle, wenn man nicht in völliger notlage sei, warten und andere vorlassen. jeder bekäme das Geld. es sei für alle gesorgt.

heute erfahren, dem ist nicht so.

immerhin gibts wieder Tee.

3. April

alte Freunde und Freundinnen rufen an. manchmal ist es beinahe Gedankenübertragung. Kostbarkeiten. Neue wiederum sind verschnupft, weil ich funny gifs and emojis nicht immer zu würdigen weiß. die Welt hat doch jetzt Zeit! manche sagen, sie stehe still, was ich bezweifle. da kann man sich doch die Zeit nehmen Worte zu verlieren anstatt gelbe Gesichter, japsende Hunde und Viecher von denen man nicht weiß, ob sie rosa Katzen oder weiße Bären sind, sprechen zu lassen. wie antwortet man auf diese sprachlose Zeichensprache? Es fehlen mir die Worte – – – vielleicht ist ein Knigge-Kurs ja tatsächlich keine schlechte Idee gewesen.

es ist kalt, aber die Sonne scheint. und es sieht nach Frühling aus. eisklater Frühling. gestern nacht „Freud“ zu Ende geguckt. war am Ende doch ein ziemlicher Gschmarre.

 

2. April.

Schlafe schlecht. Früh ein , meistens erschöpft und wache immer gegen vier Uhr auf. Manchmal von Aufgeklappten Computer, vielleicht wenn Leute aus Gaza Guten Morgen wünschen. GUt dass der Steuerberater weg ist, denn in der Nacht die Hausarbeit zu tun, ist fast inneres Bedüfnis geworden. Diese Nacht lief die Spülmaschine. In der KÜche gestanden am Fenster, weil draußen in der Nacht eine Glocke Alarm schlug. keine bauchige Glocke, eher ein rastloses Sterbeglöckchen. Als ich das Fenster öffnete, der Ton aber nicht lauter wurde, gemerkt, dass es eine metallener Deckel war, der in der Spülmaschine läutete. Es hat mich nun auch endlich gepackt das Corona-Drama. man sieht und hört die Welt mit anderen Augen und Ohren. Und Wehe wenn einer hustet.

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Die WindsART-Veranstaltung wurde nun doch abgesagt. schade. Naja. eh klar.

1. April.

der Tag an dem man Witze macht.

Hatte aber gedacht, es sei schon der zweite. der 2. April. Ich komme nicht gut klar mit den Zahlen zur Zeit. Soweiso eh, aber auch gerade jetzt ,weil die Steuererklärungen nicht zu bewältigen waren. Jetzt aber auch ohne Steuerberater! GIng es dann doch. die Steuererklärung versenden gekonnt. wie lange und wie umständlich das diesmal war, würde alle langweilen. nur kurz (um es doch wieder interessanter zu machen): ich war so verzweifelt gewesen, dass es mir nach drei Jahren immer noch nicht gelugen ist einen Elster-Zugang zu bekommen, dass ich sogar einen Steuerberater als Untermieter akzeptiert hatte. aNicht gut. seltsame Begebenheit die nach einem Probemonat heute endete. drei Kreuze. er wird es ähnlich sehen. auch weil wir immer nachts WÄsche waschen und das wohl laut ist. dennoch… warum kann das Finanzmat nicht einen Weg bieten, der auch Mac-Usern ermöglicht ihre Steuern zu zahlen, auf dasss sie nicht Zimmer vermieten müssen? Ist man zu so drastischen Mitteln gezwungen? die Rettung war: dass der Sohn doch zahlenaffin ist und einen WIndows-rechner besitzt. und das Zertifikat  noch früher zugesendet bekommen hat als ich selbst. in dem nun leeren Zimmer des Steuerberaters hat sich gute Leere ausgebreitet. Vielleicht wird ein Fitness-Studio hier entstehen. jetzt wo der Steuerberater weg ist und der Sohn zum Lohn den freien Raum nutzt zur EInrichtung obi-erkaufter Werzeuge, Rollen und Ösen, mit denen man ein Fitness.equippment nachbauen kann. ich bin ruhig. es war seltsam genug, einen fremden Menschen in der Wohnung zu haben, der nie grüßte und alles besser wußte, aber dennoch nicht willens war mir mein eigenes Steuerprogramm zu erklären. alle wollen immer, dass man sich in Abnhängigkeit begibt. ich bin letztes Jahr so oft rausgeworfen worden aus Bleiben in der Ferne, dass es nur gerecht ist, dass ich das auch getan habe. (außerdem war ja noch Probezeit!) – der Steuerberater ist nun weg. aber er hat eine alte Teetasse zurückgelassen und Wandschmuck: ein Plakat, das vor Sekten warnt. mit COmic-zeichnungen, die zeigen, was alles passieren kann, wenn man einer Sekte beitritt. seltsam. es ist so seltsam, dass ich es nicht übers Herz bringe, das Plakat abzuhängen. es hängt da ohne SInn, denn ich bin nicht gefährdet; ich würde nie einer Sekte beitreten. aber vielleicht der Steuerberater? WIrd er jetzt der Versuchung widerstehen, jetzt wi das Plakat ihn nicht mehr warnt? wer redet ihm jetzt ins Gewissen? Empathieresistent war er eh. ich glaube wir haben uns beide für jeweils den anderen fremdgeschämt.

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Lustig ist, dass in WIndsbach die Corona-Auflagen offensichtlich nicht so schlimm sind. der Verein WIndsART lädt in zur Veranstaltung „Knigge Regeln“ ein. in den Gasthof Dorschner! Da würde ich sofort hingehen, schon um in einem echten Lokal sitzen zu können! Und wird einem dann gesagt wie man sich benimmt, dass man die ELlenbogen nicht auf den Tisch stützt, Bitte und Danke sagt wenn man nach dem Salzstreuer fragt, das Gegenüber nicht anhustet… oder lieber gleich ganz zuhause bleibt…. – es muß ein Irrtum sein. EIn Aprilsscherz. – oder ein Traum. Windsbach in der Ferne. vielleicht eine Insel, die unter einer Glasglocke angesidelt ist. Ausnahmeort. Würde gerne nochmal diese KÄsespätzle mit Schweinefilet essen, oder Schäufele… mit echten Leuten am Tisch die sich zu benehmen wissen (oder es lernen) oder in dekadentem Ungehorsam jenseits jeflichen Benimms auf alle WIdersprüche dieser Zeit anstoßen…

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Neue Serie entdeckt. Netflix. Freud. ORF.  skurrile Mischung aus WIener Schmäh, erotisch-Abgründigem und einem sperrigen jungen Sigmund Freud. Teilweise abstruse Kriminal-Schund-Geschichte. dennoch sehr betörend. versinke in Rauchwolken, die aus dem Blitzdings-Kasten des ächzenden Macbooks kommen und verliere das zeitgefühl. das Internet geht wieder einigermaßen. alles hat mit Sex zu tun, meinte er (nur manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre). das Kartograohieren des unbewußtseins. die Erde ist eine Scheibe und jenseits der Kante…? hic sunt dragones… Monster sind zu erwarten, wenn man ber den Tellerrand blickt. Es ist gut die Drachen ins Auge zu fassen. mußte an den Dekan Schlicker denken, der im gespärch pber die Fresken der Gottesruhkapelle immer darauf bestand, es sei gut, dass die heilige Margarete dort abgebildet ist ohne ihr Attribut, den Drachen. der Drachen st sozusagen nicht der Rede wert. man kann ihn weglassen, er hat nichts zu suchen in der Kirche. – dabei weiß man ja doch, dass es ihn gibt. jenseits der Kante, da wo das Unbewußte beginnt, sind die Ungetüme. und wer schlau ist, zerrt sie ans Tageslicht. oder läßt sie auftauchen. warum gucken die Menschen Game of Thrones, aber gehen nicht in die Kirche?

(abgesehen davon ,dass die Kirchen geschlossen sind. was für ein versagen. wann wenn nicht jetzt wären sie gefragt? vielleicht sollten sie sich den Drachen stellen, anstatt sie auszublenden.  – aber okay, wer weiß, vielleihct dürfen sie es einfach auch nicht. Andererseits… die Baumärkte haben auf? und die Buchläden. Weil wir uns beschäftigen müssen. weil wir lesen wollen. von den unkartograhierten Gefilden, von Drachen und Steuerberatern, von Sekten und Käfern und  Gänsen, Spinnen und Fischen…

und wenn man noch eien Folge „Freud“ gucken will und sich  durch den Pop-Up-Seiten-Dschungel klickt, an den noch viel schlimmeren japanischen Mangas vorebi, als je ein Drache sein könnte, an den sich feilbietenden Atombrüsten, an den Horrormeldungen (Lena Mayer-Lndrut verlor alles!) stellt man fest, dass sich die Verhältnisse ändern. die Brüste waren immer schon da. mal sind sie üppig und gehören Mädchen, die wie Kinder aussehen, mal sind sie natürlicher und schockieren durch Echtheit, mal sind sie wie nicht von dieser Welt. Seit neuestem ist das Muster durchbrochen und Leute neben den Brüsen bieten Atem-Masken an. die Bandbreite der Kartographierten Unterwelt. der Lüste und der Angst.

30. März.

Tausche Klopapier gegen Earl Grey Tee (den von Teekanne!)

also ich habe Klopapier, aber benötige dringender meinen Tee. möglichst eben jenen.

[…]

17. März.

St. Patricksday. Gebirtstag meiner Oma. Geburtstag meines guten Freundes L. Tag an den alle wichtigen Beziehungen  entweder begannen oder endeten.

Der Tag fällt dieses Jahr aus.

St Patricksday jedenfalls wurde abgesagt.

ob er dennoch stattfindet, heimlich? bin inzwischen in München. bei den Eltern. sie denken wie ich dass alles ist überflüssiger Mist. es gibt wichtigeres, Demenz. Autounfälle. Versicherungsunterlagen.

wieso rutsche ich in die Rolle der Obacht-Gebenden?

 

16. März. Abbruch.

die Welt hat ein Problem entdeckt.

die Eltern ein anderes. nämlich ein kaputtes Auto.

Aufbruch. nach Dublin.

Auf allen Flughäfen der Welt liegen immer junge Menschen mit Rucksäcken übermüdet auf Bänken. nun aber haben sie zudem OP-Masken vor dem Gesicht wirken wie beinahe tot. will wieder umkehren und bleiben, kann aber nicht.

11. – 15. März, Irland

[Irland. Den ärger passieren lassen, ohne dass etwas passiert. fernab. Grün. Hütte. im Teich wimmeln werdende Frösche. Lust auf Wein. der mit dem Namen „purgatorio“ war zu teuer, ein anderer hieß 1000 stories. – oder nur hundert. er war billliger. am Kamin der Götter nebenan. die Bäume pflanzen. über das Land schreiten. Über Steine nachdenken. Beeren pflücken. Tinte kochen. Worte finden. den Blog vernachlässigen, weil ansonsten sprachlos. Glücklich. Farbtropfen. In den Nächten lockt der Dschungel vor dem Fensterglas. Herzen fliegen und Tiere. Tagsüber  grabe ich in der Erde nach noch mehr Steinen. fand ein Stückchen Blei. Rote Hawthorn-Beeren machen taubengraublaue Tinte. Judy liest in alten Briefen. Peter kämpft gegen den großen Stein der keine Bäume duldet. sie wissen inzwischen, die Ire, dass die besucher der Welt erwarten, dass ab und zu im Grünen ein Stein zu stehen hat hierulande. Wozu? egal. Und ein Klo gibt es hier, das erwähnenswert wäre, aber auch hierfür fehlen die Worte… Ach!]

10. März, Ballincollig, Irland

es wäre links links, dann rechts rechts gewesen. Irisches rechts und links vielleicht.

Wein  zu kaufen versucht vor 10:30. nicht möglich. helfender Verkäufer der an der DIY-Kasse bereitstand, bedauerte. (nein, nicht wegen Corona-Maßnahmen, das ist da immer so. weil sie nicht wollen dass die Alkoholiker schon früh in den Supermärktem rumhängen) dann später im Ort in Supermarkt, schöne Flasche gefunden zur echten zeit. Wein hieß Purgatorio, gab ihn aber an der Kasse zurück weil überlesen, das 40 €. Glücklichere Hand in der alten Tankstelle. Glas mit in sich gedrehten Lakritzstangen. man darf sie sich selbst aus dem Glas nehmen. Glücklich darüber, daß man hier nicht das Anlegen von Plastikhandschuhen verlangt, oder ich mit einer Zange herumfuhrwerken muß. von der Tankstelle aus ist der Weg zurück in die Hütte doch anstrengend. es ist ein hoher Hügel. Rast kurz vor dem Gatter.

 

9. März, Ballincollig, Irland

I run out of electricity. – Or did electricity run (away) fromm e? AM I supposed to b e without my regular tools? NO Computer, my phone died, hours ago. Do I rest in peace now? I seem to have escaped the panic-madness in Germany. Dennoch… ganz ohne Strom ist auch Mist. Ich hätte den Billigadapter von „Dealz“ nicht kaufen sollen, er ist schon nach 2 Tagen kaputt. Oder noch besser: meinen eigenen nicht in der Ausstellung lassen sollen. Ob die UCC ihn mir zuschicken wird mit den Sachen zusammen? Sagten, ich solle explizit nicht dabei sein, wenn sie es verpacken. Seltsam.

***

doch auf den Weg gemacht, hinab den Hügel. Gefühl die falsche Richtung eingeschlagen zu haben. will zur nächsten Tankstelle, oder dem SUpermarkt hinter der Brücke am Fuß des Hügels. man hört die Schnellstraße, sie liegt in der anderen Richtung. dennoch stur an Wegbeschreibung gehalten. passiere einen Stier auf der Weide. längliche längs-gelayoutete Schilder in gelb sagen „SLOW“.

textalert1Text Alert areas. mind the gap. the one between the letters. Warnung vor ZWISCHEN DEN ZEILEN. – Was bedeutet Text alert area?

textalert2später erfahren, dass TEXT ALERT AREA wohl darauf hinweist, dass NAchbar hier auf der Hut sind und untereinander in Kontakt stehen und Informationen austauschen. wenn hier jemand rumstreunt oder was kaputt zu machen beabsichtigt, weiß er, dass sich das herumsprechen wird. meine Assoziation gefiel mir besser.  dachte es müsse mit meinen Gastgebern zu tun haben, besonders HAusherrin Judy. denke sie mir text-alertet in the most cautious way. mag ihre Gedichte.

***

gestrige Morgenlektüre: David Mammet / „Wiriting in Restaurants“ about the territory of texts, about a man (who had to talk about his anger about a missing information-sign in order to get rid of his anger about this and even spent more time to do so than the period he was angry about, caused by the missing sign)

„In his anger he had reverted to a universe where words were clearly magic, were possessed of spirit, and where anything was possible.“

***

Älterer Mann vor mir an der Supermarktkasse, kaufte sehr viel Hundefutter. vielleicht wegen Corona, vielleicht auch nur weil er viele Hunde hat.  er wollte mich vorlassen, weil ich nur  wenig einkaufte. aber ich war nicht in eile. „we all ahould not hurry!“ Wenn die Iren zu schnell gehandelt hätten im 2. Weltkrieg, wären die Deutschen nicht besiegt worden. – er hatte abe rnichts gegen die Deutschen. liebt München. Und Österreich. Innsbruck. Und some land called „Tyrell“,  keine Ahnung welches, er beschrieb es als Gegend „In between. Dachte es sei etwas Irisches oder Schottisches oder ein Phantasieherrschaftsgebiet aus Game of Thrones. er meinte aber Tirol. zwiscen Italien udn Österreich. China mochte er nicht. glaubt, Corona wäre  gezielte Terrorattacke von chinesischen Kommunisten. gelbe Gefahr. er wollte nicht im Detail darüber sprechen. Obwohl sehr gesprächig und eigentlich auch nicht verbiestert. wirkte sogar ausgesprochen liberal und weltoffen. wußte, das  es mehr gabe auf dieser Welt, als die Welt. Nah-Toderfahrung gehabt. Zeigte mir Narbe an der Innenseite seines Handgelenks. schlängelte sich rötlich. er war freundlich. ob ich nicht doch vor wolle. (immer noch standen wir in der Schlange und sie war nicht wirklich lang. ein Gespräch im Zeitraffer. dachte an Stummfilm, aber mit Sprache. vielleicht auch weil er mich erinnerte an „The late Charly Chaplin“. er krempelte die Hemdsärmel wieder über das Handgelenk undn legte das Hundefutter auf das Kassenband.  „We should not hurry, you are right!“ (er meinte nicht wegen des Jenseits, sondern generell, und weil ich wieder sein Angebot vor ihn zu dürfen, ablehnte. Und ja, er hatte vier Hunde.

Ich hatte es nicht eilig, aber in erser Linie weil inzwischen im Adapter und Handy-Laden, mein Handy lädt. Je länger ich brauche, desto mehr geladen wir es sein.

***

8./9. März, Ballincollig, Irland
Fahrt nach Ballincolling. Unweit. Zur rechten eine alte Nervenheilanstalt, Judy sagt, darin sei der längste Korridor der Welt. (oder Europas?) Er habe früher zur geschlossenen Station geführt. Hatte man den Korridor hinter sich, hätte man auch gleich dort bleiben können. Channelling the madness.
Irgendwann habe man beschlossen die Anstalt zu schließen und die Insassen allesamt entlassen. Good by, crazy people – sagte Judy als sie davon erzählte und die Finger ihrer Hand verbeugten sich andeutungsweise zu einem Winken – Viele seien noch lange in der Gegen herumgeirrt (buchstäblich) und gestanden, erstaunt über die unverhoffte Freiheit.
Ich dachte der längste Korridor sei der im ersten Stock des Finanzamtes Berlin-Lichtenberg.

***

Alte Dame auf Parkplatz vor Supermarkt fuhr ihr Auto versehentlich in den Asia-Imbiss namens  „The Chinese Wall“. War nicht verletzt, aber die Chinesische Mauer bracht restlos in sich zusammen. Sah es nicht. Sah nur das Baugerüstete Haus, das inzwischen wieder entsteht.

***

Ankunft auf dem Hügel. Das alte Gehöft. Der grüne Dschungel. Die herzzereißend hirnweiche Puppe im Regentopf. Das Glashaus auf dem Dach der einsten Kuhstalles, die Teeküche. Der alte Kessel auf dem Herd. Ich ahne, daß ich hier Glück habe. Gut sein lassen, das mit dem Geld, das die Uni mir schuldet. Über den Dingen stehen, wie das Gewächshaus das auf dem alten Stall thront. Es schwebt licht grün und leicht wie ein Aussichtsturm.
Meine Hütte steht etwas außerhalb des Hofes. Holzwände, Innen strahlendes weiß, das Wort Elfenbeinturm kommt doch wieder in den Sinn. Elfenbein-Hand-Und-Fuß-Turm. Das ursprüngliche
Projekt bei dem C. mir Dinge über irische Mythen erzählt hätte, die sonst kein (anderer) Europäer zu hören bekäme, und die ich hier niedergeschrieben hätte, ist ja von Tisch. Ob er es vergaß, oder beunruhigt war ob des Whistle-Blowings in Sachen Irische Geheimnisse. Nun sehe ich hier alles mit der mystischen Brille, aber die Elfen und Drachen sind flüchtige Erscheinungen. Sehe sie kaum. Es bleiben nur die Puppen übrig, die im Topf und die an der Steinmauer, deren Haar langsam zu Moos
wird.

***

Supermarkt. Traf eine Frau am Tisch mit den Krapfen, deren Tochter in Ravensburg wohnt. Gelernt daß Ravensburg im Süden liegt und nicht im Norden. Die Frau erklärte mir was in den Krapfen ist, soweit sie es wußte. Was sie nicht weiß ist ob die ihre Tochter demnächst besuchen kann. Weil die Flüge nach München gestrichen sind wegen Corona. Die von Cork sowieso schon lange (schon vor Corona) und die von Dublin ebenfalls jetzt, (wegen Corona).
Nachwievor ist meine erste Assoziation, wenn ich Corona höre, das helle Bier in der schönen Flasche, in das man eine Zitronenscheibe versenkt. Sommer. Strandbar Mitte, Berlin und Oststrand, als es noch
nicht hipp war. 2003. Den Oststrand gibt es längst nicht mehr. Das Bier gibt es natürlich noch. Ob die jetzt ihren Namen ändern? Oder sie die Namensgeber des Virus’ verklagen wegen Urheberrecht? Oder ob es trotzallem gutes Marketing ist? Corona – jetzt erst recht.
Habe beschlossen das mit den gestrichenen Flügen nicht zu glauben. Meiner ginge auch von Dublin nach München. Was kann die Frau das schon wissen. Niemand weiß das jetzt – und mit den Krapfenfüllungen lag sie auch falsch.

 

***

TRAUM. Tom Waits gab einen Workshop für Musiker in einem kleinen Etablissement in Berin, irgendwas zwischen RAW-Tempel und dem Hinterzimmer von Madeleine und der Seemann. Es war kein realer Ort, aber im Traum schien er mir sehr vertraut. organisiert hatte ihn Christina Emig-Könning, die Intendantin der Theaterkapelle. Ich wollte unbedingt mitmachen, aber konnte kein Instrument spielen, nur Klavier, aber konnte mich an kein einziges Musikstück erinnern, das ich in zehn Jahren Klavierunterricht gelernt hatte. Ich wandte mehrere Tricks an, um dennoch mitmachen zu können (an die ich mich jetzt aber ebenfalls nicht erinnern kann). Am Ende sagte Tom Waits den zweiten Tag eh ab. ich interviewte stattdessen seine irische Frau Kathleen.

8. März, Ballincollig, Irland

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Cabin, / Roadbooks Residency. Blick aus Schlafzimmer. Es ist Irland nicht Südamerika. 

 

„BEDROOM POINT OF VIEW“ or „FARNHEITEN“ 

Beyond my window door

-my bed is my friend in here-

A djungle grows, outnumbering

Narcism

Flowers

(the yellow ones) 

Over their heads. 

WELCHE GOETTER GRUBEN SIE EIN, 

WELCHE HANDSCHUHHÄNDE ZOGEN SIE

AN DEN HAAREN HERBEI? 

 

Schlangenstämme gleiten, 

Deren Häute Haar schimmert samten:

Licht brechend, 

Traum webend

Streicheleinheiten heischend. 

Schlank-rankend

Kurve gekriegen

Ziehen Sie sich in die Länge

Am eigenen Schopf

Wohin auch immer

Ist Grün. 

ICH BIN SICHER HINTER DEM GLAS

AM ENDE PIEKSEN SIE DOCH. 

 

7. März

Früh auf. noch keiner in der Küche. In der Nische am seitlichen Fenster, am hintersten Tisch (es sind Holzplatten auf alten Nähmaschienen Metallgestellen) ziehen Nebelschwaden durch die Morgendämmerung. Blau Blau bewegtes Waschküchen-Blau. Vielleicht ist es die kondensierte Luft aus irgendeinem Gebläse. Vielleicht kocht jemand. Vielleicht ist es auch einfach reine Morgen-Magie.

***

Der dreimal ertrunkene Politiker im Graben heißt nicht Finn. Es handelt sich um eine Partei namens Fine Gael.

***

Pawn-Shop. Nicht aus Not, sondern weil hier eventuell billiger Kabel und Adapter. Tür nicht gleich gefunden. Drückte mir die Nase platt am Schaufenster, aber fand den Eingang nicht. Als doch gefunden schien es Tür in eine andere Welt zu sein. Dennoch vertraut, weil Tom Waits aus einem alten Schallplattenspieler kam. Aber kein Adapter. Schwarz gefärbte Pfandleihfrau schickte mich weiter zu „Dealz“ im Zentrum. Wies den Weg auf einer Karte, die wie meine war, nur dass alles ebenfallstiefschwarz war. Wie Negativ der meinigen. Vielleicht ist es die inverse Welt. Ein Adapter, den ich hier gekauft hätte hätte wahrscheinlich nie in die Steckdose gepasst. Oder nur hätten den Strom in verkehrter Richtung fließen lassen. Weiter über den River Lee. Zentrum nicht weit. Eine Art MacGeiz. Ich spare wo ich kann. Noch mehr Auslagen, die ich nicht erstattet bekommen werde.

Loslassen. Gut sein lassen. Und Schluß mit Cork.

Ich kann mir keine ELfenbeintürme mehr leisten. ich MUSS lernen, das Kleingedruckte zu lesen oder überhaupt auf Verträgen zu bestehen. ich muss aufhören über Tische gezogen zu werden. Aber  ich brauche auch Zeit und Ruhe um überhaupt wieder zu mir zu kommen.

Ich habe beschlossen, die Residenz, die versprochene selbst zu bezahlen.

elfenbeinhuette

 

6. März, Cork

Sheila’s Hostel.

Einer brät Rührei und Speck. Zwei Mädchen beten Tischgebet. Aber keine katholischen Iren, nur Deutsche im Gemeinschaftsküchenraum. Das Tischgebet ist eher ein Zwiegespräch mit Gott. Sehr erfüllt. Die eine bedankt sich, dass sie nicht Corona hat und bittet aber auch, dass es denen die krank sind, besser gehen möge. Sie wissen nicht, dass ich das Gebet höre. Ich hoffe, es gibt einen Gott, dass ich nicht allein das Ohr war. Nicht wegen Corona. Nur so.

Als ich das letzte Mal in Cork war, Höhepunkt Arbeit. Mehr ging nicht. Alles gegeben und alles schien sich endlich auszuzahlen. Buchprojekt in Aussicht. Trickfilmauftrag und ein Stipendium und wenn schon kein Honorar, so doch eine Ausstellung, die mit viel Aufwand und vielen Materialmitteln zu genau dem geworden war, was mit vorschwebte. Nach der Vernissage hatte ich sofort aufbrechen müssen, nicht einmal mehr Zeit alles zu fotografiern. Es schien nichts zu machen, denn es hatte geheißen wir machen eind große finale Veranstaltung. Dann auch Honorar. Ich schiebe den Gang zur Universität vor mir her… Nun bin ich heir und es wird nichts stattfinden und ich muss alles selbst bezahlen. Manchmal denke ich fast, dass alles ist Trick. Oder heimliches Experiment um zu testen wie blöd Künstler sind. Wie weit sie gehen ohne immer wieder Geld. Leider gehe ich immer noch. Weg sein.

Dennoch. Es zu guter letzt in Ruhe zu sehen, ist irgendwie zu spät. Nicht einmal die Auslagen, das weiß ich inzwischen, werden nicht erstattet werden. Vielleicht ein Drittel, vielleicht gar nicht. Seltsame Willkür in allem. Fragt man nach, sind alle genervt. Oder schweigen. Kloss im Hals. Nun gehe ich doch. Der Student der die Frühstückseier briet kommt mit. Es ist seltsam. Hatte gedacht ich ziehe in den Krieg. Nun geht einer mit, der einfach nur das sehen will, was ich gemacht habe. Nun kämpfe ich nicht mehr um mein Geld, sondern zeige und betrachte. Schon ist es besser. Langer Weg. Mother Jones Fleemarket. P hätte beinahe Hut gekauft. Ich einen zerstückelten Keramik Jesus am Kreuz. Hätte gut in die Ausstellung gepasst. Aber für nur den letzten Tag…?

Leider Ausstellung ebenfalls in keinem guten Zustand. Batterien alle. Kabel abgerissen. Lampen durchgebrannt. Strom geht nicht an. Dauernd muss ich dem Mitbesucher erklären, was man jetzt eigentlich sieht und hört. Wenn man hier und dort drückt. Er. findet trotzdem gut. Schöne Begegnung. Studiert Erneuerbare Energien. Interessante Skizze von allem was versucht wird in diesem Bereich und was langfristig nicht funktionieren kann, weil überall Nebenwirkungen anderswo. Global denken müssen. P. reiste über Belgien, Frankreich… 2 Tage Paris. Jetzt schon drei Tage Cork. Aber Cork zu langweilig. Hat noch viele Stationen vor sich. Würde gerne trampen, aber ist sich noch nicht sicher. Arbeitet in einem Teeladen im Magdeburg in dem der Chef zu den Kunden super freundlich ist und wenn sie zur Tür hinaus sind, total ablästert. Lange geblieben. Batterien gekauft. Taschenlampen. Letztes Notblühen. Ruhe sanft, „AFTER-LIFE…“

afterlife

***

Touristen hinter mir im Bus in trockener Selbsterkenntnis sagen:

„nine days in Cork! What’s wrong with us!“

Und was ist los mit mir? Es wird Zeit daß ich das Kapitel Cork schließe. Nie werde ich hier Geld verdienen. Die Frage ist, stehe ich darüber oder Kommt dieses Gen wieder durch, daß mich zuweilen zum Kohlhaas mutieren läßt.

***

Pub. Diesmal zu dritt. Noch schöner als das andere. Saßen oben im 2. Stock. Unten Lifemusik. Beim Bier holen hängen geblieben auf der Treppe, da stand ein Hocker. Entgegen aller Vorsichtsmaßnahme, stand da bereit, weil es einfach der aller allerbeste Platz war. Blick auf die Live-Band, niemand im Weg, über mir raunt es, unter mir tobt das Leben.

 

Halbe Treppe,
Zwischen oben,
Unten und
Allen Winkeln, Nischen
Und so geht es:
rund.
 
Wolke von Musik
das Bier zu teuer. Whisky geht
endlos Lichterketten
entlang,
erfreut mein Herz.
Flötist heißt Liam,
beinahe date,
dann doch zu bang.
 
Habe mich verdrückt.
Dabei schien er nett.
Falle einzig und allein
In mein 6-Raum
Schlafsaal-Bett

5. März, Cork

Der Hunger kam zu spät, und ich. Steil hoch zu Sheila’s Hostel, eingecheckt und wieder hinunter zur großen Straße. Das schmale Lokal, Italiener, der immer volle Geheimtip, in das mich C. letztes Jahr eingeladen hatte, ließ gerade die Rolläden hinunter. Stattdessen Vier-Sterne-Pizza gegenüber. Mit Barbeque-Sauce im Gehen und Bier im Pub. Ich hatte dieses Bier total vergessen. blau mit einem Hasen darauf, Kinnegar, Big Bunny East Coast. Erstmals getrunken in Dublin mit G. Es ist mild, es schmeckt nicht nach Hase. Erinnerungen an ein hohes Haus voller Winkel und Nischen und voller Bier. eine lange Straße, weite Wege in eine Pension… bin aber jetzt nicht in Dublin hier. sondern Cork… –

Ich mag an Irland: daß der Himmel in 3-D ist. grau bläulich. heftig. Schichten von Rot darunter. Daß der Flughafen Kerry aussieht wie ein 60er Jahre (oder spät.50er?)-Kino. zu klein für einen Airport, zu groß für einen Kinopalast. Was wie ein Ticket-Office wirkt, ist die Touristen-Information. Von den Absperrbändern  könnte man denken, sie seien dazu da, die Leute, die Karten kaufen wollen zu organisieren. die leuchtenden Toiletten-Schilder sind so schön, daß man weinen möchte. verlorene Zeiten. alle Menschen sollten immer nach Kerry fliegen…

Man landet kurz hinter der Weide, schafft es noch über den Bach, über die kleine Stein-Brücke (kleiner als das Brückla in WIndsbach) und in dem Augenblick wo man über die Brücke hinweg ist, streifen die Räder der Maschine den Boden. haarscharf. nicht früher, nicht später.

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1.8. km zu Fuß zur Bahnstation.  der Bach windet sich jetzt an der Straße entlag. dreimal ertränkte wer Wahlplakat eines gewissen Finn Gael darin. In regelmäßigen Abständen, einmal schien Finn es aus dem Graben geschafft zu haben, geknickt, aber noch über dem Wasser im Gebüsch. Dann Straßengabelung und eine verlassene Bahnstation, Gitterbrücke von Plattforn zu Plattform. Kein Mensch weit und breit, aber eine entzückende und hellbeleuchtete Wartehalle, in der man Reisende mit heißen getränken und Holkkoffern aus den 50er Jahren vermutet hätte. – leider abgeschlossen. das leuchtende Licht dennoch wärmend. leichter Regen. nicht klar wann der Zug kommt. Ehemaliger Royal-Air-Force-Brite wartete ebenso ahnungslos wie ich. vertraute Fremde. freundliches Gespräch, gute erste Stunde in Irland. immer kommen gute Dinge. und Menschen. Als der Zug kam – es war der falsche – ließ mich der Schaffner mitfahren, weil der falsche Zug, wieder zurückfuhr (durch den 3-D-Himmel) und zum richtigen wurde in Richtung Cork. klebte mit der Nase an der Scheibe, aber die Dunkelheit war schon zu dicht.

Ok.

Die Tür nach draußen des Shelbourne warnt: MIND THE STEP. mind the step. und nochmal mit Ausrufezeichen: MIND THE STEP. sicher nicht unbegründet. sehe Szenarien vor mir von stürzenden Iren zu später Stunde. werde ich das vergessen haben, wenn ich nun (demnächst) aufstehe und in Richtung Ausgang und „Sheila’s Hostel“ stürzen werde?

Trinken innerhalb und außerhalb von Nischen. Nicht heimliche Nischen, sondern weil klar ist, daß man auch mal ungestört einfach so für sich trinken will; Trinken immer auch um des Trinkens willen möglich. Nicht Mittel zum Zweck. Gutes Trinken, jedenfalls wenn man maximal zwei Bier trinkt. – Und Trinken in Kombination mit Schreiben hätte in Deutschland schon blöde Kommentare gegeben. Und die Kommentare hätten gleichzeitig dazu gedient, ins Gespräch zu kommen. Hier kommt man genau in dem Moment ins Gespräch, wenn man selber will. Wenn nicht dann nicht. Es ist ein Bierhimmel.

Gegenüber der Theke läuft ein Fernseher, der überträgt G o l f ! ich wußte nichtdass das Fernsehen so was sendet.

Mann mit Händen vor dem Gesicht an der Theke. Jetzt redet eine Frau auf ihn ein.

Frauen im Neben-Kabuff lachen herzlich und dreckig.

Der weiße kleine Ball kommt zum Stehen jenseits des Loches.

Jetzt fällt mir ein daß ich auch hier mit C. war. Weil das Geheimtiplokal noch keinen Tisch frei hatte. Jetzt ärgert mich, dass ich auf Spuren von damals wandle. Morgen trinke ich Whisky, aber wo anders.

IRLAND III – Ende der Ausstellung und Stipendium jetzt erst recht

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Berlin,  y. Februar

zwischen den Gaza-Berlin Vorstellungen war nicht viel Zeit zum Schreiben.

Eine Fahrt nach München, ein Halt in Windsbach [.siehe 4.2.]

Über die Vorstellungen selbst, wäre so viel zu sagen… sie waren beide ein großer Erfolg. ausverkauft und voll, trotz Corona. es funktionierte alles. die Bedeutung und Tragweite, die dieses Expirement hat, hat inzwischen alle eingenommen. ein Besucher kam zweimal. Und war überrascht, wie unterschiedlich die beiden Vorstellungen waren. das ist gut so. der „große Fisch“ lebt, er zappelt, er atmet (in diesem Fall eine gute Sache für den Fisch) und wächst. An Land ziehen kann man ihn halt nicht. das gemeinsame Verbeugen: Jamal, Deeb und Salem in Gaza, gestochen scharf auf der Leinwand, wir hinter dem transparenten Vorhang zwischen den dreien wie Geister… immer ist eine Seite der Geist. immer  ist einer nicht da. Die Unschärferelation der beschleunigten Teilchen zwischen Gaza und Berlin. wo wäre der wirkliche Halt?

ich bin wirklch glücklich über dieses Portal. und so viele SPenden! ich wünschte es ginge weiter. und gleichzeitig bin ich erschöpft und müde. „das Bett wird wundervoll sein.“

Berlin, x. Februar

[…]

vorbei, verjährt, doch nimmer vergessen –

ich reise.

Alles was lange währt ist leise

[…]

jr

Berlin, 29. Februar

…und letzte Vorstellung,

Berlin, 28. Februar

vorletzte…

fotos: fkhuhn

Berlin, 25. Februar

Ich habe die letzten beiden kommenden Vorstellungen nicht viel beworben, denn es hieß, sie seien fast ausverkauft. Hörte nun Gegenteiliges. oder zumindest: es sei voll, aber ausverkauft sei es nicht.  wie früher losgezogen mit Postkarten und sie an Orte gelegt, von denen ich dachte es sei vielleicht wichtig. Probenhaus Mitte an der Jannowitzbrücke. hier waren unsere ersten zwei Probentage. ehemaliges Schulgelände DDR-Platten-Schulbau, der DUft, den ich imme rmit Asbesth assoziere, der aber wahrschienlich nur alltäglicher Schimmel ist. im EIngangsbereich fällt er nicht auf, weil es bunte Kreativ-Flut die SInne ablenkt. es ist schön. dir Probenräume sind es leider nicht. Man ahnt noch immer das Schulklassenleid. das sich schälende Linolium. Für die ersten Proben vor meiner Gazareise war es okay.  Gelegenheit genutt um QUittung ausgestellt zu bekommen für die Raummiete vom Oktober. Fahrt zum Senatsgebäude. Finanzplan abgegeben. Und Postkarten auf den HKF-Tisch, da wo alle geförderten  Gruppen ihre Werbung abladen (aber ich glaube nie Fremdwerbung einstecken. die zehn Big-Fish-Postkarten, die ich letztes Jahr dort ließ, sind noch vollzählig da. Dokumentationsbuch, die Printversion des Projekttagebuch-Blogs abgegeben für die Wiederaufnahme; Frau L. nimmt sie freundlich, aber ich seh sie denken Ach Mädchen…. Wer soll das lesen? Hochglanz-Print. AUf dem Tisch einen Gang weiter liegen solche Broschüren stapelweise zum Mitnehmen. Ausstellungskathaloge, Portfolio-Broschüren… Die Hoffnung ist, die Jury liest vielleicht das Projekttagebuch auf diesem Wege hier. Manchmal bedarf es des Hochglanzes. Weiter.  Rote Ampelphasen die ganze STraße zur Greifswalder entlang. Oranges Müllauto der BSR vor mir. große Minimauspuppe in Pink klemmte an der Leiter und sah aus als führe sie schon sehr lange mit. Cooles Pinup-Girl, das sich beißt mit dem schäbigen Orange des Wagens. rückwärtsgerichtete Galleonsfigur. heiterte mich auf. Am Theater unterm Dach gehalten, weil dachte, vielleicht doch auch das Bezirksamt einladen. dieses Gazastück ist vorerst das letzte was ich zu bieten habe, theatermäßig. auch hier der altbekannte Geruch, aber die wesentlichen Dinge ändern sich. Ansprechpartnerin geht in Mutterschutz. (was soll sie dann ins Theater). weiter. alte Gegend, eine der ersten Wohnungen, die ich hatte. Glückliche spannende Zeit. mein Haus ist jetzt blau? Daß in meiner Wohnung jetzt Jürgen Vogel wohnt  habe ich bestimmt schon mal erwähnt. Vielleicht stimmt es auch gar nicht (mehr). im Kreisverkehr um die Zionskirche hängen geblieben. viele Runden lang. Spontane Idee, meine Freundin, die J. in der Kastanienallee in dem letzten verbliebenen besetzten Haus zu besuchen. Haus ist ein letztes Relikt aus der guten alten Zeit. innen immer noch wie früher. Gefühl von Uneinnahmbarer Festung, aber drückte die schwere haustür auf, denn das Banner darüber prangte an, dass man sich nicht abgrenzen solle. und tatsächlich schrie das Tor nur kurz quietchend auf. die wilde Welt, die arabesk bekritzelten Täfelungen der Kassttentüren, der Palmenwald im Treppenhaus. die Buntlackschichten jahrerlanger Botschaften und Statements. die beuligen Briefkästen, in denen auch jemand zu leben scheint. ein MIniaturvolk möglicherweise. Die  Packpapierrollen, das Herausgeworfene. aber alle Türen offen. hinter der letzten, ihrer WOhnungstür atmete es. wollte nicht rufen. Kritzelte selber etwas. dann zu früh am Theater. Recup-Cappuchino bei McDonalds.  Wehmut. Wärme. Warten.

Berlin, 24. Februar

Die fortgeschaufelte Leiche war die eines mannes vom Islamischen Dschihad, der gerade eine Bombe zünden wollte. Sein Leichnam wurde den Leuten in Gaza nicht üper Bulldozer vor die Füße geschaufelt, sondern mit dem Bulldozer nach Israel weggebaggert. Ist das nun schlimmer und weniger schlimm? Der Grund sei, daß Israel seinerseits auf die Rückgabe von Leichen warte. es ist also wie immer: die anderen haben angefangen. nur die Aktionen werden immer menschenunwürdiger. die Grenzen der Menschenwürdelosigkeit wieder um ein kleine Handumdrehung erweitern. Oder um ein Händeklatschen. Es ist mir inzwischen egal wer angefangen hat. es ist mir nicht egal wer wieder nicht aufhört.

ansonsten… ein letzter Tag Ruhe vor den Endproben. Irland-Reisepläne konkretisieren. die Frauenpreis-Statue ins Rathaus Lichtenberg gebracht. wieder ist sie in WIndsbach zusammengeschraubt worden. Der Gedanke an W. läßt Reisepläne nach I. wieder fraglich werden. Wohin? Wohin nicht? Und warum nicht?

Schlüssel immer noch unauffindbar. Meine Tür mit blauem Gaffer zugeklebt.

 

Berlin 23. Februar.

ein Tag voller Überraschungen. gute, schlechte. EIn Achterbahn-Tag. Aprilwetter. Ohne Schlüssel im Regen. Dennoch glücklich. Reisepläne ändern. Meilenstiefel. Immer ist alles anders, aber vielleicht ist das gut. es ist meistens für etwas gut.

***

Nicht gut in Gaza. Raketen nach anderen Raketetn. Bulldozer. EIn toter Mann der wegeschoben werden. die Leute aus Gaza auf Facebook hören das Altbekannte. das Dröhnen der Drohnen und die Raketen-Detonationen. nix neues. die Lage sei „tense“. möglicherweise schlimmer als im November. mit zwei Tagen Beschuß sei zu rechnen. das mit dem weggeschaufelten Toten muß aber doch schlimmer gewesen sien als sonst. Und Netanjahu habe der Aktion applaudiert? eigentlich unvorstellbar. ich hoffe ich irre mich.

Berlin, 21. Febrbuar

zu kalt, aber doch abends mit dem Motorrad zum Hauptbahnhof gefahren, einen Freund treffen, der kurz in Berlin ist. Eisige Fahrt,  aber nur weil zu lange, weil verfahren. Immer verliere ich mich jenseits der Friedrichstraße  im Wald der falschen Abiegepfeile, die immer in die andere Richtung weisen. Unverhofftes Wiedersehen mit dem Sohn / Bruder der Familie Shomar aus Gaza.  Erst die kalte Fahrt, dann der lange Spaziergang durch das Charite-Land… heraus gekommen in der kleinen Straße in der der K. wohnt. Torbogen mit den Kranichen. gegenüber arabisches Lokal. hatte ihn lange nicht gesehen. es ist als wären wir uns vertrauter gewordne in der Zwischenzeit, weil ich seine Stadt inzwischen etwas besser kenne und er mein Land.

Berlin, 20. Februar

Weil wir gedacht hatten, daß Jamal zu den letzten Vorstellungen Ende Februar in Berlin sein würde, um wirkich „In echt“ zu spielen, und ich deshalb eh davon ausging, daß im Februar alles anders sein würde, sich das Stück so sehr verändern würde, daß auch die Tatsache, daß Kerstin nicht da sein würde, nicht so schlimm sein würde. natürlich idiotisches Verdrängen der Realität. Jetzt fehlt sie doch sehr. die Musik ist es nicht allein. dieist immer noch sehr schön. Leos Klang schält sich aus dem Atmosphärischen und wird melodischer. man konnte eh kaum auseinanderdröseln wo seine elektronischen WOlken begannen und Kerstins Klang endete; jetzt wo sie fehlt, verschieben sich aber auhc die inhalte. Nun spaziert keine Frau mehr durch die Erinnerung des alten Mannes, es ist nun Leo, dessen zweiter Part der Junge ist.  Es ist anders. Es ist nicht mehr so leicht, aber es fällt mehr  ins Gewicht. Und am ende sind dann doch immer alle Streitereien vergessen, der frust, dass wieder nicht alle zur gleichen zeit am gleichen ort sind, der Strom wieder ausfiel in Gaza… am ende noch wunderschöne Improvisation. Schauspieler fast alle weg. die Stunde in der die Produktionsleitung plötzlich das Megaphon zum singen bringt, und der Techniker türkische Poesie flüstert.  bis spät in der JC-Bar.

Berlin, 23. Februar

Seltsam dass das Internet in Gaza besser ist als im Blo-Atelier. Dafür ist das Wasser aus der Leitung hier wie dort untrinkbar.

Neukeferloh, 6. Februar.

die zittrige Stime des Vaters, wenn er gerührt ist, oder in Panik, geprüft zu werden.

Windsbach, 5. Februar

Steinmetzarbeit bei der S. und dem Mann der S. Berliner Frauenpreis-Statue, wiederum eingelassen in mittelfränkischen Granit-Pflasterstein. der andere war original Berlin-Lichtenberger Herkunft. Unfassbar, dass wieder ein Jahr rum. schöne Gemeinschaftsarbeit. habe den EIndruck der Hund bellt ich nicht mehr so viel an wie früher. Blicke über das weite Retzat-Land, irgendwo weiter hinten liegt unsichtbar die Gottesruhkapelle. eine Flasche Wein.

Windsbach, 4. Februar

– der traurige Wohenmarkt, rastlos blinkender batteriebetriebener Hund, der nicht mehr auf die Beine kam im Regen, das rege Treiben im Bessenhaus zwischen alten Fundstücken, heutigen Kuchenblechen, dem Blättern in einem Bildband Kino und Eisenbahn, Wiedersehen mit der Frau R. , aber nicht auffindbarer Herr L. … Weiter. Erstmals das Turm-Cafe in Betrieb gesehen. Es ist nur ausnahmsweise Cafe. auf Turmfalkenvereinsbasis. Aber es ist mit Abstand das schönste Cafe. ein Zauberort. Nischen. Erker, Balken, kleine Puppenstuben und Spiezeug – eigentlich ist es selbst eine Puppenstube. Fenster in zwei Richtungen der Stadt mit Blick über Dächer und Gassen,   die Tortenberge. noch mehr Kuchen. es ist eng, aber es verbindet. Später ein Raum weiter. Bier. Feierabend der S. schmierte aber doch Wurststullen. gute Runde. Weiter E-Werk. das Gefühl, Kreise schließen sich, DInge lösen sich, Wohlgefallen.  froh daß ich da war.

 

Berlin 24. Januar 2020

ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Es fühlt sich an, als sei man am Ziel, und gleichzeitig, als ob JETZT alles beginnt. ja doch glücklich; dankbar. wieder ausverkauft. ich will das weiter machen wie und wo auch immer. In der Pause, kurz vor der Premiere auf der Backstage-Tür-Treppe gesessen,  die Luft tat gut, die Chicken McNuggets besser hier, weil Mcdonalds zu voll. Muß erbärmlicher Anblick gewesen sein, ein Mann kam und fragte ob alle sokay ist und ich eine Mango will. seltsam. Ich kenne das. ich wirke manchmal wie ein armes obdachloses Kind. dabei war es ein MOment wo ich wirklich zufrieden war und nichts wollte als frische Luft. Eine Mango wäre freilich auch  nicht zu verachten gewesen. Freundlicher Mensch. Immer seltsame Wege, die sich kreuzen, um die Schaubude herum.was kommt als nächstes?

memory2Foto: Grosch

Berlin, 23. Januar, 2020

es läuft nicht schlecht. die proben sind – den Umständen entsprechend eigentlich ziemlich großartig… es ist gut. es ist phantastisch. warum liegen die Nerven so bloß. bloßer denn je. ich drohe den Faden zu  verlieren, wann immer mich wer anspricht. HUnger. wieso gab es gestern Lebenrkässemmeln beim Edeka an der Ecke und heute nicht. wieder McDonalds. Produktionen, in denen nicht alle beisammen sind in dieser Zeit vor der Premiere, können sind so schwer greifbar.  Bedürfnis in Arme zu fallen. will Emsemble zu Essen einladen, aber keiner will. Ich vermisse die andere Hälfte des Ensembles. Schwarma essen egal  wie spät es wurde. Oder gerade wiel es so spät wurde. Herzklopfen und Kopfschmerz. Worte kommen nicht leicht.  am Ende stehen doch mehrerebei Macdonalds in der Schlange. doch okay.  trotzdem… unstillbare Sehnsucht nach der Begeisterung.

Berlin, 23. Januar, 2020

Ruhe ist hin. nicht wegen des Lichts. seltsamerweise scheint es jetzt doch auch ohne das zusätzliche Leihgabe-Equippment zu gehen. warum taumele ich plötzlich. Ertrage die DIskrepanz der unterscheidlichen Arbeitsweisen nicht mehr. zwischen den Stühlen. das unverbindliche Chaos in Gaza, das aber so unendlich viel verbindender ist. verbindlich ist auf eine andere Weise: alles geben. alles tun. all in. die sporadische Teilzeit-Begeisterung auf der anderen Seite – die ist ehrlich gemeint. und sie bedeutet viel. und kaum einer meckert wegen der langen Probenzeiten und der noch längeren Wartezeiten (oder umgekehrt). Aber warum ist es so schwerr das Herzblut-Alles und die kluge Terminplanung in einem zu haben? ausgerastet, weil ich den Zeitdruck nicht ertrage, das feilschen um „bitte skypt doch wenigstens“, bitte seid wach und bereit. ich verlange zu viel, ich weiß. wir sind zu eingetaktet, die Ansprüche an die freie marktwirtschaft, das Honorar sind fpr ich nicht zu schaffen. dabei zahle ich ordentliche preise. Ganz udn Gar udn Haut und Haar kann ich in Berlin nicht bekommen. Und in Gaza keine nachvollziehbare terminorientierte Produktionsmaschinerie. wo ist der Elfenbeinturm zwischen den Welten?

 

Berlin, 21. Januar. 2020

NAchricht aus Gaza, das licht ist wieder abgebaut. die schwarzen Vorhänge auch.  die Leihgeber hatten sie doch zurück gebraucht. seltsame Ruhe breitet sich aus in mir.

Berlin 19. Januar, 2020

Technischer Aufbau in Gaza steht. lange fürs Licht gebraucht. da war die Probenzeit und die Kraft fast „alle“. Dennoch ziemlich gute Probe. Chor. wenn GAza-Verbindung abbricht, dafür „Festklopfen dessen was man hat mit Berlin. dennoch wie gerädert nach der probe. Trinken mit K. in der JC-Bar. musste sein. Der späte Feierabend. Abschalten.

Berlin, 17. Januar, 2020

Nun ist es klar, daß Jamal nicht nach Berlin kommen kann. Ich weiß wie wichtig es ihm gewesen wäre. als gute Freundin tut es mir unendlich leid, als Theatermacherin bin ich ein bißchen erleichtert. es wäre so viel Arbeit gewesen, ein neues Konzept auszuarbeiten: Der alte Mann mit seinem abgenagten Riesenfisch im gepäck landet am anderen Ende des Meeres. Er wär dann jetzt da. Es ist ein anderes Stück. Es ist ein anderes projekt. Und ein bißchen erleichtert bin ich, daß es nicht meine Schuld ist, daß es nicht geklappt hat. Was, wenn ich den Einladungs-Brief vertrödelt hätte? Sowas liegt durchaus im Bereich meiner (Un)Fähigkeiten. Wer weiß, wie alles gekommen wäre.

***

Heute herrliches Licht. rede mir ein, ich könne besser schreiben und Programmheft vorbereiten, wenn ich ausfahre und dies irgendwo hinter STrausberg mache. Ins Himmelblaue hineingefahren, aber schon an der B1, noch vor der kleinen alten Kirche, die sich auf den Mittelstreifen gerettet hat war der Stau so gewaltig. nichts ging voran. man kann nur Werbebanner entziffern. Jetzt oder nie – Vasektomie! Darunter ein augenzwinkender Mann. abgebogen  in Richtung Köpenick. Beinahe Friedrichshagen, dann doch nur Schöneweide. Schornsteine weisen den Weg. es wird backsteiniger. solide Vergänglichkeit. Grafftity markiert bereits, daß es sich erübrigt hat. WIlhelminenhofstraße. zwischen den alten Fabrikhallen, dem non-plus-ultra der DDR-Industrie, blitzt die Spree auf. Hof um den Industriesalon. Cafe Schöneweile. leider Kürbischiche statt Hühnereintopf. keine Container mehr, in denen man Kostbarkeiten finden kann, das was Bryan Adams weggewirft im Zuge deiner STudio-Sanierung. Gehört ihm das überhaupt noch? oder hat er nur ein Schnäppchen rausgepickt aus dem alten guten Osten. Backsteinperlen. sah ihn nie. weiß eh nicht wie er aussieht. Vielleicht wenn er singend herumliefe, würde ich ihn – vielleicht! erkennen. is mir auch wurscht. Das gewaltigste ELement  der Gesellschaft ist die Ignoranz steht an einer der Wände. SOnne verschwindet, es wird eisig.  Heizwerk Klingenberg, der eine Schornstein rauchte wieder, aber nur ein ganz klein bißchen.

Berlin, 16. Januar, 2020

Israel hatte angekündigt, man werde den islamischen Dschihad weiterhin in seine Grenzen zwingen und mit der Ermordung weiterer Führer gedroht. Daraufhin flogen zunächst provozierende Geschosse – D. beschrieb sie mir als „Fire-Balloons with Gas“ nach Israel und später dann richtige Raketen, zwei fing der Iron Dome ab, zwei schlugen  in leerstehenden Gebäuden in Israel ein.  – Wie schnell das auszublenden ist, wenn man heimlich immer noch denkt eine Premiere ist das wichtigste der Welt. In all dem chaos aus dem Treiben in seinem Wohnzimmer, der herumhüpfenden Tochter im rosa Jogginganzug, dem Wummern der Abschüsse, der Regieanweisung via Telefon via Übersetzerin, den solidarischen Betroofenheitsbekundungen („How are you?“ „Is it ok?), dem „in echt“ und dem „in Spiel“, sah Jamal angespannt aus, aber er war so konzentriert wie nie. das mit dem „we don’t care“ ist dennoch quatsch. Man macht halt kein Gedöns draus. D., der es immer runterspielt („it’s normal!“),  „caret“ durchaus: sah es  in der früh im update seines Facebook-status‘. die berührendsten Worte geschrieben an seine kleinen Söhne, für den Fall, dass es ihn vielleicht doch erwischt. Von der Liebe bis zum letzten Atemzug ist die Rede. Es ist normal, dass Raketen fliegen, aber es ist gut, das Wesentliche gesagt zu haben, für alle Fälle.

Berlin, 15. Januar, 2020

erste Probe (in diesem Jahr) mit Gaza. Man sähe es ihnen kaum an, wenn ich es nicht doch erkennen würde: im Hintergrund das Dröhnen. Es fliegen wieder Raketen. es hatte gedauert bis die Verbindung stand. es geht verhältnismäßig gut. die Zumutung, unter diesen Bedingungen zu proben. Gleichzeitig, weiß ich, dass es nun mal so gehandhabt wird. „We don’t care“. Man könne eh nichts tun. es bedarf dennoch (und gerade deshalb) der Feststellung: wie wissen, dass es schlimm zugeht bei EUch. Dies zu sagen ist wichtig,  auch wenn (und gerade weil) die Leute in Gaza dann sagen können: „Es ist, wie es ist. es ist normal (Aber schön, dass Ihr es merkt).“

Berlin, 14. Januar, 2020

Ich verliere den Kontakt zu Jamal. Die Verabredungen per Facebook funktionieren nicht. macht mich wahnsinnig. ab und zu kommen ein paar Daumenhochs, und „I am ready“ oder „Anytime“, aber Anytime ist nie und ich leide unter der Unerreichbarkeit. Unter beiderlei Unerreichbarkeiten.  Werde versetzt, weil er wohl einen Termin beim Kulturminister hatte. Na ist doch schön. Das weiß ich aber nur, weil zufälligerweise Der Kulturminister das gepostet hat. Der Kulturminister ist erreichbarer als mein Hauptdarsteller.

Abends dann doch in die Länge gezogenes Getexte. Immer will er wissen, wie das Ende sein wird. Das Ende vom Stück. berechtigte Frage. wollte es aber nicht vorwegnehmen: JA, es wird Haie geben. Ja, der Fisch wird ein Gerippe sein.  ja er kommt zurück nach Gaza. Nein er rudert nicht übers Mittelmeer.

Es soll sich entwickeln. im  Gespräch. im Spiel. Ich glaube es geht ihm nicht gut. Wie steht es um unsere Pläne, mit ihm im Februar in berlin zu spielen. Ist es machbar…? Ist es gut?

Berlin, 7. -12. Januar,

Steuererklärungen, Zeitverlust, der bewältigte Keller, das Trinken mit Kerstin und Pläneschmiden, wie es weitergeht mit dem Alten Mann und dem Meer. die neue MIniaturpizzaria um die Ecke, wie ein taubenblaues Geheimversteck, ohne Schnickschnack. ohne Toilette. wunderschön. hinterher zu Jean-Claude, die Bar des Begliers mit dem zugemauertem Aquarium. Der Kiez wird wieder vertrauter. Unversehens glücklich und geborgen. fahler Vollmond, sehr hell, aber trotzdem verschwommen unter Nebelschwaden. So kalt ist es nicht, wie er aussieht, der Mond, Dachterrassen-Blicke hinab auf den Kiez, staunen, wieviele Existenzen, Unruhe, ob es mit Jamals Reise von Gaza nach Berlin klappen wird. Ob er aber über … oder aber über… oder aber überhaupt nicht…. – nie ist etwas gewiss. aber es ist auch manchmal gut, nicht zu wissen. wäre langweilig, wenn man alles schwarz auf weiß hätte im voraus. manchmal einfach gut sein lassen, das unversehene Glück.

Berlin, 6. Januar, 2020

Beim Durchsehen der Steuer 2016 fragte der Steuerberater, warum ich bei der Bankverbindung keine IBAN angäbe. Er zeigte auf die Iban-Nummer. „Da ist sie doch…“ – dachte: kann der nicht gucken? wurde tatsächlich erstmals darauf hingewiesen, dass ich seit 2016  statt „IBAN“ auf allen Rechnungen „ISBN“ stehen habe. Erst sehr peinlich, dann entschiedne, dass es doch einfach lustig und ein kleines bißchen poetisch ist.

4. Januar, 2020

Jetzt wo der Sohn da ist. Keller in angriff genommen. Platz von Nöten, denn der Sohn kam mit einem großen Fitnessgerät. VIel weg. viel wiederentdeckt. Captain-Future-Einklebebilder – Lange Zeit vermisster und rätselhafterweise unauffindbarer Computer der Tochter tauchte auf. hatte ihn für die Playstation gehalten und in den Keller gepackt versehentlich. Das STück kein runter kein fern ist von Ulrich Plenzdorf. Gehofft die rote Lederjacke zu finden, die die verstorbene Schauspielerin Käthe Reichel mir mal geschenkt hat. fand aber nur eine andere ihrer Jacken, eine weiße Regenjacke. wirkt wie Kindergröße, denn sie war sehr klein. der Reißverschluß kaputt. dennoch aufgehoben. Stauballergieschub. es ist noch ein weites Feld. es ist ein kleiner Keller.

3. Januar, 2020

Gang mit L. zum Grab des Jan S. Friedhof an der Greifswalder Straße. Überraschenderweise fanden wir das Grab sehr schnell. L. fand es. Kleines Grab. Urnengräberfelder sehen wie Siedlungen von Elfen aus. die echten Gräber wie Vorgärten, bei den Elfen Steintüren ins Nichts mit kleinen Fußmatten davor. die von Jan ist bedeckt mit vielen kleinen Steinen.  Schön und Freundlich. An Reihenhaussiedlung gedacht, aber eine sehr individuelle. jedes Fleckchen anders. schräg hinter Jan liegt einer, dem haben seine Freunde eine Berliner Pilsener Flasche an den Stein gestellt. noch voll. und verschlossen. GlitzerHirsch und Bier. FRemde Namen lesen. wieder vergessen. Steine gesucht, um auch welche hinzulegen. Er eine schwarzen, ich einen weißen.  – Weiter hinten  die düsteren VIP-Grabstätten. Schmiedeeiserne Familienbetten. schwarzmarmorne Diktatoren-Paläste. bei einem Bänke rechts und links, in der Mitte Obelisken wie Raketenabschußrampen. saß hier jemals jemand? Wartezimmer-Situation. Inzwischen aber fehlt die linke Bank.. die Schrauben ragen aus dem Stein. Wer stahl die Bank? wo steht sie jetzt? zerfallener Pavillion für eine Geliebte. Backstein. Schöner, aber doch traurig. Mir fiel Eding-Markierung der „Sons of Chaos“ am rande des Torbogens auf. L. dagegen sah daß  Sterbedatum über dem Portal seltsamerweise übergemeißelt. aus der 1 wurde eine 6. Seltsam. da gibt jemand viel Geld aus und dann pfuscht er am Sterbedatum rum. Und wie kam es dazu? War sie  doch nicht tot? Auferstand sie wieder – um dann  fünf Tage später doch zu sterben?

2. Januar 2020, Berlin

Der Sohn kommt. Erstes Wiedersehen mit dessen Vater seit langer Zeit. auch der ernährt sich jetzt gesund, der Vater. kein Zucker kein Nicht-Bio-Fleisch. kein Schwein. erzählt: die Mutter der Mutter eines anderen Sohnes von ihm sei gestorben und vermutet, es sei weil deren Tochter der Mutter jeglichen Spaß am Leben am Ende verdorben habe. kein Shopping. keine kreditkarte kein Alkohol. Er selbst sieht jetzt auch sehr alt aus. sind das die 20er Jahre jetzt? die pc-jahre. ein Spielverderberjahrzehnt. Auch der Sohn sieht gesund aus und erschreckend fitness-studio-fit. Kein runter kein fern – von wem war das STück, sah es am DT vor langer langer Zeit – da war der Sohn noch nicht geboren. Sein Vater  spielte in dem STück. damals lachten wir noch viel über viel und viel war erlaubt. jetzt saß er in meiner Küche und aß den Apfelstrudel nicht. Er fragte kaum etwas nach meinem Leben. – Doch!  nach dem Motorrad. ob ich denn so ein großes überhaupt fahren dürfe. JA, ICH DARF! (ich sagte nicht, dass ich das bis vor kurzem tatsächlich einen MOnat lang nicht durfte). Er erzählte, er habe selbst ein Harley, aber er dürfe sie nicht fahren. vermutete, die neue Frau erlaube es nicht, aber es war die Filmproduktion bei der er eine durchgehende Rolle hat. aus sicherheitsgründen. ging dann. kam nach berlin um zum Zahnarzt zu gehen. er ist nicht glücklich mit dem zahnarzt aber geht zu ihm, weil der ihn besonders behandelt. Nachts! kommt allein in die Praxis. seltsam.

1. Januar 2020, Berlin

Sind jetzt die 20er Jahre? Silvesterparty der Tochter hatte dieses Thema. mein Silvester war von plötzlicher Stadtflucht geprägt. hätte zu Kaufland laufen können, aberdas Motorrad musste ausgefahren werden. die klirrende Kälte erwies sich als warm. Rewe. weil dort gibt es besseren Sahnejoghurt. Ahornsirup. Ist Ahornsirup eins der Worte die 2019 prägen? letztes Jahr fielen mir so viele ein. dieses Jahr komme ich nur auf eines: „Imponderabilien“. Und „Ahornsirup“? Der Rucksack voll Einkauf. Heißhunger, der mich die B1 hinunter trieb zum McDonalds hinterm Tierpark. dann doch nicht gehalten. Lust weiter zu fahren. die idiotiische Gewissheit, man könnte es trotz nur Kunstleder-Sommer-Jacke bis zur Ostsee schaffen… Silvester am Meer. oder wenigstens bis aufs Land. Hinter Strausberg doch kalt. SOnnenstudio. Weil SOnnenstudio auf dem Land leichter zu finden als Landgasthöfe. Schließlich Italiener bei Altlandsberg. Sah zu aus, aber es saß doch einer am Fenster. war der Koch. sah mich beinahe bestürzt an, weil ich vielleicht doch eher aussah wie eine, die sich nur ausaufwärmen will. Freute sich, dass ich essen wollte. La dolce Vita. sah aus wie EIscafe, aber unterirdisch eine Palastartiges Kellergewölbe voll mit leeren gedeckten Tischen. Kerzen. venezianische Leber. Fast sicher, es dann doch noch weiter zu schaffen, aber die Party der Tochter fiel mir ein. Und dass die hälfte ihres Kostüms noch in meiner WOhnung lag. und überhaupt. Was will ich an der Ostsee? immer wenn es mich da hinzieht, lande ich wieder in der Sparkassenfiliale in Prerow, weil ich vergesse, dass Prerow nicht schön ist. Steuererklärung begonnen. erst kurz nach 12 auf die STraße, in die Nacht. neue Schuhe. Tanzen. kein Sekt. Irischer Whisky. Daher heute klarer Kopf.

31. Dezember, Berlin

Die Straßen vor meiner Haustüre sind keine Baustelle mehr. Ungewohnter Anblick von Freiheit. Klirrende Kälte, aber kein Schnee, kein Eis.

Die Wohnung ist leer. Die Mitbewohner haben (alle) Spuren hinterlassen. Viele gute, einige schlechte, äußerst unschöne und welche, die sind wunderlich. der junge Maler, der zu seinem Freund nach Wien zog für ein Jahr, aber gerne wiederkommen möchte, hat große Leinwände mit Gemälden hinterlassen. ich schaue auf eins düsteres mit zwei Sanitätern darauf, aus einem der Weltkriege. es ragt hinter meinem Schrank hervor. er hat auch andere Bilder dagelassen und vier VHS-Kassetten mit  Asterix-Filmen (oder bilde ich mir das ein?) und ein altes Brett auf dem er Farben gemischt hat. das ist das farbenprächtigste Bild von allen. die Wände hat er am Ende gestrichen, sagte er, aber jetzt, da ich dieses Zimmer wieder bezogen habe, im Bett liege und die Wände anstarre, sehe ich, dass er nur einige Stellen übergemalert hat. In einem helleren Weiß als die Wand. Er ist halt ein Kunstmaler und kein richtiger Anstreicher. Weil ich ihm versehentlich lange Zeit keinen Briefkastenschlüssel gegeben habe, hatte er den Briefkasen immer von Innen aufgemacht durch einen HandGriff zum drehbaren Schloß. nun ist es ausgeleiert und geht kaum noch zu. Immer steht der Briefkasten offen. die Unarten des anderen Untermieters (des Unteruntermieters) haben mich aber milde gestimmt und ich empfinde die weißen Wölkchen an der Wand als eine der lustigeren Spuren. das mit dem Briefkasten wiederum fand ich eine Weile sogar praktisch – jetzt ist es eine Herausforderung. Werde mit Magneten arbeiten. passt schon. Der Übermieter, der jetzt den Schaden das unartigen Untermieters (der nicht zahlen will, und manisch-depressive  Schübe hatte, das Waschmittel aufbrauchte und auch sonst alles immer aß ohne es nachzukaufen) trägt, also die zusätzliche Miete zahlt, und den ich sehr mag (und nicht nur weil er so selten da ist), verläßt mich nun auch. er kann sich das Fernab-Sein nicht mehr leisten. er arbeitet in Stettin und hat dort eine eigene Wohnung gekauft, die er renoviert. Er hat auch in meiner Wohnung Wunder vollbracht. Sein kleines Zimmer ist jetzt fast das schönste von allen. Beim längeren Betrachten der schönen DInge, entschieden: es ist eigentlich okay: er hat mehr getan als der andere geschadet hat. Loslassen. Gut sein lassen. Bald beginnt ein neues Jahr. Vielleicht sollte ich gar keine fremden Leute mehr in meiner WOhnung haben. Habe dringendes Bedürfnis nach eigenen Vier WÄnden. Egal wo ich bin, aber in meinen eigenen  vier Wänden erst recht. Außerdem  Neujahrs-Vorsatz: Großzügig sein. GUt-Sein-Lassen ist doch gut. Kleinkriege sind doof. Krieg ist natürlich auch doof. Aber die im kleinen kann man wenigstens vermeiden.

***

30. Dezember, Berlin

die vorzeitigen Feuerwerks-Schüsse klingen fast genauso wie die ferneren Raketen in Gaza. Seltsam. nicht dass ich hochschrecke. es ist nur so ein Bruchteilsekunden Augenblick der Desorientierung.  soll man die Kamera greifen? soll man auf den Balkon rennen? Und wie in Gaza sieht man nicht wo die Raketen fliegen. In diesem Fall, weil es am hellichten Tag ist. Idioten. (hier wie dort).

[…]

26. Dezember, Neukeferloh.

Aufbruch. vor der Fahrt zum Flixbus noch auf dem alten Wald-SPielplatz gewesen. die Kinder wollten hin. schloß mich ihnen an. der Vater, der sonst nie im Ort spazieren gehen will, wollte plötzlich auch mit. verwundert, dass keine Kinder da sind. Immer hieß der Spielplatz „der große SPielplatz“. er ist nicht kleiner geworden, aber verlassener. es gibt hier einfach nicht mehr so viel Kinder. dennoch alles beim Alten. wäre gerne Karussell gefahren, aber allen war es zu nass. und es sei auch kein Karussell, sagen sie. […]

25. Dezember, Neukeferloh.

schönes Fest. der Vater will ein Paket auspacken anch dem anderen. Immer noch lobt er den Baum, schönster Moment als wir „Stille Nacht“ sangen. erst wollte keiner, dann totale Rührung. die Stimme, die sich überschlägt. Schöne Bescherung. Auch hier hängt nun ein Baum an der Decke. hatte auch die Lichterkette von der Decke kommen lassen wollen, weil Kabel aus ihr herausragten, sogar mit Lüsterklemmen.  wie ich in irland gelernt habe ist die Richtung des Stromflusses überall gleich von Plus nach minus. Aber wo ist Plus und wo ist Minus? alle möglichkeiten ausprobiert. sogar die abgeschnittene Lichterkette wieder zusammen gelüstert, weil plötzlich nicht sicher, ob sie vielleicht kaputt ging. Aufgegeben. Lichterkette jett doch mit Strom aus der Steckdose. als der Baum geschmückt war, wies mich die Mutter auf einen vergessenen Schalter hin. ja… es gab ja mal Licht. hier hing die große schöne Lampe, die in vielen Filmen meiner Eltern eine Rolle spielte. vielleicht war er einfach aus. will es nicht wissen. Schlafe im Bett der Mutter, das ich mir mit der Tochter teile. schlafe gut. Geborgenheit. lange im Bett geblieben Online-Tests gemacht. ob man im herzen ein Ossi ist oder ein Wessi. und welcher Disney-Charakter. ich bin 100% Ossi (hatte aber einmal geschummelt und behauptet „Specki-Tonne“ zur Bio-Tonne zu sagen) und Tinkerbell. die eifersüchtige Elfe aus Peter Pan. Na ja hätte schlimmer kommen können.

[…]

24. Dezember, Neukeferloh

23. Dezember, München

Frau in der S Bahn, sitzt zu dicht als daß ich ihr telefogespräch überhören könnte.

„Wenn Du die Wahl hättest: wärst Du lieber blind oder im Rollstuhl?“ – sie hätte jetzt länger darüber nachgedacht. die Stimme im Telefon (beinahe höre ich auch sie) zögert und fragt wohl „wieso…?“ – „nur so.“ – es käme natürlich auch drauf warum man im Rollstuhl sitzt. ob querschnnittsgelämht („wie mein Bruder“, sagt sie, „oder schlimmer. oder nur so.“ )Die Frau, blond, etwas wirres Haar in seltsamer Stimmung. meint es gut. Wachrüttelgespräch. Auch wegen der Rosa. Ob die am anderen Ende der Leitung nicht doch mal hingehen wolle. die Rosa mache es wahrscheinlich nicht mehr lange. die am anderen nde will aber nicht hin. die Rosa ist aber wohl nicht blind oder im Rollstuhl. Im Rollstuhl ist der Bruder von der Blonden. scheint Nichte oder Ex-Schwiegertochter der R. zu sein. die andere scheint Tochter. Die Tochter kann nicht laufen und hat einen schlimmen Fuß. aber gerade deshalb wärs wichtig, dass sie sich auf den Weg mache, um die Rosa zu sehen. sitzt die Rosa im Rollstuhl? gespräch wird dringlicher. Vorwurfsvoll ist die Frau immer noch nicht, aber doch rehct vehement. Mir ist als hätte sie getrunken. Weihnacht macht dünnhäutig.

ein gespräch in dem es viel um Krankheit get […]

22. Dezember, München

die Stadt ist freundlich. wohlgesonnene Leute. immer nur kurze Wiedersehen, aber warm. Lorettabar. aber die Sationen meiner Schulwege verfallen langsam. die abgerissenen Kacheln am S Bahnhof Rosenheimer Platz und Isartor. die vielen leeren Läden… der 52er Bus fährt anders. Überall ist der Lack ab.

21. Dezember, Neukeferloh

Die Kratzer am silbrigen Auto mit Weihnachts-Eding behoben. auf ausdrücklichen Wunsch der Mutter.

20. Dezember, Neukeferloh

älterer Mann in Copyshop am S Bahnhof Haar unterbricht sein Kopieren damit ich meine 7 Ausdrucke machen kann. Die Menschen sind freundlicher als in Berlin. dennoch unangenehm, hätte nämlich weit mehr gehabt. traute mich aber weder zu warten noch nochmal zu unterbrechen. Fahrt nach Glonn im SOnnenschein, aber immer wenn wir vor den bergen sitzen zieht es zu. Rückfahrt beinahe düster, nur der Horizont sticht wieder gelb in Auge. Wolken wie verlaufene Tusche. Weihnachtspost. der Vater inspiriert mich und umgekehrt. Nikoläuse haben jetzt Autos. die Autos des Vaters sind großartig. musste an den Gaza-Kulturminister denken, an das Kritzelblatt auf seinem Schreibtisch. Ähnliche Fahrzeuge. Tee. Fernsehen. Nachricht des Unter-Untermieters. Er sei jetzt spontan ausgezogen. Zahlen werde er nicht. Hab ich jetzt das davon, dass ich ihn mir heimlich weggewünscht habe? aber das Geld doch nicht! Stelle fest, dass dennoch gute Laune. Nachts zum Briefkasten.  Im Dunkeln sieht mein Kindheitsort noch aus wie früher. Nur die Lichter sind kälter. ich vermisse das wärmere WOlframdraht-Glühbirnenlicht. irgendwo riecht es nach Lagerfeuer. der kleine Briefkasten (es ist tatsächlich der kleinste den ich kenne) ist immer noch der alte. das Gelb ist kaum noch gelb. Auf dem Rückweg duftet es nach Pfeifentabak. Jemand raucht, es muss ein Tabak sein den ich selbst einmal geraucht habe. Avalon? die hatten eine so schöne Tabakdose.

17. Dezember, Neukeferloh

der Vater hätte einen Zahnarzttermin gehabt, aber war nicht dazu zu bewegen hinzugehen. gelogen, dass ich Zahnschmerzen hätte und gebeten, er möge mitgehen. alles Mist. die mißlungenen Versuche, die Sprechstundnehilfen einzuweihen in abstruse Pläne. die Geduld des vaters im Wartebereich, lobte den Zeitschriftenständer, der so platzsparend un dordentlich an der Wand angebracht war. immer wieder die Rückversicherung, dass es nicht um ihn ginge… dass er nur mit gekommen sei, für mich. BIs auf den Zahnarztstuhl habe ich ihn gebracht, den Papierlatz lehnte er ab, weil den bräuchte er ja nicht. aber er saß im Stuhl. wo blieb die Ärztin. immer wieder kam nur eine neue Frau in weiß, die nur SPrechstundenhilfe war.  immer wieder verließ eine den Raum, nicht sicher, was zu tun sei. allein mit ihm schließlich die Wahrheit gesagt und gebeten er möge wenigstens nachsehen lassen. seine Weigerung: er habe ja keine Schmerzen. – „Dann brauchst Du doch auch nichts zu befürchten!“ – „Aber die finden doch immer was….!“ schließlich kam die Ärztin. weigerte sich, den Vater zu behandeln. oft sei sie schon gebissen worden. die behandlung sei auch weit zu kompliziert. Wut, weil, dass doch dann vorher klar gewesen sein muss, dass das alles so nicht geht. sie entschuldigte sich, ihre Kollegein habe den Termin gemacht vor einem viertel Jahr. sie selbst riete ab. „lassen sie den Zahn wie er ist.“ könnte heulen. wofür das alles. die Lügerei, der Zeitdruck, der zu früh abgebrochene Mittagsschlaf des Vaters. und am Ende gibt die Ärztin zu dass es eigentlich eh nicht nötig sei. Nun hat er sogar recht: Es ist gar nicht nötig.  Und ja, die finden immer was… nur dass sie es manchmal doch gut sein lassen. warum auch immer. ob aus Medzinethischen Gründen, gesundem Menschenverstand oder aus Angst, dass ein alter Mann sie in den Finger beißt.

unverrichteter Dinge fuhren wir weg. zu spät für einen Spaziergang, aber die Mutter fuhr ein bißchen in Richtung Berge. Aufgewühlt. zur Ruhe kommen. immer ist die Straße zu eng. der Tag flieht. er ist bereits anderswo beschäftigt. hellgelb und türkis am Horizont, darüber bleierne Wolkenmassive. als wir die echten Berge sahen, wirkten sie längst nicht so grau und schwer wie die WOlkenberge über ihnen, als ginge das Gebirge hinter ihnen weiter. unglaublicher Himmel. auf der Rückreise – immer nur giftgelber Horizont, Walfische und gepanzerte Toere schienen vor ihm zu spazieren. wunderschön und unheilvoll. darüber strich ein Gott und pinselte alles zu, was heißt pinseln, es war das schönste Gemälde, das ich je sah.  graue Wimpernschläge, zartes Erröten,  lodernd von innen –  immer höher schien der HImmel zu werden unter dem taghellen gelben Streif. Keine Ahnung wo die Sonne in all dem steckte. es muss sie jemand vom Firmament gepflückt haben. ein Oben und unten gab es schon lange nicht mehr. der vater meinte, es sei wie der große Brand von Atlanta in „Vom WInde verweht“. ich glaube das trifft es besser. Erschöpft zu hause angekommen. eiegtnlich waren nun alle froh, den Zahnärztinnen entkommen zu sein.

14. Dezember, Neukeferloh

Das neue Haar, das gewöhnungsbedürftig ist. sehr blond. Die Mutter sagt, früher sei so ein blond verpönt gewesen (weil es nicht ganz blond ist, weil ich bereits Ansatz habe.) sie sagt aber, dass sie es nicht schlimm findet, eigentlich im Gegenteil (ich glaube das blond gefällt ihr nämlich in Wirklichkeit gar nicht) – so sähe es natürlich er aus. Naja weil halt die Naturfarbe durchkommt. weil ja eh inzwischen jeder weiß, dass so ein blond nicht echt ist. jetzt ist es okay, wenn sich das mischt. Dem Vater gefällt das Haar. Zwar, sagt er, hätte er mich beinahe nicht erkannt (das hatte ich befürchtet. das befürchte ich immer), aber es gefielet ihm. Es gefällt ihm wirklich, es ist keine Höflichkeit, denn er sagt es alle zwei Minuten. Gewöhnungsbedürftiges Haar… – er gewöhnt sich grundsätzlich nicht mehr. er vergisst es alle zwei Minuten Aber es ist schön dauernd Komplimente zu bekommen. Man muss nehmen was man kriegt. alle zwei Minuten

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Versuch, die Moneygram-hotline anzurufen, um rauszufinden, was mit dem Gaza-Geld ist. rausgefunden, dass es keine Moneygram-Hotline gibt. mit wem telefonierte ich dann 20 Minuten? 15 Minuten in der Warteschleife und immerhin 5 Minuten lang versuchte mich eine Frau durch die Website zu navigieren. Immer beschrieb sie Buttons, die ich hätte anklicken müssen in falschen Farben. Rot. bei mir ist alles rot. ich sehe nur rot. sie behauptet da sei ein Untermenü in Blau. Und mit den referenznummern kann sie auch nichts anfangen. Als ich von der trostlosen Filiale anfange wird ihr Ton ernst und sie sagt (und es klingt selbst etwas erschüttert und absolut ehrlich:) sie hätten keine Filialen in denen man Bargeld einzahlt zum Versand. Irgendwann komm raus, dass sie gar nicht von Moneygram ist. Scheiß Internet. scheiß moneygram. Scheiß Google. weil die keinen Telefonsupport geben, landet man halt bei einem anderen Geld-transfer-unternehmen. zwar kein , aber einem mit Hotline…

langen Beschwerdebrief geschrieben. als er fertig war, schrieb D. es sei nicht Moneygram, die das Geld nicht auszahlen. die Hamas hält es zurück.

 

13. Dezember, Neukeferloh

Gestern schöne Reise. manchmal Glück mit Blablacars. Der Hamster saß angeschnallt auf der Rückbank. Also sein Käfig war angeschnallt worden. hatte im Vorfeld schon auf der Mitfahrzentral-Seite darüber gewitzelt, als ich dem Fahrer die Mitfahrt bestätigte und dass ich kein Problem hätte mit der Anwesenheit eines Hamsters. Die mail war aber erstmal nicht versendet worden, wegen technischer Schwierigkeiten seitens Blablacar. daraufhin neue Mail(s) gesendet mit immer witzigeren Hamster-Kommentaren. und dann noch einen. Blablacar sendete sie dann allesamt 2 Minuten später gleichzeitig. Erkenntnis:  Witze werden nicht besser, wenn sie dreimal hintereinander eintreffen. verpuffte Witze mit schlechtem Timing ärgerten mich dermaßen… – wahrscheinlich geistern sie jetzt aus Frust und ohne Pointe im Tagebucheintrag herum.

Der Hamster selbst kam erst später ins AUto. Baumschulenweg wurde er gebracht. er war tatsächlich der einzige weitere Mitfahrer im AUto und ich sah ihn nie. tief eingekuschelt ins sein Stroh (und eben sehr klein) gab er nicht einmal einen Piep von sich. Fast sicher gewesen er sei tot und am ENde würde es heißen der Fahrer müsse ihn bezahlen und ersetzen. oder vielleicht war der Käfig selbst leer und es gab gar keinen Zwergenhamster. Der Fahrer wollte nicht nachsehen. Angst, das Tier würde vielleicht hinausspringen. Nun werde ich es nie wissen. es ist ein bißchen wie mit Schrödingers Katze und der Heisenbergschen Unschärferelation. so lange man nicht nachsieht ob sie tot ist oder lebt, ist sie beides.

Angekommen nach schöner aber langer Fahrt durch schneebestäubtes Thüringen in schneelosem Bayern, später als gedacht. die Eltern holen mich an der Raststätte Vaterstetten ab. sie umkreisten den MacDonalds vor dem ich stand. Beinahe verpasst. beinahe nicht erkannt.

 

12. Dezember, Neukeferloh

D. schreibt per Whatsapp, das Moneygram-Geld sei ihm in Gaza nicht ausbezahlt worden. die hätten Angst, dass er das Geld für den Bau von Raketen verwende.

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Ich habe gemerkt, dass ich doch zur Zeit ein bißchen viel rumjammere beim Thema Heimatlosigkeit. Dabei ist es ja eigentlich umgekehrt. ich bin mehr denn je gesegnet mit wunderbaren Menschen überall, die mir Unterkunft anbieten, ob in Irland, wo ich jetzt eine Residenz angeboten bekommen habe, in Gaza, und natürlich auch in Windsbach.  Und dass ich mich in meinen eigenen vier Wänden gerade so verloren fühle, ist letztendlich  meine eigene Unfähigkeit, mich abzugrenzen. oder mich zu entscheiden, wohin es endlich wirklich geht. wenn man weiß wo man hin will und bleiben will, muss man sich selbst ein Nest bauen und nicht erwarten, dass man eins angeboten bekommt. vielleicht ist das auch das eigentliche Problem gewesen bisher. ich bin eingeladen worden, anstatt selbst einladen zu können. Und in erster Linie will ich doch wo sein, wo ich arbeiten kann. und wenn ich arbeite, dann arbeite ich wie ein Berserker. Auch habe ich fast noch nie alleine gelebt. Das ist jetzt wichtig. mein Aufbruch von zuhause war damals sehr schnell; weg aus der Heimatstadt. Selbst sein. aber eben in einer WG gewohnt. zu früh ein Kind bekommen und definitiv zu früh mit dem Vater des Sohns zusammengezogen. ihn verlassen, aber eben dann mit Kind gelebt. mit Kindern. Erstmals sind sie aus dem Haus. ich kann ein neues Leben beginnen. wohin? und wohin mit der leeren Wohnung. Untermieter bewohnen sie nun. es ist schön nicht ins Leere zu laufen. aber zur zeit ist es zu viel. Auch droht das erste Kind bereits wieder zurückzukehren. Es ist definitiv zeit ein neues leben zu beginnen. und ich suche den Ort an dem ich wirklich gute Arbeit machen kann. Habs in Windsbach versucht, aber gegen die Institutionen dort anzukämpfen fehlt mir die Kraft. ich kann nur da arbeiten, wo man die Arbeit auch will und sie nicht nur in Kauf nimmt. Was ich also eigentlich will, ist ein Ort an dem ich nicht nur mal eben sein kann, sondern arbeiten kann. Wo die Arbeit Sinn mache, wo ich Sinn mache. Wo ich langfristig sein kann und niemand auf der Couch rumliegen muss, oder nerve weil ich  (vielleicht?) die Weihnachtsdekoration falsch aufhänge oder den falschen Saft gekauft habe. zu wenig helfe oder zu viel. mich zu wenig einbringe oder zu viel. zu wenig dem Bild entspreche, das man sich gemacht hat oder zu viel Senf dazu gegeben habe zu den Selbst-Bildnissen der anderen. es geht immer schief, solange man nicht selbst lebe. Hier sei an den genialen Werbeslogan von Ikea erinnert. Wohnst du noch oder lebst du schon? Es ist Zeit dass ich einen Ort finde, zu dem ich selbst einladen kann.  das Zelt vor der Gottesruh war gut für das Gefühl der eigenen (dünnhäutigen) viel Wände, aber einladen hat man da niemand können. Die teure Kellerwohnung in Neuendettelsau, die Tagsüber das Büro des alten Pfarrers war, war da auch ein Fehlgriff (wenn man mal davon absieht dass sogar Sanitäter und Polizisten mich zuweilen abhielten in eben diese neuen Zweit-Wohnsitze zu gelangen!). Im Traum aber  fliege ich zuweilen durch die Städtearchitektur meiner Traumortschaften, oft verschlägt es mich nach dem Stadtteil, der dem realen Friedrichshain am nächsten kommt. Aber alles ist kleiner dort, eher eine Miniatur von einem Fluss umgeben wie eine alte Stadt in einer Stadt. immer wieder finde ich Wohnung hier, die ich einst gemietet habe, aber vergaß zu beziehen. immer wieder staune ich, was für geräumige spannende Altbauten ich vergessen habe zu beleben.

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Spontaner Aufbruch nach Neukeferloh. Blablacar. der Fahrer  fragt per Whatsapp an, ob ich ein Problem hätte damit, dass ein Zwerg-Hamster mitfährt.

 

11. Dezember, Berlin

Heute ist wirklich der erste Ruhetag. Kommt mir vor, als wäre dieses Jahr eine ununterbrochene reise gewesen. Angekommen bin ich eigentlich nie irgendwo. diese Entscheidungen stehen noch aus. wo ist mein neues zuhause? ist es mein altes? Haus meiner Kindheit? zurück in die Vergangenheit? mein eigenes ist einfach zu voll gerade. Windsbach scheint irgendwie verloren zu sein. es wird ein Sinn dahinter stecken, dass ich dort nie etwas gefunden habe. Oder besser gesagt: es immer so viel offene Arme gab und am Ende doch nie. was soll’s. noch ein Jahr reisen mag sein. dann will ich so was wie  Ruhestand haben. habe ihn dringend nötig. Aber das mit Gaza ist einfach noch nicht bewältigt und vielleicht ist es wichtiger als die Sehnsucht nach Überschaubarkeit. ist ja eh quatsch. nie ist etwas überschaubar (oder gar durch).  Kofferpacken. einstweilen zu den Eltern.

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Doch zu viel liegen gebliebenes. Die Honorar-Überweisungen nach Gaza. Eigentlich seit meiner Rückkehr versuche ich die du machen und kriegs nicht hin. Moneygram, sonst immer einfach online, behauptet irgendwelche Parameter seien falsch. Support-Hotline gibt es nicht. nach einigen Tagen bekommt man aber eine Mail, in der steht nicht viel mehr als „Prüfen Sie alle Parameter“. wollte es daher mit einer Moneygram-Filiale versuchen. sie ist nicht so weit entfernt von mir, aber mit dem Motorrad schwer zu erreichen. Hinter der Lichtenberger Brücke, an der B1. man muss verbotener Weise auf der Brücke halten, entweder bis weit in Richtung Stadtauswärts fahren und dann wenden, oder, wenn der Gegenverkehr abreißt „querfeldein“ fahren. Das Motorrad holpert über den Bordstein. es ist ein kalter Tag, mit verschleiertem Himmel, aber die Sonne bricht durch. Trist-schöne Aussicht die Zugverkehrs-Schneise, die in die Stadt geschlagen ist. Es ist eine Gegend, in der ich immer verloren gehe. unter der Brücke zieht sich der Gleise in die Breite; hinter der Brücke beginnt die Häuserzeile, in der sich Money gram befinden müsste, immer noch unerreichbar. bin abgestiegen und jetzt zu Fuß, aber komme nicht über oder unter eine weitere Unterführung: die für die Autos  ist umzäunt, ich muß zurück und noch weiter Richtung Stadtauswärts, dann zurück über Treppen. Niemandsland. Hier irgendwo habe ich meine Führerscheinprüfung absolviert. frage mich inzwischen wie dies möglich war. Moneygram gefunden, aber die Filiale hat geschlossen aus technischen Gründen. – das war gestern. Heute wieder versucht, hatte vorher angerufen, um sicher zu gehen, dass offen ist. die Frau am Telefon klingt verschlafen, doch doch sie sei die Moneygram-Filiale… unter anderem. Und natürlich sei offen! durchgehend. Fragte, was ich mitbringen müsse. Pass? Kreditkarte. und ob das Procedere genauso sei wie wenn ich es online mache. sie sagte ja. wieder der Weg über die Brücke. Dieses Mal bei Regen. noch trostloser, aber Filiale geöffnet. es ist auch ein Hermes-Shop. Wie können Pakete ebenfalls trostlos aussehen, es sind nicht viele, es nicht wenige. man sollte doch denken Pakete verheißen Auspackfreude, die hier sind im Raum verteilt in schäbige Regale und starren einem vorwurfsvoll an. wahrscheinlich will keiner die abholen. Vom Computer tönen fremde Worte in fremder Sprache, nicht klar ob Skype oder Soap-opera ohne Lacher. es dauert ewig. Registrieren lassen. Pass zeigen.  der Name des Empfängers. („was ist da der Vorname, was der Nachname?“) dabei habe ich doch sogar ein Foto vom Ausweis von J und D. Ist der Name „Jamal“ so ungewöhnlich? Okay „Abualqumssan“ ist lang. Wohin das Geld ginge? zum dritten Mal sage ich „Palästinensische Autonomie-Gebiete“ zum dritten Mal versteht er „Pakistan?“ dann endlich die eigentliche Aktion.  ich schiebe die Kreditkarte über den Tresen. Er sagt „Nur Cash!“ Aber Ich hatte doch extra gefragt wie das läuft! Angerufen hätte ich. eine Frau habe gesagt, es sei genau wie online. Das sei sicher eine andere Filiale gewesen. „doch! das weiß ich nun wirklich genau. Frankfurter Alle 267! habs in Google Maps gegoogelt um zu sehen, ob es nicht doch noch einen besseren Weg gebe. jetzt fragt er jemand im Hinterzimmer. es ist die verschlafene Stimme. die bestätigt, dass eine Frau angerufen habe. aber die hätte nur nach dem Pass gefragt. ich bin sauer, dass die Verschlafene nicht einmal nach vorne kommt. andererseits bin ich auch froh, dass sie körperlos bleibt. es ist ja eh schon zu viel. die ebenfalls körperlosen Stimmen aus dem Computer klingen jetzt als würde jemand in einem öffentlichen Prozess ein Statement verlesen. es hilft nichts. ich muss das Geld in Bar auftreiben.

Postbankautomat an der Buchberger Straße ist nicht mehr da, weil das dazu gehörige Postamt ebenfalls nicht mehr da ist. Hättet ihr nicht den Automaten sein lassen können? wenigstens?! Ringcenter Deutsche Bank. gibt Geld aber nicht genug. Verdammt, es ist wie in Gaza! Und nur deshalb steh ich ja hier: weil die ATM-Automaten nur immer ein ganz klein bißchen gegeben haben und ich deshalb nicht alle Gehälter hab auszahlen können. am besten man bleibt gleich ganz da in Gaza!

aber eine neue Post hat aufgemacht. man muss durch den Durchgang des Plattenbau-Blocks Frankfurter Allee / Ecke Gürtelstraße. hätte den Rat des Deutsche-Bank-Beamten beinahe nicht verfolgt, denn das kleine uralte Einkaufscenter schräg gegenüber der dunkelroten Backsteinkirche war schon  in Auflösung begriffen als ich vor langer Zeit hier mal zur Paartherapie gegangen bin um die Beziehung zum Vater meiner Tochter zu retten. die Therapie war gegenüber vom Troja-Imbiss und dem leeren Baumarkt. verlorene Posten alles drei. Wieso nennt man einen Imbiss nach einer nach zehn Jahren Krieg zerstörte Stadt? In dem Baumarkt habe ich mal eine Klobrille gekauft, dennoch Pleite. und die Therapie… hat auch nicht funktioniert. seltsamerweise eröffnet aber hier eine Post. Wieso hier? überall machen die Postämter dicht, aber hier aufersteht ein neues. und ich bekomme mein Geld. Zurück zu Moneygram. Inzwischen Klatschnass. Finger wie Eis. Nun geht es schneller, aber die Gebühr für den Transfer kostet 20 €! Aber im Internet, wenn man es selber macht,kostet es nur 2,40! Moneygram-Hermes-Mann drückt seine Verwunderung aus, er selbst mache das nur online. er sagt es freundlich. ohne Pampig zu sein. im Gegensatz zu mir. „Wegen der Parameter!“ sag ich. weil ich was mit den Parameter falsch mache.  „Ja,“ sagt er, manchmal geht es manchmal nicht.

Ich hoffe das liest einer von Moneygram. Ehrlich…! Manchmal funktioniert es, manchmal nicht? das ist mein Geld, das ist viel Zeit! – also  okay, es ist nicht mein Geld, es ist  das Fördergeld des Hauptstadtkulturfonds. Naja und die 20€ die zahle ich aus eigener Tasche. damit nicht alles umsonst gewesen ist.

 

10. Dezember, Berlin

sehr schöne zusätzliche Vorstellung. es war gut, dass wir Rene nicht einfach die Gaza-Vorstellung gewidmet haben, auch diese Idee stand im Raum. so hat er seine eigene bekommen. Auf dem Bild, das ihm zu Ehren aufgehängt war im Korridor zur Bühne war er im Halbprofil, eher von hinten zu sehen. er steht am Rand des Bildes und richtet einen Scheinwerfer auf die Bühne. dennoch ist er zu erkennen, ein aussagestarkes Bild. es ist eins von ihm (das Geschehen auf der Bühne ist nicht wesentlich auf dem Foto).

Vorstellung war wunderschön. ein Spaziergang durch eine Gartenzeitung, Bonbon-Kolibris, die von einem Waschlappen verschlungen werden, eine Fahrt in einem Papierboot nach Neuseeland. herabfallende Blätter und EIs. teilweise sehr lustig, es wurde viel gelacht, aber die zarten Bilder und die Geschichte darunter brach doch immer durch: wer hätte gedacht, dass ein dunkelrotes Brillen-Etui so sehr nach einem Sarg aussehen kann? Gut, diese Momente ebenfalls zuzulassen. und es kommt ja immer anders. selbst wenn ein Handschuhgeist namens Malte aus dem Sarg kommt. Die Gegenstände, die das Publikum beisteuerte waren wunderbar. der Höhepunkt dann die Schiebermütze, die Renes Freund beisteuerte, Renes Mütze. in der fuhr U. davon. ich sprang mit ins Boot, als Segel ein blauer Regenschirm hinter dem wir verborgen waren. ein kleines Happy End. dennoch. vielleicht auch eine still und heimliche Fahrt über den Acheron in einem Fährboot auf dem dunkel  und verblasst „Coca Cola“ stand.

9. Dezember, Berlin

Und unser Lichttechniker ist tot, Rene, der unser Spielformat „Improvisionen“, aus dem sich auch das aktuelle Projekt heraus entwickelt hat, fast von Anfang an betreut hatte. Ein freundlicher, bescheidener Mann,  viel zu selbstverständlich, dass er immer da war. Und weil er zwar „Immer“ da war, aber eben immer nur einmal im Monat für die Vorstellung, war immer eben doch immer nur zu kurz um mehr zu erfahren von einander. Morgen spielen wir im zu Ehren eine Extra Vorstellung in der Schaubude. Es ist wirklich eine Ehre, denn Rene muss den anderen Kollegen am Theater gesagt haben, dass wir seine Lieblingsgruppe waren. – aber warum entschied man sich für den Titel „Zu viel Salat“? die Geschichte hierzu ist schwer zu erzählen, so undramatisch und beinahe unpointiert. Offensichtlich hatte Rene, ausdrücklich kein Vegetarier oder gar Veganer, einmal  nach einem Gastspiel oder einem Festival, als alle in einer Pizzeria zusammen saßen, ausgerechnet Salat bestellt. Vielleicht weil alles Andre einfach zu viel Pizza oder Pasta gewesen wäre. ein große Esser war er nicht gewesen. Er bekam seinen Salat, pickte die wenigen Putenstreifen heraus und als man ihn fragte, ob es nicht schmecke, oder ob es ein Problem gäbe mit dem Salat, hatte er geseufzt und gesagt: „nein, nein… -“ – es sei nur zu viel Salat. beim Salat.

Sind das sie Geschichten, von denen man will, dass sich andere erinnern, wenn man tot ist? Ich erinnere mich eigentlich lieber an die Gummibärchen, zu denen er nie nein gesagt hat. und sein erstaunt-freudiges  „Ach so!“ wenn wir ihn mit neuen Innovationen überraschten. Er hat die Überraschungen immer mitgetragen. verläßlich und ohne viel Wind drum zu machen. „Zu viel Wind“ wäre kein passender Titel gewesen. die Begeisterung sah man in seinen Augen, eine stille zarte Begeisterung. das ist manchmal viel mehr als die Strohfeuer-Euphorien, die am Ende verbrannte Erde hinterlassen.

Bin traurig, dass er gestorben ist. Aber Freude, dass wir spielen für ihn. frei und ohne viel Aufwand.

8. Dezember, Berlin

die Oma des B. war schon vor ein paar Wochen gestorben. Daher wohl die Frage per Whatsapp, ob ich das Häuschen nicht kaufen möchte. Die Frage war so überraschend gekommen und traf mich in Gaza, ich hatte den Zusammenhang nicht begriffen. Bertholdsdorf schien so absurd weit weg… Nun entpuppt es sich als verlorene Parallelwelt. Wieder ein mögliches Heim verloren. Und in meinem eigenen…. – da  ist der Unter-Untermieter. er naht. he is… „a lot!“ ich schlage mich in die Kissenberge. Aufräumen müsste ich, ruhe will ich. niemand sehen mag ich… – Eine Gedichtzeile von Anna Achmatova (oder Marina Zwetajeva?) dreht in meinem Kopf seine Kreise. das Gedicht heißt „Der Keller der Erinnerung“ und endet mit der Zeile „Wo ist mein Haus / und wo ist mein Verstand?“ Kein guter Tag. Leer. Aber die Wohnung droht doch zu voll zu sein. Der Unter-Untermieter ist nicht einmal da, aber seit gestern naht er und könnte jeder Zeit eintreffen… also ist er bereits irgendwie da. Schlaflose Nacht, aber selber Schuld, weil zu viel Serien geguckt. Gute-Nacht-Geschichten, die einen zwar einschlafen lassen, aber im Stundentakt wieder aus dem Schlaf reißen. Morgens um 7:30 klingelte der Handwerker. hatte ich vergessen. Malte die Decke der Küche weiß. Weg ist der Wasserschaden der Bewohner über mir. hatte mich schon gewöhnt an die Arabesken im Laufe der Jahre. Ist das jetzt gut?

7. Dezember, Berlin

Der erste Tag Ruhe seit sehr langer Zeit. Wäre unruhig, wenn nicht ausnahmsweise mal wirklich überwältigt und zufrieden zugleich. Gaza, immer so anstrengend, plötzlich in einer Leichtigkeit. einfach nur Spiel. der gut gebaute erste Teil, der improvisierte zweite Teil: das Treiben auf offener See… – habe nachwievor keine Ahnung, wie Jamal es schafft IN DEN OBJEKTEN zu sein und mit ihnen zu spielen, obwohl er beinahe nichts sieht in Gaza. Vielleicht muss man nicht alles sehen, solange die Impulse ihn treffen, der Ton ihn navigiert. Er hüpfte Trampolin in einer runden Dose Fisch mit Klarsichtfolie, er saß auf einem Sofa in einem Zeitungsbild des NEUEN DEUTSCHLANDs zwischen zwei Damen und schien sich köstlich zu amüsieren in ihrer Mitte; er ritt „in einem anderen Land“ auf den Elefanten, die auf einem Notizbuch abgebildet waren, alles Dinge aus dem Publikum und er tauschte das mühselige Ruderboot gegen diverse andere Modelle. was für eine Befreiung als da plötzlich eine purpurfarbene Tabletten Schachtel zum Speed-Boat wurde, der alte Mann und die Yacht, winkend und frei… Beinahe zu viel des Guten. Wie kommt man wieder zurück zum Roman, wie schlägt man den Heming-Way wieder ein… und wo bleibt der Fisch? Es ist halt so: es gibt keinen Fisch für Gaza. Der Fisch ist das Anderswo. Am Ende die Diskussion, die den Zauber der vorübergehenden Weltflucht wieder zurückholt in die Wirklichkeit. Bisher hatten wir nie so viel Fragen aus dem Publikum. Und sie gingen an alle, beinahe der Höhepunkt als Isra, gefragt wie es für sie sei, dass da in ihrem Wohnzimmer ein Behilfs-Theater entstanden war, das Bild betrat. Sie strahlte. wirkte so stark. Bin sehr froh, dass wir die Aufführung hier / dort gemacht haben und nicht im Dreambuildung. Life is not a dream. Das Leben hupt. es tobt, es ist laut und Kinder hüpfen hindurch.

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Spenden für Jamals Kulturzentrum: 90 €! – aber Moneygram-Überweisung funktioniert immer noch nicht. von den Honoraren ganz zu schweigen.

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Den Tag im Bett verbracht. immer mehr Kissen. Träume. und ein bißchen Excel-Tabellen. Und plötzlich wieder Nachrichten aus Windsbach, das viel weiter weg zu sein scheint als Gaza. Dem Bommel seine Oma ist gestorben. Nun habe ich sie nie kennengelernt. Habe mich in ihrem Haus eingerichtet, aber getroffen habe ich sie nie.

6. Dezember, Berlin

Glücklich. tolle Vorstellung. bin gerade sprachlos…

 

5. Dezember, Berlin

Warum kommen die Ikealampen, die ich bei Ebay bestellt habe nicht an? weil der Vorbesitzer sie nicht mal losgeschickt hat! wieso überweist Moneygram mein Geld nicht nach Gaza? die Ärgernisse des kalten Alltags verschwinden im Theater. Wieder gut. Seltsame Erfahrung: ich sitze in meinem eigenen Blog. Zu viel Ego? Der Gaza-Blog war immer auch gedacht als Wirklichkeits-Text-Ebene, um in die Poesie der Roman-Geschichte einen roten (oder grauen) Alltags-Faden zu verwegeb. Gestern erstmals Versuch, einige kurze Texte in den Sollbruchstellen der Inszenierung zu lesen. Es kamen nur zwei Sätze über meine Lippen, Papier udn Handtuch geschmisse. geht gar nicht. Ging gar nicht. heute doch nochmal versucht. Nicht als Alleingang, sondern zusammen mit Uta, die die Stimmen der Aussenwelt las. ich in der Projektion. Fühle mich endlich selber „angedockt“ und ins Bühnengeschehen integriert. Nerven lagen bloß gestern. Dünne Haut. heute geht es wieder.

4. Dezember, Berlin

wieso rutscht jetzt wieder alles weg? das Internet friert nicht mehr ein, dafür jetzt die Schauspieler. Doch zu viel?Oder lass ich ich alles gefrieren? Pause bei MacDonalds  mit seltsamer Begegnung. einer beschwert sich dass wir Englisch reden und hält den Arm steil empor. Wutausbruch. Wutbürger will CHickenMacNuggets, aber wird hingewiesen dass auch das kein deutsches Wort ist. wird aus Macdonalds verwiesen komt zurück und sagt „Fotze“. schubbse ihn raus. Und dann tut es mir wieder leid. Leute aus MacDOnalds zu schubsen ist keine Lösung. später langes Gespräch. Kein Nazi sei er. Nur AFD. Er wüsste nicht warum er manchmal so sei… Kriegsveteran. Afghanistan. Trauriges Schicksal. Viele Freunde tot. Zum Bund gegangen nach dem 11. September, weil mordswut, weil vorher 11. September nur einfach der Geburtstag seiner Oma gewesen sei. Den hätten „die“ verdorben. Tränen. Vernünftiges Gespräch. neue CHicken McNuggets gekauft. Man muss miteinander reden. Auch wenn man verschiedener Meinung ist. gerade dann! Mann wie ausgewechselt. will zum Stück kommen. schon immer habe er mal in die Schaubude gewollt, sagt er, er kenne sogar einen von der Technik dort. Naja nicht wirklich kenen, mal gequatscht in der Kneipe. Freundlicher Mensch. stellt sich heraus, dass er R. meint. unser Lichtmann. „Der ist tot“, muss ich ihm sagen. „Es tut mir leid“. Macht nix sagt er, sein Onkel sei gestern gestorben. Selotsame Logik. Zwei auf einmal besser zu verkraften. Pause ist um. aufgewühlt weiter. Habe mein eigenes Verhaltensmuster durchbrochen (Schubsen!). vielleicht muss man einfach mehgr zuhören. Auch im Stück. zu viel Output zu wenig Input. Motorrad-Heimfahrt zu spät, zu müde, keine Handschuhe. muss Fahrt unterbrechen und mich um Sonnenstudio aufwärmen. sei Jahren war ich hier nicht drin. nachher apathisch noch dort rumgesessen. auch hier kann man einfrieren.

3. Dezember, Berlin

Schaubude. Internet phantastisch. Jamal in der Ferne reicht  Jürgen Zigarette rüber (durchs Internet, durch den zarten Projektionsvorhang)  – der bedankt sich aber läßt sich kein Feuer geben, weil rauchen im Theater verboten ist. Nirgends nicht mal auf der Toilette. „You are not free!“ sagt Jamal. Hinreißende kleine Probenspielerei. die Leichtigkeit mit der plötzlich alles geht. Jamals Spiel auf dem Meer für ich allein, großartig. noch großartiger, die Spielereien nach dre Probe. die Töchter, die im Meer schwimmen mit gelbem Aufblas-Rettungsring. Und in einer Aldi-FIschdose herumhüpfen. Vielleicht ist es tatsächlich so leicht?

2. Dezember,  Berlin

letzte Probe im BLO. Internet verheerender denn je. probe nur mit Jamal und der Musik. Verstehe jetzt die Frustration der Schauspieler als ich in Gaza war (und dachte: „wo ist das Problem? ich höre und sehe euch doch gut“). die brüchige Leitung. immer wenn wir beginnen wollen, bricht es ab. Immer nur reicht das Internet für meine einführenden regieanqeisungen. immer denke ich „warum steht Jamal nur rum und führt sie nicht aus?“ bis ich merke dass er nur „eingefroren“ ist. Erkenntnis: keine Regieanweisungen mehr. einfach klappe halten und spielen lassen.

1. Dezember, Berlin

wenige Tage hier und total außer Atem. Kaum zurück im wohlbehüteten Alltag, fangen die Luxus-Wehwehchen wieder an. Isra in Gaza sagte, ich solle lieber Nelken kochen und inhalieren als Asthmaspray. dachte aber, ich brauch den Spray gar nicht wieder. Kaum zurück werde ich krank. Oder bilde es mir ein. Schlaf-Rythmus auch noch durcheinander. Als Jet-Leg kann man es nicht bezeichnen, es ist ja nur eine STunde Unterschied. aber ich wache immer noch gegen vier auf, wenn  in Gaza die Lautsprecher zu singen anfangen. Fiebriger Zustand. die Situation in der WOhnung auch seltsam. der Mitbewohner des Mitbewohners tauchte wieder auf mitten in der NAcht, gegen die Verabredung. aus der anderen Bleibe sei er rausgeflogen. Vollendete Tatsache die schwer erträglich ist gerade. Rückzug ins Zimmer. und irgendwie dann doch nie klar ob er nun da ist oder nicht. Beginne das Interview mit dem alten Fischer Bakr zu schneiden. immer noch verstehe ich seine WOrte nicht, aber deutlich vor Augen, wie sehr wie aneinander vorbeireden in der Zeit. immer frage ich idiotische Fragen nach „Gestern“, er spricht von 2014. Worte bleiben hängen. „Cora“- „Ball“ „Football“ habe der erste Sohn gespielt, als die Rakete ihn getötet hat. die anderen drei Kinder kamen durch die zweite um. der Mann der mir immer Tee serviert hat,  der mit der reißverschlußartigen Narbe, damals 22 Jahre alt, hatte dem Kind Ismail zu Hilfe kommen wollen, ihn hatte die zweite Rakete erwischt. Fidaa übersetzt mir abends das Interview. hatten uns im Prenzlauer Berg verabreden wollen, aber kein ruhiges Cafe gefunden. Schließlich Pappel Allee Cocktailbar „Bahamas“ Dünne Sandschicht über dem Fußboden, EIn Lagefeuer im Fernseher. Absurder Loccation für den Filmschnitt, die wir legitimieren indem wir einen  „Hemingway“ trinken. Erst spät nachts gesehen, dass schon erster Advent ist.

30. November. Berlin

Es ist kalt. Kälte sticht im Ohr. fühle mich nicht willkommen, aber das liegt wohl an mir. die Tochter hat keine Zeit. das ist schon okay. die Proben von Berlin aus sind noch anstregender als von gaza aus. Die Internetverbindung im Probenraum ist wirklich übel. verstehe jetzt, wie nervend es ist. Wieso funktioniert in Berlin nichts? selbst in Gaza gibt es besseres Netz! die Geduld der Schauspieler. dennoch. es fühlt sich an, als hätte ich hier nichts zu suchen. DIe Handgriffe beim Aufbau, die ich anders machen würde, aber inzwischen hat man sich eben anders eingerichtet. Fühle mich einerseits wie ein Gast von außerhalb – in meiner eigenen Inszenierung. andererseits wie jemand, der das was er erfahren hat, nicht vermitteln kann. aber so richtig wills eh keiner wissen. klingt das weinerlich? wahrscheinlich. ich meins nicht so. ist aber so. Gespräch mit der U. – eigentlich über ganz andere DInge (was für Jacke sie anhaben soll), aber dann doch über den „Elefant im Raum“, es sei so unvorstellbar, das mit den Raketen, das könne sich keiner nachvollziehen. Und irgendwie wolle man es auch nicht.  – Ihre Ehrlichkeit berührt mich zu tiefst. dabei ist das alles so unnötig. es ist ja eigentlich erzählbar. und sooooo schlimm war es nicht. und ich bin doch hin, DAMIT ich berichten kann. wozu denn sonst?!

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Zeit, die Geschichte des Fischers Bakr  endlich im Detail „nachzulesen“ auf YOutube. Die englischen und arabischen Filmaufnahmen von 2014 zeigen die vier Kinder, dünn und mit geöffneten Mündern und Augen auf Bahren, drei  nebeneinander, sogar übereinander; das vierte schien noch am Leben, aber die Verletzungen zu schwer. grauenvoller und laut-schriller Leichenzug. der sehr viel jünger wirkende Bakr nur kurz zu sehen, wirkte gefasster als vor ein paar Tagen. In der Tagesschau vom 16.7. 2014 war nur ein kurzer und sehr dezenter Blick auf die Bahre zu sehen. die Berichterstattung  dennoch in unerträglichem Understatement-Pathos, dafür aber mit politisch correctem Blick auf beide Seiten. es war nur die Rede davon, dass vier kinder starben. – seltsam, die Geschichte wieder aufzurollen. oder zu sehen dass kein Gras drüber gewachsen ist.

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Der Mitbewohner des Mitbewohners reisst mich aus dem Schlaf. frage mich, ob er manisch-depressiv ist und ob ich mir eine andere WOhnung suchen sollte für den nächsten Monat.

27. November, Berlin

das Flugzeug hatte Verspätung, es war lange nicht losgeflogen. Nächtliches Berlin. Fahrt im Express-Bus. Neben mir zwei Israelis, die die fremde Stadt begutachten und sich wundern wie viele Falafel-Läden es gibt. eine Frau, die aussieht wie ein Model trägt ein Spaghetti-Träger.Sommerkleid und glitzernde Flippflopps und tut so als ob sie nicht friert. immer will mein Rollkoffer auf und davon. Pendelverkehr. Angekommen in einer WOhnung, die sich nicht wie meine anfühlt. zu viel Knoblauch. Und in meinem Bett schläft der Mitbewohner des Mitbewohners. weil es in seinem eigentlichen Zimmer zu heiß sei. er hört nicht auf zu reden. erst als ich ihm Fotos von Gaza zeigen will, sagt er, dass er jetzt dringend schlafen müsse.

Stehe im Kaufland und schreie, weil der Fotoautomat nicht funktioniert. eigentlich rufe ich nur, gut gestützt. Man hört mich bis zu den Wurstwaren, wo die Verkäuferin antortet, sie informiere einen Mitarbeiter. es kommen nur welche auf Gabelstapler-Fahrzeugen, die mit ausdruckslosem Gesicht an mir vorüberrollen. nachdem einer dann doch den Toner wechselt, ist das Papier alle. Ausgerastet.

ich habe in Gaza alles gelassener hingenommen. ich war ruhig. was blieb auch übrig. Jetzt bin ich in der deutschen Hauptstadt und schon die Einreise ins Kaufland ertrage ich nicht. wenigstens hier soll alles funktionieren!

 

26. November. Gaza, Tel Aviv

Abflug. das Zu-Guter-Letzt in Windeseile. das alte Kino, dessen Vorführraum ins Leere geht, der Fischer, der nichts gefanfgen hat. der kleine Umweg zum Ministerium. die zu vielen Geschenke. Die Bilderflut in HÄnden und die kleine Kritzelei auf dem Schreibtisch. Dr. A scheint Autos vor sich hinzukritzeln beim Telefonieren. das gefällt mir. fast hätte ich lieber die Kritzelei gehabt als die beiden Fotogemälde und die Schülerzeichnungen. Weiter. die vor dem Taxi dahinfliegende fremde Welt. – wahrscheinlich gefallen mir deshalb die Dinge so gut, die ich wiedererkenne. Dass die R. es liebt Schokolademstückchen in ihren Kaffee zu tunken. dass jemand bei der Arbeit Schmierblätter mit Autos verziert. Ankerpunkte, scheinbar unbedeutende Schnittstellen. –  gefolgt von wieder Gruseligem: die Fitnes-STudio-Rekklamen, die wie Hardcore-WResting-Plakate aussehen, das Internet-Cafe/Gaming-Zone –  mit dem Namen des Führer (ein letzter Schlag vor der Abreise) über dem LAden.  Die lachenden Jungs, der spielsüchtigste mit dem SpitzNamen, dessen, der nicht genannt werden  darf. Tragikomische Verzweiflung dass es immer und immer wieder einen Laden mehr gibt. der Abschied. Das Herzklopfen an der Grenze, der Alleingang durch den Käfig-Korridor. Der müde Hirte hinter dem Zaun. Das Warten in Socken auf das durchpflügte Gepäck. es dauert. einige Leute Warten. Immer gehe ich alleine über die Grenze und sehe niemand, aber am LAufband, über das nur in großen Abständen die Wannen mit dem Gepäckbergen heranrollen, kommen doch Leute zusammen. Menschen in Socken (oder ohne) wirken wie nicht ganz zu recht anwesend.  auch will man so nicht zur Toilette. Weiter. das zu große Taxi. Durst. Durchleuchtets Gepäck in der Bahnstation Sderot. Der Mini-Grill aus Zink, blitzt auf und wirkt äußerst militant. Erklärung, es handele sich um etwas für Barbecue reicht aber aus. kein Netz in der Bahn. zu schnell umgestiegen. Der zu frühe und falsche Zug, der nicht der zum Flughafen ist. Die Panik zu spät zu kommen. die Freundlichen Leute, die ein Taxi teilen. der Ärger der Taxifahrer in Lod, die wollen, dass wir jeweils eines nehmen. der Israeli, der Dortmund-Fan ist und zum Spiel fliegt. die überraschend unspektakuläre Abwicklung durch die Flughafen-Sicherheit. Aber warum will sie wissen, was der Name meiner Mutter bedeutet? Presseausweis verschafft Ruhe.  Vor dem Panormama-Fenster des Ben-Gurion-Flughafens wird es langsam Dunkel. Flugzeuge donnern. ich soll jetzt einfach so nach hause?

25. November, Gaza

am Nachmittag flog eine Rakete nach Israel und schlug in Ashkelon ein. wieder sagt keiner, wer’s war.

mein letzter Tag. Hatte so schön begonnen am Meer…

24. November, Gaza

ich hatte gehofft zum Red Carpet Festival hier zu sein. es wäre jetzt bald gewesen, aber die Eskalation der Situation vor zehn Tagen hat die Veranstalter dazu bewogen, die Eröffnung zu verschieben. es ist das einzige große Film-Festival in Gaza. ins Leben gerufen nach dem letzten Krieg, als der rote Teppich über die Schuttberge hinweg ausgerollt worden war. Immer noch gibt es keine Kinos hier. und ich konnte mir nie so richtig vorstellen wie dieses Festival abläuft. Immernoch ist es verboten, Filme zu zeigen in dunklen Saelen. die Bildkraft der Filme ist damit geschwächt, der Zauber dahin. Heikle Stellen werden von der Hamas zensiert, die Filme zurechtgestutzt. dennoch – einen roten Teppich in Gaza hätte ich gerne gesehen oder gar betreten. Wie mag das aussehen, wenn wichtige Dialogszenen fehlen, weil sie vielleicht von zu leicht bekleideten Menschen gesprochen werden (von Sex-Szenen ganz zu schweigen). ob der Film einen Sprung macht? Schwarze Balken auftauchen, sich Finsternis ausbreitet  über der Szene? Mutmaßungen. – Generell und Meistens stelle ich mir DInge anders vor als sie in Wirklichkeit sind. Nicht selten liege ich falsch.GAZA

„Das hinter der Mauer, ist das eine Sportarena? “ – „Nein, ein Friedhof.“

„Das da, gegenüber vom Meer, ist das ein Ferienlager für Kinder?“ – „Nein, es handelt sich um ein Ausbildungscamp der Hamas.“

„Was kostet sie denn, die Gesichtscreme…?“ – (Man hatte mir Enthaarungscreme verkaufen wollen.)

Und das Wort „Danke“, nämlich „Sukran“, das ich in jeder Mail oder Facebook-Nachricht schreibe (meistens setze ich darunter dann meinen Namen) erweist sich als falsch geschrieben. „Shukraan“ heißt Danke, „Sukran“  betrunken.

23. November, Gaza

Vor der letzten unserer gemeinsamen Proben Kraft getankt am Strand. früh war kaum jemand dort. Das Boot mit den palästinensischen Flaggen, voll besetzt. ein Familienausflug, weil heute Feiertag ist. alle winken. wollte gerade schon gehen, als der alte Mann kam. Bakr war sein Nachname, ich hatte Bachr verstanden. das Meer. Er begann freundlich zu sprechen, dann aufgeregter. dachte, er erzählte von den Schüssen vor ein paar Tagen, oder den Raketen vor zehn Tagen. die Arme malten niederschlagende Raketen, falteten sich an sein Ohr, geschlafen habe er, als sie einschlugen, in seinem Boot. Verstanden dass das Boot zerstört wurde. zeigte den Kessel, den die Geschosse in den STrand gerissen hatten. Fußball schien er zu spielen. Spät begriffen, dass das was er erzählt von 2014 stammte. er malte das Datum in den Sand.  Im Juli vor 5 Jahren hatte er geschlafen, sich von der frühen Fahrt aufs Meer ausgeruht. seine vier SÖhne spielten Fußball als die Rakete einschlug. alle vier starben. der Fußball blieb heil. Es ist eien alte Geschichte, aber er erzählte sie, als sei das gestern gewesen. jeden Tag kommt er ans Meer, und denkt an die Söhne. seine Frau bleibt zu hause. sie verläßt das Haus nie. Ich will diese Geschichte, sie ist schlimm und traurig genug, nicht erzählen wie so viele Geschichten in Gaza erzählt werden. mit Pathos und dem bösen Zeigefinger. Es wird solche Geschichten auf der anderen Seite auch geben. und natürlich schießt Israel nicht absichtlich auf kleine Jungs die Fußballspielen. Kollateralschäden. etwas das halt passiert. schlechtes Marketing für die einen. Tragödien für die anderen. lange gesessen, ein Mann aus Ägypten kam hinzu, ein Ingenieur, der übersetzte und der junge Mann, der den Tee bringt. sagte nicht so viel, aber auch er war damals vor ort. ein Splitter traf ihn und riss seinen Bauch auf;  zeigte es, als führte er einen Reißverschluß vor. Bewundert, dass nach all dem immer wieder die Nachricht ist, die ich ausdrücklich den Leuten in Deutschland ausrichten soll: „wir sind  doch alle gleich. und wir wollen doch alle Frieden.“ man solle nicht schlecht denken oder glauben, die Leute hätten das hier verdient, weil sie Terroristen seien.

Fischer seien sie. Oder Kaffe und Tee verkaufen sie, Fußball spielen sie.

[…]

22. November, Gaza

Der Umzug der Proben in die belebtere Gegend schien gute Idee, es fühlt sich „echter“ an. die Straßengeräusche der Händeler aus den Lautsprechern, das Hupen der Autos. das echtere Wohnzimmer, das sich verwandelt – dessen Herzstück ein Stuck-verzierter geschwungener Bogen ist, ein Passpartou, das den großen Raum unterteilt und nun wie eine Guckkastenbühne wirkt. der dünne transparente Vorhang passt genau in den Torbogen, eine Traumbox. die Kinder von Jamal tobten darin herum. eien Tüte Chips wurde zum Objekttheater-Szenenbild, eine Plastik-Schachtel Mohrenköpfe (Ja, in Gaza heißen die noch so!) zu einem Schloss, in dem die Königin Salma regierte – oder war es doch ein galaktischer Space -Palast? Jamal kam gar nicht zum spielen. aber manchmal ist es auch gut einfach nur gucken. vielleicht ist die GAza-Schulkinder-Idee doch gar nicht so schlecht? Jenseits der Politik. erst zurück in meiner WOhnung gemerkt, wie Anstrengend alles ist. es ist eben ein WOhnzimmer. viele Leute wohnen dort. kommen und gehen. ich kann die Probe nicht in Ruhe vorbereiten. alles scheinz gleichzeitig zu geschehen. Kopfschmerz und Erschöpfung. Schwindelig und sprachlos.aber erst als keiner mehr da war, um zu sprechen.

***

heute früh schoss wieder irgendwer.

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Probe anstrengend und lang. eine Stunde verloren, weil „Electricity cutting“. immernoch weiß ich nie, was das dann im Detail bedeutet. Manchmal wird dann auf die Uhr gesehen und vorausgesagt, dass die in zehn Minuten wiederkäme. oder man eben auf Generatorbetrieb umstellt. oder Notstrom. In diesem Fall, zerhaute der sehr alte Generator des Hauses das Modem. das geschieht dauernd. Jamal ging auf die nächtliche Straße und kaufte ein neues für 15 Euro.. dauerte insgesamt 20 minuten. die andere Zeit war in Berlin was nicht in Ordnung. die Proben selbst schwer im Ton.  Berlin beharrt darauf, die TÖne seien schön.. in Gaza sind sie es nicht. Muß man hinnehmen. Spielfreude kommt abe rnicht so richtig auf. immer wieder schmerzliche Erinnerung daran, dass all das wieder eine AUfführung MIT den Leuten aus Gaza aber eben IN Berlin sein wird. MIT deren virtueller ANwesenheit. das wahre Theatergefühl, der Applaus findet anderswo statt. es tut mir sehr leid, dass das Geld wieder nicht für eine AUfführung in Gaza reicht. ich versprach, es nächstes Jahr wieder zu versuchen. aber es gibt nicht so viele Institutionen die Theater anderswo fördern.

Nachts spät im Taxi heim. die freundlichen Pförtner. der Gang unter den grünen Lichterketten, die leeren Vogelkäfige, die HAlle mit den alten Museumsstücken, Telefonen und Grammophonen, eher verstaubtes Gestern als ein Museum. der AUfzug in dessen metallischem Silber, sich das grün der Lichter spiegelt. sah erstmals das Schild neben dem Fahrstuhl „No guns!“. ein durchgestrichener Revolver. Ich wohne im Dreambuilding. die Leute kürzen das ab: you live in „Dream“?  Die Wohnung „im Traum“ wirkt jetzt noch größer und leer, seit die Vorhänge, Scheinwerfer, Beamer und der „Greenscreen“, (der eigentlich nur ein großes grünliches Tuch ist – eher in einem sehr schönem türkis-grün mit einem Blaustich) und all das weg sind. Ich mochte die Farbe des Vorhangs, aber die anderen sagten: es sähe aus wie die Flagge der Hamas, nur ohne Schrift. Es bleibt das zu große Apartment. total müde. aber wieder um vier Uhr wach, diesmal sogar kurz VOR dem Gebetsruf.

21. November, Gaza

Gestern letzte Probe mit allen  Schauspielern in Berlin und mir in Gaza im „Dream-Building“. ein Wechsel scheint nötig, denn für die Aufführung am 6.12. in der Schaubude, wird das Apartment nicht mehr zur Verfügung stehen. besser dann gleich wechseln. WIr verlieren damit eventuell das sehr gute Internet und  haben dann nur eins das okay ist. andererseits ist das Internet des Berliner-Probenraums so  schlecht, dass es fast einfacher ist, wenn beide Seiten gleich schlechte verbindung haben. (denke ich manchmal. ist technisch gesehen wahrscheinlich quatsch. dennoch: immer wieder diese leidenschaftlichen Probeninstruktionen meinerseits, mein Redeschwall, der, wenn er beendet ist meistens die Antowrt zurück bekommt: „WIr haben nur jedes 10. Wort von dir gehört!“ Wir Proben wie Kleistsche Figuren in einem nachtschwarzen Kosmos oder einem in dem das finstle chaos herrscht un dplötzlich kommt ein Cherubim daher, der so hell strahlt, dass man wieder nichts sieht, weil man geblendet ist. Taub sind wir sowiso. halb-Blind, halb-taub. „Was, ich? – wer? – Du? Ich seh Euch nicht! – Wer spricht? – Und wo?  Hier! was zum Henker? Was sagst du? – Wer ich? – ich sagte nichts!“ in ein Wort gefasst: „Hähhh?“  –  Ich habe in letzter zeit  wenig von den proben geschrieben, weil sie so wahnsinning anstrengend sind, dass ich ,wenn sie vorüber sind, einfach nur froh bin, kurz an etwas anderes zu denken. das heißt aber nicht, dass es schlecht läuft. es ist nur eine enorme Anstrengung. Die Hälfte der Zeit Kampf mit dem Internet. das absurderweise in Gaza super ist, aber in unserem Probenraum mies. daher denke ich immer, wenn ich die proben in Gaza auf dem Schirm habe und gut höre und sehe, dass es den berlinern auch so geht. dem ist aber oft nicht so. Ich gebe dann lauthals Regie instruktionen oder lobe die tolle Verbindung, während mich Uta bereits per whatsapp anruft, um mir zu sagen, dass sie wieder kein Wort verstanden hat, weil alle halbe Sekunde die Leitung hakt. Das wird später anders sein, wenn wir in der Schaubude sind. Dort super-High-Speed-Internet. Gestern, da wir so dringend einen ersten Durchlauf machen wollten, wenigstens der ersten Szenen. großer Frust. Aber gerade wenn man denkt „Das geht so nicht weiter“, flutscht es wieder. Mut und Gänsehaut, dass alles andere wie weggeblasen ist. seltsamerweise sind es oft die Wartepausen, die dann neue behutsamkeiten Spiele hervorbringen.

Gestern, als nur Bild und kein Ton –  Wartepause –  saß Jamal auf dem SOfa saß plötzlich neben ihm. Jürgen lag auf der Bühne herum und plötzlich entstand etwas. aus der Ruh heraus. Und eben genau WEIL niemand wußte, wie es weitgehen würde. es ist wie blind ein Puzzlezusammensetzten, von dem man irgendwann merkt, dass es nicht eines ist, sondern drei gleichzeitig, die ausversehen durcheinander gegeraten sind. 3 mal 3-D-Puzzle. und immer fehlt ein STück oder ein Spieler. „Macht nix“ seltsam das gerade das nun die stehende Redewendung geworden ist im Gaza-Team.

Toll ist, dass alle dran bleiben und am ENde der proben doch immer Kraft rausziehen. (oder sich selbst am eigenen Haarschopf.) wir nehmen einander auch immer besser wahr. Der wesentliche Trick dabei ist: nicht zu versuchen, den anderen zu sehen. sondern die Lust zu zeigen und die Sehnsucht, den anderen zu sehen. darum zu kämpfen, die Verbindung aufrecht zu erhalten, anstatt so zu tun, als habe man probleme mit Technik, Kamerastandorten und so weiter.
Jamal immer am besten, wenn man ihm die Augen verbindet und DANN  DIalog-Szene mit dem Jungen / Uta. (Gestern bin ich ausgerastet, weil er heimlich doch wieder versucht hat eine Kameratechnisch (vermeintlich) günstigen Blickwinkel zu produzieren, indem er versucht hat die Wand neben ihm anzuspielen ( weil er dann im Kamerabild halbwegs in der Achse steht, damit es so aussieht, als sähe er Uta in die Augen. klappt natürlich nicht. oder es klappt, aber wirkt bemüht und irgendwie langweilig. dagegen ist das Spiel nach vorne auf der Suche nach einer STimme, die man nicht orten kann, die man aber sucht und zu entdecken versucht, total präsent und tausendmal kommunikativer. Darin liegt eine bittersüße Freiheit im SPielen im Raum, immer aber auch verbunden mit der schmerzhaften Tatsache, dass man nicht wirklich zusammenkommen kann.

Heute also Umzug. VIelleicht gut. „Mumken“ das war wiederum mein erstes Wort, das ich aus dem Arabischen heraus pickte. es klang so harmlos und nett. Mumken. Vielleicht. Perhaps.

[…] 

20. November, Gaza

Dr. A. schickt das Foto eines kleinen Mädchens. das auf dem staubigen Boden sitzt und Kugelschreiber verkauft. „Write about her.“ sie sieht nicht aus wie die üblichen Straßenkinder. Ja, sie ist möglicherweise ebenfalls barfüßiger als sie vielleicht sein müsste. aber sie scheint nicht extra schäbig gekleidet. Die Füße ragen eher zufällig unter ihrem langen Pannesamtenen Kleid hevor. Mit gekreuzten Beinen sitzt sie. die Palette von Stiften im Schoß, ausgebreitet, ihre Knie spannen das KLeid, so hat sie eine ARt verkaufstisch. EIgentlich sieht es fast so aus, als ob ihr ganzer Oberkörper aus diesem Tisch heraus wächst, so straff gespannt ist das Kleid und knochig das Brett, das ihre Knie bilden. Dünn ist sie. Auf den ersten Blick dachte ich das säße ein Mädchen das ein Musikinstrument spielt, eine Art Zitter oder Xylophon, das aus dünnen grünen Tasten und Tönen besteht. es sind aber die sorgsam ausgebreiteten STifte. einen hält sie in der Hand wie den Schlägel eines Glockenspiels. sie blickt nicht in die Kamera. vielleicht ist das der Grund, warum sie nicht wie eins der wohltrainierten STraßenkinder wirkt, die Dich mit großen Augen ansehen und rauher STimme „Schekel, Schekel“ wispern, viel zu nah kommen, unverschämt an dir kleben, wenn du am ATM-Automat stehst und dich nicht herausreden kannst mit „I have no money“. Das Mädchen hat den Kopf in den Nacken geworfen. vielleicht, weil sie von eben diesen Blicken austruht, der Kopf ruht an der Mauer, vor der sie hockt. vielleicht nur für einen Moment, vielleicht ist sie aber generell ein Kind das ganz bei sich ist und nicht nur für diesen verkaufsfreien Augenblick. VIelleicht ist es aber auch das letzte ENde der Unschuld und auch ihre Selbstvergessenheit ist inszeniert, da man von den anderen Bildern bereits genug hat. who knows. „Write about her…“ – kann nur mutmaßen. Heute ist Gaza children’s day.  SIe kommt also gerade recht.

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Mehr mit Fotos zu Gange heute. den Fischern die Fotos geschickt, die ich von ihnen gemacht habe. jedenfalls dem schickte ich sie, den ich auf Facebook gefunden habe. dem „Hauptfischer“ nicht gesichtet. auf dem Balkon, Probenpause, nach der Dämmerung Schüsse gehört. diesmal gedacht, es wäre Hochzeitsgesellschaft-Salve , von weitem kam Musik. Jamal sagt, der Hafen sei wieder gesperrt und das Meer nördlich vom Hafen in Richtung Israel. keine Bootem nur ein sehr heller Stern jenseits der 6 Meilen-Grenze. es handele sich um ein israelisches Schiff. von dem kommen sie Schüsse. Warnschüsse? immer noch tönt die Party-Musik, wildes Getrommel, im Kontext der Wirklichkeit der Schüsse auf See, verwandelt es sich in ein absurdes Szenario von Kriegspfad-Percussion vom Ufer und dem Krieg auf dem Meer.  was in Wahrheit passiert… keine Ahnung. Ich hoffe es geht den wirklichen Fischern gut.

 

19. November, Gaza

Die Zeit verrinnt. sie wird immer kostbarer. allmählich auch nicht mehr so heiß, es wird leichter sich „angemessener“ zu kleiden ohne schweißgebadet zu sein. die proben sind gut. aber anstrengend. mein Englisch wird immer schlechter, weil ich mich langsam nicht mehr reden hören kann. kommt mir vor als hätte ich alle Worte aufgebraucht und abgegriffen. Arabisch wird auch nur Schagwortartig besser. Heute wieder Versuch mit dem Kultur-Minister alleine zu sprechen. aber schon kamen wieder Herren dazu. unter anderem der jetzige Mnister für ELektrizität. vor einigen Jahren war der der Kulturminister. „Are you happy now?“ gefragt, noch bevor nachgedacht.

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Bin ICH aber jetzt froh? Habe ich nun der Hamas zugesagt, unsere Theaterform an Schulen im ganzen Gazastreifen zu unterrichten und zu etablieren? Bzw. Workshops zu geben für Leute, die dies dann etablieren? Aber wer jetzt nochmal genau soll die 1500 Kinder unterrichten, oder unterrichtet werden von mir, die 1500 Kinder (auch vergessen zu fragen, wie alt die sind) zu unterrichten? – nicht ich, oder? „Wann?“ war auch so eine Frage. vorgeschlagen würde: nächsten DIenstag. realistischer, sagte ich „Ende März 2020“. Natürlich nicht ich. ist ja klar, dass nicht ich. vielleicht würde ich das ja gar nicht im SInne der Autoritäten tun.

Seltsame Dinge nehmen ihren Lauf. wie kam das alles? Wieviele Umwege haben mich hierhergeführt? Kindern Spaß am Theaterspielen zu eröffnen, mit DIngen, die eigentlich gar nicht da sind, aber zum Sprungbrett in eine andere Welt werden. Nicht die Freiheit, die sich die Kinder irgendwann wünschen werden, aber eine im Geist. DIe aber trotzdem zum Anfassen ist, so wie heute bei der Probe die Wäscheklammer zum Fisch im Meer wurde, der an der Angel anbiss und im Hohen Bogen über das Mittelmeer gefolgen kam. ein großer Fisch, der Am Strand und im WOhnzimmer des Dreambuildings landete… – um dort wieder zur Wäscheklammer zu werden.

18. November, Gaza

Nun tauchte Scheich Jassin auch in meinem Traum auf. ich hatte Geburtstag und Leute, die ich aber nicht kannte, hatten eine Überraschungsfeier für mich organisiert. Sie hatten aber fast nur Leute eingeladen die ich nicht kannte. Vertraute Gesichter waren eigentlich nur meine Kindergartenfreundin Cornelia, meine Cousinen Suse und Gwen; alle anderen kannte ich nicht und eben Scheich Jassin, den ich nur von Zeitungsfotos kenne. Abgesehen davon dass er shcon tot ist. Fühlte mich überfordert, zudem stellte sich heraus, dass alle anderen der Leute die ich nicht kannte, Israelis zu sein schienen, jedenfalls hatte sie alle Namen wie Schlomo und Moische; es schien mir aber auch wiederum unhöflich zu sein, zu fragen, seid ihr Juden? Ich war sauer auf die Organisatoren der Überraschungsparty, freute mich aber gleichzeitig, dass jemand immerhin sich die Mühe gemacht hatte mir eine Feier zu veranstalten. Holprige Konversation. Der Scheich war außerdem – abgesehen davon dass er ja im Rollstuhl sitzt – schwerhörig. Ich dachte meine Kindergarten-Freundin könne mir helfen beim Smalltalk, weil sie inzwischen evangelische Pfarrerin ist, somit wenigstens noch andere Religionen vertreten waren, leider war sie aber in dem Traum noch keine Pfarrerin, sondern eben „Im Kindergarten-Alter“. gefühl er fürhle sich benachteilgt, weil einziger Moslem gegenüber so vielen Juden. wollte was nettes sagen, aber es wollte nicht gelingenrum fiel mir plötzlich ein, dass er längst tot ist. Auch das wollte ich aber lieber nicht ansprechen und sagte  – was mir im Traum eine annehmbare Lösung zu sein schien – das allgemeine Unwohlsein sei sicher nur auf die Tatsache zurückzuführen, dass er Rollstuhlfahrer sei.

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Heute früh eigentlich zur Bank gewollt. Aber Jamal hat sich erkundigt: Abheben von Geld via Kreditkarte geht nicht. Es bleibt nur ATM, aber der gesteht minr nur ganz wenig Geld pro Tag zu. Irgendwann werde ich die Honorare auszahlen müssen, aber hab nicht genug Bares. Der Sicherheitsmann der den Automaten bewacht sagt, es länge an meiner Karte. Sparkasse fragen. Dort zunächst nur eine gewisse Linda (eine Kollegin von Anna die für Ikea Fragen Chatfragen annimmt) erreicht.

Miriam: „wieviel Euro stehen mir denn zu, wenn ich im Ausland die goldene Kreditkarte benutzen will? Ich bin im Gazastreifen und der Bankautomat gibt nur ganz wenig Geld!“

Linda: „Ich fürchte, diese Frage ist zu kompliziert für mich. Vielleicht könnten SI eversuchen die Frage umzuformulieren.“

Miriam: „wieviel Geld kann ich pro Tag am ATM-AUtomaten abheben?“ in Gaza.“

Linda: „Ich fürchte, diese Frage ist zu kompliziert für mich. Vielleicht könnten SI eversuchen die Frage umzuformulieren.“

Miriam: […!!!]

Dann einen nicht virtueller Sparkassen-Mann, dessen Foto aber auch wie erfunden aussieht gefunden. Sagt ich solle mir einen anderen Bankautomaten suchen. Wäre es da nicht besser die Sparkasse suchte sich eine neue Kundin?

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Freien Morgen am Meer verbracht. Die Frauen die auf mich zukommen, wallendes schwarzer Tuch, kaum die Augen zu sehen, aber die strahlen unverhofft. „Hi Hi!“. Der Kiosk gegen dessen Eisengestänge ich immer bebinahe laufe, jett hat er ein Pappmaschewerbeschild gebastelt, das wie eine Zigarettenschachtel aussieht. Wer nun dagegenläuft läuft gegen „Rauchen gefährdet Ihre Gesundheut“. Die alte Sardienendose im Sand. Das Kind das von seinem Vater im Meer gebadet wird. Später auf mich zuläuft mit strahlender Give-Me-Five-Hand. Erst später kapiert dass er das nicht spontan macht. Das ist das, was er macht. Der Vater fragt dann irgendann dierekter. Ich gebe ihm 5. Schekel. Tee unter dem ausgeblichenen Schirm. Die vier Plastikstühle, die international überall gleichen Plastikstühle, der kleinste gemeinsam Nenner aller Outdoor-Bestuhlung. Gut. Sardienenfischer wollen fotografiert werden. Bestehen darauf: „Mit Netz!“. Der eine ist wundervoll. Sein Freund will ne Menge wissen, aber da geht’s um Sex. R denkt alle Frauen in Europa wollen dauernd und haben auch immerzu Sex. Der andere entschuldigt sich für den Freund und sagt, er habe „a light brain“. Gutes Gespräch über kulturelle Mißverständnisse. Denke ich jednefalls.

17. November, Gaza

Die Rakete, die das Human-Rights-Büro, so gezielt getroffen hat, war wohl keine Rakete aus Israel. das munkelt man unter Journalisten, laut sagen darf man es nicht. Offensichtlich wars der islamische Dschihad. Es würden zuweilen eine Menge Raketen „versehentlich“ wo anders einschlagen als geplant. in den Wirrnissen der vielen fliegenden Raketen, könne man sich auch schnell unerwünschter Institutionen entledigen. Das „Independent Committee of Human rights“ war keine Wolf-Im-Schafspelz-Organisation. Sondern tatsächlich in enger Zusammenarbeit mit der internationalen Institution HUMAN RIGHTS WATCH. das größte Menschenrechts-NGO in Gaza.

16. November, Gaza

die Jungs in meiner Straße mit Holzgewehren. so schön geschnitzt, dass sie in einem Öko-Spielzeugladen aus Berlin-Mitte oder Prenzlauer Berg stammen könnten, wenn sie nicht so politisch incorrect wären. Die Süßigkeiten im Pistolenformat sind es auch nicht. es gibt sie mit Kaugummi- und Traubenzucker-Munition.

15. November, Gaza ruhigere Nacht, aber dennoch  Detonationen. fiel aber in Schlaf. vielleicht detonierte es auch im Traum. Geträumt, ich sei auf WOhnungssuche. ich hatte eigentliche eine Wohnung, aber den Schlüssel verloren und ich hatte auch noch eine weitere, aber man sagte, da könne ich nicht rein. die Gründe klangen wie Ausreden. Jemand müsse ein Bad darin nehmen. (oder es renovieren?). die neue WOhnung stand auf einem weiten Feld und war aus einem Haus aus billigem Plexiglas, teilweise auch recht schäbigem Plastik mit Kratzern darin, die glänzten in der Sonne, das sah aber so schön aus , dass ich die Wohnung gerne nahm. ein Haus mit wenigen Mietparteien und einem freundlichen Pförtner, der auch dafür sorgte, dass ich Gratis-Coupons bekam. für Schokolade und WIndeln. die WIndeln wollte ich nicht. aber er meinte ich werde sie vielleicht später einmal brauchen. ich verstand, dass dieWOhnung möglicherweise mein Altersruhesitz werden würde. Meine Freundin Uta (die Uta aus dem Theaterprojekt), sagte d,ass sie nicht schlimm, die Schokolade sei super und überredete mich noch mehr Coupons zu bestellen.

ich muss die Freigiebigkeit des Pförtners überstrapaziert haben. die Stimmung war jetzt  nicht mehr so gut. Und in der Nacht sah man durch das Plastik, nun STraßenschlachten von statten gehen. keine Raketen. Nahkampf. von der gegenüberliegenden STraßenseite klappte die Fassade einer WOhnung hinunter und Soldaten in Grün schossen. ich überlegte in welchem Krieg ich mich befände. Überhaupt wußte ich nicht in welchem Land ich war. zog eine Bescherde wegen Ruhestörung in Erwägung, aber bevor ich etwas sagen konnte hieß es, ich müsse ausziehen. aber nicht wegen der Lage, sondern wegen der Coupons.

***

Heute ist Freitag. mein Artikel im Neuen Deutschland ist heute die Seite 3. leider zu spät die mail gesehen mit der erneuten Bitte um Fotos. meine Fotos sind wieder irgendwo im Äther hängengeblieben und ich wusste es nicht. es ging mir nicht um MEIN  Foto, aber ich hätte gerne einem der Fotografen von hier das Honorar gegönnt. Heute ist auch Freitag, das heißt Feiertag in Gaza. Wie gut sich die Religionen von einander abgrenzen, jeder hat seinen eigenen Wochenendtag: die Muslime Freitag, die Juden Samstag, die Christen Sonntag.  müssen sich nur noch über alles andere einig werden. will heute nur für mich sein. Probe heute eh nicht möglich.

schnell vergangener Tag. einmal fiel Regen. der Himmel bleib bewölkt. hatte den ganzen zum meer gewollt und dann fast zu spät. nach Sonnenuntergang darf ich nicht auf die Straße. nicht alleine und mit anderen eigentlich erst recht nicht. das aufgewühltere Meer. der Tee mit der Pflanze darin Mariamea. schmeckt nach Salbei. soll der Jungfrau Maria mal geholfen haben. ein Fischer fängt in seinem Sardienennetz einen unerwartet großen Fisch[…]. alle freuen sich. das weiße Pferd an der Mauer geparkt, steht im Sand, unweit der „Love boat“ Leuchtreklame. was mag „Love boat“ sein? sieht verrucht aus, aber ist es wohl nicht. Gruppe von Frauen geht hinein. das Motorrad vor der Moschee. die durchgesessene Sitzbank mit Frischhaltefolie umspannt – auf den Gedanken hätte ich auch kommen können. über anderen legen Gebets-Teppiche. Lauter Konvoi einer Hochzeitsgesellschaft. strahlender Ehemannaufrecht steht durchs Dachfenster gestreckt. Stolz wie Bolle . Karren mit Kindern dahinter. immer mehr. es kracht. gute Raketen.

14. November, Gaza

Die Nacht ist vorüber. die Terrasse des Hauses schräg gegenüber sieht okay aus. -Die Nerven, die Nerven? vielleicht war das doch wieder anderswo. ein näheres anderswo, aber trotzdem anderswo. komme mir wie ein Idiot vor, aber erleichtert. auf meiner Kamera ist in der Dunkelheit auch nicht viel zu sehen. nur der helle Lichtpunkt, wie ein Komet. der war aber nach dem  Schlag. Oder war es vielleicht doch der Rückschlag der abgeschossenen Rakete und der Lichtpunkt der Abschuß eben jener Rakete durch die israelische Abfangrakete. Nachwievor unvorstellbar für mich, dass die Raketen sich in der Luft auflösen, nur zu einer kleinen Wolke werden ohne dass auch nur irgend ein Bausatzteil zu Boden scheppert. Die VOrstellung in der Nähe einer Abschussrampe des Islamischen Dschihad zu wohnen (oder gewohnt zu haben) ist nicht so toll.

***

Es scheint Ruhe eingekehrt zu sein. Vielleicht ist die Operation „closed garden“ abgeschlossen. erster Alleingang durch die Stadt in der Früh. das vermeintlich beschossene Haus nicht gefunden. es ist doch alles weiter weg als man denkt. Zum Glück. dafür auf der Ruinenlücke am Ende meiner Straße einen alten Kinderschuh gefunden, genau wie wir ihn brauchen für „Vor der Kamera“, für die Verwandlung zum Boot. ich hoffe, es ist ein absichtlich weggeschmissener Schuh. das heruntergekommene Vergnügungscenter. 3-D-Gaza. der Blick hinunter zum Strand und zum Hafen, die Straße wölbt sich ihm entgegen. weiß nicht, ob man schon wieder hin kann. oder sollte. die überdimensionalen verstaubten Teddybären in den Schaufenstern eines trotz des Versuchs bunt zu sein trostlosen Spielzeugladens. der Bär ist zu groß. und  steckt in seiner Verpackung fest wie Frankensteins Monster. Duft von etwas süßem. gebackene Bananen? die stressige Straßenkreuzung. How are you. How are you? keine ernst gemeinte Frage. Männer betonen es, dass es eher wie klingt wie Was bist du wohl für eine? die alte Bettlerin, die ebenfalls in der Mitte der Straße läuft wie Jamal. ATM. EInkaufen von DIngen, die ich nur in Ruhe finden kann. Earl Grey Tee zum Beispiel. meine eigenen Vorräte gehen zur Neige. Auf dem Rückweg schweißgebadet. es ist so heiß in Gaza und ich bin diese vielen Tücherberge nicht gewohnt. Immer wenn ich anständig aussehen will, fühle ich mich wie aufgelöst. Stress. Schweiß. als zurück: gehört, dass wirklich Waffenstillstand. Auf dem Terrassendach des Hauses gegenüber, von dem ich dachte, es sei getroffen, sitzen wieder Leute. der Vater im weißen Unterhemd, Kinder.

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Der Waffenstillstand ist immer noch. Nur dass leider eine weitere Rakete einschlug. am Meer, ganz dicht an Jamals Kulturzentrum. Nicht Israel wars, verkündet Salem. sein Handy sagt ihm das. das sei irgendwas schief gelaufen. Vielleicht ist jemand beim Islamic Dschihad die Hand ausgerutscht. Werden die dann von ihren Kollegen ausgelacht?

13. November, Gaza

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das „Human-Rights-Buildung“ in der Innenstadt von Gaza. neben dem Park  in dem abends die kinder in den buntblinkenden AUtoscooter-Fahrzeugen (aber zum Selberschieben) fahren. warum erwähne ich das? weil die Raketen auch ein Kind hätten treffen können…? unwahrschienlich. die Raketen sind sehr präzise. Und meistens ruft Israel auch vorher an: „5 Minuten!!“ so viel Zeit muss sein. Gestern, vielleicht gegen 10:40, denn die Uhr neben dem Feuerlösche blieb stehen zu dieser Zeit, traf eine Rakete das Büro im 5. Stock des Gebäudes, hatte man vorher nicht angerufen, vielleicht weil man in Israel weiß, dass diese Raketen sehr genau sind und auch weiß, wir sich wo aufhält und wann. oder dass die gesamte Belegschaft gerade ein Treffen hat, einen Stock höher. der Hausmeister, Hammad war in dieser Zeit gerade kurz zum Frühstücken nach Hause gegangen. als er wiederkam, war das Büro der Independent Commission for Human rights  verwüstet und die Süd-Wand hatte ein riesiges Loch. seltsame Mischung aus Zerstörung, Schutt, Chaos und Unversehrheit. ein Tagebuch, ein Ordner, der intakt gebliebene Kühlschrank, aus dem mit Hammad eine kalte Flsche Wasser anbietet – – – nein, das war das andere Büro, zwei Etage höher, ebenfalls verwüstet, aber ohne Einschußloch und mit Inseln von Ordnung im Chaosmeer. wollte das Wasser nicht. es schien mir höchst unhöflich, es zu trinken. bekam aber prompt gleich zwei Flaschen. – Hammad räumte am Boden zerstörte Glasrahmen auf, ein altes Fotos jemand fährt Fahrrad in Gaza auf, ein Werbe banner im Standformat fällt immer wieder um. auch das hebt er hebt auf. Sisyphusarbeiten. an der Wand hängt eine gestickte Handarbeit mit dem Namen der Vereinigung. ordentlihc hängt es an der Wand in all dem Chaos. DieBUchstaben der englischen Worte sind ein bißchen durcheinander geraten – in der Stickerei selbst. dauernd hängt mein Auge an der falschen Rechschreibung [ich weiß, ausgerechnet…]  – es hatte übrigens eine weile gedauert bis ich begriff, dass Human-RIghts, nicht human rights watch ist oder eine Filiale der United Nation’s human rights. Irregefügt durch den Werbeordner, der am Boden lag in der Ruinenetage. also keine große International organisation, sondern eben eine der vielen NGOs, die in Gaza auf den Begriff MENSCHENRECHTE! pochen. Klar. es ist eine Tatsache, dass die Belagerung gegen viele Menschenrechte verstößt. das mit der Würde des Menschen… ist nur das eines der vielen… auch gegen die Genfer Konventionen verstößt Israel. Freilich die Hamas ebenso. wer weiß also warum es gerade exakt dieses Büro hatte sein müssen. eine Waffenfabrik… okay. ein extremistisches Trainingslager… eine Bank… ein Fernsehsender (auch etwas das „yesterdays newspaper“ war, bzw. last year’s news war: die Zerstörung des Al Aqsa-Senders)… – alles nachvollziehbar „Gute böse Ziele“, aber ein Bürogebäude auf dem Menschenrechte steht (selbst wenn die Rechtschriebung zu WÜnschen läßt)? der Gedanke vom WOlf im Schafspelz drängt sich auf. VIelleicht war es eine sehr kämpferische Komission. eine die die Menschenrechte auch um jeden Preis durchsetzen wollte. wer weiß. will nicht mutmaßen, müsste es wissen. zu spekulieren, dass die was im Schilde führten, wäre genauso politival incorrect wie zu unterstellen, Israel schere sich einen Dreck um Menschenrechte. rausgegangen aus dem hohe Haus. der Aufzug gegenüber der Wohnung, in der sich alle aufhielten, die völlig unzerstört geblieben war sah ebenfalls so gut intakt. Reflex den Knopf zu drücken. unterhalb der Etage aber gähnt der Schacht. zu Fuß durch die smaragdfarbenen Scherben. Es knirscht. es blitzt in der Sonne. Das war gestern.

heute… wäre iweder eine Berlin-probe. Sauer, weil niemand aus Berlin fragt, wie es hier ist.

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Probe mit Berlin schwierig. draußen dröhnt und donnert es. Manchmal ausblendbar, dann schreckt man doch hoch. Bis berlin dringt das aber nicht. die beklagen sich nur über den schlechten Ton. dann Stromausfall. in der zwischenzeit proben die schöne DInge ohne uns, wahrscheinlich viel leichter. nach der probe Schwarmah essen und zum ATM-Automaten um Ratenweise die Gagen abzuheben. Security jungs, die wie rumlungernde Jugendliche aussehen, aber gleich ein heranrollendes Auto zur Hand haben aus der finstere Typen aussteigen und nicht grüßen. weiter gehen gedruft nach Presseausweis und Visum zeigen. dann doch nochmal zurückbeordert zur Passkontrolle. nicht schlimm, aber irgendwie unangenehm. ATM weiterhin sehr knauserig. Schwarmah traurige Oase. Taxi zurück. man soll nicht auf der Straße sein. D. ist endlich einer der mir ehrlich sagt, dass meine WOhngegend keinesfalls eine sichere ist. in einem Elfenbeinturm sitze ich aber doch Dank des israelischen Presseausweis bei dessen Übergabe meine Sachbearbeiterin Vered K. jedesmal sagt „DOn’t remove the sticker“. Er beinhaltet ein GPS-Sende-Dings. Israel weiß genau, dass man nicht auf mich schießen soll. Ich hoffe sie halten sich dran. es fliegen nicht mehr ganz so viele Raketen, aber dafür knallt es gewaltiger und nah. einmal ist ein Funke direkt über mir, er verglüht zischend. ich kapiere immer noch nicht wie das alles funktioniert.

aber ich weiß inzwischen, dass ich die Febster offen lassen soll, wegen mögllicher Druckwellen, die Wohnungen verwüsten, die in der Nähe von Angriffszielen liegen.

 Schräg gegenüber das Haus, in dem manchmal Leute auf der Dachterrasse stehen und wie ich in den Himmel glotzen. da ist was eingeschlagen. die bunten Fenster im Erdgeschoss brennen noch. oben qualmt es, aber im DUnkeln sieht man nichts genaues. niemand schreit niemand rennt auf die Straße. rund um alles still. morgen müsste es sich als Traum heruasstellen. warum ist  keiner da.

Als ich klein war, zwei oder drei  machte mein Vater ein Foto von mir. schwarz-weiß ich in einem Poncho erstauntem Blick gehe mit einem Täschchen durch diie MÜnchner Abtstraße. niemand sonst ist auf dem Foto. als ich es zu Gesicht bekam, habe ich – wir mir mehrfach mitgeteilt wurde – gefragt: War ich da ganz alleins auf der Welt? – So fühle ich mich gerade. Ausgerechnet im 2 Millionen dichtgedrängte EInwohner zählenden Gazastreifen, fühle ich, Einzelkind, mich alleins-auf-der Welt. die Drohnen sind so laut, ihr Summen überlagert sich. wieso muss ich dauernd an das gelbe Wasserflugzeug denken das immer über Treptow herumflog. jetzt wo es so viele Drohnen sind, ist der Ton unerträglich. Zahnärzte. Im Nebel. Spielzeugzahnärzte zum Aufziehen die Bohrer in den Händen haben und  damit eine Chor dirigieren, der ebenfalls aus Zahnärzten besteht mit Bohrern. vibrierende Luft. vor dem EInschlag, war da nicht auch ein wirbelndes Peitschen in der luft, als flöge ein scharfkantiger Bumerang durch die Wlet und zerschnitte die Luft. ich  .Was mache ich hier? wollte ich nicht eigentlich dieses Jahr in einer fränkischen Kleinstadt ausruhen? wie konnte ich mich über die Kleinkriege dort aufregen und behaupten, da sei es im Gazastreifen noch friedlicher. es ist alles falsch. ich habe keine Angst, nur die Wucht von schräg gegenüber sitzt mir noch in der Brust und in der Stirn. und ich bin müde und will nicht schlafen. was wenn man doch auf die Straße rennen muss.

12. November, Gaza

Sehr früh, noch im Halbschlaf die ferne Detonation. die sich anders als sonst überschlagende Lautsprecherstimme. etwas blinkt und löst sich in Rauch auf. eine nebelhafte Geister-Qualle bleibt in der Luft zurück. es sind inzwischen sehr viele Detonationen. man denkt es müsse mehr zu sehen sein, bei dem vielen Wummern und Dröhnen, aber es sind nur kurze Blitze und Nebelstreifen. einmal bebt der Fußboden kurz. die Sonne ist aufgegangen. wirklich zu sehen ist nur weit weg eine Räuschsäule über einem Haus… etwas weiter weg – vielleicht schon Beit Hanoun? fast an der Grenze wäre das.

Habe aufgehört zu zählen. die Detonationen, die irrwitzigen Kondensstreifen, taumelnd. ich weiß, dass ich in einem sicheren Elfenbeinturm sitze. es erschüttert mich trotzdem.

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Die Schulen sind heute geschlossen. Ob sich Isra und ihre Kinder hier im Dream-Buildung wohler fühlen würden? Und Alia, die ich per facebook frage wie geht es dir? schreibt: Listening the bumbing. Der Ton, den die Stadt anschlägt, ist verändert. die Drohnen hört man nicht mehr. oder man überhört sie? die Wasserwagenmelodien lassen auf sich warten, nur selten und fern. Dafür zischt es eben jetzt und es hallt und kracht. zeitlupenartig rollt dieser DOnner heranm bevor er sich entfaltet. linstening the bumbing.dolby surround. Ich selbst, obwohl ich weiß, dass es hier sicherer ist, würde lieber raus gehen. ans Meer. Das Meer ist immer besser… selbst dieses.

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die seltsame Bedeutung des Tons, wenn das BIld fehlt. die Weiten, die Entfernungen. manchmal ist es doch recht nah. Und manchmal ist es einfach nur eine rostige Satellitenschüssle die scheppernd von einem Haus fällt. gemessen an den Zehn Raketen von vor einer Woche ist das hier schon dramatischer. Zumal die hamas plötzlich doch ganz schön säbelrasselnd daherkommt. der Hamasführer (hatte gar nicht mitbekommen, dass sie seit über einem Jahr einen neuen haben!) hielt eine protzige Rede, gab an,  über ein hochprofessionelles Tunnelsystem zu verfügen und es mit Israelischen Panzern jeder zeit aufzunehmen. und dann zählte er die Raketen auf, die er zur Hand hat, daß er ein halbes Jahr lang Tel Aviv beschießen können, rund um die Uhr. er sagte: wenn die Worte nicht treffen, dann müssten eben die Waffen eine andere Sprache sprechen. es klingt ein bißchen nach Clausewitz. Krieg ist die bloße Weiterführung der Politik nur mit anderen Mitteln. aber Clausewitz war ein kluger Stratege. Was für eine Strategie ist es,  dem Feind zu verraten welche Waffen man hat. Es sei denn man hat  keine. dann wiederum kann man es als Strategie gelen lassen. In Israel sagte Benny Gantz (parteivorsitzender der anderen Parteil, die fast genauso viel stimmen hat wie die von Netanjahu, nd deren Profil ich immer noch nicht kapiert habe, außer dass sie eben „die andere Partei“ zu sein scheint.),wenn weiter Raketen fliegen, werde Israel seine Politik verschärfen. Der Hamasführer sagte so was wie „DAnn machen wir dass du den Tag verfluchen wirst an dem du geboren bist!“

Und jetzt das?

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Übrigens ist das Meer weitgehend gesperrt. keine Fischer heute, auch nicht innerhalb der zur Zeit erlaubten 6 Mailen. Das betrifft des Meer in Richtung Israel, und den Hafen. ab Khan Yunis dürfen sie Fischer aufs Meer. aber das hilft den Fischern der Hafengegend nichts.

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weil ich so wenig sehe, nur höre, wird das googeln nach Neuigkeiten so wichtig. google hilft über das Gefühl weg aus der Welt gefallen zu sein. gab mir Artikel über die Geschehnisse des 11. 11. : Hamasführer getötet, eine militärische Aktion Israels, entführten ihn, aber hatten ihn nicht töten wollen. entführen aber auch nicht. egal jetzt tot. Raketenwechsel. Alles schien sich zu decken mit dem was ich [nicht] sah. Jamal korrigierte lediglich: es sei ein Oberster des Islamic Dschichad gewesen. Irgendwann doch gemerkt, dass wir beide recht hatten. nur der Artikel den ich las, war von vor einem Jahr. Die DInge wiederholen sich. Hamas läßt jetzt den Islamic Dschihad die Raketen abschießen und abgeschossen werden. die Prozesse bleiben die gleichen. auf den Tag genau… – D: sagt, das werde wohl auch so bleiben, denn der 11.11. ist hierzulande nicht der Beginn des Faschings, sondern der Todestag Arafats. an diesem tag sterben Leute in führenden Position. dafür werden beide Seiten sorgen.

 

  1. November, Gaza

wieder kein erhabener Traum. kein Prophet erschien mir, nur der Altbundeskanzler Helmut Kohl. ich sollte eine Kost-Probe unserer Projektions-Spielform bei einer Life-Schaltung zwischen dem Deutschland der 80er Jahre und dem Ministerium für Kultur in Gaza herstellen. die technische Komponente schien sogar leicht zu sein. aber weder Helmut Kohl noch ich hatten eine Idee, was der Kanzler in der Projektion machen solle. er schien offen für alles und meinte auch er habe Zeit, aber es fiel uns einfach nichts ein.

Aufgewacht mit Muskelkater in den Armen. es kommt vom Halten des großen Wasserbehälters, aus dem das Trinkwasser kommt und den ich hoch halten muss, wenn ich Wasser in den Topf fülle. Anfangs nahm ich nur Wasserflaschen. aber ich glaube ich habe mein Lebenslanges Kontingent an Plastik + entsprechende Tüten bereits in den ersten 12 Tagen Gaza aufgebraucht. Das Wasser aus dem Hahn nur zum Waschen und Putzen.

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Probe. erst schlechte Nachricht, dass Leo krank ist und somit weder Musik vorhanden ist, noch der Text zwischen dem alten Mann und dem Jungen geprobt werden kann. Beginnt schön. wird anstrengend. der Raum sieht nicht gut aus. es ist eben doch nicht das Wohnzimmer von Jamal, sondern ein irgendwie dekoriertes Apartment in einem Dreambuildung. dann, nach 22 Uhr, als der Strom wieder da war und die LED-Fluter nicht mehr die Farben des Bildes ausfressen, sondern das wahre Licht beginnt, taucht man plötzlich in eine „echte“ Welt ein. Uta spricht Jungen. Text wird zum Gespräch. glücklicher später Feierabend…

 

  1. November / 10. November, Gaza

geträumt, ich ginge in eine Moschee. den Gesang, der zum Gebet ruft kurz vor vier Uhr früh, der mich bisher jede Nacht hochschrecken ließ, erstmals in den Traum eingebaut. der Stimme nachgegangen. die Moschee sah eher aus wie Jamals Kulturzentrum. Aber man musste über tausend Treppen steigen, deren Stufen aus Marmor sehr hoch waren. ich war besorgt, weil ich mich nicht erinnern konnte, wie ich mich zu verhalten hätte, mir viel nur ein, dass ich wohl die Schuhe ausziehen musste, gleichzeitig schien mir gerade dies falsch.  der Gesang hörte auf und ich stand stattdessen barfuß in dem Supermarkt namens „Meat City“, in dem ich vorgestern versehentlich eine fremde Einkaufstüte gegriffen und mitgehen hab lassen. Nicht mal in Supermärkten verhalte ich mich korrekt. aber es ist die erste Nacht in der ich durchgeschlafen habe.

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Am Meer, erstmals allein. Die Fischer fischen tatsächlich nach Sardinen, im seichten Wasser stehend. das meiste was sie herausziehen, warfen sie wieder ins Meer. in der Brandungen tanzen die grünen Plastikflaschen. Sprach mit einem Mann, der Mohamed hieß. er fragte immer wieder, ob ich wüßte, dass Gaza besetzt sei. „occupation“, you know?“.- ja natürlich, sagte ich. und dass es nicht leicht gewesen sei reinzukommen. daher: ja, natürlich wüßte ich das.  – ob die Leute in der Welt es auch wüßten, fragte er. Ich versicherte ihm, ja, das sei bekannt. zu spät gemerkt, dass das fast noch schlimmer ist, als wenn es niemand weiß. „warum lassen die Regierungen das dann zu?“ – er fragte freundlich; es war glaube ich keine Fangfrage gewesen. Wie könne es sein, dass die einen Menschen frei leben dürften, die anderen nicht? wo sei der Unterschied? Moslem, Christ…. wir seien doch alle gleich. er sagte, er sei erst vierzig, aber er fühle sich wie ein alter Mann. sein Bart war grau. war besorgt, die Welt habe ein falsches Bild von den Menschen in Gaza. er sei ein Fischer und kein Terrorist oder religiöser Fanatiker.

Ein Fischer war heute Nacht gestorben. nicht Israel war Schuld. Er war an einem elektrischen Schlag gestorben auf dem Meer draußen, einer der Lampe war hatte einen Kurzschluss, das Wasser, der Strom… – Mit den Lampen in der Nacht ziehen die Fischer die Fische an. Ob es mit den Fischen ist wie mit den Motten? die Motten lieben nicht das licht. aber sie fliegen hinein, weil sie die Orientierung verlieren. Alles ist Licht. die vertraute Dunkelheit wird unsichtbar, weil das Licht zu viel ist. Sie fliegen direkt ins Nirwana. in ihre persönliche Apokalypse. – vielleicht ist das bei uns ja auch so. diese Licht-Am-Ende-Des-Tunnels-Sache. Kein Paradies, sondern da steht nur irgendein Wesen mit einer Taschenlampe oder sitzt auf seiner Terrasse bei einem Windlicht und wir verirren uns in die nächste Welt, in der wir kleine Insekten sind oder gewesen sein werden.

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Schöne Probe abends mit D. und J. die Faszination des Spiels in der Projektion hat Jamal gepackt. Nachts noch zum ATM -Automaten, weil immer vergesse ich, etwas abzuheben. Erste Auszahlungen der Honorare oder Vorschüsse werden dringend. stelle fest, dass ich jeden Tag etwas abheben muss um bei dem geringen Output irgendwann am Ende alle zu bezahlen. Auf dem Rückweg Süßigkeiten, die in großen Pfannen  und Tonnen gemacht werden. wollten gerade Feierabend machen, aber bekam vier Stückchen geschenkt. der Gazastreifen, so hart, so abgewrackt, bitter und staubig ist, er steckt auch voll schwerer Süße. der Honig getränkten Blätterteig-Konfekt, die pistaziencreme, das Argan-Öl-Shampoo, sogar das neu gekaufte Spülmittel, duftet nach Karamell und Rosen. und die Spieluhrtöne des Wasserwagens. Nicht nur „Für Elise“ spielt er, auch „Life is but a dream“.  Traum von der Moschee erzählt. Jamal fand ihn so lustig wie er war. D. fand ihn glaube ich eher erhaben, erzählte mir, dass er zweimal religiöse Träume gehabt hatte. einmal sei ihm Scheich Jassin erschienen (der in frühen Jahren bevor er als Hamasbegründer berühmt geworden war,  ein Nachbar seines Vaters gewesen war (also in echt jetzt – also damals)); Scheich Jassin hatte – im Traum –  gesagt, er sei enttäuscht von D. und D. hatte es zur Kenntnis genommen und zurückgefragt, ob er enttäuscht sei, weil er nicht der Hamas beitreten werde, aber Scheich Jassin sagte, nein, aber D. bete zu wenig. Deeb beachtete den Traum nicht weiter, bis ihm einige Zeit später der Prophet selbst im Traum erschien und dies ebenfalls beanstandete. Es muss ein sehr beeindruckender Traum gewesen sein, lichtdurchflutet und warm. seitdem betet der bodenständige D. Warum habe ich nicht solche Träume? meine sind immer nur absurd und ich bin in ihnen verloren wie der letzte Depp.

 

8. November, Gaza

Gestern Feiertag, heute auch. der Tag mit der Familie im Rohbau des Kulturzentrums. die Mädchen, die ihre Tanzchoreographien zeigen. im Handy nach neuen Tanzschritten googeln. meine heiß begehrte Kamera, der Tee, die Süßigkeit, die Wärme von der sie behaupten es sei Kälte. der Winter komme bald. ich fühle nur Mai und Juni, Isra hat mir eine schwarze Decke gehäkelt, ein Tuch, ein Poncho. sich darin einkuscheln ist wie eine Umarmung. Müdigkeit. Geborgenheit, obwohl das alles noch ein Rohbau ist. der Garten, die Terrasse ist schöner als eine fertige Bühne. letztes Mal war hier noch Sand. Ich mag Unfertiges. Gute Neue Worte gelernt. z.B. Blublubblubb, wenn jemand ein Gschmarree erzählt. Und Salem, Jamals Sohn entwickelt Ehrgeiz, Deutsch zu lernen. es begann damit, dass er Tee servierte aber Salz statt Zucker hinein tat (und man tut hier immer viel Zucker in den Tee!). ich hatte nichts sagen wollen, aber Jamals spuckte seinen Tee aus. Salem verschwand eine Weile mit Google-Translate und kam mit einem ziemlich gut gesprochenem deutschen „Entschuldigung“ zurück. ich brachte ihm „Macht nix“ bei. sehr schade, dass das erste Deutsche Wort nun für immer „Entschuldigung“ gewesen sein wird. wir saßen lang. immer dachte ich, jetzt wird man doch irgendwann aufbrechen, aber ich hatte nicht verstanden, dass die Familie heute im neuen Gebäude bleibt. es ist offen zum Garten hin, hohe Säulen, das Foyer mit großen Stühlen, auch in Richtung Meer und zu den trockenen Olivenhainen hin ist es ohne Fenster und Tür. aber es ist ein Gebäude in dem man sein kann. proben könnte – kämen nicht so viele Leute dauernd vorbei und die mechanisch miauende Katze und von neben an die Töne der Bingo-Veranstaltung des Champion-Clubs…

Das alles war gestern.

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Heute ist der Himmel verhangen, warmer Nebel. in dieser Undurchsichtigkeit ist das Summen der Drohnen sogar noch unangenehmer.

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Probe Gaza-Berlin verlief ziemlich gut. kaum Internetausfälle, eigentlich gar keine. schöne Dinge, die sich entwickeln, wenn man das Textbuch zur Seite legt. Ich weiß es ja. der rote Faden, den man braucht, aber man darf ihn auch verlieren, oder ihn loslassen, um ihn wieder zu finden. der schönste Moment war als Jamal und Salem in Hemingways buch standen, Jamal mit der Besenstiel-Harpune, die Seiten umblätterte und plötzlich in einem expressionistischen Holzstich der deutschen Erstausgabe stand, gegen Löwen kämpfend und mit dem Buch selbst. der Junge kommt ihm zu Hilfe, er weiß wie man liest, Ipad-Großzoom-Griff. Salem, der deutsche Worte zu entziffern beginnt. „Derr alte Männ und das Mehrrr“.

Noch schöner: die Dialoge die plötzlich im Raum stehen. eine ganz normale Leseprobe, nur halt zwischen den Welten.

Jamal, von dem ich immer dachte er würde brav in der Ecke seiner grüntuchenen Sofawand bleiben, schwimmt auf die Kamera zu durch einen blauen Ozean, der in Berlin von F. und E. zusammengebastelt wird. ich muss nichts tun. ich schaue und staune nur.

der Augenblick in dem ich dachte verrückt zu werden: meine Taschenlampe ist weg. ohne die geht kein Bild. ich hatte sie eingepackt als ich dachte wir müssten schlagartig den Probenraum verlassen um irgendwo sonst weiter proben, weil der Strom ausfiel und der Gebäudemanager sagte, er würde an einem Feiertag wo sonst niemand im Haus sei, nicht auf Generatorenbetrieb umschalten. ging dann aber doch. eine leichte Schizophrenie wohnt dem Projekt jedoch dennoch inne. der Dolby-Surround-Sound, der Lautsprecherstimmen der Moschee. Es ist die eine rechts von meinem Gebäude und zeitversetzt singt es linkerhand aus der anderen. zwei verschiedene Stimmen rufen zum Gebet. Allahuakbar… ein leicht verschobener Kanon, der sich ins multimedial Unermessliche fortsetzt: durch mein Balkonfenster dringen die zwei Stimmen in die Logitechkamera, gelangen nach Berlin wo sie in den Blo-Ateliers durch die Lautsprecher von Emres Macbook tönen, dort von dessen anderer Logitech-Kamera erfasst werden um nach Gaza zurückge-echot zu werden mit einer Verzögerung von (jeweils) drei Sekunden. dies dringt gleichzeitig in mein Handy, da ich mit Uta Whatsapp-Telefoniere in meinem Schlafzimmer, von dem ich dachte, das es ruhiger wäre, um kurz in der Probenpause zu sprechen wie es weitergeht. Aber Allah ist größer. und lauter. und er ist überall.

 

7. November, Gaza

Tag beginnt am Meer. Letzten Frühling hatten wir in einer Ruine gedreht, in der Jamal herumtappte. Hatte das verlorengegangene Material neu aufnehmen wollen, ging aber nicht nochmal drehbar, da aus der Ruine, die eine Art Puppenstuben-Anblick eines Rest-Badezimmer bot im April, inzwischen ein pompöses Strand-Restaurant geworden ist. Aber die alte Hütte, mehr ein Zelt aus Teppichen und alten rostigen Gittern steht noch im Sand in der „Baulücke“, zwischen einem Hochhaus und einem Hotel – Vermeintliche Hütte des alten Mannes – ist noch da. Eigentlich begann der Tag gut… – endlich das Meer. weiter hinten, weg vom Neubau. unter einem vertrockneten Palmenwedelsonnenschirm. Text durchsprechen. Der Tee an dem alten Tisch, das wenige Drumherum. Das weiß Pferd das im Meer gewaschen wurde, die Mädchen mit den Selvies, die verlassenen Imbisswägelchen. Der Plastikmüll… – habe ich erwähnt, dass ich jetzt manchmal die Rolle meiner umweltbewußten Windsbacher Freunde einnehme, vor dem giftigen Plastikmüll warne, Knistertüten zurückweise (und um so mehr bekomme), vielleicht, weil ich mich nicht verständlich ausgedrückt habe, vielleicht weil man seinerseits auf diesem Rest Freiheit beharrt, den Müll fallen zu lassen wo immer man will und kann. Vom Hundertsten ins Tausendste… – irgendwann versandete die Probe. Plansoll. Warum ist es so schwer die Ziele zu verfolgen. Verabredete Zeiten nie einhaltbar. Wollten da nicht Leute kommen und die Vorhangstange reparieren? Der auf dem Sofa eingeschlafene Hauptdarsteller, die verronnene Zeit. Die Panik, dass morgen wieder Feiertag ist und Übermorgen wohl auch. War am ende so verzweifelt über die gedehnten Zeitbegriffe, daß ich trotz wenig Fortschritt alle Angebote ausschlug, die Probe länger zu machen. Beharren auf wenigstens diesem einen Fixpunkt: In diesem Fall die Feierabendzeit. Es gut sein lassen.

Das alles ist gut zu schaffen, aber ich muss endlich deterministischer denken. Eben so wie im protestantischen Windsbach während des Samson-Projektes. Aber da kann man alle Religionen durchforsten wie man will… am Ende ist man dann doch wieder mehr katholisch als man je gedacht hätte.

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Jamaml sagt, mein „Dreambuildung“ sei früher die beste Gegend gewesen. die Gegend sagen alle sei auch generell sicher und teuer. viele Businessapartments. das Meer ist nah. aber „bevor Hamas kam“, eine wirklich gute Gegend. viel getrunken habe man hier, getanzt, gefeiert. „all the time!“ – Heute ist es also eine anständige Gegend. aber ein bißchen ausgestorben wirkt es schon. Verwirrung über die WOrte haram und halal. hängt damit zusammen, dass sie in diesem ZUsammenhang mit anderen Assoziationen verbunden sind. Birrel haram. kein gutes Bier. sich nicht die Hände geben, fnde ich – wie in Israel bereits gesagt – auch nicht gut. und wie kann Musik nicht haram sein? – DIe STimme von Fairuz aber schwebt über allem und macht alles gut.

6. November., Gaza

Gestern erster Skype-Theater-Test-Technik-Tag wirklich anstrengend. Immer an den ersten Tagen ist es wie ein nicht zu bewältigender Berg. Die Stromausfälle, trotz Generatoren, die Internetausfälle auf der anderen Seite, das warten auf einander. die nicht ankommenden Whatsapp über den Status der Probe. die Details die ich vergessen hatte zu sagen (wie wichtig das Licht auch auf der Miniaturbühne vor der Insightkamera ist), die Musikerin, die ich nicht im Kameravisier sah und dachte, sie sei gar nicht da. immer ist das nicht da, was ich nicht sehe. es ist aber da. Und dann sitzt man plötzlich doch einfach nur